Jürgen Habermas und die kommunikative Rationalität


Referat (Ausarbeitung), 2007

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Sprechakte und Geltungsansprüche
2.1 Die Sprechakttheorie
2.2 Geltungsansprüche
Geltungsansprüche und soziale Ordnungen

3. Diskurstheorie
3.1 Kommunikative Rationalität und Diskurs
3.2 Der Diskurs

4. Kommunikatives Handeln und Gesellschaftstheorie
4.1 Handlungstypen nach Habermas
4.2 Trennung von Lebenswelt und System
4.3 Rationalisierung der Lebenswelt – Vergleich zwischen moderner und mythologischer Weltanschauung

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Jürgen Habermas entwickelte mit seiner „Theorie des kommunikativen Handelns“[1]eine vollständig neue soziologische Herangehensweise an die Analyse gesellschaftlicher Funktionsweisen. Er definiert Kommunikation und nicht mehr Handeln als Ausgangspunkt der Soziologie, was den Vorteil hat, dass der schon von Weber als zentral angesehene Sinn von Handlungen nicht mehr „verstanden“ und interpretiert werden muss, sondern – in vielen Fällen – in der Kommunikation selbst ausgedrückt wird. Habermas leitete damit einen Paradigmenwechsel. So wurde grundlagentheoretisch der bewusstseinsphilosophische Ansatz durch den kommunikationstheoretischen abgelöst. Handlungstheoretisch verschob sich der Schwerpunkt vom zweckrationalen zum kommunikativen Handeln, wie auch rationalitätstheoretisch die Zweckrationalität durch die kommunikative Rationalität abgelöst wurde. Gesellschaftstheoretisch ermöglicht Habermas durch die Aufsplittung der Gesellschaft in die Ebenen Lebenswelt und System eine neue Möglichkeit moderne Gesellschaften zu analysieren und schließlich wendet sich Habermas von der rein funktionalen, analysierenden Theorie ab, er begründete und verteidigte eine normative Herangehensweise.

In dieser Arbeit soll nun die „Theorie des kommunikativen Handelns“ dargestellt werden, wobei der Schwerpunkt auf der kommunikativen Rationalität liegt. Als erstes werden die sprachphilosophischen Konzepte der Sprechakte und der Geltungsansprüche beschrieben (Kapitel 2), welche die Grundlage von Habermas Theorie bilden. Dann folgt eine Darstellung der daraus von Habermas entwickelten Handlungstypen (Kapitel 3), die in seiner Gesellschaftstheorie münden (Kapitel 4). Zum einen wird die Trennung von Lebenswelt und System genauer herausgearbeitet, zum anderen ein Vergleich zwischen der mythologischen und der modernen Weltanschauung angestellt, in dem auch Habermas die spezifische Rationalität moderner Gesellschaften näher zu definieren versuchte. Als letztes werden die dargestellten Teile der Habermasschen Theorie zusammenfassend erläutert und vorhandene Kritikpunkte aufgeführt (Kapitel 5).

2. Sprechakte und Geltungsansprüche

2.1 Die Sprechakttheorie

Unter Sprechakten werden sprachliche Ausdrücke verstanden, die über eine bloße Aussage hinausgehen, da sie eine Handlung beinhalten. Sprache ist somit nicht nur eine Möglichkeit zur Mitteilung von Gedanken, ein Medium zur Herstellung intersubjektiver Wirklichkeit, sondern geht darüber hinaus. Die Äußerung in Sprachform kann eine Handlung darstellen, die Wirklichkeit also nicht nur beschreiben, sondern formen.[2]

Sprechakte weisen drei verschiedene analytische Ebenen auf:[3]

