Darstellung postmoderner Aspekte in Christoph Ransmayrs Werk 'Die letzte Welt'


Hausarbeit, 2002

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. "Was bedeutet postmodern ?" - Versuch einer Klärung
2. 1 Entstehung und Wirkungskreis
2. 2 Die zeitliche Entwicklung und Bedeutung der Postmoderne
2. 3 Eine Annäherung an die postmoderne Literatur

3. “Und das Ende der Welt war Tomi.“ - Zum Roman
3.1 Der Prätext: Ovids “Metamorphosen“
3.2 Werkskontext und Rezeption
3.3 Eine kurze Inhaltswiedergabe

4. “ Seine Arbeit Asche. “ - Das Spielmaterial Ransmayrs
4. 1 Die Arbeit am Mythos
4. 2 Das Verschwinden des Autors
4. 3 Der offene Text und die Uneindeutigkeit der Zeichen
4. 4 Wirklichkeit und Fiktion
4. 5 Macht-, Vernunft- und Zivilisationskritik
4. 6 Fortschrittsskepsis und Apokalyptik
4. 7 Destabilisierung durch Verwandlung

5. Resümee

6. Literatur

1. Einleitung

“Ransmayrs Roman Die letzte Welt erschien 1988, also gegen Ende jenes Jahrzehnts, in dem weite Teile der Philosophie, Kunst und Literatur im Zeichen der Postmoderne standen.“[1]

Die Aussage von Thomas Anz impliziert, sich dem Begriff “Postmoderne“ im Rahmen dieser Arbeit etwas näher zu widmen. Nach einer knappen Darstellung des Werkskontextes und der Inhaltswiedergabe des Romans soll anschließend versucht werden, die Frage zu beantworten, aufgrund welcher Gesichtspunkte “Die letzte Welt“[2] der postmodernen Literatur zuzuordnen ist.

2. "Was bedeutet postmodern ?" - Versuch einer Klärung

2.1 Entstehung und Wirkungskreis

Der Beginn der Postmoderne–Diskussion ist auf das Jahr 1959 zurückzuführen: Die Amerikaner Irving Howe und Harry Levin warfen damals der Gegenwartsliteratur Erschlaffung vor und ,– im Gegensatz zur Moderne-, mangelnde schöpferische Potenz und Durchschlagskraft. Durch den Schöpfungsboom der Moderne sei diese Entkräftung auch durchaus nachvollziehbar und verständlich. Dennoch, auf das nach der Moderne Kommende reagierten sie ablehnend.[3]

Während die einen noch den Verlust des modernen Ganzen betrauerten, begriffen andere diesen Verlust bereits als willkommenen Freiheits- und Wahrheitsfortschritt. Vor allem die Literaturkritiker Leslie A. Fiedler und Susan Sontag werteten die Kritiken positiv und orientierten sich nicht länger am Maßstab der klassischen Moderne: Die Mehrsprachigkeit galt nun als “Königsweg“, denn das Postmoderne verbindet “Realismus und Phantastik, Bürgerlichkeit und Outsidertum, Technik und Mythos.“[4] Aus soziologischer Sicht bedeutete dies auch eine Kombination von populärer Trivialität und elitärem Anspruch.

Etwa 1969 lautete die Grundformel der Postmoderne, es müsse möglich sein, einen prinzipiellen und radikalen Pluralismus von Sprachen, Modellen und Verfahrensweisen in einem und dem selben Werk zu praktizieren.[5] Dem Begriff “Pluralismus“ kommt besondere Bedeutung zu, denn den Meta-Erzählungen der Moderne wurde stets eine Leitidee vorgegeben, welche in Anlehnung an Jean-Francois Lyotards Schrift “La Condition postmoderne“ “alle Wissensanstrengungen und Lebenspraktiken einer Zeit bündelte und auf ein Ziel hin versammelte: Emanzipation der Menschheit in der Aufklärung, Teleologie des Geistes im Idealismus, Hermeneutik des Sinns im Historismus, Beglückung aller Menschen durch Reichtum im Kapitalismus [ ... ].“[6]

Da, wo der Gedanke eines einheitlichen Ganzen überwunden wird, beginnt postmodernes Verstehen. Es sprengt die Schemata der Chronologie, der Epochen, des Fortschritts, der Überholung und Überwindung.[7] Darin besteht der Unterschied zur Moderne.

