Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer Personen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Eine erste Umreißung der Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

3. Frühe Untersuchungen zur Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

4. Ausgewählte Erklärungsmodelle zur Beurteilung der Gruppenleistung
bei Anwesenheit anderer
4.1. Zajoncs triebtheoretische Erklärung bei bloßer Anwesenheit
4.2. Cottrells Modell der Bewertungserwartung (Evaluation Apprehension)
4.3. Das Modell des Aufmerksamkeitskonflikts (Distraction–conflict theory)
von Sanders, Baron und Moore
4.4. Zweiprozesstheorie von Manstead und Semin
4.5. Sannas Modell der unterschiedlichen Ergebniserwartungen
4.6. Erregungsregulation bei Blascovich, Mendes, Hunter und Salomon

5. Zusammenfassung der aufgezeigten Ansätze zur Gruppenleistung bei
Anwesenheit anderer

6. Ausblick zur Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

III Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Zajoncs Erklärung für soziale Erleichterung und

soziale Hemmung

Abbildung 2: Cottrells Modell der Bewertungserwartung

Abbildung 3: Das Aufmerksamkeitskonflikt-Modell von Sanders et al.

Abbildung 4: Modell der Zweiprozesstheorie von Manstead und Semin

1. Einleitung

Wenn man in einer aufgabenbezogenen Gruppe arbeitet, statt allein, kann dieser Umstand Vor- und Nachteile haben. Ziel dieser Arbeit ist es, einen Überblick über die fördernden und hemmenden Ef- fekte zu geben, die auf der individuellen Ebene auftreten können, wenn Personen einer aufgabenbe- zogenen Gruppe in Anwesenheit anderer arbeiten.

Zu diesem Thema wurden bereits erste Untersuchungen Ende des 19. Jahrhunderts durchgeführt. Im Laufe der Zeit wurden weitere zahlreiche Ansätze und Modelle generiert, die sich heute grob in zwei Erklärungskategorien gruppieren lassen und die hier vorgestellt werden. Da es sich bei diesem Thema um ein sehr komplexes handelt, in das diverse Annahmen einfließen, erhebt diese Arbeit auch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, sondern kann nur eine skizzenhafte Darstellung geben, in welcher aber dennoch die wesentlichen Punkte der Beeinflussung der Gruppenleistung bei Anwe- senheit anderer Personen aufgezeigt sein wollen.

Um eine stringente Analyse vornehmen zu können, erscheint es geboten, zu Beginn dieser Arbeit die Gruppenleistung als solche sowie diverse Begrifflichkeiten, die in diesem Kontext von Bedeu- tung sind, näher zu erläutern. Daran anschließend wird kurz auf einige historische Untersuchungen Bezug genommen, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben. Schließlich werden einige ausge- wählte Modelle, die den heutigen Forschungsstand nachhaltig beeinflusst haben, näher vorgestellt und einer ersten Beurteilung unterworfen, bevor in den letzten zwei Teilen eine Zusammenfassung und Bewertung der diversen Ansätze sowie ein Ausblick diese Arbeit abrunden sollen. Doch zu- nächst zu der Frage, was Gruppenleistung eigentlich heißen möchte.

2. Eine erste Umreißung der Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

Eine erste, und heute schon klassische Definition zur Gruppe als solche, lässt sich bei Lewin (1948) finden. Lewin meint, dass eine Gruppe dann existent ist, wenn zwei oder mehr Menschen miteinan- der interagieren und in diesem Sinne interdependent sind, dass ihre Ziele und Bedürfnisse eine ge- genseitige Beeinflussung bewirken. (Lewin 1948: 60ff.)

Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens in Gruppen. Beispielsweise lebt man in Fami- lien, arbeitet in Organisationen oder verbringt ganz einfach seine Freizeit bei gemeinsamen Aktivitä- ten mit Freunden. (Wilke / Wit 2003: 498) Diese Aktivitäten sind es, die im Kontext der Gruppe von den einzelnen Gruppenmitgliedern zu einem gemeinsamen Gruppenprodukt zusammengefügt wer- den. Dabei können die einzelnen Beiträge der Gruppenmitglieder unter dem Aspekt der so genann- ten Gruppenleistung näher betrachtet werden. Wilke und Wit definieren diese potenzielle Gruppen- leistung wie folgt: Die potenzielle Gruppenleistung ist „die Leistung, die eine Gruppe erbringen kann, wenn sie die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen – wie etwa relevantes Wissen, Fähig- keiten, Fertigkeiten, Werkzeuge, Zeit und Geld – optimal (d.h. ohne Prozessverluste) einsetzt, um den Anforderungen der Aufgabe gerecht zu werden.“ (ebd.) Diese Definition impliziert also, dass wenn die Gruppenmitglieder, gemeinsam oder individuell, über die erforderlichen Ressourcen ver- fügen, die Gruppe ein größeres Potenzial hat, um den spezifischen Anforderungen etwaiger Aufga- ben zu genügen. Allerdings bietet die Verfügbarkeit möglichst vieler Ressourcen noch keine Garan- tie dafür, dass die Gruppe als solche auch eine gute Leistung erbringt. Ebenso ist beobachtet wor- den, dass Personen, die in eine Gruppe involviert sind, andere Leistungen erbringen, als wenn sie allein sind. Dieser Umstand kann darin begründet sein, dass die Aufgabenbearbeitung in Anwesen- heit anderer Personen erfolgt. (Schultz-Hardt et al. 2002: 28)

In der sozialpsychologischen Forschung werden solche Beobachtungen auf Effekte zurückgeführt, die als „social facilitation“ (soziale Aktivierung; Erleichterung) und „social inhibition“ (soziale Hemmung) bezeichnet werden. (ebd.) Dabei meint social facilitation die „Zunahme dominanter Re- aktionen aufgrund der Anwesenheit anderer Personen.“ (Wilke / Wit 2003: 501) Während social in- hibition die „Abnahme nichtdominanter Reaktionen infolge der Anwesenheit anderer Personen“ be-

schreibt. (ebd.) Beide Effekte, auf die im Wesentlichen diese Arbeit auch ihren Fokus richten wird, werden in der Forschung auch als „SFI-Effekte“ bezeichnet. (ebd.: 502ff.; vgl. auch Frey / Greif 1994: 291ff.)

Einschränkend ist es jedoch unerlässlich darauf hinzuweisen, dass die differenzielle Wirkung von SFI-Effekten nicht allein an die physische Anwesenheit anderer Personen gebunden ist. So konnten neuere Arbeiten, beispielsweise die Befunde von Aiello und Kolb (1995) nachweisen, dass SFI-Effekte auch dann existent sind, wenn man nur davon ausgeht beobachtet zu werden. Zum Beispiel bei elektronischer Überwachung bei Bildschirmarbeit. (Schultz-Hardt et al. 2002: 28; vgl. auch Forsyth 1999: 275) Ferner soll nicht unerwähnt bleiben, dass bei den im weiteren Verlauf vorge- stellten theoretischen Modellen, die interessierenden anderen Personen nicht zwangsläufig dieselbe Aufgabe durchführen wie die Gruppenmitglieder, sondern oftmals nur als reine Zuschauer zu be- trachten sind. (ebd.)

Da es sich bei der Frage, ob die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Person durch die Anwesenheit anderer Menschen gefördert oder beeinträchtigt wird, um eines der ältesten experimentellen For-

schungsparadigmen der Sozialpsychologie handelt (Herkner 1991: 474), ist es nur folgerichtig, dass sich nun einigen frühen Untersuchungen zugewendet wird, die sich mit diesem Thema beschäftigt haben.

3. Frühe Untersuchungen zur Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

Frühe empirische Untersuchungen belegten zunächst überwiegend positive Auswirkungen der An- wesenheit anderer bei der Ausführung von Aufgaben. So untersuchte Triplett bereits 1897, im wohl ersten kontrollierten Experiment der Sozialpsychologie, „ob Kinder beim Aufrollen einer Schnur schneller sind, wenn gleichzeitig einem zweiten Kind diese Aufgabe gestellt wird. In der Wettbe- werbssituation schnitten 20 von 40 Kindern besser ab, während die übrigen sich nicht verbesserten oder schlechter als in der Einzelsituation waren.“ (Frey / Greif 1994: 291; vgl. auch Forsyth 1999: 269) Ebenso konnte Triplett (1898) in einer weiteren oft zitierten Analyse zeigen, dass Fahrradfah- rer im Durchschnitt die besten Leistungen erbrachten, wenn sie im direkten Wettkampf gegeneinan- der fuhren als allein. (Brehm et al. 2005: 265f.) In weiteren frühen Studien, beispielsweise bei Schmidt (1904), konnte nachgewiesen werden, dass Schulkinder im sozialen Kontext des Klassen- zimmers zumeist bessere Leistungen erbrachten als allein. (Schultz-Hardt et al. 2002: 28)

