Die Stadt im europäischen Kontext - Die Stadt und das kulturelle Erbe


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 WAS IST KULTUR?

3 WAS IST ERBE?
3.1 URSPRUNG UND FUNKTION DES ERBES
3.2 ERBE - EIN RAUMZEITLICHES PHÄNOMEN
3.3 ERBE UND IDENTITÄT & BEDEUTUNG
3.4 ERBE - KULTURELLES UND WIRTSCHAFTLICHES GUT
3.5 WER SAGT, WESSEN ERBE ES IST? DIE INHÄRENTE DISSONANZ

4 WAS IST „KULTURELLES ERBE“?

5 DIE ENTWICKLUNG DER BEDEUTUNG DES KULTURELLEN ERBES
5.1 POLITIK
5.2 BEVÖLKERUNG
5.3 STADT

6 LEITLINIEN BEIM ERHALT VON KULTURELLEM ERBE

7 FAZIT

8 ABBILDUNGSVERZEICHNIS

9 LITERATUR

WEBSITES:

1 Einleitung

Ein Bestandteil der neuen Kulturgeographie englischer Prägung ist die Betrachtung von „Kulturellem Erbe“, vor allem unter Berücksichtigung der prägenden verschiedenen Kulturen und deren Wettstreit untereinander und dem Aspekt, wie es im urbanen Umfeld trotz Erneuerung und Fortschritt erhalten werden kann. Nachdem in den letzten Jahrzehnten aber vor allem der ländliche Raum als Kulturelles Erbe große Beachtung bekommen hat, wendet man sich nun verstärkt dem urbanen Raum zu, und dort bekommen vor allem symbolische Gehalte und Bedeutungszuschreibungen besondere Aufmerksamkeit.

Wir möchten uns zu Beginn dem Inhalt des Begriffs des kulturellen Erbes zuwenden, und hier die Wortbedeutungen „Kultur“, und „Erbe“ erläutern, bevor wir dann zu konkreten Ansätzen, Plänen und der Umsetzung in der Stadt in England übergehen. Anhand eines Beispieles werden die Leitlinien, die bei der Erhaltung von kulturellem Erbe angewandt werden, aufgezeigt werden.

Des Weiteren wird ein kurzer Ausblick einen Eindruck über die Entwicklung des Kulturellen Erbes geben. Zuletzt werden wir unserer eigenen Meinung zu dieser Entwicklung Ausdruck verleihen.

2 Was ist Kultur?

Es gibt keine einheitliche und allumfassende Definition dessen, was „Kultur“ ist. Vielmehr ergänzen sich die Definitionen, überlagern sich in ihren Beschreibungen und Inhalten oder aber widersprechen sich. Diese Uneinheitlichkeit und Widersprüchlichkeit jedoch bilden den Ausgangspunkt und Kern der Diskussion über cultural heritage. Kultur ist ein vielschichtiger und kein einheitlicher sozialer Prozess, da er die Lebensweisen und Vorstellungen von Menschen umfasst, die ihre Umwelt unterschiedlich wahrnehmen, erfahren und gestalten. Kultur an sich verbindet verschiedenartige Bedeutungszuschreibungen zu einem Netz und beinhaltet nicht nur Werte und Bedeutungen sondern auch Sinnbilder und Denk- und Empfindungsweisen.

Nach CRANG (1999) sind Kulturen Glaubens- oder Wertesätze, welche Lebensarten Sinn geben und materielle und symbolische Formen entstehen lassen und durch diese wiederum nachgebildet (reproduced) werden. Spezifischer gesprochen entsteht Kultur aber in verschiedenen Räumen, Rangfolgen und Landschaften, welche miteinander im Wettstreit liegen. Wir sprechen also von vielschichtigen und vielseitigen Kulturen in einem Mehrebenensystem, die miteinander konfligieren und sozial konstruiert sind.

Kultur ist nicht etwas, das stagniert, sondern befindet sich inmitten eines „Kampfes“, umgeben von sozialen, politischen und ökonomischen Kräften, und ist immer im Entstehen begriffen und veränderlich (Kulturkampf). Die meisten Ansätze der Neuen Kulturgeographie betonen folgende Aspekte des „Kultur“-Begriffs: die Akteure bei der Entwicklung von Ideen über Kultur und deren Umsetzung sind autonom; das, was als Kultur bezeichnet wird, unterliegt einem raumzeitlichen Wandel und damit einer Relativität. Die Gleichsetzung von „Ort“ und „Identität“ wird weitestgehend aufgehoben; Orte selber können über mehrere und oftmals umstrittene Identitäten verfügen.

