Walther von der Vogelweide. Politische Propaganda in der Sangspruchdichtung


Seminararbeit, 2006

24 Seiten, Note: Sehr gut

Karoline Ehrlich (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Walther und seine Zeit
2.1. Biographische Daten
2.1.1. Der einzige, außerliterarische Beweis
2.1.3. Die Standesfrage
2.1.4. Der Ursprung des Namens
2.2. Walther und die Politik
2.2.1. Das politische Umfeld
2.2.2. Der politische Charakter Walthers
2.3. Die politische Dichtung
2.3.1. Begrenzungen der politischen Dichtung

3. Darstellung der politischen Absichten Walthers
3.1. Der erste Reichsspruch
3.2. Der zweite Reichsspruch
3.3. Der dritte Reichsspruch

4. Zusammenfassung

5. Verwendete Literatur
5.1. Primärliteratur
5.2. Sekundärliteratur

1. Einleitung

Im Folgenden werden die politischen Aussagen Walthers von der Vogelweide unter Berücksichtigung der historischen Umstände dargelegt. Zunächst musste ich mich natürlich über die politischen Ereignisse zur Zeit Walthers und über sein Leben informieren, bevor ich mich den politischen Sprüchen zuwenden konnte. Auf diese beiden Punkte gehe ich daher im ersten Teil meiner Arbeit ein, da sie die Grundvoraussetzungen zum Verständnis der Sprüche Walthers bilden. Außerdem habe ich mich noch mit den Begrenzungen eines politischen Dichters beschäftigt, da dies wichtig ist, um Walthers Intention besser zu verstehen.

Zur Darstellung seiner politischen Aussagen in seinem Werk habe ich den Reichston ausgewählt, da alle drei Sprüche eine klare politische Stellung beziehen und inhaltlich eine überaus deutliche Einheit bilden. Die Sprüche spiegeln die für diese Arbeit wichtigen politischen Verhältnisse des Reichs um 1200 wider. Die Untersuchung des Reichstons auf seinen politischen Inhalt hin bildet somit den letzten und größten Teil meiner Arbeit. Im Laufe meiner Untersuchung komme ich insofern vom Allgemeinen auf das speziell Walther Betreffende.

Mittelhochdeutsche Ausdrücke und Zitate aus dem Reichston habe ich in meiner Arbeitkursivgeschrieben, um sie besser hervorzuheben.

