Diskursanalytische Untersuchung der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zum demografischen Wandel in Deutschland


Magisterarbeit, 2006

157 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgegenstand
1.2 Zentrale Forschungsfragen
1.3 Vorgehensweise der Analyse

2. Der demografische Wandel – Charakter und Elemente
2.1 Die demografische Entwicklung in Deutschland
2.2 Demografie und öffentliche Aufmerksamkeit

3. Theoretischer Hintergrund
3.1 Diskurstheoretische Perspektive der Wirklichkeitsdeutung oder „Der Spiegel“ ist kein Spiegel der Realität
3.2 Die Struktur des Diskurses: Terminologien und Definitionen

4. Das Analyseverfahren der kritischen Diskursanalyse
4.1 Methodische Verfahren der kritischen Diskursanalyse
4.2 Methodisches Vorgehen dieser Arbeit

5. Analyse und Auswertung
5.1 Der Demografische Wandel, seine Unterthemen und ihre quantitative Präsenz im Zeitverlauf
5.2 Bewertung des demografischen Wandels und seiner Unterthemen im Zeitverlauf
5.3 Gründe der Ursachen des demografischen Wandels
5.4 Folgen des demografischen Wandels
5.5 Interventionsansätze
5.6 Dargestellte Szenarien - Zusammenfassung
5. 6.1 Die demografische Zeitbombe
5.6.2 Sonderlasten der Alterung
5.6.3 Der Zeugungsstreik
5.6.4 Zuwanderung in Parallelwelten
5.6.5 Der schleichende Tod - Abwanderung innerhalb Deutschlands
5.6.6 Elite im Exil - Abwanderung ins Ausland
5.7 Kollektivsymbole und sprachliche Bilder

6. Spezialdiskurs der Bevölkerungswissenschaft
6.1 Prognosen, Szenarien und Symbole
6.2 Statistiken und Zahlen

7. Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

8. Literaturverzeichnis

Anhang

Codebuch

Auflistung der Zitate nach thematischer Zuordnung

Auflistung nach Ausgabenummer, Erscheinungsdatum

Abbildungen

Tabellen

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das synchrone System kollektiver Symbolik

Abbildung 2: Was ist der Diskurs. (Jäger 2004:133)

Abbildung 3: Die quantitative Entwicklung der Medienpräsenz des „demografischen Wandels“

Abbildung 4: Die quantitative Präsenz der Unterthemen im Zeitverlauf

Abbildung 5: Quantitative Aufteilung in Haupt-, Nebenthema, Absatz, Satz

Abbildung 6: Entwicklung der Bewertung des Themas "Demographischer Wandel" im Zeitverlauf

Abbildung 9: Bewertung des Einflusses der genannten Gründe

Abbildung 10a: Quantitative Präsenz der genannten Folgen des demografischen Wandels

Abbildung 10b: Bewertung der genannten Folgen

Abbildung 11: Bewertung der Auswirkung der Folgen

Abbildung 12a: Quantitative Präsenz ausgewählter Interventionsansätze

Abbildung 12b: Bewertung der Wirkung von Interventionsansätzen (Teil1)

Abbildung 12c: Bewertung der Wirkung von Interventionsansätzen (Teil2)

Abbildung 12d: Bewertung der Wirkung von Interventionsansätzen (Teil3)

Abbildung 13: Der demografische Wandel

Abbildung 14: Anzahl der Artikel mit Verwendung von wissenschaftlichen Aussagen

Abbildung 15: Verteilung der verwendeten wissenschaftlichen Aussagen auf Haupt-, Nebenthema, Absatz, Satz

Abbildung 7a: Entwicklung der quantitativen Präsenz der Ursachen im Zeitverlauf (Teil 1)

Abbildung 7b: Entwicklung der quantitativen Präsenz der Ursachen im Zeitverlauf (Teil 2)

Abbildung 7c: Bewertung der genannten Ursachen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1a: Häufigkeit der Bewertung der Ursachen (Teil 1)

Tab. 1b: Häufigkeit der Bewertung der Ursachen (Teil 2)

Tab. 2a: Häufigkeit der Nennung und Bewertung der Gründe (Teil 1)

Tab. 2b: Häufigkeit der Nennung und Bewertung der Gründe (Teil 2)

Tab. 2c: Häufigkeit der Nennung und Bewertung der Gründe (Teil 3)

Tab. 2d: Häufigkeit der Nennung und Bewertung der Gründe (Teil 4)

Tab. 3a: Häufigkeit der Einschätzung der Gründe hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 1)

Tab. 3b: Häufigkeit der Einschätzung der Gründe hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 2)

Tab. 3c: Häufigkeit der Einschätzung der Gründe hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 3)

Tab. 3d: Häufigkeit der Einschätzung der Gründe hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 4)

Tab. 4a: Häufigkeit der Bewertung der Folgen (Teil 1)

Tab. 4b: Häufigkeit der Bewertung der Folgen (Teil 2)

Tab. 4c: Häufigkeit der Bewertung der Folgen (Teil 3)

Tab. 5a: Häufigkeit der Einschätzung der Folgen hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 1)

Tab. 5b: Häufigkeit der Einschätzung der Folgen hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 2)

Tab. 5c: Häufigkeit der Einschätzung der Folgen hinsichtlich ihrer Auswirkung (Teil 3)

Tab. 6a: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 1)

Tab. 6b: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 2)

Tab. 6c: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 3)

Tab. 6d: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 4)

Tab. 6e: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 5)

Tab. 6f: Häufigkeit der Bewertung von Interventionsansätzen hinsichtlich ihrer Wirkung (Teil 6)

Tab. 7: Häufigkeit der Präsentation wissenschaftlicher Fakten nach Rubriken

Tab. 8: Häufigkeit der Präsentation wissenschaftlicher Fakten nach Haupt-, Nebenthema, Absatz, Satz

Tab. 9: Häufigkeit der Präsentation wissenschaftlicher Fakten nach Haupt- und Unterthemen

Tab. 10: Funktion der verwendeten wissenschaftlichen Fakten im Interdiskurs

1. Einleitung

Für einen Teil der traditionellen Medienforschung hat die Annahme, dass die Funktion der Medien in der Abbildung von realen Geschehnissen liegt, um diese für nicht beteiligte Rezipienten erfahrbar zu machen, noch heute Gültigkeit. Dieser Auffassung zufolge existiert eine objektiv erfassbare Alltagsrealität, die in ihrer Existenz nur nach dem journalistischen Objektivitätsanspruch passiv beschrieben und abgebildet werden muss, um ein möglichst genaues Abbild der realen Lebenswelt zu erhalten. Hiernach wird die Realität selbst als eine von den Medien unbeeinflusste Größe betrachtet, Medien kommt die Aufgabe zu, der Realität nachfolgend über diese zu informieren.

Im Gegensatz zu dieser abbildtheoretischen Annahme entwickelten sich im Rahmen von konstruktivistischen als auch diskursanalytischen Perspektiven neue medientheoretische Sichtweisen. Realität wird nicht mehr als objektiv erkennbar Vorhandenes, sondern als etwas durch einen sozialen Konstruktionsprozess ständig neu Geschaffenes konzeptualisiert. Die Medien bzw. der Diskurs konstruieren somit eine „Palette unterschiedlicher Realitätsdeutungen mit unterschiedlichen Akzenten aus verschiedenen Perspektiven (...). Es liegt nun beim Publikum, sich daraus (aktiv) eine eigene Realitätsvorstellung zu bilden (...).[1] Demzufolge findet eine Beeinflussung der Rezipienten durch die Medien statt, Medien konstruieren subjektive Bedeutung und Realität.

Somit stellt sich die Frage, welche Konstrukte der „Realität“, welche Konstrukte von Themen und Ereignissen durch die Medien geschaffen werden, die unsere Vorstellung, unser Wissen und somit auch unsere Einstellung gegenüber Ereignissen, wie politischen Entscheidungen, Individuen und dem sozialen Miteinander prägen.

Ein solches Konstrukt, das durch die Medien geschaffen wurde, ist das des demografischen Wandels in Deutschland, der als ein gesellschaftliches Phänomen in seinen Auswirkungen jedes Individuum betrifft. Seine Darstellung durch die Medien und das so vermittelte Wissen über den demografischen Wandel und seine Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft prägen verbreitete subjektive oder kollektive Vorstellungen und Bilder. Diese beeinflussen wiederum die Haltungen gegenüber beispielsweise politischem Handeln (Gesetzgebung, Reformen, etc.). Die Erkenntnis, dass der mediale Diskurs für die Herstellung von Handlungsbereitschaften auf allen gesellschaftlichen Ebenen von entscheidender Bedeutung ist, hat sich besonders in der Wissenschaft und Politik weitestgehend durchgesetzt. Aus diesem Grund soll die vorliegende Arbeit zu einer Analyse des medialen Diskurses, den medial verbreiteten Konstrukten, der medialen Realität des demografischen Wandels beitragen.

1.1 Erkenntnisinteresse und Untersuchungsgegenstand

In den letzten Jahren hat die Diskussion über den demografischen Wandel mit seinen verschiedenen Ausprägungen und vielfältigen Auswirkungen in den Medien, der Politik, der Administration und der Öffentlichkeit stark zugenommen. Die fast täglichen Berichterstattungen in Zeitungen und Fernsehen intensivieren die Fokussierung auf eine Diskussion, die sich stets zwischen den beiden Extremen Katastrophe und Chance bewegt. Gerade in den Medien sind seit geraumer Zeit Berichte über das Thema Demografie, den demografischen Wandel und seine Folgen nicht mehr nur informative Zahlenberichte der statistischen Bevölkerungsentwicklung Deutschlands, sondern bewertende Aussagen zu einer als bedrohlich dargestellten sozialen Wirklichkeit.[2] Metaphoriken wie die „demographische Zeitbombe“[3] und der häufig diskutierte „Generationenkrieg“[4] sind hierfür nur Beispiele. Der Bevölkerungsrückgang, die Alterung der Gesellschaft, die anhaltend geringe Fertilitätsrate und die Migration verändern die deutsche Gesellschaft und sind somit als Teile bzw. Auswirkungen des demografischen Wandels, der sich in Deutschland vollzieht, in den Medien als Themen gesteigert präsent. Dabei schafft die allgemeine Berichterstattung über die möglichen Folgen des demografischen Wandels ein neues Leitbild auf dessen Basis Themen wie „Schrumpfen“ und „Wachsen“, soziale und alterungsbedingte Polarisierung und Migration neu diskutiert und bewertet werden.

Die Altersvorsorgesysteme, das Gesundheitssystem, der Arbeitsmarkt, der private Konsum hängen eng mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Da der demografische Wandel somit als Phänomen in seinen einzelnen Facetten Auswirkungen auf fast jeden Bereich unserer gesellschaftlichen Realität beinhaltet und seine Auswirkungen jeden, ob jung oder alt betreffen, ist seine Darstellung und Erklärung in den Medien als sozial relevantes Ereignis nachvollziehbar.