Kultur ist nicht nur auf Gebäude, Monumente, Kunstwerke und dergleichen beschränkt, sondern ist vielmehr ein Prozess, der über das Visuelle und Materielle hinausgeht, und symbolischen, sinnsystematischen Charakter hat. Eine Verbindung zwischen Kultur und Geographie besteht darin, das Wirkungsfeld von Raum, Ort und Umwelt zu untersuchen, wie sie miteinander in einem Bedeutungsdialog stehen. Zur physischen Untersuchung und Beschreibung kommt die Untersuchung der Repräsentation und sekundären Bedeutungszuschreibungen der Artefakte hinzu.

Doch in einer globalisierten Welt ist Kultur mittlerweile nicht mehr bloß „Kultur“ sondern vielmehr „Kulturen“. In der Geographie kann also eigentlich nicht mehr von der einen englischen oder deutschen Kultur gesprochen werden, sondern es müssen die unterschiedlichen Kulturen als Teil des Kulturbegriffs betrachtet werden, d.h. zum Beispiel Einwanderer anderer Kulturräume, aber auch einheimische Gruppierungen mit divergierenden kulturellen Ansichten, Vorstellungen, Äußerungen und Ansprüchen. Diese wiederum können je nach Alter, Geschlecht oder Lebensstil weiter von einander abweichen.

3 Was ist Erbe?

Der Begriff des Erbes ist ein sehr vielschichtiger. Das klassische Verständnis ist das der Vererbung nach dem Tode eines Angehörigen. Doch können auch schlechte wirtschaftliche Bedingungen das „Erbe“ von kapitalistischer Ausbeutung oder Sklaverei sein; Sozialverhalten wird aufgrund von Herkunft („Erbe“) erläutert. Doch bezieht sich Erbe nicht nur auf Güter und Herkunft sondern auch auf ein Gespür oder Gefühl von allgemeiner Qualität, Beständigkeit oder Vertrautheit und Wohlergehen. Erbe hat demnach nicht nur mit historischer Richtigkeit, Authentizität und Wertigkeit zu tun, sondern auch mit der Darstellung und Vermittlung von Bedeutung und Wert. Wie Dinge dargestellt und genutzt werden, gibt ihnen letztendlich Bedeutung.

Artefakte des kulturellen Erbes können in einer Gesellschaft, die von tief greifendem Wandel und weitreichenden Veränderungen aufgerüttelt wird, den Zusammenhalt und die Identifikation stärken.

3.1 Ursprung und Funktion des Erbes

Es waren nicht immer Regierungen, die zum Erhalt und der Pflege bestimmter Objekte oder Landschaften rieten, sondern oft wurden bestimmten Gebäuden, Monumenten oder Landschaften Aufmerksamkeit geschenkt, weil sich einflussreiche Minderheiten bildeten, die sich leidenschaftlich und ernsthaft für den Erhalt und die Wahrung einsetzten. Oftmals waren es freiwillige Organisationen, die die Gunst der Regierung gewannen und dadurch Rückhalt durch die Gesetzgebung erhielten. Ein Beispiel dafür ist der British National Trust, der 1895 in England, Wales und Nordirland gegründet wurde. 1931 trat Schottland dieser Stiftung bei. Ihr Ziel ist es, das Natur- und kulturelle Erbe zu bewahren, und so sind sie zu den größten Landbesitzern geworden und schwerwiegend an geographischen Prozessen beteiligt.

3.2 Erbe - ein raumzeitliches Phänomen

Bei der Betrachtung von Erbe ist das Zeit- und Raumkonzept zentral. Im Jetzt und Heute werden Gegenstände aus der Vergangenheit betrachtet und konsumiert und dabei in Gegenwart und Zukunft geschaut. Denn Erbe ist nicht nur in der Vergangenheit entstanden sondern entsteht täglich neu, da Menschen Erbe schaffen und es nicht nur erleben und empfangen.

Jedes Erbe steht nicht wahllos in der Landschaft sondern befindet sich an einem bestimmten Ort und steht in Wechselbeziehung mit andern Objekten, Gebäuden, einer gedanklichen Verbindung oder Idee an diesem spezifischen Ort. Von Interesse ist, wo und warum gerade dort sich das Artefakt befindet. Jedoch sind nicht alle Objekte an einen bestimmten Ort gebunden, und können im Laufe der Zeit bewegt werden, auch wenn sie letztendlich nicht vom Menschen getrennt werden können. Zudem ist wichtig zu bemerken, dass man in der Debatte um cultural heritage auf verschiedenen Ebenen denken muss, da es sich um verschiedene Rangfolgen handelt kann. Orte haben daher ein Erbe auf lokaler, regionaler, nationaler, kontinentaler und globaler Ebene.

