Vernacular im Internet und das Internet als Manifestation des vernacular


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitendes

2. Zur Etymologie von vernacular

3. Das Internet als Nachschlagewerk

4. Das Konzept vernacular in verschiedenen Disziplinen
4.1 Linguistik
4.2 Kultur
4.3 Architektur
4.4 Weitere Bereiche

5. Das Internet
5.1 Grundlagen: Aufbau und Dienste
5.2 Internet und Cyberspace - Manifestation des vernacular?

6. Schlubbemerkung

Literatur

1. Einleitendes

In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, sich dem Konzept beziehungsweise den Konzepten des vernacular anzunahern. Als zentrales Werkzeug soll dabei das Internet dienen. In seiner Eigenschaft als neues Medium ist dieses Phanomen dahingehend zu untersuchen, ob es Inhalte zum Thema vernacular transportiert, das heibt als Datenquelle fungiert, und dadurch Perspektiven, eventuelle Definitionen und auch Illustrationen bereithalt. Dies impliziert eine vielleicht anders als sonst gestaltete Herangehensweise an einen neuen thematischen Komplex. Die Unter- suchungen sollen - zwar nicht ausschlieblich - aber doch weitestgehend auf Quellenmaterial zuruckgreifen, das sich im Internet, und in diesem Fall vornehmlich im sogenannten World Wide Web, befindet und direkt daraus bezogen wird. Die Arbeit hat daher betont den Charakter einer sichtenden Materialstudie.

Neben den Daten aus dem Internet soll die (physische) Literatur nicht vernachlassigt werden; sie wird vielmehr erganzend herangezogen, um das Spektrum der Konzepte zum vernacular moglichst breitgefachert zu erfassen und daruber hinaus eine vielleicht allgemeingultige Definition zu erhalten, die wiederum direkt fur eine Anwendung handhabbar ist. So soll namlich im Anschlub daran das Phanomen Internet als selbiger Forschungsgegenstand dienen, wenn auch die Gestalt, oder besser gerade die Nichtgestalt dessen das Vorhaben erschweren mag.

Ausgangspunkt wird zunachst eine linguistische Betrachtung mit einem Exkurs in die Etymologie bilden.

2. Zur Etymologie von vernacular

Bei einem Blick in Worterbucher verschiedener Sprachen wird bald deutlich, dab das Wort vernacular, wie es im Englischen gebraucht wird und zugleich hier als Ausgangspunkt dient, nicht in jeder Sprache in dieser morpho- logischen oder semantischen Form existiert.

Die morphologische Gestalt des Wortstammes labt zunachst einen Ursprung im Lateinischen vermuten. Ein lateinisches Worterbuch halt

Ubersetzungen und Erlauterungen bereit.[1] Als Substantiv hat das Wort verna diverse Bedeutungen, so bezeichnet es sowohl einen „im Hause geborenen Sklaven“ als auch einen „Inlander“. Adjektivisch gebraucht kann es die Be­deutungen „inlandisch“ bzw. „in Rom geschrieben“ haben. Daneben findet sich das abgeleitete Adjektiv vernaculus, das mit „inlandisch“, „einheimisch“ und im besonderen mit „romisch“ sowie mit „in Rom ublich“ und „grobstadtisch“ ubersetzt wird.

Im Bereich des Franzosischen existiert das Adjektiv vernaculaire mit den Bedeutungen „regional begrenzt“ und „einheimisch“.[2]

Weitaus umfangreicher ist das Bedeutungsspektrum fur das Wort vernacular im Englischen. In zweisprachigen Worterbuchern wird die deutsche Ubersetzung als „Landessprache“ bzw. „landessprachlich“, „Muttersprache“ oder auch „Fachsprache“ angegeben. In Zusammen- setzungen, wie z.B. vernacular poet, wird es mit „Volks-“ ubersetzt [3]. In einem amerikanischen Nachschlagewerk zur englischen Sprache werden ausfuhrliche Bedeutungen fur vernacular in substantivischem und adjektivischem Gebrauch gegeben:[4] vernacular (noun)