2. Walther und seine Zeit

2.1. Biographische Daten

Die Lebenszeit von Walther von der Vogelweide wird in den Zeitraum von ungefähr 1170 bis nach 1228 datiert.[1]Walther selbst ist als Person nur einmal, für das Jahr 1203, urkundlich nachweislich belegt (siehe Punkt 2.1.1). Ein weiterer urkundlicher Beleg muss hypothetisch bleiben, da es an direkten biographischen Zeugnissen fehlt, um genaue Angaben über das Leben und die Person Walthers von der Vogelweide zu machen. Allerdings beziehen sich Walthers Spruchdichtungen auf historische Gestalten und deren - meist urkundlich fassbares - Wirken. Ebenfalls bringt Walther seine eigene Person in, für die damalige Zeit, sehr hohem Maße in seine Spruchdichtung ein. Die verschiedenen Stationen seines Lebens kann man also hauptsächlich an den Strophen festmachen, die Walther im Herrendienst verfasst hatte.[2]Allerdings lassen sich die Strophen mehr auf einen Zeitraum als auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen. Trotzdem kann man aufgrund des überlieferten Datenmaterials einen recht genauen zeitlichen Abriss von Walthers Lebensstationen erstellen:[3]Walther von der Vogelweide wurde um 1170 vermutlich in Niederösterreich geboren. Von 1190 bis 1198 lebte und arbeitete er unter Herzog Friedrich dem Katholischen am Wiener Hof der Babenberger und kam hier durch Reinmar von Hagenau zum Minnesang. Walther von der Vogelweide wurde Reinmar von Hagenaus Schüler und bewunderte er seinen Lehrer anfangs noch, wurde er später sein Erzrivale, die in der literarisch bezeugten „Reinmar-Walther-Fehde“ ihren Niederschlag fand. 1198 musste er dann nach dem Tod Herzog Friedrichs den Hof in Wien verlassen und als Wanderdichter seinen Lebensunterhalt verdienen, wobei er immer wieder an den Höfen deutscher Kaiser verweilte. In dieser Zeit veränderte und erweiterte sich sein Weltbild stark, was man schon allein daran erkennen kann, dass er die politische Spruchdichtung, die es so noch nicht in Deutschland gab, begann. Um 1200 hielt Walther sich des öfteren am Hofe Philipps von Schwaben auf und schrieb für ihn um 1202 den Philippston. Um 1203 hatte sich Walther bereits von Philipp gelöst und war im Gefolge des Bischofs Wolfger von Passau. Aus dieser Zeit stammt auch die einzige Urkunde, in der Walther erwähnt wird: der Bischof schenkte ihm einen größeren Geldbetrag zur Anfertigung eines Pelzmantels. Mit dem Bischof kam Walther auch kurzzeitig zurück nach Wien. Außerdem hielt er sich über längere Zeiträume am Hof des Thüringer Landgrafen, in Meißen und Bayern auf. Um 1211 wurde Walther dann vorübergehender Anhänger Ottos IV. und schrieb den Ottenton. Um 1212 löst sich Walther aber schon wieder von diesem. Um 1212 wurde Walther dann auch Anhänger Friedrichs II., an dessen Hof er sich von 1213 bis 1229 immer wieder aufhielt. Von Friedrich II. erhielt Walther um 1220, evtl. sogar aufgrund der so genannten Lehensbitte[4](28,1) oder anderen Bittstrophen, sein Lehen, d.h. eine Bleibe, eine Immobilie oder ein Grundstück mit einem kleinen Haus.[5]Damit wurde sein ersehntes Lebensziel erfüllt. Nun reiste er weniger durch das Reich, da er nunmehr Friedrich als Lehnsherr verpflichtet war. Dennoch gibt es einige Quellen, die besagen, dass Walther auch noch nach Lehnensvergabe weiterhin Aufträge von anderen Fürsten annahm und somit die Zeit von 1220 bis zu seinem Tod folglich nicht an einem einzigen Ort verbrachte.[6]Schließlich bedankt sich Walther um 1220 bei seinem Gönner Friedrich II. für sein Lehen mit dem so genannten Lehensdank[7](28,31), was seinem Wanderleben zumindest formal ein Ende bereitete. Um 1230 starb Walther, sein Grab befindet sich, nach einer aus dem Jahre 1350 stammenden Überlieferung von Michael de Leones Hausbuch und der Manuale, in Würzburg.[8]Walther war schon zu seinen Lebzeiten wohl bekannt, worauf insbesondere namentliche Erwähnungen in den Werken zeitgenössischer Dichterkollegen schließen lassen. Bedeutsam ist hierbei die Textstelle in Gottfried von Straßburgs ,Tristan’, der in seiner berühmten Dichterschau die Kunst der Lyriker hervorhebt. Er bezeichnet Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide alsnahtegalen, also Nachtigallen, und bezieht sich damit wohl auf die besonderen Sangesqualitäten der Dichter.[9]Gottfried setzt seine Würdigung der Minnelyriker an eine besonders wichtige Stelle im Tristan an: nämlich bei der Schwerteleite Tristans, die über den absoluten Machtanspruch entscheidet, damit Tristan sein königliches Erbe von rechtswegen überhaupt antreten kann. Eingebettet in diese inhaltlich wichtige Stelle erscheint die Huldigung an Walther damit unproportional erhöht. Gottfried würdigt Walther damit nämlich nicht nur als den größten lebenden Dichter nach dem Tode Hagenaus, sondern weist ihm auch einen besonderen Stellenwert in der Lebensgeschichte Tristans zu.

wer leitet nû die lieben schar?

wer wîset diz gesinde?

ich waene, ich sî wol vinde,

diu die baniere vüeren sol:

ir meisterinne kann ez wol,

diu von der Vogelweide[10](v. 4796-4801)

Walther wird ebenso bei Wolfram von Eschenbachs Parzival und Willehalm erwähnt. Dabei nennt ihn Wolfram in Vers 297,24hêr Walther[11]und in Vers 286,19hêr Vogelweid[12]was wiederum beweist, dass Walthers bereits zu Lebzeiten frühen Ruhm erlangte.