Doch das so geschaffene Leitbild[5] des demografischen Wandels operiert keineswegs auf der Basis objektiver und somit unumstößlicher Tatsachen. Auch dieses Leitbild agiert, wie jedes Leitbild, auf der Basis spezifischer diskursiver Ein- und Ausschlüsse. Exemplarisch hierfür sind die Bilder vom Alter, die durch Medien[6] im Zuge des demografischen Wandels verbreitet werden und eine anders gewertete produktive Auseinandersetzung mit dem Älterwerden und den Älteren kaum mehr zulassen. Es stellt sich aber nicht nur die Frage nach der Entstehung dieses Leitbildes, der gewachsenen Aufmerksamkeit der Medien und dadurch der gesteigerten Präsenz des Themas in der Bevölkerung, sondern auch die Frage nach der propagierten Bewertung der Veränderungen, die sich in Folge dieses Phänomens vollziehen. Werden wissenschaftliche Hypothesen in der Berichterstattung zu sicheren Gewissheiten umgedeutet, um zur Steigerung der Auflagenzahlen ein plakatives demografisches Niedergangsszenarium[7] zu verbreiten? Das Untergangsszenario ist mediengängiger als eine differenzierte Analyse. Welche Rolle spielt bei der medial verbreiteten Diskussion die Wissenschaft der Demografie und ihre Ergebnisse und Prognosen? In erster Linie eine empirische Wissenschaft, berechnet sie aus vergangenen und aktuellen Werten der Bevölkerungsstatistik mögliche zukünftige Szenarien. Wie genau kann aber eine Prognose sein, die von vielen Komponenten abhängt und über einen Prognosezeitraum von bis zu 50 Jahren läuft? Werden statistische Sachverhalte in den Medien richtig dargestellt und erläutert oder wird alles, was sich verdächtig nach Zahlen, trockenen Formeln anhört, lieber in die Fußnoten und Anhänge verbannt, da sich für eigene Argumentationszwecke Interpretiertes und Zugespitztes für eine breite Öffentlichkeit der Leser besser vermarkten lässt? Medien gestalten durch ihre Berichterstattung soziale Wirklichkeit, die Einstellung und Motivation gegenüber Themen und Trends schafft.

Ob sich Themen über einen langen Zeitraum im Bewusstsein der Leser und durch ihre Multiplikatorfunktion auch in der öffentlichen Diskussion halten können, hängt nicht nur von der Art, sondern auch der Häufigkeit der Berichterstattung ab. Besonders die Häufigkeit mit der ein Thema über einen längeren Zeitraum in den Medien präsent ist, suggeriert der Öffentlichkeit die Dringlichkeit dieser Thematik.

Ziel dieser Arbeit soll daher sein, die Art und Weise, die Häufigkeit und das Ausmaß der Berichterstattung in dem hierfür ausgewählten Medium „Der Spiegel“ in dem Zeitraum von 2001 bis 2005 als Volltexterhebung zu untersuchen. Abgeleitet aus den Ergebnissen der Inhaltsanalyse und der Analyse der Integration des Spezialdiskurses der Wissenschaft in den Interdiskurs des Mediums sollen Aufschlüsse über die Art der Berichterstattung, die Bewertung des Themas und die Entwicklung dieser Parameter über den Zeitverlauf gewonnen werden. Ebenso werden die angebotenen Realitätskonstrukte und Leitmotive der Medien und das diskursive Zusammenspiel zwischen Medien und Wissenschaft untersucht. Ab- schließend sollen die mit Hilfe von Stereotypenbildung und der Verwendung von Kollektivsymbolen nachhaltig verbreiteten Medienbilder des demografischen Wandels mit den inkludierten Bewertungen der Begriffe Alter, Zuwanderung, Kinderlosigkeit, Familie etc. als bestimmende auch zukünftig gestaltende Tendenzen des Diskurses kritisch hinterfragen werden.

Der Materialkorpus der Untersuchung besteht insgesamt aus 166 Artikeln, die im Zeitraum vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2005 in dem Medium „Der Spiegel“ erschienen sind und den demografischen Wandel zum Thema haben. „Der Spiegel“ ist die auflagenstärkste, älteste Wochenzeitschrift in Deutschland und gilt allgemein als Meinungsführer und Meinungsmacher innerhalb der deutschen Medienlandschaft. Neben der besonderen Eignung des Mediums „Der Spiegel“ für die vorliegende Analyse, die in Kapitel 4 detailliert begründet wird, ermöglicht die Einschränkung auf eine Medienquelle, den der Untersuchung zugrunde gelegten Zeitrahmen von fünf Jahren in einer Vollerhebung aller Ausgaben zu erfassen. Dies wurde in Anbetracht der angegebenen Ziele einer lückenlosen qualitativen und quantitativen Erfassung der Themenkarriere, der Darstellung und Bewertung des demografischen Wandels, der Untersuchung einzelner Artikeln zu einzelnen Zeitpunkten in verschiedenen Medien vorgezogen, um so eine lückenlose dichte Beschreibung durch das Leitmedium Spiegel, mögliche Änderungen in der Bewertung etc. aufzeigen zu können. Eine Ausweitung des zugrunde liegenden Materials auf weitere Zeitungen, speziell Tageszeitungen, wäre für weiterführende Analysen sinnvoll, überschreitet aber den Rahmen der vorliegenden Untersuchung.

1.2 Zentrale Forschungsfragen

Die Generalhypothesen dieser Arbeit sind:

1. In der zunehmenden Medienpräsenz des demografischen Wandels und seiner Ursachen und Folgen werden dem Leser innerhalb des Mediendiskurses unterschiedliche Realitätsmodelle und Zukunftsszenarien angeboten.
2. Innerhalb des Diskurses steigt die inhaltlich dargestellte gesellschaftliche Polarisierung[8].
3. Für die Legitimierung der dargestellten Wirklichkeitsmodelle und der getroffenen handlungsleitenden Aussagen werden im medialen Interdiskurs wissenschaftliche Hypothesen zu sicheren Gewissheiten umgedeutet.

Die sich aus den Hypothesen ableitenden Fragestellungen lassen sich in quantitativ und qualitativ zu analysierende Fragen unterscheiden:

- Wie entwickelt sich die quantitative Präsenz des Themas demografischer Wandel in dem ausgewählten Printmedium im untersuchten Zeitverlauf?
- Wie entwickelt sich die Bewertung des Themas in der Berichterstattung im Zeitverlauf?
- Welche Themenselektion (Alterung, Fertilität, Migration) findet innerhalb des Themas durch unterschiedliche Medienpräsenz statt?
- Existiert bei den Unterthemen (Alterung, Fertilität, Migration) ein Ranking auch hinsichtlich der Bewertung?
- Wie oft ist das Thema demografischer Wandel Grund des Artikels und wie häufig wird das Thema nur im Zusammenhang erwähnt? In welchen thematischen Zusammenhängen?
- Welche Ursachen und Gründe werden präsentiert?
- Welche Folgen werden präsentiert?
- Wie wird die Bewältigung der Folgen des demografischen Wandels konzeptualisiert, welche Interventionsansätze werden genannt?
- Existieren Aufforderungen zur persönlichen Lebensstiländerung oder wird die Lösung eher als politisch-administrative Aufgabe gesehen (wie z.B. beim Klimawandel)?
- Welche (Zukunfts-) Szenarien werden entworfen?
- Begründet die Berichterstattung die dargestellten Szenarien und genannten Ursachen, Folgen und Lösungsstrategien mit wissenschaftlichen Aussagen?
- In welchem Maße sind Zitate (direkte/indirekte) und Interviews von Experten präsent?
- In welchem Maße werden statistische Materialien verwendet und in welcher Form (grafische Darstellung)?
- Welche sprachlichen Mittel werden verwendet?

(Kollektivsymbole, Metaphern, etc.)

1.3 Vorgehensweise der Analyse

In unterschiedlicher wissenschaftlicher Weise kann man sich den Printmedien und ihrer Weitergabe von Informationen und Werten analytisch nähern. Um die Charakteristika des medialen Diskurses ausreichend beschreiben zu können, die genannten unterschiedlichen Szenarien und Argumente, muss der ausgewählte Textkorpus, um aussagefähig zu sein, eine größere Stichprobe, oder wie hier eine Vollerhebung des Materials beinhalten und über die Werkinterpretation einzelner Kommunikate hinausgehen. Durch die Analyse der für die Fragestellungen relevanten Texte durch ein vorab festgelegtes, aus den Hypothesen und Fragestellungen abgeleitetes Codierschema wird die Analyse dieses großen Textfeldes möglich. Eine rein quantitative Erfassung wäre alleine jedoch nicht ausreichend, um den Interdiskurs zu beschreiben, da der Sinnzusammenhang der einzelnen Diskursstränge so nicht erfasst werden würde. Um die gewünschten Zusammenhänge beschreiben zu können, muss daher die Methodik der quantitativen Inhaltsanalyse um die Methodik der in der Diskursanalyse beinhalteten Strukturanalyse erweitert werden. Zusätzlich soll durch die Untersuchung der Integration des Spezialdiskurs der Wissenschaft und die verwendeten sprachlichen Ausdrücke, die Funktionsweise des medialen Interdiskurses analysiert werden.

Die Arbeit unterteilt sich in fünf Abschnitte. Anschließend an die Einleitung wird in dem zweiten Kapitel der Arbeit das behandelte Thema als Begrifflichkeit definiert. Hierbei wird neben der Erläuterung des demografischen Wandels eine Einführung in die Demografie als Wissenschaft und die heutige demografische Situation der Bundesrepublik Deutschland gegeben. Nachfolgend wird die theoretische Grundlage der Analyse erläutert: die diskurstheoretische Sichtweise der Medien und das Konzept der kritischen Diskursanalyse, basierend auf den Arbeiten von Jürgen Link und Siegfried Jäger (Kapitel 3). Im vierten Kapitel wird die methodische Vorgehensweise der Diskursanalyse erläutert, wichtige Terminologien definiert und das genaue Analyseverfahren sowie der zu analysierende Textkorpus beschrieben. Ebenso wird Auswahl des Mediums „Der Spiegel“ begründet. In dem Hauptteil der Arbeit (Kapitel 5) erfolgt die Auswertung der Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Inhalts- bzw. Strukturanalyse unter der Berücksichtigung der verwendeten Kollektivsymbole. Auch die in Abschnitt 1.2 aufgeführten inhaltlichen Fragen sollen anhand der gewonnenen Daten, ergänzt durch weiterführende Textinterpretationen, beantwortet werden. In dem zweiten Teil der Analyse und Auswertung (Kapitel 6) werden diskursanalytisch die Kongruenzen und die Differenzen der untersuchten Berichterstattung in Bezug zu den wissenschaftlichen Sachverhalten der Bevölkerungswissenschaft anhand einer Strukturanalyse und der verwendeten Kollektivsymbolik untersucht. Abschließend wird die Nutzbarkeit des Wissens über die nachgezeichneten Diskurse, ihre Verschränkungen und die sich ergebenden Bilder des demografischen Wandels für die zukünftige Gestaltung gesellschaftlicher Realität auch durch andere soziale Systeme (Politik, Wirtschaft, etc.) diskutiert (Kapitel 7).