1. The standard native language of a country or locality
2. The everyday language spoken by a people as distinguished from the literary language
3. The idiom of a particular trade or profession: in the legal vernacular
4. An idiomatic word, phrase, or expression
5. The common, nonscientific name of a plant or an animal vernacular (adjective)

1. Native to or commonly spoken by the members of a particular country or region
2. Using the native language of a region, especially as distinct from the literary language: a vernacular poet
3. Relating to or expressed in the native language or dialect
4. Of, relating to, or characteristic of the style of architecture and decoration common in a particular region, culture, or period
5. Occurring or existing in a particular locality; endemic: a vernacular disease
6. Relating to or designating the common, non-scientific name of a plant or animal

Zusammenfassend lassen sich anhand der WOrterbucher verschiedene Bedeutungsfelder fur vernacular erkennen, also Bereiche, in denen dieser Begriff Anwendung findet. Dazu gehort vor allem die Linguistik.

3. Das Internet als Nachschlagewerk

Nach dieser linguistischen Annaherung an das Wort vernacular uber die Etymologie mit ihren zahlreichen semantischen Konnotationen soll nun im folgenden ein daruber hinausgehender konzeptueller Rahmen fur den Begriff gesteckt werden. Dies beinhaltet konkret, einen Uberblick uber die (wissenschaftlichen) Disziplinen zu gewinnen, in denen mit dem Begriff auf die eine oder andere Art operiert wird.

Als naheliegend hat sich dafur das Internet mit seinen verschiedenen Diensten, wie World Wide Web, News, File Transfer Protocol usw., erwiesen. In diesem Fall ist das Vorgehen allerdings auf den Dienst des World Wide Web (WWW) begrenzt worden. Der direkteste Weg, daraus Informationen zu gewahlten Themen zu erhalten, ist der Einsatz von sogenannten Suchmaschinen, die eine Vielzahl von im WWW vorhandenen Seiten (Dateien) in Sekundenschnelle nach den entsprechenden StichwOrtern durchsuchen und passende Seiten mit der jeweiligen Adresse auflisten. Diese Suchmaschinen gibt es mittlerweile in immer groberer Anzahl, so dab auch hier eine Begrenzung notwendig ist.

Fur die hier durchgefuhrte Suche wurden funf dieser Suchmaschinen eingesetzt. Dies waren:

- AltaVista (http://www.altavista.digital.com)
- Infoseek (http://guide-p.infoseek.com)
- Lycos (http://www-english.lycos.com)
- WebCrawler (http://www.webcrawler.com)
- Yahoo (http://www.yahoo.com)

Als Suchbegriff wurde jeweils nur das Wort vernacular verwendet. Vergleicht man nun die Ergebnisse der Suchvorgange der funf Suchmaschinen miteinander, so fallt zunachst die grofte Variation in der Zahl der „Treffer“ auf, also die Anzahl der WWW-Seiten, die das gesuchte Wort vernacular enthalten. Fur den Suchdienst AltaVista waren dies 10243 Seiten (17.03.1998, 10:40). Infoseek hingegen fand 8728 Seiten (17.03.1998, 11:47) wahrend die Suche mit Lycos 2958 Treffer (17.03.1998, 11:42) ergab. WebCrawler und Yahoo zeigten 510 (17.03.1998, 10:36) beziehungsweise nur acht (17.03.1998, 10:35) zutreffende Seiten an.

Des weiteren bietet sich dem Suchenden, der sich eine Vorstellung von dem Begriff vernacular und seiner Inhalte machen mochte, bei dieser Herangehensweise ein Uberblick uber die grofte Variation hinsichtlich der Themenkomplexe, in denen der Begriff gebraucht wird. Zur genaueren Bestimmung dieser Bereiche sollen nun die Suchergebnisse der einzelnen Suchdienste naher betrachtet werden, Nach einer Auswertung der von den einzelnen Suchdiensten aufgefuhrten zutreffenden Seiten, die angesichts der Materialmenge nur stichprobenartig als eine Auswahl erfaftt werden konnen, ergeben sich unter anderem folgende Bereiche: Architektur, Linguistik, Literatur, Musik, Kunst/Design, Naturwissenschaften/Biologie, Kirche/Religion sowie Mathematik/Logik.