Ein weiteres klassisches Experiment geht auf Allport (1920) zurück. Hierbei wurden einer Reihe von Versuchspersonen mehrere Aufgaben gestellt, die es zu lösen galt. In einer Experimentalbedin- gung arbeiteten die Versuchspersonen isoliert von einander, in einer zweiten Versuchssituation ar- beiteten die Personen dagegen gleichzeitig in einem Raum. Das Resultat dieses Experimentes offen- barte in erster Linie, dass bei den meisten Aufgabentypen in Anwesenheit anderer Personen besser und schneller gearbeitet wurde als allein. Diese Feststellung veranlasste Allport dazu, diesen Effekt schließlich als social facilitation, im Deutschen als soziale Leistungsaktivierung gebräuchlichen Begriff, zu bezeichnen. (Herkner 1991: 474)

Alle diese älteren Untersuchungen können für sich in Anspruch nehmen, dass sie erstmals den Fokus der sozialpsychologischen Forschung auf dieses faszinierende Phänomen der Leistungssteige- rung bei Anwesenheit anderer Personen gelenkt haben. Allerdings konnte social facilitation nicht nur bei Menschen, sondern auch im Tierreich nachgewiesen werden. Beispielsweise beim Nestbau von Ameisen, Fressverhalten von Affen, Labyrinthlernen von Küchenschaben (Aronson et al. 2004: 325f.), Hühnern und Ratten sowie bei der Schwimmaktivität von Goldfischen. (Frey / Greif 1994:

291)

Indes zeigten sich bereits früh Hinweise, dass infolge der Anwesenheit anderer Personen anstelle eines fördernden auch ein hemmender Einfluss zu erkennen war. In Pessins Untersuchung von 1933 beispielsweise, bei der die Versuchspersonen Listen sinnloser Silben allein oder vor einem Publi- kum lernen mussten, war dies der Fall. Pessin konnte zeigen, dass eine Folge sieben sinnloser Sil- ben im Schnitt besser und schneller gelernt wurde, wenn die Versuchspersonen allein lernten. Zu einem späteren Zeitpunkt testete Pessin dieselben Personen erneut. Hier bestand die Aufgabe darin, dass die ursprüngliche Liste allein oder vor einem Publikum erneut zu lernen war. Dabei zeigte sich jedoch ein ganz anderes Ergebnis als in dem vorangegangenen Durchgang. In der Publikumsbedin- gung waren jetzt erheblich weniger Durchgänge erforderlich, um die Liste erneut zu lernen und kor- rekt zu reproduzieren, als wenn die Versuchspersonen allein arbeiteten. (Wilke / Wit 2003: 500f.)

Diese und weitere Forschungsergebnisse ließen Wissenschaftler lange Zeit in der unbefriedigenden Lage, „davon ausgehen zu müssen, dass Individuen, die in Gegenwart anderer eine Leistung erbrin- gen müssen, besser abschneiden, als wenn sie alleine arbeiten, aber manchmal auch schlechtere Leistungen erbringen.“ (ebd.: 501) In der Folgezeit wurde daraufhin untersucht, unter welchen Be- dingungen welcher der beiden Effekte sich als dominant erwies. „Dabei ergab sich ein sehr robuster Befund: Während für vergleichsweise einfache, vom Individuum gut gelernte Aufgaben Leistungs- steigerungen bei Anwesenheit anderer Personen eintreten, bewirkt diese Anwesenheit bei relativ schwierigen, neuartigen Aufgaben eine Leistungsminderung im Vergleich zur individuellen Bear- beitung ohne andere Personen.“ (Schultz-Hardt et al. 2002: 28)

Allerdings, so muss man konsternierend feststellen, ließ das Forschungsinteresse in dieser Richtung sukzessive nach, da es lange nicht gelang, eine befriedigende Erklärung für die widersprüchlichen Befunde zu finden. Dennoch kristallisierten sich nach und nach unterschiedliche Erklärungsansätze für die Abhängigkeit sozialer Aktivierungs- und Hemmungseffekte heraus, die sich in zwei Katego- rien gruppieren lassen. (ebd.: 28f.)

