Nachrichtentexte in Druckmedien als Fachtextsorte - Charakteristika und Anforderungen


Hausarbeit, 1998

47 Seiten, Note: Leistungsnachweis erreicht


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1 Definitionen
1.1 Fachtextsorte „Nachrichten“
1.2 Darstellungsformen
1.2.1 „Harte“/„weiche“ Nachrichten
1.2.2 Bericht/Meldung

2 Charakteristika
2.1 Kommunikative Merkmale
2.2 Vokabular
2.3 Syntax
2.4 Stil
2.5 Aufbau
2.5.1 Pyramidenprinzip
2.5.2 Vorspann
2.5.2.1 „W-Fragen“
2.5.2.2 Vorspann-Arten
2.5.2.3 Vorspann-Einstieg
2.5.2.4 Vorspann-Brücke
2.6 Tempus und Anbindung

3 Anforderungen an Nachrichtentexte
3.1 Nachrichtenwert
3.2 Stil
3.3 Verständlichkeit
3.4 Objektivität
3.4.1 Quellen
3.4.2 Zitate
3.4.3 Personen und Identifizierung
3.5 Stichwort „Manipulation“

4 Zusammenfassung

5 Stellungnahme

6 Anhang
6.1 Literaturliste

0 Einleitung

Die Massenmedien haben keine eigene „Sprache“, wenn man Sprache im Sinne von „Sub­­­system“, „Varietät“ oder ähnlich versteht. Wohl aber haben sie eigene Prak­tiken des Umgangs mit Sprache - eigene kommunikative Verfahren und in gewissem Rahmen eigene Textsorten - entwickelt, die sie von der übrigen Sprachrealität deutlich abheben. (Burger 1984, 3)

Nachrichtentexte als Facette der Massenmediensprache tragen unverkennbare Züge einer Fachsprache, sagt Rolf Küffner in seinem hervorragenden Aufsatz „Nach­richtensprache - eine Fachsprache mehr“. Küffner erkennt, daß in der Funktion der Nachrichtensprache ihre größte Schwierigkeit liegt: reine Information mitteilen. Doch dafür - und das macht die faszinierende Anforderung aus - ist die Sprache nicht geschaffen. Wolf Schneider, der oberste Stillehrer der deutschen Journalisten, stellt fest: „Daß Mitteilung weder der Ursprung noch eine der dominierenden Ve­r­wendungsarten der Sprache ist, merken wir ihr schmerzlich an.“ (nach Küffner, 75)

Um die Forderung zu erfüllen, komplexe Sachverhalte komprimiert und zugleich wert­­­frei darzustellen, bedient sich die Nachrichtensprache ähnlicher Elemente wie die Sprache der Wissenschaft. Jene jedoch ist bekanntlich kaum von der breiten Öffentlichkeit zu verstehen - aber genau das wird von der Nachrichtensprache ver­langt. Dem Ideal kann sich somit nur angenähert werden, und das ist „eine Kunst, die nicht nur intuitives Können, sondern auch wissenschaftliches Kennen ihrer Gesetze verlangt.“ (Kurz, 138) Diese Gesetze sollen betrachtet werden, denn „die Nachricht ist das Einfache, das schwer zu machen ist.“ (Kurz, 138)

Die Empfehlungen für das Produzieren von Nachrichtentexten sind in der journalistischen Lehrbuch-Literatur weitaus umfangreicher als in der linguistischen Fachliteratur, wo oftmals nicht einmal der frappierende Unterschied zwischen „harten“ und „wei­chen“ Nachrichten berücksichtigt wird. Andererseits führt die Sprachwissenschaft auf Probleme, die von den Journalismus-Lehrbüchern kaum ansatzweise berücksichtigt werden.