4. Das Konzept vernacular in verschiedenen Disziplinen

4.1 Linguistik

Wie bereits in der vorangehenden etymologisch-semantischen Betrachtung des Wortes vernacular deutlich wurde, liegt der Schwerpunkt des Gebrauchs bzw. der Ursprung in der Linguistik. Dort bezeichnet es also zumeist eine spezifische, regional oder sozial begrenzte Sprachform, und dies zudem im Kontrast zu einer anderen.

Uber den Gebrauch von vernacular im Bereich Linguistik gibt es umfangreiches Material im Internet. Dies gilt sowohl fur den Unterbereich Soziolinguistik als auch ubergreifend fur Disziplinen jenseits der Linguistik, in denen ein fachspezifischer Sprachgebrauch unter dem Aspekt vernacular betrachtet wird. Dazu gehoren zum Beispiel die Naturwissenschaften, u. a. die Biologie, sowie das Phanomen Internet selbst. Dazu folgt Naheres in einem spateren Kapitel.

Der Gebrauch fur die am fruhesten zu datierende Erscheinung von vernacular im linguistischen Bereich, die bei der Internet-Recherche gefunden wurde, wird im Zusammenhang mit den volksprachlichen Grammatiken der europaischen Hauptsprachen vom 16. bis 18. Jahrhundert erwahnt. Dort wird eine Buchreihe mit dem Titel „Trends in Vernacular Grammar“ vorgestellt. Unter „vernacular grammar“ werden dort die fruhen Grammatiken der funf europaischen Hauptsprachen verstanden und der lateinischen Tradition gegenubergestellt. Dabei wird die Volksprachlichkeit, der Gebrauch der eigenen Landessprache bzw. des eigenen Dialekts durch die Bevolkerung betont. „The complementary volume investigates grammars written by authors who followed the dictates of usage and took account for the inevitable variations introduced by speakers on the street.“[5] Unter den Begriff vernacular kann man in diesem Fall die einheimische, regionale Sprachvariante der breiten Bevolkerung fassen, die einem elitaren, „akademischen“ Sprachstandard gegenubersteht.

Nach der Sichtung des Materials aus den Suchergebnissen fur den linguistischen Bereich kann des weiteren vor allem ein sehr grober Anteil fur die Soziolinguistik und darunter im besonderen fur das Phanomen Black Vernacular English (BEV) bzw. African American Vernacular English (AAVE) konstatiert werden. Eine Art Definition der Sprachform AAVE gibt auch Aufschlub uber die Verwendung des Begriffs vernacular: „AAVE is a form of American English spoken primarily by African Americans.“[6] Labov erweitert dies noch, indem er behauptet, „that there is a language, or features of language, common to all people of African ancestry, whether they live in Africa, Brazil or the United States.[7] “ Demzufolge gilt speziell fur das AAVE, daft es einen Soziolekt des amerikanischen Englisch darstellt, also sozial und zugleich uberregional die Sprachform einer Bevolkerungsgruppe umfaftt und dabei im Kontrast zum sogenannten Standard English steht. Damit geht oft von Seiten der Offentlichkeit eine eher ablehnende Haltung einher, „the social penchant for calling AAVE ‘jive’, ‘bad English’ or ‘slang’[8].“ Vernacular kann somit den untergeordneten, eher inoffiziellen Charakter einer Sprachvarietat implizieren und in einer Sprachhierarchie im besten Fall einen Substandard bezeichnen.

Mit diesem stigmatisierten Charakter bleibt das AAVE zumeist eine private Sprachform. „It is a private language of one group, and neither the members of that group nor any other group feel comfortable with it as a public language. [...], it is not group solidarity but group stigma that makes AAVE a private language.“[9]

Trotz einer offentlichen Miftachtung als gleichwertige Sprachform ist jedoch zu beachten, daft eine als vernacular gekennzeichnete Sprachform wie das AAVE eine eigene Systematik und Regelhaftigkeit aufweist. „It is not simply slang, or grammatical mistakes, but a well-formed set of rules of pronunciation and grammar that is capable of conveying complex logic and reasoning.“[10] Sich auf wissenschaftliche Studien beziehend, wird dies auch von offiziellerer Seite, durch die Linguistic Society of America, erklart: „The variety known as ‘Ebonics’, ‘African American Vernacular English’ (AAVE), and ’Black Vernacular English’ and by other names is systematic and rule-governed like all natural speech varieties.“[11]

