Zu: Günter de Bruyn "Buridans Esel" - Karl Erp zwischen den beiden Frauen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Vom Bürgertum zu Sozialismus: Änderungen des Verhältnisses zwischen Mann und Frau sowie innerhalb der Thematik des Ehebruchs

3. Repräsentanten der Gesellschaftsmodelle
3.1 Charakterisierung Karl Erp
3.2 Charakterisierung Elisabeth Erp
3.3 Charakterisierung Fräulein Broder

4. Verallgemeinerung der Problematik auf die DDR- Gesellschaft der 60-er Jahre

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Buch Buridans Esel von Günter De Bruyn. Es wurde 1968 veröffentlicht und erzielte in der DDR Beachtung, aber zunächst nicht in Westdeutschland. Hierzulande wurde es für trivial gehalten und man entdeckte erst im Laufe der Zeit ein aussagekräftiges Potential. Günter De Bruyn arbeitet zuerst als Lehrer in einem märkischen Dorf und wurde dann wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Bibliothekswesen in Berlin. Durch diese Arbeit, sowie seinem Aufstieg zu einer Dozententätigkeit an der Bibliothekarsschule kann man davon ausgehen, dass er sich in dem Milieu, in welchem dieses Buch spielt, bestens auskennt.

Die These der vorliegenden Arbeit ist, dass sich der Protagonist Karl weniger zwischen zwei Frauen als zwischen zwei Gesellschaftsmodellen entscheiden muss. Er kann sich für die Fortsetzung der Ehe mit Elisabeth entscheiden und somit eine bürgerlich traditionelle Ehe fortführen oder den sozialistischen Ideologien, verkörpert durch Fräulein Broder, Einlass in sein Leben gewähren und somit eine gleichberechtigte Partnerschaft führen. Dazu muss er aber seine Gewohnheiten radikal revolutionieren, woran er letztendlich auch scheitert. Seine verbürgerlichte Erstarrung und seine Bequemlichkeit repräsentieren die DDR- Gesellschaft der 60-er Jahre. De Bruyn distanziert sich allgemein gesagt in dieser Arbeit von den Utopien des Sozialismus.

2. VOM BÜRGERTUM ZUM SOZIALISMUS: ÄNDERUNGEN DES VERHÄLTNISSES ZWISCHEN MANN UND FRAU SOWIE INNERHALB DER THEMATIK DES EHEBRUCHS

In dem Roman Buridans Esel greift De Bruyn eine bestimmte literarische Tradition auf und zwar die des „bürgerlichen Ehebruchsroman[s][1] “ und passt sie der gegebenen sozialistischen Gesellschaft an. Ein Gedanke an den traditionellen klassischen Ehebruchsroman wird unmittelbar an das Schicksal einer Effi Briest oder auch einer Madame Bovary erinnern, was durchaus die Meinung der Forschung reflektiert. Diese Einzelschicksale erhielten deswegen so große Bedeutung, da die Ehe immer als „Mikrokosmos einer Gesellschaft“[2] gilt und ihre Untersuchung auch automatisch eine „Untersuchung des Zustandes der betreffenden Gesellschaft“ darstellt.[3] Weiterhin kann man anhand dessen das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft untersuchen, da man zum Beispiel den Ehebruch als eine Abnorm betrachtet und auf diesem Weg zu einer Definition von Normalität einer bestimmten Gesellschaft gelangen[4] kann.

Die bürgerliche Gesellschaft beruht auf dem „Eigentum an Produktionsmittel“ und ist vorwiegend durch Ausbeutung gekennzeichnet.[5] Auch das Verhältnis zwischen Mann und Frau in der bürgerlichen Ehe wird als „Eigentumsverhältnis“ charakterisiert. Die Frau hat sich rechtlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich unterzuordnen[6], wie eine Schrift, vor dem Jahre 1900 (Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches) sehr anschaulich, und für den heutigen Leser absurd klingend, reflektiert. Sie beschreiben die geltenden „Landes- und Partikularrechte, welche bezüglich der Stellung der Frau, nicht entscheidend von dem Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten abweichen[7]. Das dargestellte Ehe- und Familienrecht ist vorwiegend Ausdruck „patriarchalischer“[8] Denkweise:

Der Entschluss des Mannes gibt in gemeinschaftlichen Angelegenheiten stets den Ausschlag. Die Frau teilt Wohnsitz, Namen, Stand des Mannes, ist zur Führung des Hauswesens verpflichtet, darf ohne seine Erlaubnis weder ein selbstständiges Gewerbe treiben, noch sich zu außerhäuslichen Diensten verpflichten. Der Mann ist berechtigt, ihre Briefschaften zu öffnen, Tätlichkeiten gegen die Frau sind, je nach Stand und Gewohnheit, noch kein Grund zur Beschwerde. Der Mann [...] ist ihr gerichtlicher Vormund. Die Erziehungsgewalt liegt in den Händen des Vaters; Töchter werden von der familiären Autorität erst „frei“, wenn sie heiraten, die Unverheirateten erst durch seinen Tod.[9]