2. Der demografische Wandel – Charakter und Elemente

Der demografische Wandel beinhaltet als Vorgang die Veränderung einer Bevölkerung aufgrund von demografischen Ereignissen, d.h. von Ereignissen, die den Bestand und/oder die Struktur einer Bevölkerung verändern.[9] Die wichtigsten Ursachen des demografischen Wandels sind die Veränderungen der Fertilität (z.B. gemessen in der Gesamtfruchtbarkeitsrate, Kinder je Frau), der Mortalität (z.B. gemessen in der Lebenserwartung) und die stattfindende Zu- und Abwanderung. Die Geburtenrate und Sterberate, sowie die Zu- und Abwanderungsraten eines Jahres bestimmen in ihren Salden (Geburtensaldo und Wanderungssaldo) die Veränderung der Bevölkerungsgröße und –struktur innerhalb dieses Zeitraums. Betrachtet man die grafische Umsetzung der Altersstruktur, den so genannte Bevölkerungs- oder Altersbaum, kann man in der Regel auf einen Blick ablesen, welche demografischen Prozesse für eine Gesellschaft prägend sind. Obwohl im Jahr 2005 in Deutschland 686.000 Menschen geboren wurden und 830.000 Menschen starben sind diese Veränderungen bezogen auf 82,4 Mio. Einwohner noch relativ gering. Die sich bei Betrachtung der Veränderung einer Bevölkerung über ein Jahr hinweg ergebenden Unterschiede in der Anzahl der Sterbefälle, Geburten und Wanderungen führen sicher kurzfristig nicht zu einem solchen Wandel in Größe und Verteilung, wie er heute in den Medien thematisiert wird. Erst die Beobachtung über einen längeren Zeitraum hinweg, in unterschiedlichen Jahrzehnten, über Generationen macht Veränderungen und Trends in der Bevölkerungsentwicklung sichtbar. Mittelfristig wird ein erheblicher Teil des demografischen Wandels durch das so genannte Momentum der Bevölkerungsdynamik bestimmt, das in der Altersstruktur enthaltende Trägheitsmoment. Für die sich sehr langsam vollziehende demografische Entwicklung, in der Ursache und Wirkung nur stark zeitverzögert stattfinden, ist deswegen wissenschaftlich ein hundertprozentig sicherer Kausalschluss nicht möglich. Um dennoch Veränderungen von sozialer und wirtschaftlicher Relevanz sichtbar machen zu können, muss die Demografie einen Zeitraum betrachten, der so groß ist, das er sich für konkrete, exakte Prognosen eigentlich nicht eignet. Auch die Abhängigkeit der Ursachen der demografischen Entwicklung von vielen verschiedenen Variablen erschwert, selbst bei einem kurzfristigen Prognosezeitraum, die ausreichende Berücksichtigung ihres Veränderungspotenzials.[10] Die Wissenschaft der Demografie ist somit nicht in der Lage, zukünftige Veränderungen in Fertilität, Mortalität und Wanderungen langfristig wirklich präzise vorherzusagen. Sie legt deshalb ihren Berechnungen Annahmen über eine zukünftige Entwicklung dieser Determinanten der Bevölkerungsdynamik zugrunde. Sie beruhen auf der Analyse vergangener Trends. Die Annahmen enthalten somit ein Element der Extrapolation und sind Hypothesen.

Für die Ergebnisse langfristiger Bevölkerungsprognosen sind deshalb die zugrunde gelegten Annahmen entscheidend und „sie enthalten bei einem Zeitraum von 50 Jahren somit ein beträchtliches Maß an Unsicherheit hinsichtlich dieser Annahmen“(Ulrich 2006a:19). Um diese Unsicherheit zu reduzieren, ist es in der Demografie üblich, den Prognosen verschiedene Annahmen und Kombinationen dieser zugrunde zu legen und in Szenarien abzubilden, um so ein Spektrum an möglichen zukünftigen Entwicklungen abzudecken.[11] Die auf der Grundlage statistischer Daten zum Ausgangszeitpunkt gerechneten Szenarien bewegen sich somit immer in einem Spektrum verschiedener Varianten von Annahmen einer zukünftigen Entwicklung; eine exakte Festlegung bei Prognosen bis in das Jahr 2050 erfolgt nicht. Konkrete Handlungsanweisungen für Politik und Gesellschaft werden durch Handlungsempfehlungen ersetzt. Gerade in dieser konstitutiven Unsicherheit demografischer Prognosen und dem langfristigen Charakter ihrer Berechnungen liegt die Besonderheit von Disziplin und Thematik. In ihr begründet sich die Frage, wie diese von den Medien berücksichtigt und an die Öffentlichkeit vermittelt wird.

2.1 Die demografische Entwicklung in Deutschland

Für die Enquetekommission „Demographischer Wandel“, die im Dezember 1999 eingesetzt wurde und ihren Abschlussbericht im März 2002 veröffentlichte, ist die demografische Entwicklung in Deutschland im Wesentlichen durch zusammengefasst zwei Merkmale geprägt: Die demografische Alterung (als Ergebnis von geringer Fertilität und gestiegener Lebenserwartung) und die Zuwanderung/Migration[12]. Diese Definition wird in dieser Arbeit übernommen.

Somit gilt als eine Ursache des demografischen Wandels die seit den 70er Jahren anhaltende geringe Fertilität. In Deutschland liegt die Gesamtfruchtbarkeitsrate als die Zahl der Kinder je Frau somit seit 30 Jahren bei nur noch etwa 1,4. Bei diesem Fertilitätsniveau ist jede Kindergeneration um ein Drittel kleiner als die ihrer Eltern. „Eine Gesamtfruchtbarkeitsrate von 2,1 Kindern je Frau wäre notwendig, um das Reproduktionsniveau der Fertilität zu erreichen, bei dem sich eine Elterngeneration in gleicher Größe reproduziert.“[13] Entscheidend ist für das bestandserhaltende Niveau der Fertilität zusätzlich die Anzahl der nachwachsenden Mädchen (nicht die Geburtenzahl insgesamt), hängt von ihnen doch die Reproduktion der Bevölkerung entscheidend ab. Die niedrige Geburtenzahl führt insgesamt zu einem Rückgang der Jahrgangsstärken, damit zu einem hohen Durchschnittsalter und viel später erst als Folge dessen zu einem Anstieg der Zahl der Sterbefälle trotz der steigenden Lebenserwartung. Der Rückgang der Bevölkerung würde also in dem Moment beginnen, wo die jährliche Zahl der Sterbefälle jene der Geburten überschreitet (in Deutschland 1972), ist aber auch wesentlich abhängig von dem Ausmaß der Zuwanderung (s.u.).

Als zweite Ursache des demografischen Wandels gilt die Verlängerung der Lebenszeit. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist seit 1970 um etwa 10 Jahre gestiegen und zukünftige weitere Steigerungen scheinen plausibel, haben doch Länder wie die Schweiz und Italien heute schon höhere Lebenserwartungen erreicht.

Als dritte Ursache des demografischen Wandels gilt die Zuwanderung. „Mit der Anwerbung von Arbeitsmigranten in den 60er Jahren und dem zunehmenden Familiennachzug in den 70er Jahren wurde die Bundesrepublik zu einem der wichtigsten Zuwanderungsländer Europas.“[14] Dadurch konnte ein Bevölkerungsrückgang aufgrund des Geburtendefizits kompensiert und ausgeglichen werden. Es kam sogar trotz des bestehenden und sich vertiefenden Geburtendefizits aufgrund der Zuwanderung zu einem Bevölkerungswachstum in Deutschland. Die anhaltende Zuwanderung hat gleichzeitig die Struktur der in Deutschland lebenden Bevölkerung hinsichtlich Staatsbürgerschaft und ethnischer Herkunft verändert.[15]

Jedoch führt die Alterung der großen Kohortengruppe der zwischen 1955 und 1969 Geborenen in den nächsten Jahrzehnten zu einem Anstieg der Sterbefälle und kann dann durch eine realistische Zahl von Zuwanderern nicht mehr ausgeglichen werden.

„Statt mit Wachstum ist in Zukunft zunächst mit einer Zunahme des Anteils älterer[16] Menschen und dann mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang zu rechnen“[17] (Kröhnert 2006:1). Zusätzlich zu einer Veränderung der absoluten Bevölkerungszahl wird sich somit auch das Verhältnis von jüngeren zu älteren Menschen verändern.

Die absehbare demografische Entwicklung impliziert neue Anforderungen an alle gesellschaftlichen Bereiche, ob Infrastruktur, Arbeitsmarkt oder die Finanzierbarkeit des deutschen Sozialsystems, um die Konsequenzen der veränderten demografischen und somit auch wirtschaftlichen und sozialen Situation eines Landes zu meistern. Sie hat aber auch Konsequenzen für jedes Individuum, vor allem für jüngere Menschen. Die demografische Veränderung in Deutschland ist seit Langem absehbar und wird von der Wissenschaft seit über drei Jahrzehnten prognostiziert. Es stellt sich die Frage, warum die öffentliche und mediale Auseinandersetzung mit dem demografischen Wandel erst seit wenigen Jahren stattfindet.

2.2 Demografie und öffentliche Aufmerksamkeit

Das zunehmende öffentliche Interesse für den demografischen Wandel in Deutschland gründet sich zu einem wesentlichen Teil auf die Antizipation zukünftiger Entwicklungen. Da der demografische Wandel die Zukunft Deutschlands entscheidend prägen wird, ist das aktuelle Interesse der Medien nachvollziehbar. Doch die Thematik und ebenso das öffentliche bzw. mediale Interesse sind nicht neu.[18]

Der Rückgang der absoluten Geburtenzahlen zu Beginn des 20. Jahrhunderts löste neben einer intensiven wissenschaftlichen Beschäftigung[19] mit diesem Phänomen auch eine starke öffentliche Diskussion aus. Teile dieser Diskussion mündeten in die nationalsozialistische Rassen- und Bevölkerungspolitik. In der Nachkriegszeit blieb in Deutschland eine politische Verunsicherung bezüglich der Themen „Bevölkerungs- bzw. Familienpolitik“, die bis in das 21. Jahrhundert andauerte.