1 Definitionen

1.1 Fachtextsorte „Nachrichten“

„Eine Nachricht ist die objektive Mitteilung eines allgemein interessierenden, aktuellen Sachverhalts in einem bestimmten formalen Aufbau.“ (LaRoche, 64)

„Nachrichten“, derart definiert als eine bestimmte Art journalistischen Textvorkommens, (Möhn, 152) also als journalistische Darstellungsform betrachtet, gehören zu der sprachlichen Kategorie „Fachtext“. Denn „der Fachtext ist Instrument bzw. Resultat der im Zusammenhang mit einer spezialisierten gesellschaftlich-produktiven Tätigkeit ausgeübten sprachlich-kommunikativen Tätigkeit.“ Zudem bildet er eine strukturell-funktionale Einheit und besteht aus einer „endlichen geord­neten Menge pragmatisch, semantisch und syntaktisch kohärenter Sätze oder satzwertiger Einheiten“. (Gläser, 19)

Nachrichten sind massenmediale Texte, somit sachgebunden, vorrangig wissensbezogen und medien- bzw. werbesprachlich gestaltet. Im Gegensatz zu anderen Fachtextsorten ist ihre Rezeption freiwillig. Deshalb werden bei Nachrichten rhetorisch-stilistische Mittel verwendet, welche das Interesse des Rezipienten wecken oder verstärken sollen. Dazu gehören Bilder, Vergleiche, Metaphern und aufwertende Adjektive. (Möhn, 152f) Angestrebt wird gleichwohl, für Fachsprachen charakteristisch, eine konnotationsfreie Sprache. (Küffner, 76)

Nachrichten sind der einzige Teil der Mediensprache, der breit und interdisziplinär untersucht ist. (Burger 1984, 97) Nachrichten erlauben Analyse u. a. hinsichtlich linguistischer, soziolinguistischer und soziokultureller Aspekte, sowie konversationeller, kritisch-linguistischer und sozial-semiotischer, kognitiver und kulturell-genre­typischer. (Fairclough) Die Nachricht vermittelt graphetische, graphemische, pho­netische, phonemische, morphemische, syntaktische und semantische Informatio­nen. (Althaus, 688)

Als Untergruppe der massenmedialen Texte gehören Nachrichtentexte zur Kategorie der informationsbetonten pressesprachlichen Texte. (Lüger, 89) Doch jede Fach­textsorte ist „(...) in Abhängigkeit vom Spezialisierungsgrad von kommunikativen Normen bestimmt, die einzelsprachlich unterschiedlich stark ausgeprägt sein können.“ (Gläser, 29) Begriffe wie Zeitungssprache oder Pressestil bezeichnen ein „mix­tum compositum“. (Althaus, 331) Auch bei Nachrichtentexten müssen unterschiedliche Darstellungsformen unterschieden werden.

1.2 Darstellungsformen

Die Sprache der Nachrichten ist sehr geprägt vom Zwang zu bestimmten Darbietungsformen. (Küffner, 73)

1.2.1 „Harte“/„weiche“ Nachrichten

Die beiden folgenden ersten Sätze von Zeitungsartikeln sind unter der selben Rubrik veröffentlicht worden: „News“.

The Quebec government will table tobacco-control legislation in the National Assembly before May 15 and hopes to have it passed in the current session of the legislature, Health Minister Jean Rochon said yester­day. The announcement was greeted with cautious optimism by anti-tobacco activists, who had feared Premier Lucien Bouchard's cabinet had been getting cold feet on its 2-year-old promise to introduce such a law.

„the Quebec Gazette“, 2.5.98

Don't tell Phil and Grant...but Kathy's having no ender fun since waving goodbye to wet Walford. She broke the Mitchell brothers' hearts when she left the Albert Square caff and took her baby son to live in South Africa.

