Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus


Seminararbeit, 2005

25 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Gliederung

1. Ein Recht auf Terrorismus?

2. Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus
Artikel I. 2.1 Westliche Auffassungen zum Terrorismus
2.1.1. Die Geschichte des Terrorismus
2.1.2. Terrorismusdefinitionen
2.1.3. Erscheinungsformen des Terrorismus
2.2 Chinesische Auffassungen zum Terrorismus
2.2.1. Der Terrorismusbegriff in den Online Medien
2.2.2. Beispiele des Terrors
2.2.3. Der ´gerechte´ Terrorismus

3. Anmerkungen zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden beider Auffassungen

1. Ein Recht auf Terrorismus?

Die vorliegende Arbeit „Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus“ soll einen Überblick über die Auffassungen dieser beiden Gesellschaften zum Begriff Terrorismus geben und versuchen zu klären, wo die Grenzen für einen gerechtfertigten gewaltsamen Widerstand liegen. Es erscheint lohnenswert, die Entwicklungsgeschichte des Terrorismus, die Ideen zur Begrifflichkeit, sowie Erscheinungsformen und Internet Medien, die eine Wertung zum Terrorismus treffen, näher zu betrachten. Auf Unterschiede zwischen der westlichen und chinesischen Gesellschaft, die zu unterschiedlichen Auffassungen führen könnten, oder zu Zusammenhängen mit der Ideologie der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) kann hier nicht näher eingegangen werden.

Seit Menschen existieren, gibt es auch Gewalt. Im Laufe der Geschichte ist Gewalt in sehr unterschiedlichen Formen aufgetreten und auch der Terrorismus ist keine Erscheinung, die erst in den letzten 200 Jahren erfunden wurde. Die Israelische Bevölkerung hat bereits Anschläge gegen die römischen Steuerbeamten und auch gegen Mitbürger verübt, die sich der Herrschaft der Römer gebeugt hatten, um die Römern zur Aufgabe des besetzten Landes zu bewegen.[1] Und auch die Assasinen haben sich in der Zeit der Kreuzzüge unter in die feindlichen Truppen gemischt, um dann deren Feldherren zu ermorden, obwohl sie sich dessen bewusst waren, dass sie sogleich hingerichtet wurden. Die Vorstellung bei einem solchem Attentat zu sterben und die Gewähr zu haben, umgehend in das Paradies einzuziehen, war sehr verlockend.[2] War es das Recht dieser Menschen auf gewaltsame Art und Weise Widerstand zu leisten? Diese Frage ist eine der zentralen Fragen des Terrorismus, auf die ich in dieser Arbeit eine Antwort zu finden versuche.

Die Antwort ist sicher abhängig von der Seite, von der aus man dieses Problem betrachtet. Israel und Palästina haben dazu sehr gegensätzliche Auffassungen. Wer bei den einen als Terrorist eingestuft wird, gilt bei den anderen als Freiheitskämpfer. Der Begriff wird auf viele Täter angewendet, unabhängig davon, ob der Akteur regierungsfeindlicher Dissident oder die Regierung selbst ist.[3] Dies ist auch ein Grund, warum es keine allgemeingültige Definition des Terrorismus gibt, wie wir später noch sehen werden. Wie komplex dieses Problem ist, erkennt man unter anderem an der großen Zahl von Terrorismusdefinitionen, deren Aufzählung allein mehrere hundert Seiten umfassen würde.

Ebenso interessant ist es, einen Blick darauf zu werfen, nach welchen Kriterien die Anwendung von Gewalt als Terrorismus bezeichnet wird. Angesichts der hohen Zahl von Todesstrafen in der VR China könnte man darüber nachdenken, ob die chinesische Regierung einen Staatsterrorismus betreibt. Die Verbreitung von Angst und Schrecken ist ein Teil der Strategie von Staaten, um Verbrechen durch Abschreckung zu verhindern. Nur weil die Anwendung von Gewalt in diesem Fall von einer staatlichen Institution ausgeht, ist sie deshalb gerechtfertigt?