2.1.1. Der einzige, außerliterarische Beweis

Die einzige außerliterarische Notiz, die über einen bestimmten Zeitpunkt Auskunft über Walthers soziale und künstlerische Existenz gibt, stammt aus dem Jahre 1203. Dabei handelt es sich um eine Reinschrift der Reiserechnung des Bischofs Wolfger von Passau, dem späteren Patriarch von Aquileja, worin notiert steht, dass Walther von der Vogelweide am 12. November 1203 fünf lange Schillinge, d.h. 150 Denare (Silberpfennige), erhalten hat, um sich davon einen Pelzrock kaufen zu können:Sequenti die apud Zei[zemurum]Waltherocantoride vogelweide pro pellicio. v. sol. longos.[13]Außerdem existiert noch eine Kopie von der Reinschrift, die jedoch als Vorlage gedient haben soll und in einigen wenigen Punkten von der Reinschrift selbst abweicht. Nach Bein[14]erhält die Reinschrift im Vergleich zum Konzept der Rechnung besondere Vorteile: Zum einen wird ein Datum angegeben (sequentii die, d.h. ein Tag nach dem Martinstag), zweitens wird der Ort im österreichischen Zeiselmauer (apud zeizemurum, genauer: bei Zeiselmauer) genannt und drittens enthält die Reinschrift wichtige Bemerkungen über Walthers ausgeübten Beruf und seinen sozialen Rang.

In den Reisekosten des Wolfger von Passau taucht Walther mit dem Titel ‚cantori’ auf. Im mittellateinischen Wörterbuch findet Cruschmann unter dem Lexem ‚cantori’ eine Bandbreite an Definitionen, die von Sänger, bis Dichter, bis hin zum fahrenden Sänger und Instrumentalist bedeuten können. Innerhalb dieser relativ breiten Auswahl an Definitionsmöglichkeiten ist der exakte berufliche Status Walthers wohl am wenigsten auszumachen.

Obviously, the range of application, even within this particular category of meaning, is extremely wide, and without a qualifying adjective or phrase, the word does not confer special recognition beyond the fact that the person so designated specialized in writing or reciting poetry or in some predominantly musical activity.[15]

Anhand verschiedener Textstellen in Walthers Werken kann zumindest festgelegt werden, dass Walther ein fahrender Sänger[16]und Berufsdichter war, der von seiner Kunst lebte[17], der stets auf der Suche nach einem neuen Gönner war, um damit sowohl für seine leiblichen Bedürfnisse zu Sorgen, als auch um in der Gesellschaft anerkannt zu werden. Somit könnte das Lexem ‚cantori’ im Falle Walthers soviel wie ‚ausübender Musiker’, aber auch der fachlich geschulte und gebildete Musiker, der Experte also, bedeuten.

Über die Bedeutung von ‚cantori’ gehen die Meinungen weiter auseinander. Hahn[18]deutet ‚cantori’ auf einen gewissen sozialen Rang von Walther, etwa dem eines Chordirigenten im Passauer Dom, oder aber trägt das Wort ‚cantori’ dem Umstand Rechnung, dass Walther eine spezielle klerikale Schulbildung genossen hat?[19]Es ist bis heute noch nicht geklärt, ob ‚cantori’ sich auf den Stand Walthers bezieht, oder ob es lediglich Auskunft über das gibt, was er beruflich macht, also singen. Nach der Auffassung von Newald bezeichnet der Terminus ‚cantori’ im Falle Walthers weniger eine Amts- als eine Berufsbezeichnung.[20]Außergewöhnlich für jene Zeit ist allerdings die überdurchschnittliche Höhe des Geldbetrages[21], ja sogar, dass überhaupt Geld anstatt Materialien gegeben wurden. Doch ist diese Bezahlung wohl eher auf die guten künstlerischen Darbietungen Walthers zu beziehen, als auf seinen Stand. Laut Curschmann zwingt nichts in dem notierten Vorgang mehr zu sehen als eine gut angemessene Belohnung für eine qualitätsvolle Darbietung des fahrenden Dichter bzw. Sängers Walther.[22]So schreibt Curschmann, dass es in Österreich, im Vergleich mit anderen Ländern, sehr selten herausragende Künstler gab. Wegen dem Mangel an guten Künstlern im kulturellen Hinterland Österreich sieht Curschmann auch die Ursache für die Bezahlung einer so hohen Summe für Walthers außergewöhnliche Fähigkeiten: „The Austrian scene looks barren by comparison, a cultural hinterland where it was unusual to come across a really skilled performer.This in itself may help to explain why Walther received as much as he did.“[23]

[...]