Die Meldung, dass die jährliche Zahl der Geburten erstmals unter die Zahl der Sterbefälle gesunken war, löste 1972 den nächsten Aufmerksamkeitszyklus aus. Ein Bestandteil der öffentlichen Diskussion blieb das Thema bis Ende der siebziger Jahre. Auch damals titelte „Der Spiegel“ (1975) schon: „Sterben die Deutschen aus?". Familien- und bevölkerungspolitische Maßnahmen, die einen Wiederanstieg der Kinderzahlen bewirken sollten wurden politisch und öffentlich diskutiert.

Die Umsetzung wirksamer Maßnahmen scheiterte jedoch. Die Höhe der anfallenden Kosten, die Zweifel an der tatsächlichen Wirksamkeit der familienpolitischen Transfers und die bevölkerungsstabilisierende Wirkung der Zuwanderung nach Deutschland sprachen als Gründe gegen sie.[20] Die heutigen schlimmsten Erwartungen gleichen den damaligen, wie der bereits 1972 kurzfristig erwartete Kollaps der Rentenversicherung, der bis heute nicht eingetreten ist.[21] Das Medieninteresse verschwand, ein breites Verständnis für die Komplexität der demografischen Situation und die Voraussetzungen für ein politisches Handeln fehlten.

Die aktuell anhaltende Aufmerksamkeit der Medien begann um das Jahr 2001. Auch wenn viele der angesprochenen Probleme und verwendeten Argumente aus den früheren Zyklen in der heutigen Berichterstattung wiederholt werden, haben sich die Verhältnisse durch lang anhaltende Fertilität, durch geringere Zuwanderung und die Thematisierung von Integrationskosten sowie eine gestiegene Lebenserwartung verändert. Da die bevorstehenden demografischen Veränderungen ohne historisches Beispiel sind und deshalb keine Erfahrungen mit den Auswirkungen und keine Konzepte zum Umgang mit diesen Veränderungen existieren, ist der mediale Diskurs für die Gestaltung der zukünftigen Entwicklungen von großer Bedeutung.

Entscheidend für die Umsetzung von politischen und gesellschaftlichen Veränderungen ist hierbei die Dauer der Berichterstattung. Denn ähnlich wie bei dem Thema des Klimawandels beinhaltet das zentrale Charakteristikum des demografischen Wandels, dass durch die Verbundenheit mit langen Zeiträumen die unmittelbare Wahrnehmung oder Erfahrbarkeit dieser Veränderung begrenzt ist und dies den demografischen Wandel abstrakt erscheinen lässt. Die Hypothezität der wissenschaftlichen Prognosen verstärkt diesen Eindruck eines wissenschaftlichen Konstrukts. Nur in der gesellschaftlichen Kommunikation liegt die Möglichkeit einer Wahrnehmung der Problematik. Und nur solange über den demografischen Wandel in der Öffentlichkeit kommuniziert wird, stellt er ein relevantes gesellschaftliches Thema bzw. Problem dar. Gleichzeitig beeinflusst die Art und Weise der Berichterstattung, die Bewertungen und Deutungen, die damit verbunden sind, die Wahrnehmung des demografischen Wandels. Ob die Schrumpfung und Alterung der Bevölkerung als Chance oder Katastrophe kommuniziert wird, ob der fehlende überzeugende Zukunftsentwurf für die sich wandelnde Gesellschaft Unsicherheit und Ängste verbreitet oder als Herausforderung begriffen wird, hängt somit im großen Maße mit der medialen Darstellung, der Bewertung dieser Entwicklung und ihrer Folgen zusammen. Da der Diskurs über den demografischen Wandel so zu einer Gestaltung der Zukunft beiträgt, wird die Kenntnis seiner Inhalte relevant.

3. Theoretischer Hintergrund

Die theoretischen Überlegungen, auf deren Grundlage die Analyse erfolgt, orientieren sich an den diskurstheoretischen Arbeiten von Jürgen Link und Siegfried Jäger, die den Diskursbegriff von Michael Foucault weiterentwickelt und operationalisiert haben. Im folgenden Abschnitt (3.1) werden daher zunächst die medientheoretischen Annahmen der Diskurstheorie mit Bezug auf die Fragestellung erläutert und wichtige methodische Begrifflichkeiten definiert (Abschnitt 3.2), um im Anschluss daran das daraus abgeleitete, aber der Fragestellung angepasste methodische Vorgehen zu erläutern (Kapitel 4).

3.1 Diskurstheoretische Perspektive der Wirklichkeitsdeutung oder „Der Spiegel“ ist kein Spiegel der Realität

Aus diskursanalytischer Perspektive werden die durch (Massen-) Medien vermittelten Inhalte als eigenständige Materialität, als Diskurs begriffen.

„Diskurse gelten nicht als wesenhaft passive Medien einer Information durch Realität, sozusagen als Materialität zweiten Grades bzw. als weniger materiell als die echte Materialität. Diskurse sind vielmehr vollgültige Materialitäten ersten Grades unter den anderen“.[22] Daraus ergibt sich in der Konsequenz die Auflösung der ex post Perspektive der Mediendiskurse ebenso wie die Auflösung der Problematik der fiktiven „richtigen“ Abbildung von Wirklichkeit, indem Mediendiskurse als Materialitäten ersten Grades begriffen werden und somit ebenso wie „die Realität“ in spezieller Weise eigene Realitäten konstituieren. Dabei funktionieren sie nach Link als „Applikations-Vorlage bzw. Applikations-Vorgabe für individuelle und kollektive Subjektivitätsbildung.“(Link 1992:40). Damit gilt die Annahme, dass der mediale Diskurs „fundamental nicht von einer präexistenten Realität informiert (wird), sondern umgekehrt (...) der subjektiven Realität präexistent ist und (sie) informiert (...)“ (Link 1992:40)[23]. Unter dieser Annahme spielen speziell Massenmedien bei der Konstituierung von Realitäten eine entscheidende Rolle, die Art und Weise, wie Medien über etwas berichten ist demnach genauso real wie das, worüber sie berichten. Das Berichtete kann als falsch, als verzerrt oder wahr gelten, ist aber in seiner Darstellung ebenso materiell wie die dargestellte Materialität.

„Wirklichkeit spiegelt sich nicht im Bewusstsein wider; sie wird immer nur (und oft sehr verschieden und äußerst subjektiv, also aus einer bestimmten Perspektive heraus) unter Zuhilfenahme von Wörtern, Begriffen oder auch ganzen Texten im Diskurs gedeutet, wobei der Wirklichkeit Bedeutungen zugeschrieben werden und damit Wirklichkeit produziert wird.“[24]

Gleichzeitig kommt dem Mediendiskurs mit der Auswahl der aufgegriffenen Materialitäten die Aufgabe der Selektion zu. Nach Link vereinfacht der mediale Diskurs komplexe regionale und weltpolitische, kulturelle, wirtschaftliche usw. Situationen auf einfache transparente Interaktionssituationen, deren Handlungslogik den Schemata trivialer literarischer oder filmischer Erzählungen entspricht:

„Ich gehe (...) davon aus, dass der Diskurs unserer Massenmedien wesentlich durch Strukturen mit-generiert wird, die ich als elementar-literarisch definiert habe.“ (Link 1992:41)

In diesem Sinne orientieren sich Medien nicht etwa an „der Realität“, sondern rekurrieren auf bereits vorgegebene Muster, die für die Herausbildung und Anleitung von Massenbewusstsein einen entscheidenden Beitrag liefern und darüber hinaus den Medien eine handlungsleitende Funktion einräumen.[25] Durch diese Funktion bestimmen Medien, die innerhalb des Diskurses organisiert und kontrolliert werden, über die Materialitäten, über die sich große Teile einer Bevölkerung verständigen. Jäger formuliert hierzu allgemeiner: „Diskurse sollen - vorläufig formuliert - als eine artikulatorische Praxis begriffen werden, die soziale Verhältnisse nicht passiv repräsentiert, sondern diese als Fluss von sozialen Wissensvorräten durch die Zeit aktiv konstituiert und organisiert.“[26] Zusammenfassend unterscheidet sich der diskurstheoretische Ansatz somit durch einen Perspektivenwechsel gegenüber allen widerspiegelungstheoretisch argumentierenden sozial- und sprachwissenschaftlichen Ansätzen. Durch den so verliehenen neuen Stellenwert als gesellschaftliche Macht konstruiert der Mediendiskurs durch die Funktion der Selektion und Komplexitätsreduktion eigene Realitäten, die als Orientierungshilfe dem Subjekt zu der Herausbildung subjektiver bzw. kollektiver Sichtweisen dienen und darüber hinaus handlungsleitend wirken.

Aus den dargestellten Verhältnissen von Realität und Bedeutung(szuweisung) ergibt sich das Problem der Perspektivität. Wenn in dieser Analyse Aussagen zum demografischen Wandel, dem Alter oder der Zuwanderung daraufhin beurteilt werden, wie sie die oben genannten Phänomene bewerten, sich auf den Diskurs auswirken, ist diese Problematik dabei zu berücksichtigen. Das bedeutet auch, dass durchaus mehrere Bilder des demografischen Wandels existieren können, das einzig wahre oder richtige Bild gibt es nicht. Trotzdem oder gerade deswegen ist die Frage zu stellen, mit welchen diskursiven Mitteln die Darstellung erfolgt bzw. ob diese diskursiven Mittel dazu beitragen den demografischen Wandel, seine Ursachen und Folgen in unangemessener Weise zu beschreiben. Hierzu gilt es die verwendeten stereotypen Darstellungsformen zu analysieren, die geeignet sind, an vorhandene Vorurteile und Stereotypen anzuknüpfen, diese zu reproduzieren und somit zu verfestigen. Aus diesem Grund ist für die Analyse die Berücksichtigung der verwendeten Kollektivsymbole und Zuschreibungen von großer Bedeutung (vgl. Jäger 2003:20ff.).

Kollektivsymbolik und Bedeutungszuschreibungen

Nach der von Jürgen Link entwickelten und von Siegfried Jäger adaptierten Theorie der Kollektivsymbole[27] existiert für Bedeutungszuschreibungen für alle Gesellschafts-mitglieder ein Vorrat an Kollektivsymbolen. Jäger versteht unter Kollektivsymbolen sprachliche und sonstige Bilder, die zusätzlich zu ihrer direkten Bedeutung eine indirekte, zweite Bedeutung besitzen, einen sofort erkennbaren (zweiten) Sinn und in symbolisch-verdichteter und vereinfachter Form das heute gängige und gültige Bild unserer Gesellschaft enthalten (Vgl. Jäger 2003:21ff.). Ebenso versteht Link unter Kollektivsymbolik die Gesamtheit der sogenannten ’Bildlichkeit’ einer Kultur, die Gesamtheit ihrer am weitesten verbreiteten Allegorien und Embleme, Metaphern, Exempelfälle, anschaulichen Modelle und orientierenden Topiken, Vergleiche und Analogien.[28] Kollektivsymbole werden kollektiv tradiert und benutzt. Dieses Archiv von Kollektivsymboliken hilft dem Subjekt bei der Konstruierung seiner gesellschaftlichen „Realität“ bzw. den Medien, die diese Deutung für ein Kollektiv vornehmen.