Die Anwendung von Gewalt ist ein häufig verwendetes Mittel, Konflikte auszutragen. Beispiele sind Kriege zwischen Staaten, Revolutionen, Stellvertreterkriege, Terrorismus…Und auch der Terrorismus selbst weist keine Homogenität auf. Die verschiedenen Formen des Terrorismus werden später diskutiert werden. Man bezeichnet auch nicht alle politischen Gewalttaten als Terrorismus, sondern nur solche, die sich gegen ein legitimes Regime richten. Freiheitskämpfer hingegen kämpfen gegen ein illegitimes Regime. Somit ist der Begriff ein Werturteil.[4] Auch über die Legitimität des Terrorismus herrscht Uneinigkeit. Viele Länder erlangten die Unabhängigkeit von den Kolonialmächten mithilfe des Terrorismus, z.B. Zypern, Israel, Kenia oder Algerien. Es ist unter Umständen die einzige Möglichkeit zum Sturz einer Diktatur. Den versuchten Anschlag auf Hitler würde man auch nicht als Terrorismus bezeichnen.[5] Folglich scheint unter Umständen die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt zu sein. Auf die Frage, ob damit auch der Terrorismus in irgendeiner Erscheinungsform als gerechtfertigt angesehen werden kann, werde ich am Ende dieser Arbeit zurückkehren.

2. Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus

Der Begriff Terrorismus ist in den westlichen Ländern entstanden und wurde von China ´importiert´. Dennoch gibt es unterschiedliche Auffassungen zu dem Begriff, die ich im Folgenden aufzeigen möchte.

2.1 Westliche Auffassungen zum Terrorismus

Die überwiegende Zahl der verwendeten Literatur in diesem Teil der Arbeit ist in deutscher Sprache geschrieben, beinhaltet jedoch auch Ideen anderer westlicher Staaten. Dennoch ist anzumerken, dass diese Arbeit viele Elemente enthält, die Deutschland als Teil des Westens, stellvertretend für westliche Auffassungen, eine wichtige Rolle zuordnen.

2.1.1. Die Geschichte des Terrorismus

Um eine gewisse Vorstellung zu bekommen, was Terrorismus sein könnte, ist es sinnvoll einen Überblick über die historische Entwicklung des Terrorismus zu geben:

Der Terrorismus hat sich im Laufe der Zeit ständig fortentwickelt. Dies erkennt man an folgenden Zitaten von Maximilian Robespierre: „Tugend, ohne die der Terror ein Übel ist; Terror, ohne den die Tugend hilflos ist…Terror ist nichts anderes als Gerechtigkeit, sofortige, unnachsichtige und unbeugsame Gerechtigkeit, er stellt daher eine Ausdrucksform der Tugend dar,“[6] Gerhard Schröder (2001): „Die Menschenrechte sind die große Errungenschaft und das Erbe der Europäischen Aufklärung. Diese Werte der Menschenwürde, der freiheitlichen Demokratie und der Toleranz sind unsere große Stärke im Kampf gegen den Terrorismus. Sie sind das, was unsere Völker- und Staatengemeinschaft zusammenhält, und sie sind das, was die Terroristen zerstören wollen.“[7] Wie kam es also zu solch unterschiedlichen Auffassungen zum Terrorismus?

Die historischen Wurzeln des Begriffs Terrorismus reichen in das 18. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wurde ein System geschaffen, das man „regime de la terreur“ nannte (Französische Revolution). Ziel dieses Systems war die Durchsetzung von Ordnung und Herrschaftsansprüchen und war somit ein Instrument der Regierenden. Man wollte dadurch konterrevolutionäre Bestrebungen unterbinden, potentielle Gegner fernhalten und richtete diese Volksfeinde sogar hin. Somit war der Begriff damals mit Idealen wie Tugend und Demokratie eng verbunden. Für Maximilian Robespierre war Terror somit „eine Ausdrucksform der Tugend.“[8]

Der Terrorismus erlangte in Form des „traditional terrorism“ erneut an Bedeutung im ausgehenden 19. Jahrhundert.[9] Eine der bedeutendsten Terrorgruppen im 19. Jahrhundert war die Narodnaja Voljia im zaristischen Russland. Ihre Anhänger waren überwiegend Studenten aus den Eliteuniversitäten Russlands. Man war sich einig, dass man zur Bekämpfung des autoritären Regimes nicht auf die Anwendung von Gewalt verzichten konnte. Im Gegensatz dazu wäre in einem demokratischen Regime in einer solchen Situation die Anwendung von Gewalt abzulehnen. Das politische Ziel versuchte man zu erreichen, indem man Anschläge auf wichtige Personen im Herrschaftsgefüge verübte, um möglichst wenig unschuldiges Blut zu vergießen. Prominente Opfer waren: Der Zar Alexander II, die US Präsidenten Garfield und McKinley, der französische Präsident Carnot, die österreichische Kaiserin Elisabeth…[10]