Ein weiterer interessanter Aspekt ist der an vielen Stellen beschriebene Mischcharakter des African American Vernacular English. Es gibt viele Theorien uber die Entstehung dieser Sprachform, die jedoch alle eine Sprachenmischung und -beeinflussung als Grundlage haben. So schreibt z. B. Fillmore: „To most linguists AAVE is one of the dialects of American English, historically most closely related to Southern speech but with differences attributible both to the linguistic history of the slaves and to generations of social isolation. [...] And some people say that while AAVE has the superficial trappings of English, at its structural core it is a continuation or amalgam of one or more west African languages.[12] “ Der Begriff vernacular beinhaltet also in diesem Fall auch den in einem Prozeh entstandenen Mischcharakter einer Sprachform und besonders die Einverleibung und Verarbeitung „fremder“ Elemente zu etwas Neuem.

Ein Beispiel fur den exklusiven Gebrauch von Formen des vernacular English in der (elektronischen) Literatur und die Betonung des sub- kulturellen bzw. substandardsprachlichen charakters dieser Sprachformen bietet die Darstellung eines elektronischen Magazins (e-zine). Das e-zine RealPoetik veroffentlicht Texte in vernacular English. „Any mutually comprehensible dialect will do, as long as it represents a vernacular. [13] “ Die Autoren „are not bound to some weirdly academic/fascist/factional clique of self-promoting hacks.“[14] Weitere Schlusselbegriffe in diesem Zusammen- hang sind „nonacademic“ und „postmodern“. Vernacular bedeutet also in diesem Fall das Nicht-Elitare, das Von-Unten-Kommende, das Unregulierte und auch das Demokratische.

Ein letztes Beispiel fur den Gebrauch des Begriffes vernacular im linguistischen Bereich hat einen distinkt geographischen Bezug. In einer Untersuchung zu “Feminine Accent in Beijing Vernacular“ wird vernacular immer in der Kombination „Beijing vernacular“ gebraucht und bezeichnet damit eine rein regional bzw. lokal begrenzte Sprachvariante. Soziale Faktoren spielen in diesem Zusammenhang also, nicht wie z .B. im Falle des African American Vernacular English, eine untergeordnete Rolle.

4.2 Kultur

Neben der Linguistik ist wohl das weite Feld der Kultur, von der Literatur uber die Kunst bis hin zu Architektur, Musik und Film, das Gebiet, in dem Ansatze wie das Konzept des vernacular am meisten Anwendung finden. Wahrend die Architektur in einem eigenen Abschnitt im folgenden behandelt wird, hat dieses Kapitel die anderen genannten Bereiche zum Gegenstand.

Der zentrale Aspekt, der das Konzept vernacular in den kulturellen Disziplinen charakterisiert, ist dessen Kontrastierung zu „the cultivated44 mit all seinen Implikationen. In einem Text mit dem Titel „The Vernacular versus the Cultivated“ werden die Seiten klar festgelegt. „Vernacular influences are often seen as an impurity, drawing away from the aesthetic value of a work. Vernacular is too practical and functional, and while necessary, is not a true work of art. Vernacular influences are what make things work and achieve usefulness. The beauty of a work comes from an older source, one more established[15]

Vernacular erhalt hier also grundsatzlich einen funktionalen, nutzlichen Gehalt, einen Alltags- und Gebrauchswert, jedoch weniger einen kunstlerischen und asthetischen Wert. Diese Betrachtungsweise sei gleichzeitig eine genuin amerikanische: „In a country as young as America, therefore, the aesthetics derive from Europe or, even farther back, the Classical period. American culture is then underestimated, seen as too new and too unestablished.“[16]

Uberhaupt sei die Debatte uber den Wert des vernacular explizit amerikanisch: „American culture from the Revolutionary era has been caught up in a struggle between a desire break [sic!] all ties with the past and the inherent tendency to hold on to the past for security and legitimacy[17]