Erbe ist ein kulturelles Produkt, aber auch eine Erkenntnis in speziellen sozialen und intellektuellen Umständen, welche zeitbezogen und damit veränderlich sind. Da Gesellschaft veränderlich ist, ist damit auch das Verständnis und die Erkenntnis des Erbes veränderbar und daher umstritten.

3.3 Erbe und Identität & Bedeutung

In der historischen und Kulturgeographie spielt Erbe eine wichtige Rolle, wenn es um Identität, Darstellung und Bedeutung geht. Orte unterscheiden sich in ihrem Grundriss, Aufbau, ihrer Struktur, ihrer Funktion, ihrer Genese … und erhalten durch diese Attribute eine eigene Identität. Die Einwohner selbst identifizieren sich wiederum über diese Merkmale und eines dieser Attribute ist das Erbe. In dem Prozess, in dem Erbe entsteht und gelebt wird, erfährt der Ort sowohl einen Input als auch einen Output. Es wird betrachtet, auf welche Art und Weise sich der Vergangenheit erinnert und diese dargestellt wird, und was dies für Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Im Rahmen der Interpretation und Deutung des Erbes bestimmter Orte ist daran zu denken, dass diese Interpretationen immer im Kontext gebunden sind und eine Eigendynamik enthalten (power laden). Denn es handelt sich ja hier eher um Bedeutungszuschreibungen als um die Objekte selber und man befindet sich hier in einem sozialen Spannungs- und Konfliktfeld, in welchem verschiedenartige Bedeutungen gleichzeitig um Berechtigung und Anerkennung ringen.

3.4 Erbe - kulturelles und wirtschaftliches Gut

Konflikte entstehen nicht nur durch die sich widersprechenden Ansichten von verschiedenen Kulturen sondern auch durch den Konflikt von Interessengruppen, da Erbe sowohl kulturelles als auch wirtschaftliches Gut ist und es so zu einer Mehrfachnutzung eines Objekts kommt. Erbe ist Angelpunkt und ein wirtschaftliches Instrument der Politik für regionale und städtische Entwicklung und Regeneration, für den Städtebau und die Tourismus-Industrie. Denn Orte des Erbes sind Orte des Verbrauchs und sollen auch zum Verbrauch anreizen. Für den Tourismus ist das Erbe einer Stadt oder eines Landes die Grundlage, denn es sind die Tower Bridge, der Eifelturm und das Kolosseum, welche Menschen aus aller Welt nach London, Paris und Rom reisen lassen. Daher ist neben dem Erhalt und der Bewahrung des Erbes für zukünftige Generationen auch der Entwicklungsfaktor sowohl in ökonomischer als auch in sozialer Hinsicht wichtig. Entscheidungen über Erhalt, Nutzung und Neunutzung von Erbe sind wichtiger Bestandteil von Landesplanung, Erziehung, Kultur und Umwelt- und Sozialpolitik.

Gleichzeitig wächst jedoch auch die Gefahr, dass sich die Tourismus-Branche ihrer eigenen Grundlage beraubt, wenn sie nur zum Konsum des Erbes anreizt, es aber nicht erhält. Hier ist eine Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen mit dem größten Potential an Akteuren von Nöten.

3.5 Wer sagt, wessen Erbe es ist? Die inhärente Dissonanz

Wie schon oben beschrieben, trägt der Begriff cultural heritage verschiedene Bedeutungen, die mit einander im Konflikt stehen. Dies führt zu einer intrinsischen Dissonanz.