- DenlokutionärenAkt: „etwas sagen“ - Diese Ebene bezeichnet den propositionalen Gehalt einer Aussage, also die bloße Mitteilung eines – wahren oder falschen – Gedankens.
- DenillokutinoärenAkt: „handeln, in dem man etwas sagt“ - Dies ist die Ebene, in der die spezifische Eigenart des Sprechaktesdeutlich wird. So wird zum Beispiel mit dem Satz „Ich empfehle die Suppe.“ die Wahl des Kommunikationspartners beeinflusst. Der Sprechende übt also Einfluss auf andere Menschen aus, handelt demnach.
- DenperlokutionärenAkt: „einen Effekt dadurch erreichen, dass man handelt, indem man etwas sagt“ - Der jeweilige Kontext bestimmt, ob ein illokutionärer Akt zu einer Perlokution wird und ob sich der erwünschte Effekt einstellt. Im Gegensatz zu Illokutionen sind Perlokutionen nicht selbstidentifizierend, sie ergeben sich „nicht aus dem manifesten Gehalt der Sprechhandlung, sondern nur aus den Intentionen des Handelnden.“[4]

Der lokutionäre Akt ist in jeder Aussage enthalten, er bezeichnet die Aussage selbst. Sachverhalte in der Welt werden durch ihn dargestellt. Sobald der Sprechende mit Hilfe einer Aussage eine Handlung vollführt, also versucht die Welt in irgendeiner Form zu beeinflussen, erhält seine Aussage eine Doppelstruktur. Es wird etwas (lokutionär) zu jemandem gesagt (illokutionär). Perlokutionäre Effekte treten auf, wenn eine Illokution Erfolg hat, zum Beispiel wenn ein Befehl befolgt wird, wenn das Gesagte bestimmte emotionale Zustände hervorruft oder als unbewusste Folgen. Perlokutionen entstehen dementsprechend vor allem aus gelungenen Illokutionen heraus, es gibt jedoch auch genuine Perlokutionen, bei denen die perlokutionäre Ebene im Vordergrund steht. In diese Kategorie fallen zum Beispiel Beleidigungen, Spott, Herabwürdigungen, Hohn oder Drohungen.

2.2 Geltungsansprüche

Des weiteren ist es für kommunikatives Handeln[5]unumgänglich, dass drei Geltungsansprüche von Aussagen eingelöst werden. Eine Aussage enthält den Anspruch auf Wahrhaftigkeit im Hinblick auf die Absichten des Sprechers, auf die Wahrheit der propositionalen Aussage und auf Richtigkeit im Kontext der sozial anerkannten Regeln und Normen.[6]Sprechakte können auf jeder dieser drei Ebenen kritisiert werden, der Sprechende muss dann glaubhaft machen, dass alle drei Geltungsansprüche eingelöst werden; nur dann kann von einem „herrschaftsfreien Diskurs“ gesprochen werden, den Habermas als die „ideale Sprechsituation“[7]charakterisiert.

Einer der drei Geltungsansprüche steht zumeist im Vordergrund, so dass drei Klassen von Sprechakten unterschieden werden können. In konstativen Sprechakten (Konstativa) steht der Geltungsanspruch auf Wahrheit im Mittelpunkt. Mit ihnen werden Sachverhalte der objektiven Welt[8]konstatiert, die entweder als wahr oder als falsch bezeichnet werden können. Der Anspruch auf die Wahrheit der Aussage kann mit Hilfe einer objektiven Überprüfung der getroffenen Aussage eingelöst werden. In regulativen Sprechakten (Regulativa) wird die soziale Welt thematisiert, also die Normen und Wertvorstellungen angesprochen. So kann allgemein auf die soziale Welt zurückgegriffen werden (z.B. durch die Entschuldigung für ein den geltenden Normen widersprechendes Verhalten) oder die Wahrheit der Normen und Werte in Frage gestellt werden. Als letztes gibt es die repräsentativen Sprechakte (Repräsentativ), in denen die subjektive Wahrnehmung des Sprechenden zum Ausdruck gebracht wird; Überzeugungen, Meinungen und Gefühle werden in ihnen thematisiert.