Die zur ersten Kategorie zählenden Ansätze, nehmen allesamt an, dass in Anwesenheit anderer Per- sonen bei sowohl leichten und gut gelernten als auch bei schwierigen und weniger gut gelernten Aufgaben, dieselbe individuelle Reaktion hervorgerufen wird, „die nur eben beim einen Aufgaben- typ funktional und beim anderen Aufgabentyp dysfunktional ist.“ (ebd.: 29) Als bekannte Vertreter dieser ersten Kategorie sind dabei die Ansätze von Zajonc (1965), Cottrell (1968) sowie Sanders (1981) zu nennen und die nun vorgestellt werden sollen. Gerade Zajoncs Verdienst ist es, dass For- schungsinteresse in dieser Richtung neu geweckt (Frey/ Greif 1994: 292) und darüber hinaus eine Erklärung für die bis dahin widersprüchlichen Befunde generiert zu haben. (Wilke / Wit 2003: 501)

4. Ausgewählte Erklärungsmodelle zur Beurteilung der Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer

4.1. Zajoncs triebtheoretische Erklärung bei bloßer Anwesenheit

Robert B. Zajonc (1965) ging von der Überlegung aus, dass die Anwesenheit anderer Personen, seien sie nun koagierende Gruppenteilnehmer oder nur reine Zuschauer, beim Individuum zu einer Erhöhung des physiologischen Erregungsniveaus führt (arousal-level). (Frey / Greif 1994: 292) Sowohl in der Publikumsbedingung als auch in der Co-Aktion-Bedingung konnten dabei Effekte be- obachtet werden, die bei bloßer Präsenz anderer das Verhalten des Individuums beeinflussten. (Nold et al. 2003: 2f.) Das Ergebnis dieser Beobachtung offenbart in einem ersten Befund, dass die Leis- tung durch die Anwesenheit eines Publikum gesteigert, dass Lernen jedoch beeinträchtigt wird. Das Publikum fördert dabei die Emission dominanter Antworten. „Eine Antwort wird dann dominant, wenn sie eine Gewohnheit darstellt, verinnerlicht ist und in den meisten Situationen am wahrschein- lichsten auftritt.“ (ebd.: 3) Zajoncs Beobachtungen zu aufgabenbezogenen Leistungen koagierender Gruppenmitglieder, ließen ebenfalls den Schluss aufkeimen, „dass die individuelle Leistung durch die Anwesenheit eines Co-Arbeiters gesteigert wird. Lernen wird jedoch durch die Präsenz eines Co-Arbeiters gemindert.“ (ebd.) Die Anwesenheit eines Co-Arbeiters erhöht also, wie in der Publi- kumsbedingung die Emission dominanter Antworten.

Demnach führt, Zajonc zur Folge, die bloße Anwesenheit anderer Personen bei gut gelernten oder leichten Aufgaben zu einer Leistungssteigerung, aber zu einer Leistungsminderung bei schwierig oder komplex empfundenen Aufgaben. (Wilke / Wit 2003: 501) Hierbei kommt es durch die bloße Anwesenheit anderer Menschen zu einer erleichterten Auslösung von Reaktionen, die im Verhal- tensrepertoire eines Individuums Vorrang haben. Zajonc nennt diese Reaktionen, die also eine er- höhte Wahrscheinlichkeit haben in einer Hierarchie konkurrierender Reaktionen aufzutreten, wie et- wa gut gelernte oder instinktive Reaktionen, so genannte „dominante Reaktionen“. (Baron / Kerr 2003: 22) Dieser Terminus ist dabei dem Sprachgebrauch der Triebtheorie von Hull und Spence entlehnt. (Frey / Greif 1994: 292) Allerdings, so Zajonc, hemmt die bloße Anwesenheit anderer Per- sonen auch die Auslösung neuartiger und komplizierter Reaktionen, die das Individuum vorher noch nie oder nur selten ausgeführt hat. Zajonc nennt diese die so genannten „nichtdominanten Reaktio- nen“. (Baron / Kerr 2003: 22)

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer Personen
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Psychologie)
Veranstaltung
Intra- und Intergruppenprozesse
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
20
Katalognummer
V67848
ISBN (eBook)
9783638605465
ISBN (Buch)
9783638767606
Dateigröße
484 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gruppenleistung, Anwesenheit, Personen, Intra-, Intergruppenprozesse
Arbeit zitieren
Sten Cudrig (Autor:in), 2007, Gruppenleistung bei Anwesenheit anderer Personen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67848

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