Diese Unterdrückung und Entmündigung haben Frauen nicht wehrlos über sich ergehen lassen. Ihre Auseinandersetzungen haben die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts wesentlich bestimmt – sie kämpften unter anderem für die „Gestaltung und Scheidung der Ehe; [ für das]Verfügungsrecht über die Kinder für Mann und Frau; [für ein] freies Verfügungsrecht [...] über ihr Vermögen [...]; politische Gleichberechtigung; [und für]eine einheitliche sexuelle Moral für beide Geschlechter[10] “ sowie vielem mehr.

Die Auseinandersetzung über die soeben genannte einheitliche sexuelle Moral liegt in der Bekämpfung der „Doppelmoral“[11]. Der Ehebruch stellt eine der „schlimmsten Missetaten“ dar, die eine Frau begehen kann, aber bei ehebrechenden Männern wird „stille Duldung“[12] von Frauen erwartet. Diese Problematik ist in großer Anzahl in der damaligen zeitgenössischen Literatur reflektiert worden – oft wurde das Schicksal adliger Frauenleben dargestellt, da man hier die vorherrschenden Konventionen in „reinster Form“ beobachten konnte[13] - unter anderem wäre hier Fontane zu nennen.

Doch woher stammt die Ehe als Phänomen gesellschaftlicher Konventionen?

Die bürgerliche Ehe ist eine „Konsequenz der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse“ bei August Bebel und entstand zur gleichen Zeit wie die antagonistische Klassengesellschaft. Engels schreibt, dass diese Art von Ehe mit der „Herausbildung des Privateigentums entstand“ und auf dem Bedürfnis gründet „die Erbfolge (zwecks Feststellung der Vaterschaft)“ zu sichern, was ein streng monogames Verhalten der Frauen voraussetzt.[14]

Die untergeordnete Stellung der Frau in der bürgerlichen Ehe wird durch die traditionelle „Arbeitsteilung“ verstärkt, durch welche die Frau sich auf ihre häuslichen Pflichten zu beschränken hat und damit einerseits ihre Selbstverwirklichung sowie auch ihre Persönlichkeitsentwicklung stoppt, und andererseits zwangsläufig ihren Horizont verengt. Diese in vielerlei Hinsicht zu kritisierende bürgerliche Ehe ist Gegenstand des bürgerlichen Ehebruchs-roman. Oft wird darin der Ehebruch als stiller Protest gegen die vorherrschen-den Verhältnisse begangen. Da der Ehebruch der Gesellschaft aber antagonistisch gegenübersteht, wird die Ehebrecherin von ihr folglich vernichtet oder ausgestoßen. Der Ehebruch wird als Angriff auf die ökonomische und gesellschaftliche Ordnung[15] interpretiert und muss somit „tragisch“[16] enden.

Der Ehebruchsroman beschreibt insgesamt einen Vorwurf an der „Heuchelei und der Unterjochung der Frau“ in der bürgerlichen Gesellschaft, der von Schriftstellern wahrgenommen und aufgegriffen wird. Die Autoren schreiben ihre Anklage zwar nicht aus einem marxistischen Standpunkt, stimmen aber mit den Analysen von Engels und Bebel insgesamt überein[17].

Buridans Esel hingegen bildet ein sozialistisches Gegenstück zum klassischen Ehebruchsroman. Die Charaktere Karl, Elisabeth und Fräulein Broder haben wiederum eine stellvertretende Funktion[18], da sie für die Gesellschaft der DDR in den 60er Jahren stehen.

Die Marxisten behaupten, dass im Übergang von Kapitalismus zu Sozialismus in der Natur der Ehe eine Wandlung stattfinde. Sie höre auf ein „Besitzverhältnis“ zu sein und die „vollständige Abhängigkeit der Frauen“ gehe zu Ende. Dies führe zu einer theoretisch gleichberechtigten Ehe-Demokratie. Der Bund der Ehe wird infolge nur noch aus freiem Willen geschlossen[19], was sich auch positiv auf die Gesellschaft auswirken soll.