Dieses System von kulturellen Stereotypen bildet einen Zusammenhang, nach Link Sysykoll (Synchrones System von Kollektivsymbolen) benannt, welches in allen Diskursen auftritt und als solcher Zusammenhalt und -hang das Bild der Realität konstituiert. Gleichzeitig bietet es die Möglichkeit, verschiedene Diskurse in einem Zusammenhang zu deuten. Die Wirkung medialer Ansprache auf das individuelle und kollektive Bewusstsein ist somit ohne die Berücksichtigung der verwendeten Kollektivsymbole nicht analysierbar.

Kollektivsymbole entfalten ihre Wirkung innerhalb einer Topik, die Link in einer Abbildung am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland skizziert hat (Vgl. Link 1997:134f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das synchrone System kollektiver Symbolik

(Link 1984, in Jäger 2004:136)

Die Grundstruktur des synchronen Systems der Kollektivsymbolik lässt sich demnach als ein kreisförmiges Gebilde vorstellen, dessen Grenzen gleichzeitig auch die Grenzen des sozialen Systems symbolisieren (siehe Abbildung 1). Die unterschiedlichen Kreise, die das System durchziehen, markieren gesellschaftlich abgestufte Störungsgrenzen. (Die Überschreitung bzw. Verletzung dieser Grenzen rufen im symbolischen System dazu auf, dagegen vorzugehen und sich und das System zu schützen.) Dieses System ist weiterhin dualistisch horizontal, vertikal und diagonal unterteilt. Auf der horizontalen Achse wird in links, rechts und eine Mitte unterschieden (politische Taxonomie), die vor allem für die Verortung politischer Parteien, Gruppierungen, Aussagen etc. charakteristisch ist. Es handelt sich um eine Achse, die vor allem die Symbolik der ’Waage’ und damit den – wegen seiner ’Stabilität’ besonders positiv gewerteten - Ort der ’Mitte’ favorisiert. Die vertikale Oben-Unten-Achse hebt nicht nur die hierarchische Gliederung des Symbol-Systems hervor. Sie kann auch als Körper topografiert werden, das Herz ist in der Mitte lokalisiert. Die dritte Dimension symbolisiert die Diagonale, die in ihrem Verlauf eine rückwärts-mitte-vorwärts-Achse bzw. einen zeitlichen Verlauf darstellt. Wird beispielsweise das ’finstere Mittelalter’ als Vergleich herangezogen, so soll eine Person, eine Gruppierung als rückschrittlich markiert werden. Diese Grundtopik wird nun durch verschiedene Symbolserien konkret „aufgefüllt“ und damit „sprechend“ gemacht (Vgl. Jäger 2004:135ff, Jäger 2003: 22ff.).

Besonders in Konfliktdiskursen sind die Symbole wichtig, mit denen die Bereiche Innen und Außen codiert werden (können). Hier lassen sich charakteristische Unterschiede festhalten: Während die Innenwelt und das eigene System zum Beispiel oft als Auto, als Haus oder Körper symbolisiert wird, gelten für die Außenwelt, besonders bei der Gefahr des Eindringens in das eigene innere System, Symbole des Chaos wie Naturkatastrophen (Stürme, Fluten, Erdbeben) oder Krankheiten (Krebs, Geschwüre, Viren) und Ungeziefer (Ratten, Parasiten). Zwischen den jeweiligen Symbolserien besteht jedoch ein entscheidender Unterschied: Symbole, die das eigene System codieren, signalisieren fast immer den Subjektstatus der Dargestellten, während die Symbole, die sich auf die Außenwelt beziehen, diesen vermissen lassen. Das eigene System wird durch Symbole codiert, die mit Ordnung und Rationalität verbunden werden, das Außensystem durch solche, die mit Chaos und Unberechenbarkeit verbunden werden (Vgl. Jäger 2003:23ff.)

Gekoppelt werden diese, den unterschiedlichsten Bildspendebereichen entstammenden Symbole durch Bildbrüche (Katachresen). „Kollektivsymbole stellen eine Art mäanderndes Band dar, das sich durch die unterschiedlichsten Diskursstränge zieht und dem gesellschaftlichen Gesamtdiskurs außerordentliche Stabilität verleiht, auch wenn dabei äußerst widersprüchliche Aussagen miteinander verbunden werden“ (Jäger 2004:136). Die Verkettungen, nach denen ein Zusammenhang hergestellt wird, funktionieren nach bestimmten Regeln. Die Symbolketten wirken durch die Einebnung von Widersprüchen für die Gesellschaft harmonisierend und integrierend. Sie liefern die Möglichkeit zwischen Normalität und Abweichung zu unterscheiden. Die Verwendung von Kollektivsymbolen trägt somit erheblich zu einer Strukturierung des Diskurses bei. Denn die Mitglieder einer Gesellschaft positionieren sich innerhalb dieser Topik, sie identifizieren sich vor allem mit den Symbolen, mit denen das eigene System kodiert wird und die sich in der Mitte des Kreissystems finden. Dabei spielt die Idee der Normalität eine wichtige Rolle. Wenn das System durch eine Veränderung in eine Schieflage gerät, dann erscheint es als gefährdet und die Subjekte sind dazu aufgerufen Ausgewogenheit, Gleichgewicht und Normalität wieder herzustellen.

Die Funktion des Systems kollektiver Symbole besteht Link zufolge somit darin, dass es den „Kitt der Gesellschaft“ bildet: Es suggeriert eine „imaginäre gesellschaftliche und subjektive Totalität für die Phantasie: Während wir in der realen Gesellschaft und bei unserem realen Subjekt nur sehr beschränkten Durchblick haben, fühlen wir uns dank der symbolischen Sinnbildungsgitter in unserer Kultur stets zu Hause“ (Jäger 2004:138). Wichtig ist Synchronität des Systems, die Gleichzeitigkeit und die Tatsache, dass die verwendeten Kollektivsymbole nicht isoliert wirken, sondern nur in einem Kontext, in Verbindung mit anderen Symbolen über einen längeren Zeitraum hinweg. Hervorgehoben wird somit auch die Bedeutung der in einem medialen Diskurs verwendeten Kollektivsymbole für die individuelle Urteilsbildung und die Verfestigung von Wissen und das sich daraus ableitende Handeln.

Diskursanalytisch definiert entstehen nach Jäger Negativbilder dann, „wenn Personen oder Phänomene mit Zuschreibungen (Attributierung) versehen werden, die eine negative Bewertung enthalten oder darstellen.“[29]

Die vorliegende Arbeit untersucht die Darstellung und Bewertung des demografischen Wandels, seiner Unterthemen der Alterung, Fertilität, der Zu- und Abwanderung und der dargestellten gesellschaftlichen Folgen. Somit also das Bild, das in dem Medium „Der Spiegel“ von dem demografischen Wandel entfaltet wird.

3.2 Die Struktur des Diskurses: Terminologien und Definitionen

Jäger definiert Diskurse als „Fluss des gesellschaftlichen Wissens durch die Zeit. Dieses Wissen ist insofern institutionalisiert, als seine Äußerungen bestimmten Regeln unterliegen. Diskurse sind mit Machtwirkungen verbunden. Sie knüpfen an historische A-Prioris an, setzen diese fort und verändern sie in ständigen diskursiven Auseinandersetzungen.“ (Jäger 2003:30). Um eine Analyse von Diskursen „trotz ihres großen Wucherns“ überhaupt durchführen zu können, nimmt Jäger folgende terminologische Einteilungen vor[30], die in der Darstellung übernommen werden:

Spezialdiskurse und Interdiskurse

Grundsätzlich ist zwischen Spezialdiskursen (der Wissenschaft) und dem Interdiskurs zu unterscheiden, wobei alle nicht-wissenschaftlichen Diskurse als Bestandteile des Interdiskurses aufgefasst werden. Zugleich fließen ständig Elemente der wissenschaftlichen Diskurse (Spezialdiskurse) in den Interdiskurs ein.[31]

Diskursfragmente

Ein Text oder Textteil, der ein bestimmtes Thema (Thema des Diskurses) behandelt, wird als Diskursfragment bezeichnet.

Diskursstränge

Ein Diskursstrang besteht aus Diskursfragmenten gleichen Themas. Er hat eine synchrone und eine diachrone Dimension. Ein synchroner Schnitt durch einen Diskursstrang hat eine gewisse qualitative (endliche) Bandbreite. Ein solcher Schnitt ermittelt, was zu einem bestimmten gegenwärtigen oder früheren Zeitpunkt bzw. jeweiligen Gegenwarten „gesagt“ wurde bzw. sagbar ist und war. In ihrer historischen Dimension sind Diskursstränge Abfolgen von Mengen thematisch einheitlicher Diskursfragmente oder anders: thematisch einheitlicher Wissensflüsse durch die Zeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Was ist der Diskurs? (Jäger 2004:133)

Abbildung 2 zeigt gleichzeitig die Verschränkung der einzelnen Diskursstränge miteinander. Nach Jäger entstehen durch diese gegenseitige Stützung und Beeinflussung der Diskursstränge besondere diskursive Effekte. Diskursanalyse hat also neben der „präzisen Herausschälung“(ebd.) der jeweiligen Diskursstränge auch solche Diskurs(strang)verschränkungen zu beachten. Werden in einem Text verschiedene Themen angesprochen und in Bezug zueinander gesetzt bzw. werden bei der Darstellung eines Hauptthemas Bezüge zu anderen Themen hergestellt, gilt dies nach Jäger als Diskursstrangverschränkung. Ein Beispiel hierfür wäre der Verweis auf den ökonomischen Diskursstrang („Integration kostet Geld.“) in einem Text zum Thema Einwanderung. In diesen Fällen spricht Jäger von diskursiven Knoten, durch die u.a. die Diskursstränge miteinander vernetzt werden und die somit eine zusätzliche Form der Verschränkung darstellen.

Diskursive Ereignisse und diskursiver Kontext

Als diskursive Ereignisse sind nach Jäger solche Ereignisse zu fassen, die ein starkes mediales Echo hervorgerufen haben und als solche medial stark herausgestellten Ereignisse die zukünftige Richtung und Qualität des Diskursstrangs, zu dem sie gehören, mehr oder minder stark beeinflussen.[32]

Ob ein Ereignis zu einem diskursiven Ereignis wird oder nicht, hängt von den jeweiligen politischen Dominanzen und Konjunkturen ab. Diskursanalysen können ermitteln, ob solche zu erwartenden Ereignisse zu diskursiven Ereignissen werden oder nicht. Werden sie es, beeinflussen sie die weiteren Diskurse erheblich. Die Ermittlung diskursiver Ereignisse ist für die Analyse von Diskurssträngen auch deshalb wichtig, da ihre Nachzeichnung den diskursiven Kontext konturiert, auf den sich ein aktueller Diskursstrang bezieht. So kann etwa die Analyse eines synchronen Schnitts durch einen Diskursstrang dadurch seine historische Rückbindung finden, dass man diesen synchronen Schnitt an eine Art Chronik der diskursiven Ereignisse zurückbindet, die thematisch zu diesem Diskursstrang gehören.