„The Sunday Mirror“, 2.5.98

Die Nachricht meldet statisch, wer was wann wo und wie getan hat, gelegentlich das Warum. (Linden, Texte, 4) Von allen journalistischen Darstellungsformen hat die Nachricht die direkteste Verbindung zum Ereignis. Jenes soll sie zunächst weder kommentieren noch zu einer erzählenden Story verarbeiten. (Zschunke, 77)

Aber man vereinseitigt den Kommunikationsvorgang, betrachtet man einen Fachtext einzig unter dem Aspekt „Informationsvermittlung“, womit er auf die referentielle Funktion der Sprache festgelegt wäre. Auch im Fachtext „(...) sind andere Grundfunktionen der Sprache zumindest latent vorhanden, selbst wenn die referentielle Funktion im Vordergrund steht.“ (Gläser, 20) Nachrichtentexte haben neben der Informations- eine Unterhaltungsfunktion. (Weischenberg, 29) Deshalb unterscheidet man „harte“ und „weiche“ Nachrichten („hard news“/„soft news“), wobei das Textspektrum von Mischtypen geprägt ist. (Lüger, 108)

„Harte Nachrichten“ sollen Informationen vermitteln: aktuell, sachlich und unparteilich, das heißt ohne Kommentierungen, und möglichst knapp, prägnant. Themen sind vor allem Angelegenheiten von großer politischer, wirtschaftlicher und kultureller Bedeutung. Der Textaufbau hat ein relativ festes Schema: Ausgangspunkt ist meist eine zentrale Aussage, die dann abgestuft nach Wichtigkeit erweitert werden kann („Pyramidenprinzip“, „inverted pyramid“). (Lüger, 94f)

Begründet wird das Prinzip mit der Annahme „Zeitungsleser lesen nur wenige Minuten täglich“; die Rezipient sollen deshalb schnell die wichtigsten Fakten bekommen können. Außerdem wird das Pyramidenprinzip mit Forderungen der Produktion begründet. Damit z. B. die Nachricht an verschiedenen Stellen im Layout leicht eingepaßt werden kann, sollen Nachrichten „von hinten“ kürzbar sein, ohne daß dadurch wichtige Informationen vernichtet würden. (Wallace, 271) Das wichtigste Konstruktionsmittel des Pyramidenprinzips, die Wichtigkeitsabstufung, als allerdings nur ein Ideal: Der Grad der Wichtigkeit könnte nur dann zuverlässig beurteilt werden, wenn Textverständnisse und Interessenlagen der Rezipienten bekannt wären. (Lüger, 96)

„Weiche Nachrichten“ sind in Textstruktur und Formulierungsweise erheblich variabler. Diese Textsorte zeichnet sich durch lesewerbende Informationspräsentation aus. (Lüger, 95) Themen sind Skandale, Verbrechen, Naturkatastrophen, Unglücksfälle und Einzelheiten aus dem Leben bekannter Persönlichkeiten oder sonstige „human-interest“-Stories. (Lüger, 103)

1.2.2 Bericht/Meldung

„Nachricht“ ist ein Oberbegriff für knapp und möglichst unparteilich formulierte Informationen der Massenmedien. Üblicherweise werden Nachrichten formal in ihre Darstellungsformen „Meldung“ und „Bericht“ unterschieden, wobei der Übergang zwischen Meldung und Bericht im tatsächlichen Vorkommen eher fließend ist. (Weischenberg, 25)

„Meldungen“, auch „Einspalter“ genannt, sind Kurz-Nachrichten von gewöhnlich nicht mehr als etwa 25 Druckzeilen und enthalten nur die notwendigsten Informationen. (Weischenberg, 25) In ihrem Kern besteht die Meldung aus einer einfachen Sachverhaltsdarstellung (Lüger, 89), die feststellen, ankündigen und behaupten kann. Die dominierende sprachliche Handlung ist jedoch das Mitteilen: Der Textproduzent macht Aussagen über einen Sachverhalt, den er für verbürgt hält. Der behauptende Charakter wird vorausgesetzt und daher auch nicht eigens versprachlicht. (Lüger, 91) Die Darstellungsweise wirkt wertungsneutral. (Lüger, 95)

„Berichte“ (auch als „Zwei“- oder „Dreispalter“ bezeichnet) stellen Ereignisse ausführlicher dar; sprachliche Mittel des Erzählens sind eher erlaubt. (Weischenberg, 25) Berichte können unterteilt werden in