Die Tötung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand (1914), Auslöser des ersten Weltkrieges, war ein Terroranschlag. Auch wenn die Hintergründe dieses Attentats nicht vollständig geklärt wurden, bringt man den Terrorismus im 20.Jhd mit einer Unterstützung des Terrorismus durch eine (fremde) Regierung in Verbindung.[11]

Im Verlauf des zweiten Weltkriegs gewann der Terrorismus als Machtinstrument zur Unterdrückung des Volkes abermals an Bedeutung. Angst und Schrecken nutzten die Herrschenden, um ihre Autorität zu stärken und ihre Ziele durchzusetzen.[12]

Mit Ausklang des Kolonialzeitalters erlangte der Terrorismus in Gestalt des Kampfes der Schwachen gegen die Starken wieder an Bedeutung. Ein Beispiel ist das Nachkriegspalästina: Arabische Einwohner organisierten Aufstände gegen jüdische Siedler und die britische Kolonialmacht. Als Reaktion darauf führten jüdische Siedler Terroraktionen sowohl gegen die Aufständischen, als auch die britischen Kolonialherren durch. Großbritannien reagierte repressiv, konnte den Konflikt jedoch nicht entschärfen und zog sich schließlich aus Palästina zurück. Die Strategie war erfolgreich und es wurde der Staat Israel gegründet.[13]

Ende der 60er Jahre kam in Europa ein Terrorismus auf, der von linksgerichteten Studenten getragen wurde. Zur Untermauerung der Kritik am kapitalistischen System und der bestehenden Gesellschaftsordnung legitimierte man den Einsatz von Gewalt. Eine große Koalition sorgte für eine schwache parlamentarische Opposition und stärkte die außerparlamentarischen Kräfte. Die „Baader-Meinhof-Gruppe“ hatte nicht nur das Ziel das System der Bundesrepublik Deutschland zu stürzen, sondern wollte auch die Unterdrückung der 3. Weltländer durch das „faschistisch-imperialistische“ Deutschland beenden. Hier findet man das erste Mal eine internationale Ausrichtung der Ziele.[14]

Der Terrorismus bekam einen internationalen Charakter, als 1968 eine palästinensische Terrorgruppe ein Flugzeug entführte, um inhaftierte Gesinnungsgenossen aus Gefängnissen freizupressen. Mit der PLO (Palestine Liberation Organization) als Dachorganisation gelang es, das Interesse der Weltöffentlichkeit für diesen Konflikt zu wecken. Die Geiselnahme und Ermordung von elf israelischen Athleten bei den olympischen Spielen 1972 schockierte Menschen in der ganzen Welt; standen die olympischen Spiele doch für eine unpolitische Veranstaltung, ein Symbol für die friedliche Zusammenkunft der Völker zum sportlichen Wettstreit. Die Forderung der Entführer war nicht nur die Freilassung von 236 Palästinensern, sondern auch fünf RAF (Rote Arme Fraktion) Inhaftierten und zeigte damit die internationale Verbundenheit von Terrororganisationen. Obwohl die Aktion an sich nicht erfolgreich war, war sie in den Augen der PLO Führung ein voller Erfolg, da man die Weltöffentlichkeit medienwirksam erreichte. Dies zeigte sich auch in einem Anstieg rekrutierungswilliger Palästinenser und dem Zuerkennen des Beobachterstatus Palästinas in der UN Vollversammlung. Die PLO erlangte für Terrorgruppen aus der ganzen Welt einen Vorbildcharakter und bildete Terroristen z.B. in Jordanien aus. Sie arbeitete auch eng mit Netzwerken in anderen Ländern zusammen. Die Aktion bei den olympischen Spielen oder die Entführung der Lufthansamaschine „Landshut“ waren eine Zusammenarbeit von PLO und RAF. Die PLO hatte bis Anfang der 80er Jahre Verbindungen zu über 40 verschiedenen Terrororganisationen aus Asien, Afrika, Nordamerika, Europa und dem Nahen Osten.[15]

Der gegenwärtige Terrorismus ist sehr stark von der Organisation Al Qaida geprägt. Diese Gruppe werde ich im dritten Abschnitt bei den Erscheinungsformen des Terrorismus näher erläutern und weitere Beispiele des Terrorismus geben.