Geltungsansprüche und soziale Ordnungen

Die Geltungsansprüche beziehungsweise deren Einhaltung sind für Habermas das Kriterium, anhand dessen verschiedene soziale Ordnungen unterschieden werden können. So kann, wenn alle Geltungsansprüche eingelöst sind und kommunikative Rationalität gegeben ist, der Kommunikationsprozess als einverständnisorientiert beschrieben werden. Die kommunikativ Handelnden verständigen sich über die Geltungsansprüche und versuchen ihre Ziele ohne Beeinflussung des Gegenübers zu erreichen; dies ist verbunden mit der Bereitschaft die eigenen Ziele den „objektiven“ Argumenten des Kommunikationspartners anzupassen, um Einverständnis zu erreichen. Lediglich illokutionäre Akte sind somit erlaubt. Immer wenn diese Form der Kommunikation vorliegt, bewegen wir uns im Bereich der Lebenswelt, deren Grundlage die Sozialintegration ist. Sobald jedoch die Einlösung der Geltungsansprüche nicht mehr im Vordergrund steht, sondern die Zielerreichung, der Erfolg der kommunikativen Handlung das vorrangige Ziel darstellt, ist Einflussnahme und nicht mehr Einverständnis zentrales Moment. Durch die Beeinflussung von Akteuren wird dann versucht den Erfolg der eigenen Ziele durchzusetzen. Habermas verortet diese Art der Kommunikation im System der Gesellschaft, in dem mit Hilfe von Perlokutionen der Erfolg gewährleistet werden kann. Die Trennung von Lebenswelt und System wird in Kapitel 4 noch genauer dargestellt, da sie eine zentrale Stellung in der Habermasschen Gesellschaftstheorie einnimmt.

3. Diskurstheorie

Für Habermas, der seine Theorie auch immer auf die Realität und die demokratischen Defizite angewendet sehen wollte, ist der herrschaftsfreie Diskurs ein zentrales Konzept. Um diesen zu gewährleisten ist die kommunikative Rationalität eine entscheidende Voraussetzung.[9]In Anlehnung an Weber untersucht auch Habermas, was Rationalität ist und inwieweit die westlichen Gesellschaften durch Rationalisierungsprozesse geprägt sind.

3.1 Kommunikative Rationalität und Diskurs

Rationalität begreift Habermas nicht als das Haben von Wissen, sondern als die Art und Weise des Wissenserwerbs. Rationalität impliziert Reflexivität. Das bedeutet, dass nur durch die reflexive Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln (und Denken) rationales Handeln (und Denken) möglich ist. Zwei Arten der Rationalität können unterschieden werden. Zum einen wird Wissen verwendet um Eingriffe in die objektive Welt vorzunehmen. Hierunter versteht man die instrumentelle, teleologische oder Zweckrationalität, die Rationalität also, die auch bei Weber im Mittelpunkt seiner Untersuchungen zur Entwicklung der modernen Gesellschaften steht.[10]Wichtig ist hierbei, dass der Erfolg einer Handlung kein sicheres Indiz für ihre rationale Grundlage ist, sondern Rationalität an der Fähigkeit des Handelnden Gründe für seine Handlung anzuführen gemessen wird.

[...]


[1]Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns – Band 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1987

[2]Darstellung angelehnt an: Schützeichel, Rainer: Soziologische Kommunikationstheorien. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft 2004, S. 207 – 214

[3]Vgl. hierzu: Schützeichel (2004), S. 208

[4]Schützeichel (2004), S. 209

[5]Der Begriff wird im Folgenden noch näher erläutert werden.

[6]Vgl. Schützeichel (2004), S. 211 f

[7]Die Bedingungen der idealen Sprechsituation werden in Kapitel 3.2 noch näher dargestellt.

[8]Der Begriff „objektive Welt“ entstammt der Drei-Welten-Theorie von Karl Popper auf die Habermas hier zurückgreift. Ebenso im folgenden die „soziale“ und die „subjektive Welt“.

[9]Vgl. Horster, Detlef: Jürgen Habermas zur Einführung. 1. Auflage, Hamburg: Junius 1999, S. 11

[10]Vgl. Weber, Max: Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus. Erftstadt: Area Verlag GmbH

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Jürgen Habermas und die kommunikative Rationalität
Hochschule
Universität Osnabrück  (Fachbereich Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
18
Katalognummer
V73312
ISBN (eBook)
9783638741118
ISBN (Buch)
9783638755184
Dateigröße
501 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jürgen, Habermas, Rationalität, kommunikative Rationalität
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts (B.A.) Dirk Brockmeyer (Autor:in), 2007, Jürgen Habermas und die kommunikative Rationalität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73312

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