- Tatsachenbericht („fact story“): Fakten werden zusammengefaßt, zugeordnet und gewichtet; die zentrale Tatsache ist an den Anfang gestellt;
- Handlungsbericht („action story“): Der Ablauf von Ereignissen wird zu einem Endpunkt hin dargestellt, der am Anfang des Berichts plaziert wird;
- Zitatenbericht („quote story“): komprimierte Aussagen aus Reden, Diskussionen, Manuskripten oder Interviews; die Kernaussagen werden herausgehoben und an den Anfang gestellt. (Weischenberg, 26-29)

2 Charakteristika

Fachsprachen sind bestimmt durch eine charakteristische Auswahl, Verwendung und Frequenz sprachlicher Mittel. Gegenüber anderen Sprachvarianten zeichnet sich Fachsprache durch größere Normhaftigkeit aus, besonders in Lexik und Struktur. (Möhn, 27) Pressesprache ist jedoch relativ heterogen. Je mehr man versucht, Pressesprache zu beschreiben, desto deutlicher wird es notwendig, das Analysefeld zu be­grenzen. Das kann geschehen durch Differenzieren nach Publikationen (etwa „seriöse Presse“/„Boulevardzeitungen“) oder nach inhaltlichen Bereichen (Sparten, Rubriken). (Lüger, 37) Generell jedoch gilt für Nachrichtensprache: Sofern sie sich um Neutralität bemüht, sind ihre Charakteristika jenen der Fachsprache der Naturwissenschaftler verwandt. (Küffner, 75)

2.1 Kommunikative Merkmale

Nachrichten überwinden räumliche, zeitliche und soziale Distanzen. Denn sie werden über einen Informationsträger kommuniziert, der eine entsprechende Verbreitungs- und Vervielfältigungskapazität besitzt. (Althaus, 328)

Die Produktion und Rezeption von Nachrichten besteht aus Transformationen in verketteten kommunikativen Ereignissen. (Fairclough, 50) Nachrichten, die „Ur­zelle der Zeitung“ (Althaus, 332) könnte man als „Zeitungs­kommuni­kations­handlung“ bezeichnen und als „page-to-face-communication“ klassifizieren. Somit hat Nachrichtensprache die Merkmale „non-person-to-person“, „verschiedener Wahrnehmungsraum“ und „schriftlich vermittelt“. Spezifische Merkmale sind:

- „Multistadialität“: eine komplexe Kombination zeitlich aufeinanderfolgender, eigenständiger Kommunikationsprozesse/Interaktionsstadien, die dyadisch sind, also aus je zwei Einheiten bestehen (zum Beispiel Korrespondent - Redakteur, Redakteur - Redaktion, Redaktion - Rezipienten etc.); (Kniffka, 29) das Produzieren von Nachrichten ist ein kollektiver Prozeß (Fairclough, 48);
- „Multifunktionalität“: Der Empfänger der vorhergehenden Dyade fungiert als Sender der folgenden Dyade;
- „Multimedialität“: verschiedene Medien sind beteiligt (zum Beispiel Telefon, Tele­fax, Zeitungsausgabe). (Kniffka, 29)

Zur Analyse einer Zeitungs­kommuni­kations­handlung sind vier Textkomponenten, und alle möglichen Interrelationen zwischen ihnen, zu beachten: externe Textkomponenten (Setting, Ort, Zeit); interne (Mitteilungsform und -inhalt); phänotypische (gra­fische Aufmachung) sowie analytische (leserorientierte). (Kniffka, 35)

Der erste Satz einer Meldung zeigt eine spezielle kommunikative Situation. Nachdem die Grundlage geschaffen worden ist, auf dem eine Kommunikation mit dem Rezipienten stattfinden kann, wird das Thema benannt. Der kommunikative Kon­text ist in dem Sinne bereits gegeben, daß der Rezipient eine Information über kürzlich geschehene Ereignisse oder Prozesse erwartet. Das bedeutet für das Zeit­element in dieser Art Kommunikation, daß es als „gestern“ oder „kürzlich“ vorausgesetzt wird. Lediglich spezifischere Zeitangaben werden gemacht. Im zweiten Teil des ersten Satzes wird dann eine neue Kommunikation eröffnet. (McDonald/Sager, 23)