[1]Bein, Thomas: Walther von der Vogelweide. Stuttgart: Reclam 1997 (= UB 17601). Seite: 32. (wird künftig zitiert als Bein, Seite: 32).

[2]Vgl. Scholz, Manfred Günter: Walther von der Vogelweide. 2., korrigierte und bibliographisch ergänzte Auflage. Stuttgart: J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung 2005 (= SM Bd. 316). Seite: 14. (wird künftig zitiert als Scholz, Seite: 14)

[3]Vgl. Brunner, Horst: Geschichte der deutschen Literatur des Mittelalters im Überblick. Stuttgart: Reclam 1997 (= UB 9485). Seite: 179-180.

[4]Walther von der Vogelweide. Werke Band 1: Spruchlyrik. Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch. Stuttgart: Reclam 2005 (= UB 819). Seite: 126. (wird künftig zitiert als Walther von der Vogelweide, Seite: 126).

[5]Vgl. Bein, Seite: 34-35.

[6]Vgl. Scholz, Seite: 15; Vgl. auch Heger, Hedwig: Das Lebenszeugnis Walthers von der Vogelweide. Die Reiserechnungen des Passauer Bischofs Wolfger von Erla. Mit 4 Tafeln und 3 Beilagen. Wien: Verlag A. Schendl 1970. Seite: 226. (wird künftig zitiert als Heger, Seite: 226).

[7]Walther von der Vogelweide, Seite: 128.

[8]Vgl. Scholz, Seite: 16.

[9]Vgl. Reichert, Hermann: Walther von der Vogelweide für Anfänger. 2., neu bearb. Aufl. Wien: WUV.-Verlag 1998. Seite: 27; 73. (wird künftig zitiert als Reichert, Seite: 27)

[10]Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Bd. 1, Hg., übersetzt und kommentiert von R. Krohn. Reclam: Stuttgart 2003 (= UB 4471). Seite: 294.

[11]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung, Studienausgabe. 2. Aufl., Berlin/New York: Walter de Gruyter 2003. Seite: 301.

[12]Wolfram von Eschenbach: Willehalm. 3., durchges. Aufl. Text der Ausgabe von Werner Schröder, Übersetzung, Vorwort u. Register von Dieter Kartschoke. Berlin/New York: Walter de Gruyter 2003. Seite: 185.

[13]Heger, Seite: 208.

[14]Vgl. Bein, Seite: 27.

[15]Curschmann, Michael: Waltherius cantor. In: Oxford German Studies 6. 1972. Seite 5-17; Seite 9. (wird künftig zitiert als Curschmann, Seite 9).

[16]Heger spricht sich dagegen aus und stellt fest, dass man sich endgültig von der Vorstellung befreien sollte, dass Walther ein fahrender Sänger gewesen sein soll. Heger, Seite: 221.

[17]Heger, Seite: 225.

[18]Vgl. Hahn, Gerhard: Walther von der Vogelweide: Eine Einführung. 2., durchges. Auflage. München; Zürich: Artemis-Verlag 1989 (= Artemis-Einführungen; Bd. 22). Seite: 21. (wird künftig zitiert als Hahn, Seite: 21).

[19]Ranawake, Silvia: Walthers Lieder der „Herzeliebe“ und die höfische Minnedoktrin. In: Birkhan, Helmut (Hg.): Minnesang in Österreich. Wien 1983 (= Wiener Arbeiten zur germanischen Altertumskunde und Philologie 24), S. 109-152. Seite 148.

[20]Zit. nach: Heger, Seite: 221.

[21]Ebd.: Seite: 224.

[22]Vgl. Hahn, Seite: 21.

[23]Curschmann, Seite: 10.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Walther von der Vogelweide. Politische Propaganda in der Sangspruchdichtung
Hochschule
Universität Wien
Veranstaltung
Proseminar Ältere deutsche Literatur
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V60812
ISBN (eBook)
9783638543927
ISBN (Buch)
9783638714242
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Walther, Vogelweide, Politische, Propaganda, Sangspruchdichtung, Proseminar, Literatur
Arbeit zitieren
Karoline Ehrlich (Autor:in), 2006, Walther von der Vogelweide. Politische Propaganda in der Sangspruchdichtung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60812

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