Karl V. und die Reformation


Seminararbeit, 2003

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

I. Karl V. – ein frommer Durchschnittskatholik

II. Die wechselvolle Positionierung Karls V. in der Lutherfrage
1) Die Situation im Vorfeld des Reichstages zu Worms 1521
2) Streit um die Vorladung Luthers auf den Reichstag - Schwanken zwischen Nuntius Aleander und Kurfürst Friedrich von Sachsen

III. Die Entscheidung von Worms
1) Das Glaubensbekenntnis des Kaisers
2) Der Beschluss des Wormser Edikts

Zusammenfassung

Quellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Einleitung

„In jeder historischen Epoche bröckelt das Überlieferte, wandelt sich, weicht, das Neue sprießt, drängt hervor, aus dem Morgen wird das Heute, das ferne Zukünftige kündigt sich im Vorzeichen schon an […].“[1] So legte auch Martin Luther am 31. Oktober 1517 mit seinem legendären Thesenanschlag am Portal der Wittenberger Schlosskirche den Grundstein für die Reformation, die in den kommenden hundert Jahren die jahrhundertealten Machtstrukturen der Katholischen Kirche erschüttern und die Gründung einer neuen christlichen der Evangelischen Kirche zur Folge haben sollte.

Jedoch nicht Martin Luther, gegen den der Papst Leo X. 1521 den Kirchenbann[2] verhängte oder die Reformation und ihre Ursachen sollen diese Arbeit beschäftigen, sondern es wird das Verhältnis Karls V. zu dieser neuen reformatorischen Bewegung bis 1521 im Mittelpunkt der Darstellung stehen. Auf dem Sterbebett bedauerte es Karl, zu Beginn seiner Amtszeit die Einheit des katholischen Glaubens nicht durch die Gefangennahme des Ketzers in Worms, dessen Hinrichtung und die rücksichtslose Verfolgung seiner Anhänger gesichert zu haben.[3] In dieser Arbeit sollen die Einstellung und der Umgang dieses jungen Königs von Spanien, Herzogs von Burgund, Herrscher über große Teile Italiens sowie die österreichischen Erblande und seit 1520 gewählter und vom Papst bestätigter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation mit Martin Luther und seinen Anhängern bis zum Reichstag 1521 in Worms untersucht werden. Die Darstellung beschränkt sich auf das Verhältnis zu Martin Luther, da die beiden anderen maßgebenden Reformatoren Johannes Calvin und Ulrich Zwingli ihre ersten programmatischen Schriften erst nach 1521 veröffentlicht haben.[4]

Zu Beginn der Ausführungen soll gezeigt werden, wie die religiöse Einstellung Karls bereits durch seine Erziehung maßgeblich bestimmt wurde und wie sein persönlicher Glaube sein Weltbild und seine politische Grundhaltung gegenüber dem Papst beeinflusst haben. Im Folgenden wird die wechselvolle Positionierung Karls V. gegenüber Martin Luther sowie seinen Befürwortern und Gegnern vor und während des Wormser Reichstages dargestellt werden. Dabei sollen sowohl die politischen Zwänge der kaiserlichen Machtpolitik als auch der starke Einfluss der Berater Karls berücksichtigt werden. Zum Abschluss der Seminararbeit wird anhand des Glaubensbekenntnisses des Kaisers und dem Beschluss des Wormser Edikts 1521 seine persönliche Einstellung gegen Luther veranschaulicht werden.

I. Karl V. – ein frommer Durchschnittskatholik

Im Jahr 1520 erschienen bedeutende Lutherschriften wie „An den christlichen Adel Deutscher Nation“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“. „In demselben Jahre betrat der junge Kaiser zum ersten Male das Reich. Auf der Schwelle desselben empfing ihn die große Schicksalsfrage, ob er für oder gegen Luther sein werde. Eine Schicksalsfrage für ihn wie für Luther, für Deutschland und für die ganze Welt.“[5] Aber konnte sich für ihn diese Frage überhaupt stellen? Hermann Baumgarten verneint: „Karl V. war im innersten Herzen, durch und durch gläubiger Sohn der heiligen apostolischen römischen Kirche.“[6] Und Julius Köstlin ergänzt: „Für die religiösen Regungen, welche einen Luther zum kirchlichen Kampf erweckten und jetzt weithin die Herzen und Gewissen den Deutschen bedrangen, ja bereits auch bis zu den Spaniern sich zu verbreiten begannen, ging ihm der Sinn ab.“[7]

Bevor Karl noch das Laufen gelernt hatte, wurde er feierlich in den Orden vom Goldenen Vlies aufgenommen, der „aus Liebe zum Rittertum“ und „zum Schutz und zur Ausbreitung des christlichen Glaubens“[8] gestiftet worden war. Seine Ziele und Regeln waren für die Entwicklung Karls von außerordentlicher Bedeutung. 1509 übernimmt Wilhelm von Croy, Herr von Chièvres die Leitung der Erziehung Karls V. und wird bis zu seiner Krönung in Aachen einen fast beherrschenden Einfluss auf Karl besitzen. Sein Mentor im Geistlichen hingegen war der tief religiöse holländische Priester Adrian van Utrecht, der Karl im Sinne einer tiefen katholischen Frömmigkeit erzog und mit kaiserlicher Unterstützung später als Adrian der VI. den Stuhl des Papstes besteigen sollte.[9]