Zu den kommunikativen Eigenarten der Nachricht könnte man auch ein semantisch­es Charakteristikum zählen, das die Nachrichtensprache wie keine andere Spezialspra­che aufweist: eine durchgängige Mehrstufigkeit. Die Metaaussage ist die Aussageform der Nachricht schlechthin. Beispiel: In the wake of U.S. Senate approval of NATO expansion to include Poland, Hungary and the Czech Republic, U.S. and European officials say the Western military alliance must focus on breathing new life into a flagging security partnership with Russia. („Detroit News“, 5.2.98) Hier macht der Produzent der Nachricht eine Aussage über die Aussage von Offiziellen, die eine Aussage („say“) über die Aussage des Senats („approval“) über eine Aktion der NATO machen.

Rolf Küffner (1982) findet in einer Meldung, die aus drei Sätzen besteht, eine fünfstufig Semantik: eine Aussage des Nachrichtentexters über eine Aussage über eine Aussage über eine Aussage über eine Aussage über eine Aussage. Eine metasprachliche Struktur dieses Grades entdeckt Küffner in keiner anderen Spezialsprache . (Küf­fner, 78)

2.2 Vokabular

Die Nachricht ist Abstraktion. Daraus folgt ein sehr hoher Anteil an Substantiven und ein verschwindend geringer an Adverbien. Im Substantivgehalt rangiert die Nachricht mit 26 bis 44 Prozent noch vor dem Leitartikel (19 bis 35 Prozent). (Kurz, 137) Gleichwohl werden Adjektive benutzt, um der Nachricht „Farbe“ zu geben. („high­lighting“) (Wallace, 276)

Verglichen mit der Syntax erscheinen spezifische Kennzeichen des Wortschatzes schwerer greifbar, vor allem was die Pressesprache allgemein betrifft. (Lüger, 30) Das Vokabular von Nachrichten entspricht dem „offiziellen“ Vokabular, das heißt dem Vokabular der Kommuniqués, der Statistiken, der Behördenvertreter. (Burger 1984, 113)

Bei der Wortbildung beobachtet man, daß häufig Komposita verwendet werden; oft, um eine Sachverhaltsdarstellung abzukürzen (zum Beispiel „die Minister-Forderung“). (Lüger, 33) Die Tendenz zur sprachlichen Ökonomie verstärkt die Schwierigkeit und Vagheit des Wortschatzes, etwa wenn bei diesen Komposita die Relationen nicht sogleich faßbar oder gar mehrdeutig sind (zum Beispiel „Polen­reise“: „Reise nach Polen“, „Reise in Polen“ oder „Reise der Polen“?). (Lüger, 31f)

In der Regel ist das auffallendste Kennzeichen, daß neue Bezeichnungen verwendet werden, die in den gängigen Wörterbüchern (noch) nicht verzeichnet sind. Das liegt vor allem an dem ständigen Wandel sozialer, wissenschaftlicher und technischer Ver­hältnisse, deren Darstellen eine Aufgabe der Medien ist. So erklärt sich auch eine weitere Tendenz, die sich in der deutschen Gegenwartssprache allgemein, in der Pressesprache aber verstärkt zeigt: fachsprachliche Ausdrücke und Fremdwörter dringen ein. (Lüger, 31f) Nachrichtensprache als Teil der Pressesprache ist der wohl wichtigste Kanal, über den sich neue Wörter, Ausdrücke und sprachliche Konzepte übertragen. (Mc­Donald/Sager, 19) Die Nachrichtensprache wird wohl auch massiv durch das Englische beeinflußt. Einerseits nimmt sie englisches Sprachgut als Fremdwörter ins Deutsche, was mit gewissen Prestigeeffekten verbunden ist, andererseits fast unmerklich durch die Konstruktionen und Bedeutungen, mit denen deutsches Sprachgut aufgrund von Übersetzungen verwendet wird. (Ahrens, 65)