Diskursebenen

Die jeweiligen Diskursstränge erscheinen auf verschiedenen diskursiven Ebenen (Wissenschaft, Medien, Politik, Alltag, etc.). Jäger bezeichnet solche Diskursebenen auch als „soziale Orte, von denen aus gesprochen wird“, wobei die einzelnen Diskursebenen aufeinander einwirken, sich aufeinander beziehen, einander nutzen etc.. Beispielsweise werden auf der Medien-Ebene Diskursfragmente eines wissenschaftlichen Spezialdiskurses in den Interdiskurs aufgenommen. Auch die einzelnen Diskursebenen selbst sind in sich stark verflochten, dergestalt, dass, um bei dem Beispiel der Medien-Ebene zu bleiben, Medien publizierte Inhalte anderer Medien übernehmen. Jäger sieht hierin die Legitimation um von dem Mediendiskurs zu sprechen, der in wesentlichen Aspekten als einheitlich betrachtet werden kann. Er verweist aber gleichzeitig auf die Möglichkeit, dass dabei unterschiedliche Diskurspositionen mehr oder minder stark zur Geltung kommen.

Diskurspositionen

Mit der Kategorie der Diskursposition wird der spezifische politische Standpunkt einer Person oder eines Mediums codiert. Zwar lässt sich nach Jäger diese erst als Resultat von Diskursanalysen ermitteln, in der vorliegenden Analyse eines ausgewählten Mediums sollte diese politische Verortung aber schon vorab erfolgen (wenngleich diese bei Abweichungen, die in der Analyse festgestellt werden, wieder verworfen und geändert werden muss). Zugleich weist Jäger darauf hin, dass Diskurspositionen innerhalb eines herrschenden bzw. hegemonialen Diskurses sehr homogen sind, was bereits als Wirkung des jeweils hegemonialen Diskurses verstanden werden kann. Davon abweichende Diskurspositionen lassen sich als Gegendiskurs zuordnen. Hier sei angemerkt, dass sich besonders die verwendeten Kollektivsymbole in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen diskursiven Verortung im Diskurs oder Gegendiskurs in ihrer Bedeutung wandeln können.

4. Das Analyseverfahren der kritischen Diskursanalyse

Die folgende Analyse bezieht sich in ihrem methodischen Vorgehen auf den vorgestellten, von Siegfried Jäger begründeten Ansatz der kritischen Diskursanalyse[33]. Dieser Ansatz wurde in der Diskurswerkstatt Duisburg in Anlehnung an die vorangegangen ausgeführten diskursanalytischen Überlegungen von Jürgen Link und aufbauend auf dem Diskursverständnis Foucaults entwickelt. Auf diesem Hintergrund liegen eine Fülle von konkreten Untersuchungen vor.[34]

Als allgemeines Ziel einer Diskursanalyse gilt nach Jäger die historische und gegenwartsbezogene Analyse ganzer Diskursstränge und/oder der Verschränkung mehrerer Diskursstränge. Aus forschungspragmatischen Gründen können nicht alle, wenn auch im Textkorpus erfasst, einzelnen Diskursfragmente, jeder einzelne Text oder Textabschnitt, die zu einem jeweiligen Diskursstrang gehören, einer genaueren Analyse unterzogen werden.

„Die Feinanalyse z.B. eines einzigen Zeitungsartikels nimmt soviel Zeit in Anspruch, dass an eine lückenlose Feinanalyse ganzer Diskursstränge überhaupt nicht zu denken ist.“[35]

Das von Jäger im Zusammenhang mit seiner aktiven Analysetätigkeit am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) entwickelte und im weiteren Verlauf vorgestellte Verfahren versucht der oben angesprochenen Problematik Rechnung zu tragen, ohne dabei die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Analyse in Frage zu stellen. Nach der allgemeinen Darstellung der methodischen Verfahrensweisen (Abschnitt 4.1) wird die Auswahl der für diese Arbeit verwendeten methodischen Instrumente begründet und diese dargestellt (Abschnitt 4.2).

4.1 Methodische Verfahren der kritischen Diskursanalyse

Die Strukturanalyse

Als ersten Schritt der Strukturanalyse empfiehlt Jäger, besonders wenn es sich um die Untersuchung eines Themas in einem längeren Zeitverlauf handelt, die Erfassung des diskursiven Kontextes, in dem das ausgewählte Thema erscheint. Denn die so in einem ersten Schritt ermittelten diskursiven Kontexte im chronologischen Zeitverlauf erleichtern erheblich die Verortung der eigenen Untersuchung im selbigen.

Der Materialkorpus und das Dossier

Beginnend mit einer Voranalyse erfolgt die Sammlung und systematische Archivierung des gesamten Materials zum ausgewählten Thema. Alle Artikel werden in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt, gelesen und mit Stichwörtern versehen. Diese Stichwörter markieren neben den wichtigsten Themen bzw. Unterthemen des Artikels den Zusammenhang und damit die thematische Verschränkung mit anderen Diskurssträngen sowie die Kernaussage des Artikels. Zusätzlich werden weitere Variablen, wie Autor, Textsorte, auffällige Sprachmittel, wie Kollektivsymbole, die Bebilderung etc. codiert. Diese Vorarbeiten für die folgende Strukturanalyse werden systematisch als qualitative Inhaltsanalyseergebnisse in einer Datenbank gesammelt. Auf der Grundlage dieser Voranalysen wird nun der gesamte Diskursstrang inhaltlich beschrieben und in seiner Grundstruktur analysiert. Bei einer solchen inhaltlichen Beschreibung des Diskursstranges wird sichtbar, welche Themen bzw. Unterthemen wiederholt in der medialen Berichterstattung aufgegriffen werden. Das Ergebnis dieses Prozesses bezeichnet Jäger als Dossier. In diesem ist nun die qualitative Bandbreite, in der das Thema bzw. die Unterthemen behandelt wurden, abgedeckt. Die im Prozess sichtbar gewordenen Häufigkeitsverteilungen werden als quantitativer Aspekt der Analyse als Verweis auf Aufmerksamkeitsschwerpunkte bzw. Trends im betreffenden Diskursstrang interpretiert.

Die durch thematische Überlappung und Verschränkung notwendigen Selektionsentscheidungen müssen aber zu jedem Zeitpunkt das Auftreten aller vorkommenden Haupt- und Unterthemen und somit die Erfassung des Diskursstranges in seiner qualitativen Bandbreite gewährleisten. Auch bei großen Materialmengen treten laut Jäger sehr schnell kaum noch neue Themen oder Unterthemen auf (Vgl. Jäger 2001,192).

Durch die beschriebene Vorgehensweise der Strukturanalyse werden die formalen, inhaltlichen und ideologischen Schwerpunkte des medialen Diskurses innerhalb der untersuchten Thematik deutlich. Die Ergebnisse der Strukturanalyse dienen nun als Grundlage für die Bestimmung und Auswahl typischer Diskursfragmente.

Mit der Feinanalyse ausgewählter typischer Diskursfragmente soll der Versuch unternommen werden, über die Erfassung von Elementen des Diskurses zu generellen Aussagen über den Diskurs selbst, den diese Elemente in ihrer qualitativen Gesamtheit ja ausmachen, zu gelangen.

„Der Blick auf das individuelle Produkt verfolgt die Absicht, Elemente des (sozialen) Diskurses zu erfassen. Schon allein deshalb ist Diskursanalyse auf die Analyse vieler individueller Produkte angewiesen, die – in ihrer qualitativen Gesamtheit – den Diskurs ausmachen.“ (Jäger 2001,173)

Die im folgenden aufgeführten Analyseschritte sind weder in der dargestellten Reihenfolge noch in ihren inhaltlichen Schwerpunkten zwingend, sondern eher als eine „Einstiegshilfe“ in konkrete Analysen zu verstehen.

Analyseschritte nach Jäger im Überblick:[36]

1. Institutioneller Rahmen: Jedes Diskursfragment steht in einem institutionellen Kontext. Dazu gehören Medium, Rubrik, Autor, eventuelle Ereignisse, denen das Fragment sich zuordnen lässt, bestimmte Anlässe für den betreffenden Artikel etc.
2. Text-„Oberfläche“: Graphische Gestaltung (Photos, Graphiken, Überschriften, Zwischenüberschriften), Sinneinheiten (wobei die graphischen Markierungen einen ersten Anhaltspunkt bieten können), angesprochene Themen.
3. Sprachlich-rhetorische Mittel (sprachliche Mikro-Analyse: z.B. Argumentationsstrategien, Logik und Komposition, Implikate und Anspielungen, Kollektivsymbolik/Bildlichkeit, Redewendungen und Sprichwörter, Wortschatz, Stil, Akteure, Referenzbezüge etc.)
4. Inhaltlich-ideologische Aussagen: Menschenbild, Gesellschaftsverständnis, Technikverständnis, Zukunftsvorstellung u.ä.
5. Interpretation: Nach den unter 1. bis 4. aufgeführten Vorarbeiten kann die systematische Analyse und Interpretation des gewählten Diskursfragments erfolgen, wobei die verschiedenen Elemente der Materialaufbereitung aufeinander bezogen werden müssen.

Die Interpretation des Diskursstranges

Die Gesamtinterpretation des Diskursstranges, der Analyse von Zusammenhängen zwischen den Ergebnissen der unterschiedlichen Analyseebenen und ihrer Beschreibung, erfolgt unter Einbezug des diskursiven Kontextes. Wichtigste Prämisse ist hierbei die stringent geführte, materialreiche Argumentation, die sich in ihrer Begründung auf das komplette aufbereitete Material bezieht und somit als Gesamtaussage über den untersuchten Diskursstrang geltend gemacht werden kann.

4.2 Methodisches Vorgehen dieser Arbeit

In der vorliegenden Arbeit soll untersucht werden, welche Bilder des demografischen Wandels und seiner Unterthemen und welche (zukünftigen) Realitätsszenarien den Interdiskurs des Mediums „Der Spiegel“ strukturieren und bestimmen. Auch soll analysiert werden, wie diese Bilder den demografischen Wandel im Speziellen durch die Verwendung von Kollektivsymbolen bewerten.[37] In einem zweiten Teil wird die Integration des Spezialdiskurses der Bevölkerungswissenschaft in den medialen Interdiskurs analysiert, um speziell die übernommenen bzw. ausgeweiteten Kollektivsymbolfelder und die Verwendung von wissenschaftlichen Aussagen, Hypothesen und Prognosen in der Argumentationsstruktur des medialen Interdiskurses zu untersuchen.

Um die Wirkung der Medien, die Macht-Effekte der Berichterstattung, einschätzen zu können, reicht eine Einzeltextanalyse nicht aus.