Dennoch war Karl kein mustergültiger Katholik. Er betrieb zum Beispiel keinen Reliquienkult, stiftete keine Kirchen oder Bildschmuck und trug damit nichts zur Vergegenwärtigung der biblischen Szenen oder dem Leben der Heiligen bei. Außerdem pflegte er keine besondere Bindung zu einem religiösen Orden und auch im Essen und Trinken wurde ihm oft Maßlosigkeit vorgeworfen.[10] Im Vergleich zu seinen Zeitgenossen erkannte Melanchthon dennoch an: „Sein Leben ist voll der ehrenhaften Beispiele der Enthaltsamkeit, der Beherrschung und der Mäßigung.“[11] Und selbst Luther soll bei Tisch geäußert haben: „Wir haben eine frommen Kaiser, … er ist still und fromm.“[12] Ein Beispiel für diese Frömmigkeit ist seine Reaktion auf den Sieg bei der Schlacht von Pavia 1525: „Danken wir Gott für diesen großen Sieg. Das Volk möge ihn feiern wie ich im Innern der Kirche. Die Freude soll nicht nach außen dringen, weder in Festen noch in Musik, noch in Feuerwerk, da doch der Sieg mit dem Blut von Christen erkämpft worden ist.“[13] Ebenso trug Karl sie durch den „eifrigen Besuch des Gottesdienstes und inbrünstiges Beten zur Schau; die Glaubenslehre der Kirche war er geschult als unumstößliche Wahrheit hinzunehmen“[14].

„So stand er den heiß umstrittenen Fragen des religiösen und sittlichen Lebens völlig verständnislos und ohne Ahnung von ihren wissenschaftlichen Voraussetzungen gegenüber.“[15]

Karl lebte in dem Bewusstsein, dass Gott ihn zur kaiserlichen Gewalt berufen habe. Es entsprach seiner religiösen Überzeugung, dass er das weltliche Oberhaupt der Christenheit und damit der Schutzherr der katholischen Kirche gegen Türken und Ketzer sei, wie es die deutschen Kaiser jahrhundertelang vor ihm gewesen waren. Carl Burckhardt bezeichnet ihn sogar als den „erste[n] Paladin der Katholizität“[16]. Und obwohl ihn der Papst im Wahlkampf um die Kaiserkrone geschädigt hatte, so sah er es dennoch als seine kaiserliche Aufgabe an, mit diesem „Hand in Hand“[17] zu gehen. Denn Karl glaubte, dass das Kaisertum als die höchste weltliche und auch das Papsttum als die höchste geistliche Würde von Gott geschaffen waren. Seine persönliche religiöse Grundhaltung stand somit im Einklang mit seinem politischen Interesse, den Papst als Bundesgenossen zu gewinnen und die Einheit des Glaubens und der Kirche in seinen Ländern zu bewahren.[18]

Obwohl Karl an der Grundordnung und den Vorschriften der katholischen Kirche festhielt, war er dennoch nicht blind gegenüber den kirchlichen Missständen, über die er von allen Seiten Beschwerden erhielt und die auch auf der Tagesordnung des Wormser Reichtages von 1521 standen. Durch sein Verantwortungsbewusstein gegenüber der Kirche und seine eigenen Erfahrungen mit dem Missbrauch kirchlicher Ämter abgetrieben drängte Karl mit Unterstützung seines früheren Lehrers Adrian immer wieder auf Reformen, wie sie in Spanien bereits seit dem Ende des letzten Jahrhunderts durch den Kardinal Ximenez de Cisneros auch gegen den Widerstand der Päpste durchgesetzt wurden. Sie machten die katholische Kirche Spaniens beinahe resistent gegen die Einflüsse der Reformation.[19]

Auch der Humanismus bekannte sich zur katholischen Kirche und strebte wie Karl Reformen an. Zudem standen nicht wenige Männer aus der unmittelbaren Umgebung Karls in enger Beziehung zu dem wohl bekanntesten Humanisten dieser Zeit, Erasmus von Rotterdam. Der wichtigste unter ihnen war Mercurio di Gattinara, der seit 1518 der Großkanzler aller Reiche und Länder des Königs war und mit seinen Ideen stark auf Karl einwirkte. Die Glaubenshaltung des Kaisers hat Erasmus jedoch nicht beeinflusst.[20]

Karls Reformwilligkeit stammte „nicht aus einem kühlen kritischen Abstand zur Sache, sondern aus einer sich ihrer Zugehörigkeit bewussten Seele und darum aus leidender Liebe zu seiner Kirche.“[21]