Kennzeichnend sind auch Verschiebungen in der relativen Häufigkeit von Wörtern. So sind zum Beispiel Begriffe wie „Wende“ in ihrer Gebrauchshäufigkeit eindeutig an bestimmte politische Zusammenhänge gebunden. (Lüger, 30)

Spezifische Merkmale sind eher zu erkennen, wenn man sie auf die Inhalte bezieht, also zum Beispiel die Unterschiede zwischen Sport- und Wirtschaftsnachrichten untersucht, weil diese sprachlich stark von dem Vokabular des Berichtsgegenstandes abhängen, (McDonald/Sager, 20; Küffner, 72f) oder Arten von Pressemedien betrachtet. So ist beim Wortgebrauch von Boulevardzeitungen folgendes zu beobachten: Tendenz zu drastischer Ausdrucksweise; regionale Varianten, sondersprachliche Wendungen, Modewörter und übertreibende (hyperbolische) Bilder (zum Beispiel „einige Zentner guter Laune“); große Häufigkeit von Superlativen und Elativen („sagenhafte Milliarden-Schiebung“); Hang zu bildhafter Ausdrucksweise; emotional gefärbter Wortschatz und polemische Komposita (zum Beispiel „Mißgriff-Minister“). (Lüger, 33)

2.3 Syntax

Für Nachrichtentexte ist typisch, daß der erste Satz länger ist als die übrigen. Überraschende Gedankenunterbrechungen in Parenthesen werden gemieden. Unvollstän­dige Sätze sind bei der Nachricht abnorm, Einwortsätze unmöglich. Dem Charakter der Nachricht widersprechen auch Neuansätze (Prolepsen) vom Typ „Der Bundeskanzler, er hat ...“. (Kurz, 137) Die Nachrichtenstruktur ist oberflächenstrukturell einfach, in der Tiefenstruktur aber äußerst kompliziert. (Burger 1984, 108)

Sätze können so konstruiert sein, daß man Mühe hat, ihren Sinn zu erfassen, obwohl jedes Wort einzeln klar ist. Dies geschieht, wenn zu viele Fakten zu speichern sind, bevor man das Wort erfährt, das den Sinn des ganzen Satzes erschließt. (Förster, 50) (Beispiel: Eldridge Cleaver, 62, minister of information for the Black Panther Party, and a political chameleon whose changing personas included black militant icon, conservative anticommunist, and champion of the environment, died yesterday. („The Philadelphia Inquirer“, 2.5.98)) Und die Nachricht hat wegen des Zwangs zur neutralen Redewiedergabe (vgl. 3.4.2) viele Kon­junktiv-I-Formen, was der Umgangssprache fremd ist. (Küffner, 79)

Bei der Satzstruktur ist ein Vordringen des Nominalstils festgestellt (zum Beispiel „Das Bemühen um eine auf die aktuelle Entwicklung zugeschnittene Lösung ...“) (Lüger, 25), was man konstatieren kann, wenn das Verhältnis zwischen Nomina und Verben größer ist als 3:1. (Linden, Wörter, 11) Diese Tendenz betrifft indes auch die Gegenwartssprache allgemein. (Burger 1984, 108) Nominalisieren erlaubt eine kürzere, komprimierte Informationsgebung. (Lüger, 25) Beim Umfang der Nominalgruppen übertrifft die Sprache der Publizistik (mit durchschnittlich 4,8 Wörtern) noch die der Wissenschaft (4,43 Wörter). (Küffner, 76)

[...]

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Details

Titel
Nachrichtentexte in Druckmedien als Fachtextsorte - Charakteristika und Anforderungen
Hochschule
Universität Siegen
Note
Leistungsnachweis erreicht
Autor
Jahr
1998
Seiten
47
Katalognummer
V9822
ISBN (eBook)
9783638164320
ISBN (Buch)
9783638697842
Dateigröße
659 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nachrichtentexte, Druckmedien, Fachtextsorte, Charakteristika, Anforderungen
Arbeit zitieren
Frank Rosenbauer (Autor:in), 1998, Nachrichtentexte in Druckmedien als Fachtextsorte - Charakteristika und Anforderungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9822

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