„Erst in der Rekursivität, also durch dauernde Wiederholung der gleichen Inhalte und Ideologeme sowie ihrer sprachlichen ’Transportmittel’ erzielen sie Wirkung in Gestalt eines sich allmählich aufbauenden festen Wissens, das von Subjekten oft mit eherner Wahrheit verwechselt wird.“ (Jäger 2003:31)

Ebenso unzureichend wäre eine rein quantitative Erfassung beispielsweise der Artikel zu einem Thema oder die reine Erfassung der Häufigkeit bestimmter Aussagen oder Wörter, die in den Artikeln verwendet werden.

Erst die Analyse der Gesamtheit der angesprochenen Inhalte, ihre Verschränkungen und die dabei verwendeten sprachlichen Mittel sowohl auf qualitativer wie quantitativer Ebene verdeutlichen die Relevanz der Thematik für die Entstehung von Inhalten als „festem“ Wissen im Massenbewusstsein. Nach Jäger bedeutet dies nicht, dass alle Artikel zu jeweiligen Ereignissen und Themen untersucht werden müssen, um zu verlässlichen Ergebnissen zu gelangen. Er hält dies für „weder machbar“, noch für „sinnvoll und notwendig“ (Jäger 2003:32). Ausschlaggebend ist für ihn, dass die diskursanalytische Untersuchung inhaltlich über die quantitativ erhobenen empirischen Befunde hinausgeht, ohne diese zu vernachlässigen.

Der Gang der Analyse

Um den Verlauf des Diskurses über den demografischen Wandel in seiner thematischen Verzweigung zu erfassen, würde es nicht ausreichen, ein bestimmtes diskursives Ereignis, beispielsweise die Berichterstattung zu dem Zuwanderungsgesetz 2001/2002, bei der Analyse zu berücksichtigen. Auch die Auswahl mehrer diskursiver Ereignisse, welche alle Unterthemen beinhalten würden, wäre für die der Untersuchung zugrundeliegenden Forschungsfragen nicht ausreichend. Um die inhaltliche Entwicklung der Thematik, die Verstrickungen und Ablöseprozesse ihrer angesprochenen Unterthemen und die Darstellung der Ursachen und Folgen dieser Entwicklung mit der sich daraus ergebenden Verantwortungszuschreibung analysieren zu können, muss eine Untersuchung über den gesamten ausgewählten Zeitverlauf erfolgen. Da in Folge des diskursiven Ereignisses der Zuwanderungsdebatte Anfang 2001 die Thematik des demografischen Wandels in der Berichterstattung des Spiegels aufgegriffen und in Folge quantitativ und qualitativ unterschiedlich fortgeführt wurde, ergab sich ein Analysezeitraum von fünf Jahren, Januar 2001 bis Dezember 2005. Anhand eines Codebuchs entstand ein Untersuchungsdossier[38], in das alle Artikel aufgenommen wurden, in denen inhaltlich über den demografischen Wandel oder eines seiner Unterthemen berichtet wurde. Dabei wurde eine Unterteilung in Hauptthema, Nebenthema, Absatz und Satz vorgenommen. Die Auswahl erfolgte anhand einer Gesamtsichtung des Materials ohne eine Vorgabe von einzelnen Stichwörtern, so dass auch Artikel, in denen der demografische Wandel nur umschrieben bzw. durch Nennung von Synonymen dargestellt wurde, Berücksichtigung fanden.

Alle Artikel des Dossiers wurden einer Strukturanalyse unterzogen, durch die Inhalt und Form der Artikel erfasst wurde. Es ergaben sich für den untersuchten Zeitraum 166 Strukturanalysen. Diese wurden einer vergleichenden Analyse unterzogen, um thematische Zusammenhänge ebenso wie Veränderungen in der Themenbewertungen beschreiben zu können. Da diese Untersuchung einen extrem umfangreichen Textkorpus beinhaltet, wurde auf eine Feinanalyse typischer Artikel (deren Auswahl sich durch die verschiedenen Themenschwerpunkte und die unterschiedliche Gewichtung im Zeitverlauf als schwierig herausgestellt hätte) zu Gunsten eines Gesamtüberblicks über den Diskursstrang des demografischen Wandels und einer Analyse der verwendeten Kollektivsymbole in diesem Zeitraum verzichtet. Besonders die bei Jäger nicht beachteten Brüche und Diskontinuitäten von Diskurssträngen lassen sich so analysieren.

Die Erfassung der verwendeten Kollektivsymbole im Zeitverlauf beinhaltet die Möglichkeit, die Entwicklung und Ausweitung der einzelnen Kollektivsymbolfelder, ihr Einwirken auf den Diskurs und die dargestellten Szenarien des demografischen Wandels beschreiben zu können. Zusätzlich wird der Spezialdiskurs der Bevölkerungswissenschaft, soweit er in den medialen Interdiskurs aufgenommen wird, einer eigenen Strukturanalyse unterzogen und die in ihm verwendeten Kollektivsymbole untersucht. Auf diese Weise lässt sich die Verwendung von wissenschaftlich etablierten Symbolen bzw. des Spezialwissens für die Argumentationsstrategien des medialen Diskurses nachvollziehen und analysieren.

Die abschließende Gesamtinterpretation zeigt, welches „Wissen“, welche Bilder mit welchen sprachlichen Mitteln zu den Themen im Zeitverlauf produziert wurden und welche Elemente des Diskurses bestimmte Meinungen und Handlungen produzieren und reproduzieren. Ebenso soll gezeigt werden, wie sich der Diskurs über den demografischen Wandel in Deutschland im Interdiskurs des Mediums „Der Spiegel“ insgesamt vollzieht, welche Symbole ihn konturieren, welche Unterthemen eine wichtige Rolle spielen und welche Koppelung die Berichterstattung mit anderen Diskursen vornimmt. Insbesondere soll die Bewertung und die Darstellung des demografischen Wandels, der Alterung, der Zuwanderung etc., innerhalb dieses Mediendiskurs sichtbar gemacht werden. Abschließend werden einige Vorschläge skizziert, wie die Analyse von Diskursen für die Etablierung von gesellschaftlichen, politischen Maßnahmen genutzt werden könnte.

Das untersuchte Medium

Der Materialkorpus besteht insgesamt aus 166 Artikeln, die in dem Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2005 in dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erschienen sind. Am 4. Januar 1947 in Hannover von Rudolph Augstein gegründet, dominierte „Der Spiegel“ jahrzehntelang den deutschen Markt auf dem Gebiet der Nachrichtenmagazine, hatte eine „Monopolstellung im Marktsegment Nachrichtenmagazine unter den Publikumszeitschriften inne“.[39] Neben der höchsten Auflagenstärke von durchschnittlich 1.100.000 Exemplaren („Der Spiegel“ liegt in Auflagenstärke, sowohl Abo-Auflage als auch Einzelverkauf, vor den Konkurrenten „Focus“ und „Stern“) für den untersuchten Zeitraum ist „Der Spiegel“ durchgängig als Zitatquelle am häufigsten in anderen Medien vertreten.[40] Darüber hinaus landet „Der Spiegel“ mit weitem Abstand auch bei der subjektiven Wahrnehmung von Zitierverhalten durch Medienjournalisten auf Rang 1, genannt als eines der besonders häufig zitierten Medien von beinahe dreiviertel der Redakteure.[41] Eine durchschnittliche Abonnenten-Zahl von 450.000 unterstützt die Einordnung des Mediums „Der Spiegel“ als Leitmedium.[42] „Der Spiegel“ hat als Wochenzeitschrift mit dieser Zahl eine gesicherte und innerhalb Deutschlands stärkste Stammleserschaft vorzuweisen, die meist über Jahre hinweg dieses Medium als Informationsquelle nutzt.

Die Leserschaft setzt sich überwiegend aus den Altersgruppen der 40 bis über 60 jährigen zusammen, ist nicht bildungsfern, besteht aber auch nicht aus einer überwiegend akademischen Klientel und liegt mit einer durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommensmarge von 2000 Euro im bürgerlichen Mittelstand der Bevölkerung.[43]

[...]


[1] Früh, Werner (1994): Realitätsvermittlung durch Massenmedien: die permanente Transformation der Wirklichkeit. Westdeutscher Verlag, Opladen, S. 28f.

[2] Bsp.: „ Unsere demographische Uhr steht auf „dreißig Jahre nach zwölf“ unter der Überschrift „Schlimmer als der 30jährige Krieg“. Zitat des Bevölkerungswissenschaftlers Herwig Birg in DIE WELT (05.10.2005)

[3] DIE WELT (29.09.2005)

[4] s.o.

[5] Unter „Leitbild“ wird das für einen bestimmten Zeitabschnitt in einer Gesellschaft als charakteristisch geltende Bild eines Phänomens, eines Ereignisses verstanden.

[6] Beispiel eines solchen Bildes ist der Artikel in Focus Money Online, der den Begriff „Greisenrepublik“ im Zusammenhang mit der Frage: „Können wir uns das Altern leisten?“ verwendet. Vgl. http://focus.msn.de/finanzen/versicherung/demographie; Zugriff 14.02.2005.

[7] Vgl. Artikel „Der letzte Deutsche“ (Der Spiegel, Nr.2/2004)

[8] Aufspaltung der Gesellschaft beispielsweise in Kinderlose und Familien.

[9] Vgl. Vogel, Grünewald (1996): Kleines Lexikon der Bevölkerungs- und Sozialstatistik. R. Oldenbourg Verlag, München, S.96

[10] „Je weiter der Betrachtungszeitraum einer Bevölkerungsprojektion reicht, desto wichtiger werden jedoch Veränderungen der Fertilität, der Lebenserwartung und der Zuwanderung. Sie basieren auf einer Vielzahl individueller Entscheidungen: wann eine Ehe geschlossen wird, wann ein Kind gezeugt wird, gesundheitsrelevantem Verhalten oder der Veränderung des Wohnsitzes.“ (Ulrich, Ralf E. (2006a): Entwicklungslinien. Grundlegende Tendenzen des demografischen Wandels in Deutschland. In: BI, 10. Ausgabe, S.19-21:19)

[11] Eine weitere Unsicherheit liegt in den, den Annahmen zugrunde liegenden Daten. Die letzte Volkszählung in Deutschland fand in Westdeutschland 1987 und in der DDR 1981 statt. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Abweichung in den Registern wird dieser Sachverhalt problematisch. Ebenso haben sich Lebens- und somit Fertilitätsverhalten gewandelt. Der Trend zur „späten Mutterschaft“ beinhaltet, dass kinderlose Frauen heute noch mit 40 Jahren als potentielle Mütter gelten, was in Annahmen über eine Entwicklung der Geburtenrate berücksichtigt werden muss.