Die Tatsache, dass Erbe von verschiedenen Interessengruppen genutzt wird, führt zum Konflikt und Wettstreit. Es ist zum einen der Begriff selbst, der zu Streitigkeiten führt, weil seine Inhalte nicht geklärt sind, zum anderen jedoch aber auch sozial und politisch hervorgerufene Assoziationen und Erinnerungen. Spricht man von Erbe, dann spricht man damit auch gleichzeitig bewusste und unbewusste Prozesse des Wohnens, der Lebensbedeutung und der Wertekommunikation an. Kultur ist nicht uniform sondern wird ständig neu angefertigt und ist daher umstritten und umkämpft. Im Ernstfall kann es dazu kommen, dass die touristische Attraktion des Einen die heilige Stätte des Anderen ist. Hier wird das Erbe als ortsgebundenes Produkt von Fremden konsumiert, welche diese Stätte für sich mit anderen und unterschiedlichen Vorstellungen und Zielen nutzen. Auch kann es dazu kommen, dass der Eine eine Stätte oder ein Objekt als Erbe ansieht, der Andere dies aber nicht als solches betrachtet (Nullsummeneigenschaft). Auseinandersetzungen ziehen sich also entlang von kulturellen, geschlechts- und lebensstilspezifischen Verwerfungslinien, aber auch von religiösen und ethnischen.

Diese inhärente Dissonanz im Erbe-Verständnis führt folglich zu der Frage, wer demnach sagt, was Erbe ist und wem es gehört, denn es ist nicht leicht, die unterschiedlichen multikulturellen Schichten einer Kulturlandschaft in angemessener Form zu berücksichtigen.

Es bleibt die entscheidende Frage offen, welches kulturelle Erbe von Städten wie gesichert und gepflegt werden soll. Entscheidend für eine Antwortfindung ist es, die jüngsten stadtgeographischen Prozesse zu betrachten, welche die urbane Landschaft geprägt haben und von denen materielle und symbolische Objekte zeugen. Denn anders als im ländlichen Raum laufen im städtischen Rahmen die Prozesse dynamischer ab und die Anzahl der Faktoren und Handlungsakteure sind zahlreicher. Impulse und Interaktionen finden nicht mehr (nur) in regionalen oder lokalen Sphären statt, sondern weiten sich auf internationale und globale Bereiche aus. Unter Einbeziehung dieser Aspekte werden Repräsentativität, Authentizität und raumbezogene Identität neu überdacht und Bewertungs- und Auswahlverfahren geprüft.

4 Was ist „Kulturelles Erbe“?

In einer globalisierten Welt, in der Menschen aus der ganzen Welt an einem Ort wohnen, ihre Kultur leben und Lebensraum gestalten, ist das kulturelle Erbe eine Schlüsselkomponente der verschiedenen Identitäten, die Europa und die Welt prägen. Es ist ein Mittel und eine Methode, um Geschichte alternativ und transnational zu lesen, und anderen Kulturen zu vermitteln.

5 Die Entwicklung der Bedeutung des Kulturellen Erbes

Im folgenden Abschnitt soll nun dargestellt werden, wie sich die Bedeutung oder Stellung des kulturellen Erbes insbesondere in den englischen Städten seit dem Ende des 2. Weltkrieges verändert hat. Dieser Prozess soll vor allem in Bezug auf die Politik, die Bevölkerung und die Stadt näher beschrieben und erläutert werden.

5.1 Politik

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges verfolgte die Politik einen völlig anderen Kurs in Bezug auf das kulturelle Erbe als gegenwärtig.

Zu dieser Zeit wurden ganze Straßenzüge abgerissen. Die alten back to back Häuser verschwanden und neue freistehende Häuser mit Mietwohnungen entstanden. Grünanlagen und Gärten wurden angelegt.

Aber leider wurde diese Veränderung von den Stadtplanern beschlossen, ohne dabei die Bewohner der betroffenen Stadtviertel zu befragen.

Viele Einwohner dieser ehemaligen Straßenzüge waren über diese Veränderung nicht gerade glücklich. Die Politik hatte vergessen, dass oft diese „old places“ sehr wichtig für die Bevölkerung waren. Die Bewohner dieser Viertel konnten sich mit den alten Plätzen / Häusern identifizieren, es war einfach ihre Heimat und durch die Zerstörung ihres Wohngebietes wurden sie um einen Teil ihrer Heimat gebracht. Als dieses erkannt wurde, begann die Regierung umzudenken. Die alten Viertel wurden nicht abgerissen, sondern erneuert und erhalten. Durch die Erneuerung und den Erhalt dieser Wohngebiete oder einzelner Häuser sollten die Viertel aufgewertet werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Stadt im europäischen Kontext - Die Stadt und das kulturelle Erbe
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V74224
ISBN (eBook)
9783638686334
ISBN (Buch)
9783638794824
Dateigröße
751 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stadt, Kontext, Stadt, Erbe
Arbeit zitieren
Lars Berghaus (Autor:in), 2004, Die Stadt im europäischen Kontext - Die Stadt und das kulturelle Erbe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74224

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