Nicht nur Mihachtung und Wertdebatte, sondern auch das kulturelle Phanomen vernacular an sich wird als typisch amerikanisch betrachtet: „And the vernacular itself is America venturing out on its own. It is a direct result of American pragmatism and a culture increasingly defined by industry [18] Es wird durch bestimmte, fur die Vereinigten Staaten spezifische Eigenheiten bedingt und gefordert, „[...] the ‘inherent qualities of vitality and adaptability, of organic as opposed to static form, [and] of energy rather than repose.’ “[19]

Nichtsdestotrotz lafit sich auch fur ein anderes relativ junges Land, Australien, ein Beitrag zur Debatte des Phanomens vernacular finden. In einem Vorschlag zur Untersuchung von Australian vernacular music wird der Untersuchungsgegenstand erlautert und definiert. Dabei wird diese Musikkategorie zu Beginn als vernacular bezeichnet, um sie gegenuber anderen Kategorien, classical und pop, abzugrenzen. Unter classical wird dabei „high art music“[20] verstanden, unter pop „mass mediated music whose production and distribution are controlled at a multinatioal level. [21] “ Diese beiden Bereiche der Musik dominieren den Markt und drangen somit vernacular music in den Hintergrund. Dies hingegen ist Musik „[...] which is largely generated at the local level and which expresses the sense of immediate, lived experience, of individual and collective regional identity. It includes ethnic, indigenous, folk, jazz, pub rock, and community and domestic music making. [22] “ Zentraler Aspekt dabei ist das Stiften von Identitat, zumeist im kleineren, aber auch in grofieren Rahmen: „[...] there are musical activities through which we express the sense of ourselves in more intense and immediate ways than through internationalist art music and global pop. It is music through which we construct ourselves as micro- and macro-communities, from the local sports team or church, to the national.“[23]

Vernacular music mag im offentlichen, gesellschaftlichen oder auch wirtschaftlichen Leben eine minderbeachtete Rolle spielen und auch weniger Bedeutung haben, alle Domanen dieser Kategorie zusammen jedoch bilden einen wichtigen Bestandteil der Kultur: „I believe that these forms, which receive relatively minuscule support and recognition, collectively amount to a much more significant music practice than is acknowledged, in terms of its quantity and contribution to the enrichment of our sense of place and identity.“[24]

Gleich im folgenden Abschnitt des Textes allerdings wird die gegebene Definition, der Versuch, die musikalische Kategorie exakt und unumstofilich zu beschreiben, wieder relativiert. Zu grofi erscheinen

Einflusse, die gerade von den Musikbereichen ausgehen, die jenseits von vernacular music liegen. Im Zuge der Globalisierung verschwimmen die Grenzen des Lokalen, des Regionalen und des Nationalen, so dab insbesondere der Aspekt der Ortsbezogenheit, der ein Spezifikum von vernacular im allgemeinen und vernacular music im besonderen ist, nicht mehr gewahrleistet sein kann: „In an age of mass-mediations no-one can remain untouched by global pop or euro-centric art music. The ‘local’ cannot quarantine itself from the global.“[25]

Neben dem Bereich der Musik wird der Begriff vernacular auch auf Tanz bzw. Musiktheater angewandt. Fur die USA bezieht sich die Bezeichnung vernacular dance vornehmlich auf Formen des afro- amerikanischen Tanzes. Die beruhmteste und lange popularste Form der amerikanischen Unterhaltung war die sogenannte Minstrel show. Inwieweit Minstrelsy insgesamt ein Ausdruck des vernacular gewesen ist, bleibt offen. Deutlich ist jedoch, dab diese Unterhaltung sform Elemente des vernacular enthielt. „The minstrel show figured prominently in spreading vernacular dances like the cakewalk, the essence, and jig dancing on a wide scale.“[26] Daneben wird das Beispiel eines afro-amerikanischen Tanzers angefuhrt, der einen eigenen Tanzstil entwickelte. Dieser Tanzstil war eine Verbindung verschiedenster Elemente. „His dancing was a combination of Irish jig dancing and African rhythm. [...] he was adding the elusive element of ‘swing’ to the rhythmic pattern and thus distinguishing himself from more common dancers. [...] he was instrumental in popularizing American Negro vernacular dance throughout the world.[27] “ Amerikanischer vernacular dance erscheint also untrennbar mit afro-amerikanischen Tanzen verbunden.