II. Die wechselvolle Positionierung Karls V. in der Lutherfrage

1) Die Situation im Vorfeld des Reichstages zu Worms 1521

„Es ist das Schicksal aller geistigen Mächte zu allen Zeiten und unter allen Völkern gewesen, in ihrem Walten und Wirken zu beträchtlichem Grade von äußeren Umständen bestimmt zu werden.“[22] Welche äußeren Umstände aber erwarteten Karl, als er nach Jahren der Abwesenheit 1520 auf dem Wege zu seiner Krönung in Aachen wieder nach Burgund zurückkehrte?[23]

Am 15. Juni 1520 war in Rom die Bannandrohungsbulle gegen Martin Luther ausgefertigt worden, die, sollte er nicht widerrufen, ihn und seine Anhänger als Ketzer verurteilte.[24]

Vorrangiges politisches Ziel Karls war der Krieg gegen den französischen König Franz I., um die 1477 an Frankreich verlorenen Gebiete des Herzogtums Burgund und die Vorherrschaft in Oberitalien zurückzugewinnen. Um diese Ziele zu verwirklichen strebte Karl ein Bündnis mit Papst Leo X. an, weshalb er bemüht war, keine religionspolitischen Spannungen mit dem Papst aufkommen zu lassen. In der Lutherfrage wünschte die Kurie eine reibungslose Erledigung des Problems in ihrem Sinne, was die Verhängung der Reichsacht über Luther und seine Anhänger durch den Kaiser bedeutet hätte. Im Gegensatz dazu bestand der Kurfürst von Sachsen, der 1519 ebenfalls Anwärter auf die Kaiserkrone gewesen war und bei den Reichständen großen Einfluss besaß, aber auch einige andere Stände darauf, Luther vor einer eventuellen Verurteilung auf dem bevorstehenden Reichstag in Worms zu hören. Von diesem Reichstag erhoffte sich Karl ebenfalls militärische Unterstützung und auch verschiedene Fragen der Reichsverfassung waren mit den Ständen zu klären, so dass er sie nicht übergehen konnte. Hinzu kam noch, dass sich die kaiserlichen Räte in der Einschätzung der Lutherfrage nicht einig waren. Zeitweise schien Chièvres dem päpstlichen Nuntius wohlwollender gegenüberzustehen, während Gattinara mehr Friedrich dem Weisen zugeneigt war, denn auch der von ihm verehrte Erasmus von Rotterdam vertrat die Meinung, dass man Luther anhören solle.[25]

[...]


[1] Lahnstein, Peter (1993), S. 34. Auf die Korrektur der alten Rechtschreibung in direkten Zitaten wird zugunsten einer besseren Lesbarkeit verzichtet.

[2] Vgl. Kalkoff, Paul (1921), S. 31.

[3] Vgl. Kalkoff, Paul (1921), S. 17.

[4] Vgl. Encarta Enzyklopädie (2002).

[5] Baumgarten, Hermann (1889), S. 10.

[6] Baumgarten, Hermann (1889), S. 11.

[7] Köstlin, Julius (1903), S. 382.

[8] Zitiert nach: Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 15.

[9] Vgl. Lahnstein, Peter (1993), S. 52ff.; Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 6, 15.

[10] Vgl. Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 8.; Seibt, Ferdinand (1990), S. 30f.

[11] Zitiert nach: Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 8.

[12] Zitiert nach: Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 6.

[13] Zitiert nach: Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 7.

[14] Kalkoff, Paul (1921), S. 16.

[15] Kalkoff, Paul (1921), S. 16.

[16] Burckhardt, Carl (1954), S. 23.

[17] Baumgarten, Hermann (1889), S. 11.

[18] Vgl. Baumgarten, Hermann (1889), S. 10f.; Köstlin, Julius (1903), S. 382.; Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 9ff.

[19] Vgl. Köstlin, Julius (1903), S. 383.; Lahnstein, Peter (1993), S. 77.; Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 9f.

[20] Vgl. Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 10f.

[21] Ludolphy, Ingetraut (1965), S. 11.

[22] Baumgarten, Hermann (1889), S. 5.

[23] Vgl. Encarta Enzyklopädie (2002).

[24] Worin der Disput zwischen Luther und der katholischen Kirche im Einzelnen bestand und was er konkret widerrufen soll, kann hier nicht ausgeführt werden und wird als Vorwissen des Lesers vorausgesetzt. Vgl. Leos X. (1520) In: Kastner, Ruth (1994), S. 41ff.

[25] Vgl. Brandi, Karl (1942), S. 110; Luttenberger, Albrecht (2002), S. 295f.; Rabe, Horst (1996), S. 320f.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Karl V. und die Reformation
Hochschule
Universität Potsdam  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Die Reichspolitik Karls V. (1519-1556)
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V70212
ISBN (eBook)
9783638615181
Dateigröße
462 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl, Reformation, Reichspolitik, Karls
Arbeit zitieren
Magister Artium Benjamin Kleemann (Autor:in), 2003, Karl V. und die Reformation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/70212

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