2.1.2. Terrorismusdefinitionen

Vorerst lohnt jedoch ein Blick auf die Versuche, Terrorismus zu definieren. Der Begriff Terrorismus lässt sich genauso wenig wie Kommunismus, Demokratie oder Nationalismus eindeutig definieren. Die Interpretationen dieses Begriffs sind hingegen besonders zahlreich. Dies liegt nicht nur daran, dass sich der Terrorismus in seiner Erscheinungsform in den Jahren ständig verändert und weiterentwickelt hat, sondern auch daran, dass es keine einheitlichen Kriterien gibt. Viele Versuche einer Definition sind zu allgemein und schließen Ereignisse mit ein, die offensichtlich keinen Terrorismus darstellen, oder sie sind zu eng gefasst und schließen Terrorakte aus (z.B. Staatsterror)[16] Terroristische Gruppen selbst tendieren dazu, sich als Freiheitskämpfer oder Selbstverteidigungsbewegungen zu bezeichnen, dies ist jedoch unter anderem im medialen Kontext zu sehen, da diese Begriffe positiv belegt sind und eine entsprechende Außenwirkung haben. Ein weiterer Grund, warum sich Terroristen nicht als solche sehen, ist, dass der Begriff negativ behaftet ist, die Terroristen ihre Aktionen hingegen als gerechtfertigt einstufen. Die Terroristen sehen sich als Opfer, denen die Anwendung von Gewalt als logische Konsequenz erscheint.[17]

[...]


[1] Waldmann Peter, Terrorismus- Provokation der Macht , München, 1998, 98-102

[2] Waldmann Peter, S.115

[3] Torsten Beermann, Der Begriff Terrorismus in den deutschen Printmedien , Lit Verlag, Münster, 2004, S.10

[4] Torsten Beermann, S.12

[5] Torsten Beermann, S.17

[6] Jens Huber , Der 11.September 2001- Geburtsstunde eines neuen Terrorismus? , Diplomarbeit im Diplomstudiengang Politikwissenschaft, Erlangen, 2003, S.5 f.

[7] Regierungserklärung des Deutschen Bundeskanzlers vom 19.September 2001 zu den Terrorattentaten in den USA, in: Chronik aktuell – Der 11. September 2001, Gütersloh/München 2001, S. 127

[8] Hoffmann Bruce, Terrorismus- Der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt , Frankfurt/Main, 2001, S.16

[9] Laqueur Walter, Terrorism and History , in Laqueur Walter: The New Terrorism , London 2002, S.12

[10] Hoffmann Bruce, S.21

[11] Hoffmann Bruce, S.24-27

[12] Hoffmann Bruce, S.28

[13] Hoffmann Bruce, S.67

[14] Waldmann Peter, S.78

[15] Hoffmann Bruce, S.88-109

[16] Walter Laqueur, Krieg dem Westen, Terrorismus im 21. Jahrhundert, Ullstein, Ulm, 2004, S.346 f.

[17] Hoffmann Bruce, S.35-38

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
25
Katalognummer
V65033
ISBN (eBook)
9783638576956
ISBN (Buch)
9783638670319
Dateigröße
622 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Autor Markus Schilling, geboren am 25. Februar 1977 in Nürnberg, studierte Sinologie, Wirtschaftswissenschaften und politische Wissenschaften an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, wo er im Sommer 2006 sein Studium mit dem Magister Artium abschloss. Während langfristiger Studienaufenthalte in Taiwan im Rahmen des Taiwan Scholarship Program studierte er Politische Wissenschaften an der National Sun-Yatsen University und beschäftigte sich mit Problemen der Taiwanesischen Gesellschaft. Derzeit promoviert er im Rahmen des Taiwan Scholarship Program an der National Chenggong University am Institut für Politische Wirtschaftswissenschaften.
Schlagworte
Chinesische, Auffassungen, Terrorismus
Arbeit zitieren
Sinologe, M.A. Markus Schilling (Autor:in), 2005, Chinesische und westliche Auffassungen zum Terrorismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65033

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