4.3 Architektur

Im Bereich der Architektur gibt es explizite Definitionen fur den Gegenstand vernacular architecture. „Vernacular architecture includes all the buildings that are constructed using traditional materials and to traditional forms by builders not schooled in the formal architectural tradition of their society.[28]

Zur Illustration werden einige Beispiele gegeben: „The anonymously-built log cabins, barns, and springhouses that can be seen along country roads are good examples of vernacular architecture[29] In der Architektur bezeichnet also vernacular Bauten, die jenseits der formellen, akademischen Kunst- tradition in einer folk tradition44 entstanden sind. Letztere ist geographisch jeweils in stark lokalen bzw. regionalen Gegebenheiten verankert und erhalt von dort ihre Impulse, nicht von uberregionalen, akademischen Stilvorgaben architektonischer Schulen.

Ein Blick auf Inhalte architektonischer Studien auf Universitatsniveau spiegelt diese Einschatzung wider und informiert gleichzeitig uber den akademischen Umgang mit diesem Gegenstand. „Typecast as generically rural and antique, vernacular structures were the examples often quickly rushed by in the first minutes of introductory courses on American art and architecture.[30] Dabei wird jedoch auch ein Wandel in der Behand- lungsweise deutlich: „However since the mid-1970s, the topic has come to enjoy not only higher visibility but also a significant improvement of its reputation as a legitimate topic worthy of rigorous and specialized scrutiny.[31]

Vernacular architecture ist heute „[...] broadly defined so as to include a wide range of sites and objects from a cultural landscape to a piece of furniture [...].[33]

Uber die Gestalt von vernacular architecture erfahrt man zudem viel durch die Betrachtung von ihrer Entstehungsweise und Inspirationsquellen. „Sources for American vernacular buildings were located in Europe and tracked to and across the United States.Entstehungsgrundlage ist also die Verquickung von vielfaltigen Elementen: „[...] the mixing of regional and fashionable styles that shapes so much of the observable contemporary vernacular scene [...].“[34] Als konkrete Objekte, die in den Bereich vernacular architecture fallen, werden insbesondere folk buildings“ genannt. Dazu gehoren „houses, barns, and other agricultural structures.“[35]

Weitere Bedingungen, unter denen vernacular architecture entsteht, „local technologies, settlement sequences, immigration histories, and acculturation strategies, as well as the theme of creativity within tradition.“[36]

In einem zusammenfassenden Kurzbericht von einem Treffen zum Thema „The Vernacular in Pacific Architecture“ wird in den Themen gerade der Aspekt des geographisch Begrenzten bzw. Spezifischen, dies aber auch oft im Zusammenwirken mit fremden Impulsen, betont: Eine Diskussion der „plantation architecture in the Hawaiian Islands emphasized the direct importation of certain Asian models, especially in the case of specialized out buildings, reflecting the great amalgamation of cultures in the plantation communities themselves. [37]

Zusammenfassend labt sich also sagen, dab vernacular architecture in kreativem Umgang mit lokalen bzw. regionalen Gegebenheiten und anderen vielseitigen Einflussen entsteht.

4.4 Weitere Bereiche

Auf zwei weitere Bereiche, in denen mit dem Konzept des vernacular operiert wird, soll nur noch kurz hingewiesen werden.

Beide erscheinen auberst spezifisch und sind zudem eher schwierig nachvollziehbar.

Zum ersten handelt es sich dabei um den Bereich der Informatik bzw. der Mathematik, the mathematic vernacular. In dem gefundenen Beispiel wird vernacular im Zusammenhang mit der Konstruktion von Programmen, und insbesondere zur Beschreibung von Denken und Vorgehensweisen verwendet. „[...] our distinction between formalised reasoning and vernacular reasoning, that is, the difference between the reasoning characteristic to formal systems, and that which is [...] ‘natural’ to its purpose. [38] “ Den Gegensatz zum formalisierten, logischen Denken bildet also eine Vorgehensweise, die mit vernacular bezeichnet wird.

[...]


[1] Langenscheidts Schulworterbuch Latein. Langenscheidt: Berlin und Munchen 1987 (18. Aufl.)