[12] „durch Zuwanderungen, die in mehreren Phasen erfolgten; ohne Zuwanderungen wäre die Bevölkerung in Deutschland bereits seit Beginn der 1970er Jahre zurückgegangen.“

Enquete-Kommission „Demographischer Wandel“ (2002): Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik" In: Verhandlungen des Deutschen Bundestages. Drucksachen, Dr. 14/8800, S.15.

[13] Ulrich, Ralf E. (2006b): Demografischer Wandel und Krankheitskosten in Deutschland. In: Badura; Iseringhausen (Hrsg.): Wege aus der Krise der Versorgungsorganisation. Beiträge aus der Versorgungsforschung. Huber Verlag, Bern.

[14] Ulrich, Ralf E. (2006a): Entwicklungslinien. Grundlegende Tendenzen des demografischen Wandels in Deutschland. In: BI (Bank Information), 10. Ausgabe

[15] Ulrich, Ralf E. (ebd.): „Im Jahre 2005 lebten mehr als 15,3 Millionen Menschen mit einem so genannten Migrationshintergrund in Deutschland.“

[16] Die Definition von “alt” richtet sich nach dem heute üblichen Erwerbsalter. Demnach gelten hier als „ältere Menschen“ die über 60-Jährigen. Diese durchaus übliche Unterteilung verweist schon auf die im späteren Verlauf der Arbeit untersuchten Wertungen des „Alters“.

[17] Kröhnert, Steffen (2006): Zur demografischen Lage der Nation. Bundeszentrale für politische Bildung, S.1-5, http://www.bpb.de/themen/WMOZ6D.html .

[18] Die nachfolgende Darstellung bezieht sich auf den Artikel „Wir sterben immer wieder aus“ (Die Welt, 11.05.2006) von Ralf E. Ulrich, Professor für Demographie und Gesundheit an der Universität Bielefeld und Direktor des Instituts für Bevölkerungs- und Gesundheitsforschung (IBG). Der Autor interpretiert die seit 100 Jahren wiederkehrende Aufnahme der Thematik des demografischen Wandels in die öffentliche und mediale Diskussion in Deutschland anhand der Theorie des „Issue-Attention-Cycles“ von Anthony Downs. In dem 1972 veröffentlichten Artikel „Up and Down With Ecology“ beschreibt Downs den Zyklus der Medienaufmerksamkeit, den „Issue-Attention-Cycle“, der sich in 5 Phasen einteilen lässt. In einer Vor-Problem-Phase werden die von Gesellschaftsgruppen (Bspw. Wissenschaftlern) thematisierten Probleme von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen. In der folgenden alarmistischen Phase greifen die Massenmedien das Thema auf und beschäftigen sich intensiv mit den wichtigsten Begriffen und Konzepten der Problembeschreibung. Die Suche nach einer effektiven Lösung des Problems in möglichst kurzer Zeit kennzeichnet diese Phase. Dabei wird die Existenz einer solchen Lösung nicht in Frage gestellt. In der dritten Phase sind die Umrisse von Lösungsstrategien bereits erkennbar. Ihre Wirksamkeit wird zunehmend kontrovers beurteilt, da die wirtschaftlichen und politischen Kosten einzelner Lösungen deutlicher wahrgenommen werden und einzelne Lösungsstrategien sich unterschiedlich auf verschiedene gesellschaftliche Gruppen auswirken. In der vierten Phase beginnt das öffentliche Interesse am Thema nachzulassen, da einige der schlimmsten Erwartungen nicht eingetreten sind. In der letzten Phase scheidet das Thema aus dem Themenzyklus aus. Es wird entweder durch ein neues abgelöst oder tritt mit einer neuen Themenschwerpunktsetzung (Bspw. Unterthema) erneut in den Zyklus ein.

[19] Unter anderem durch Mombert, Brentano und Wolf.

[20] Seit 1972 konnte die Zuwanderungen von fast sieben Millionen Menschen das kumulierte Geburtendefizit von über drei Millionen mehr als ausgleichen.

[21] Auch die heutige Belastung des umlagefinanzierten Rentensystems lässt sich noch nicht auf die demografische Entwicklung zurückführen, sondern auf den desolaten Zustand des deutschen Arbeitsmarktes. Das prognostizierte demografische Problem steht noch bevor.

[22] Link, Jürgen (1992): Die Analyse der symbolischen Komponenten realer Ereignisse. Ein Beitrag der Diskurstheorie zur Analyse neorassistischer Äußerungen. In: Jäger; Januschek (Hrsg.) Der Diskurs des Rassismus, S. 37-52:40 8, Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 46, Oldenburg

[23] Als Beispiel führt Link die „sogenannte Identifikation von Jugendlichen mit Starrollen aus populären Filmen“ an. „Es ist offenbar völlig falsch, die entsprechende Figur im Film als Abbild von Realität analysieren zu wollen. Die (im weitesten Sinne) künstlerische Figur ist theoretisch fundamental nicht als Abbild von Realität, sondern genau umgekehrt als Vorgabe für Realität zu bestimmen. Der künstlerische Diskurs wird fundamental nicht von einer präexistenten Realität informiert, sondern umgekehrt ist der künstlerische Diskurs der subjektiven Realität präexistent und informiert sie.“ (Link 1992:40).

[24] Jäger, Siegfried; Jäger, Margarete (2003): Medienbild Israel. Zwischen Solidarität und Antisemitismus. S.18

[25] Link verwendet das Beispiel der komplexen Situation eines Krieges, welche auf ein einfaches Schema „Kampf Gut gegen Böse“ reduziert werden kann.

[26] Jäger, Siegfried (2004): Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung. S.23

[27] Die Theorie der Kollektivsymbolik hat Link, ausgehend von einer Beobachtung von Willi Benning, auf empirischem Wege im Zuge einer Reihe von Medien- und Literaturanalysen vervollständigt. Links Theorie der Kollektivsymbolik beruft sich dabei nicht auf anthropologische Konstanten. Nach Link ist das System der Kollektivsymbolik historisch veränderbar und interkulturell verschieden im Gegensatz zu Vorstellungen von angeborenen Bildern oder der Vorstellung eines kollektiven Unterbewusstseins. (Vgl. Link (1984):Diskursive Rutschgefahr ins vierte Reich? Rationales Rhizom, kultuRRevolution 5, S.12-20)

[28] Link, Jürgen (1997): Noch einmal: Diskurs, Interdiskurs. Macht, kultuRRevolution 11, S.5 ff.

[29] Zusätzlich gilt: „Werden solche Negativbewertungen in den Diskurs eingebracht, so besagt dies nichts über die Richtigkeit oder Falschheit solcher Bilder. In sie geht immer die Perspektive bzw. Diskursposition ein, von der aus gesprochen wird.“ (Jäger 2003:30)

[30] Vgl. Jäger 2004:159 ff.

[31] Mit dieser Unterteilung und Terminologie bezieht sich Jäger auf die von Jürgen Link entwickelte Interdiskurstheorie.

[32] „Im Beispiel: Der Atom-Gau von Harrisburg war ähnlich folgenschwer wie der von Tschernobyl. Während ersterer aber medial jahrelang unter der Decke gehalten wurde, wurde letzterer zu einem medial-diskursiven Großereignis und beeinflusste als solches die gesamte Weltpolitik.“(Jäger 2004:162)

[33] Für eine weiterführende Übersicht über die diesem Ansatz zugrundeliegenden Theorien, vorgenommene Abgrenzungen etc. empfiehlt sich die Lektüre von Siegfried Jägers Buch „Kritische Diskursanalyse. Eine Einführung.“

[34] Überblick über ältere und aktuelle Untersuchungen siehe:

http://www.diss-duisburg.de/Internetbibliothek

[35] ebd.(171)

[36] Jäger (2004): Kritische Diskursanalyse, S.175 ff.

[37] Hieraus ergibt sich neben einer Übersicht über das in diesem untersuchten Zeitraum gültige und sagbare Wissen über die demografische Entwicklung in Deutschland, das ohne Sanktionen in den Medien geäußert werden kann, somit auch eine Übersicht über die gesellschaftlichen Tabus.

[38] Das Codebuch ist im Anhang einsehbar. Neben den codierten Variablen beinhaltet das Codebuch auch die Codieranweisungen, die einen Nachvollzug der Auswahl ermöglichen.

[39] Klaus, Goldeck, Kassel (2002): Fremd- und Selbstbilder in der Berichterstattung der deutschen Medien während des Kosovokriegs – am Beispiel des Spiegels. 285-305, In: Imhof, Kurt, Jarren, Otfried, Blum, Roger (Hrsg.) „Integration und Medien“, Wiesbaden (292)

[40] Quelle: Medien-Analyse, Deutsche Medienbeobachtung Agentur (2003): Ausschnitt Medien-beobachtung 2003, Berlin.

Vgl. auch unter http://www.mediatenor.de/show_all.php?keywords=Ranking , Download Media Tenor Zitateranking 2001 bis 2005. Vgl. auch Siegfried Jäger, der in der Informationsübernahme aus anderen Medien die Annahme eines Mediendiskurses, insbesondere was die hegemonialen Medien betrifft, gerechtfertigt sieht ebenso wie die Annahme, dass dieser Mediendiskurs in wesentlichen Aspekten als einheitlich betrachtet werden kann. Die Auswahl nur eines Mediums, welches aber eine Leitmediumrolle besetzt, scheint so legitimiert. (Jäger 2004:163)

[41] Quelle: Kommunikations- und PR-Forschungsinstitut com.X ( 2004) :Studie zur Wahrnehmung von Medienjournalisten und tatsächlichen Zitiergepflogenheiten, Com-X Institut, Bochum.

[42] Quelle: Auflagenmeldung IVW (Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e.V.) unter: http://daten.ivw.eu/, Zugriff am 03.09.2006

[43] Quelle: MA (Media Analyse) 1/2006, http://media.spiegel.de/internet.media.nsf.Navigation/ , Zugriff am 03.09.2006. Vgl. auch: http://www.spiegelgruppe.de/spiegelgruppe/home.nsf/PMWeb/CABE60B0FEA8736FC1256F9500427B6C

Ende der Leseprobe aus 157 Seiten

Details

Titel
Diskursanalytische Untersuchung der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zum demografischen Wandel in Deutschland
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
157
Katalognummer
V72401
ISBN (eBook)
9783638626491
ISBN (Buch)
9783638711999
Dateigröße
1576 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Magisterarbeit wurde interdisziplinär an der Fakultät für Literaturwissenschaft + Linguistik und der Fakultät für Gesundheitswissenschaften/AG Demografie geschrieben.
Schlagworte
Zeitbombe, Deutschen, Diskursanalytische, Untersuchung, Berichterstattung, Nachrichtenmagazins, Spiegel, Wandel, Deutschland, Thema Demographischer Wandel
Arbeit zitieren
M.A, Claudia Nolden-Temke (Autor:in), 2006, Diskursanalytische Untersuchung der Berichterstattung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" zum demografischen Wandel in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72401

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