In dem Familiengesetzbuch der DDR von 1965 wird dies wie folgt formuliert:

Mit dem Aufbau des Sozialismus entstanden gesellschaftliche Bedingungen, die dazu führen, die Familienbeziehungen von den Entstellungen und Verzerrungen zu befreien, die durch die Ausbeutung des Menschen, die gesellschaftliche und rechtliche Herabsetzung der Frau [...] und andere Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft bedingt waren.[20]

Die Ungerechtigkeiten der bürgerlichen Gesellschaft sollen also bewusst entzerrt und verändert werden. Die Gleichberechtigung soll u. a. durch §123 Satz 1 des Arbeitsgesetzbuch verwirklicht werden: „Die Gleichberechtigung der Frau in der sozialistischen Gesellschaft wird durch die Teilnahme am Arbeitsprozess und die Mitwirkung an der Leitung von Staat und Wirtschaft voll verwirklicht.[21] Die ökonomische Beweggründe einer Frau zu einer Ehe sollten damit abgeschafft sein, sie kann im Sozialismus ihr eigenes Geld verdienen und sich somit auch selbst versorgen. Eine nähere Betrachtung, inwieweit diese Doppelaufgabe eher zur Doppelbelastung neigt, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Auf welchen Grundsätzen eine sozialistische Ehe nun, im Gegensatz zur bürgerlichen Ehe, gründen soll, exemplifiziert § 5 Absatz 1 des Familien-gesetzbuches:

Mit der Eheschließung begründen Mann und Frau eine für das Leben geschlossene Gemeinschaft, die auf gegenseitiger Liebe, Achtung und Treue, auf Verständnis und Vertrauen und uneigennütziger Hilfe füreinander beruht.

Dies widerspricht dem bürgerlichen Phänomen, die Frauen lediglich unter die Haube bringen zu wollen, um sie versorgt zu wissen. Bebel sagt dies mit den Worten: “ In der Liebeswahl ist sie frei und ungehindert. Sie [...]schließt den Bund aus keiner andren Rücksicht als auf ihre Neigung.“[22] Dadurch tritt aber auch durch §5 Absatz 1 folgende Verantwortung für jedes Individuum in Kraft:

Vor der Eheschließung sollen die Partner ernsthaft prüfen, ob von ihren Charaktereigenschaften, Auffassungen und Interessen sowie ihren gesamten Lebensumständen her die Vorraussetzungen gegeben sind, einen Bund fürs Leben zu schließen.

Die Ehe im Sozialismus ist somit wie in der bürgerlichen Tradition auf einen Bund fürs Leben ausgerichtet.

Die wechselseitige Beziehung zwischen Ehe und Gesellschaft, die in verschiedenen Aufsätzen wiederholt akzentuiert wird, wird in einem Entwurf zum Familiengesetz so erklärt:

Die Verhältnisse in der Ehe und Familie [wirken] wieder auf die Gesellschaft zurück. Nicht allein, dass eine harmonische Familie die Lebens- und Arbeitsfreude des Menschen fördert [...] [sie vermag] gerade aufgrund ihrer sehr engen und persönlichen Bindungen und der natürlichen „Autorität“, die von ihr ausgeht, einen starken Einfluss [...] nehmen auf die Entwicklung des Charakters und der Persönlichkeit der Ehegatten und ihrer Kinder.[23]

Allerdings misst der Staat der persönlichen Entwicklung des Individuums wichtigere Bedeutung zu. Es gibt keinen öffentlichen Zwang in einer Ehe zu bleiben, wenn dadurch die Persönlichkeitsverwirklichung einer Person gefährdet ist, da dies letzten Endes als eine Gefahr für die Weiterentwicklung der Gesellschaft betrachtet wird.[24]

[...]


[1] Wightman: sozialistischer Ehebruchsroman, S.135

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd. S.137

[5] Ebd. S.136

[6] Vgl.Ebd.

[7] Mende: Frauenleben, S.184

[8] Vgl. Ebd.

[9] Ebd.

[10] Ebd, S. 185

[11] Wightman: Sozialistischer Ehebruchsroman, S.138

[12] Wightman: Sozialistischer Ehebruchsroman, S.137

[13] Vgl. Ebd. S.138

[14] Vgl. Wightman:Sozialistischer Ehebruchsroman, S.136/137

[15] Vgl. Ebd.

[16] Vgl. Ebd.

[17] Vgl.Ebd.

[18] Vgl. Ebd.S.140

[19] Vgl. Ebd.

[20] Harmsen: Ehe- und Familiengesetze der DDR, S.40

[21] Ebd.S.11

[22] Wightman: Sozialistischer Ehebruchsroman, S.140

[23] Ehe und Familie in der DDR, S.11

[24] Vgl.Ebd. S. 145

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Zu: Günter de Bruyn "Buridans Esel" - Karl Erp zwischen den beiden Frauen
Hochschule
Universität zu Köln  (Institut für Deutsche Sprache und Literatur)
Veranstaltung
Humoristischer Roman
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V48536
ISBN (eBook)
9783638452168
ISBN (Buch)
9783638659772
Dateigröße
531 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Günter, Bruyn, Buridans, Esel, Karl, Frauen, Humoristischer, Roman
Arbeit zitieren
Tanja Lins (Autor:in), 2004, Zu: Günter de Bruyn "Buridans Esel" - Karl Erp zwischen den beiden Frauen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48536

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