[2] Langenscheidts Taschenworterbuch Franzosisch. Langenscheidt: Berlin und Munchen 1990 (16. Aufl.)

[3] Wordsworth Concise German Dictionary. Wordsworth: o.O. 1994. — Klett Taschenworterbuch Englisch - Deutsch. Klett: Stuttgart o.J. (3. Aufl.)

[4] The American Heritage Dictionary of the English Language. Houghton Mifflin: Boston 1992 (3rd ed.)

[5] „Grammatical Theory in Western Europe 1500-1700“, http://www.cup.org/Titles/33/0521335140.html. [25.03.1998]

[6] „African American Vernacular English“, http://www.arches.uga.edu/~bryan/AAVE/main.html [25.03.1998]

[7] William Labov: „Testimony on Ebonics“, http://ling.upenn.edu/~labov/L102/Ebonics_test.html. [25.03.1998]

[8] Rebecca Moore Howard: „The Great Wall of African American Vernacular English in the American College Classroom“, http://www2.colgate.edu/diw/AAVEAbsJAC.html. [27.03.1998]

[9] Ebd.

[10] William Labov: „Testimony on Ebonics“, http://ling.upenn.edu/~labov/L102/Ebonics_test.html. [25.03.1998]

[11] „Linguistic Society Resolution on ‘Ebonics’ “, http://www.lsa.umich.edu/ling/jlawler/ebonics.lsa.html [27.03.1998]

[12] Charles Fillmore: „A Linguist Looks at Ebonics“, http://www.west.net/~joyland/linguist.html. [25.03.1998]

[13] „e-zine-list: RealPoetik“, http://meer.net/iohnl/e-zine-list/zines/realpoetik.html. [27.03.1998]

[14] Ebd.

[15] „The Vernacular versus the Cultivated“, http://wsrv.clas.virginia.edu/~lem2c/res6.html. [03.04.1998]

[16] Ebd.

[17] Ebd.

[18] Ebd.

[19] Ebd.

[20] „MCA Proposal for an enquiry into ‘Vernacular Music’“, http://www.cs.adelaide.edu.au/users/elhay/mca/vmp.html. [03.04.1998]

[21] Ebd.

[22] Ebd.

[23] Ebd.

[24] Ebd.

[25] Ebd.

[26] „The American Vernacular“, http://wkuweb1.wku.edu/~bboross/history/vernacular.html. [03.04.1998]

[27] Ebd.

[28] „Vernacular Architecture „ http://www.lafayette.edu/niless/vernarch.htm. [03.04.1998]

[29] Ebd.

[30] „Teaching Vernacular Architecture at the George Washington University44, http://www.georgetown.edu/crossroads/vernarch.html [03.04.1998]

[31] Ebd.

[32] Ebd.

[33] Ebd.

[34] Ebd.

[35] Ebd.

[36] Ebd.

[37] „The Vernacular in Pacific Architecture „ http://web1.arch.hawaii.edu/events/apca/EW95VernPac.htm. [03.04.1998]

[38] „Vernacular program derivation“, http://cswww.essex.ac.uk/FSS/vernacular.html. [27.03.1998]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Vernacular im Internet und das Internet als Manifestation des vernacular
Hochschule
Freie Universität Berlin  (John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien)
Veranstaltung
Cultural Studies in Practice: Manifestations of the American Vernacular
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
22
Katalognummer
V8419
ISBN (eBook)
9783638153959
ISBN (Buch)
9783638676267
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit behandelt das kulturwissenschaftliche Konzept des vernacular, wie es durch das Phänomen Internet manifestiert wird. Dabei dient das Internet gleichzeitig als Forschungsgegenstand und als Forschungsquelle. Zunächst wird das Konzept des vernacular erläutert, wie es in verschiedenen Disziplinen wie der Linguistik, der Architektur u. a. gebraucht wird. Im Anschluß wird das Phänomen Internet in seinem Aufbau und im Hinblick auf seine Charakteristika als Manifestation des vernacular untersucht. 307 KB
Arbeit zitieren
Anja Klein (Autor:in), 1998, Vernacular im Internet und das Internet als Manifestation des vernacular, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8419

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