Fiedler proklamierte 1969 in der damals maßgeblichen Schrift “Cross the border, close the gap!“ das Ende der Moderne. Mittlerweile kann diese Auffassung jedoch als überarbeitet gelten, denn der Moderne ist die Postmoderne nicht einfacherweise entgegenzustellen, sondern es sollte die Postmoderne eher als Korrektiv der Moderne gesehen werden, in dem komplett alles hinterfragt werden muss.[8] Das generelle Infragestellen, die Abkehr von Absolutheits- und Hegemonieansprüchen und die Akzeptanz des Anderen, die Abneigung gegen Uniformität und präskriptive Haltungen der Moderne, können als Grundsätze postmodernen Verständnisses gelten.[9] Es geht um ein prinzipielles Recht des Differenten. Nicht nur in der Literatur, sondern auch in Bereichen der Philosophie, der Soziologie, der Architektur und der Malerei ist man bemüht, diesen verschiedenen Erwartungen gerecht zu werden. Diese Auffassung birgt in sich das Problem der Beliebigkeit, des Zusammensperrens vollkommen disparater Handlungselemente. Als “indifferenter Einheitsbrei“[10] wird die Postmoderne von ihren Kritikern oft verschrien und es mache sich “zuviel unsinniger Irrationalismus unter dem Namen der Postmoderne“[11] breit. Doch auch wenn der Begriff “Postmoderne“ hinsichtlich seiner Gültigkeit, seinem Anwendungsbereich, seiner zeitlichen Ansetzung und seiner Inhalte durchaus umstritten ist, so ist er wohl dennoch “kein Freibrief für terminologische Beliebigkeit und semantische Fremd-okkupation.“[12] In seinem Aufsatz “Postmoderne heute“[13] versuchte Ihab Hassan eine Merkmalsreihe postmoderner Gesichtspunkte aufzustellen, um eine Regelung zu treffen, sich einer Definition der Postmoderne zu nähern und dem Vorwurf des “anything goes (Paul Feyerabend)“ entgegen zu wirken. Auch Wolfgang Welsch stellt eine zweckmäßige Übersicht bereit und nennt darin verschiedene Verbindlichkeiten auf welche bereits oben hingewiesen werden konnte.[14]

2.2 Die zeitliche Entwicklung und Bedeutung der Postmoderne

Bereits das Präfix `post-` deutet einen Zustand an, dessen Beschreibung noch unsicher zu sein scheint.[15] Tatsächlich erfuhr die Postmoderne seit ihrer erstmaligen Diskussion zahlreiche Änderungen, Neuerungen und Verwerfungen. Erst galt es, sich in den 1960er Jahren gänzlich von der Moderne zu trennen, sie als erledigt zurückzulassen und neue Wege zu gehen. Bald problematisierte sich dieses Vorhaben, eine totale Abwendung von der Moderne schien unmöglich. Es konnte sich nicht mehr gegen die Moderne gerichtet werden, sondern lediglich gegen ihre Traditionen. Vor allem von ihrem Einheitsgedanken wurde sich verabschiedet. Als plurales, anti-totalitäres Denken ohne hemmungslose Verrührung zu “einem knalligen Kulissenkitsch“[16] kann die Postmoderne bezeichnet werden und hat dabei auch einen ethischem Anspruch zu erfüllen.[17]

Inzwischen wird das Einheitliche nicht mehr ganz eingelöst, sondern offen gehalten. Ohne unterdrückend zu wirken, wird darin die einzig legitime Form des Ganzen erkennbar.[18] Es spielen somit Uniformität und Pluralisierung ineinander, denn Zugriffe auf nur Uniformität oder nur Pluralität sind unzureichend geworden.

Am Rande sei noch kurz verwiesen auf den Begriff “Zweite Moderne“, der von dem Soziologen Ulrich Beck in das Gebiet der aktuellen Diskussionen gerückt wurde und der unter anderem ein kritisches Reflexivwerden der Postmoderne zum Ausdruck bringt.[19]

Die Frage, wo die Postmoderne einzuordnen sei, obliegt ebenso wie der Begriff an sich einem breiten Spektrum von Ansichten. Umberto Eco beispielsweise meint, `postmodern` sei keine zeitlich begrenzbare Strömung, sondern eher eine Geisteshaltung und eine Vorgehensweise.[20] Auch kann die Postmoderne als kulturelle Tendenz, als “Lifestyle“ betrachtet werden. Als medienwirksames Schlagwort bekommt sie ohnehin Gültigkeit. Welsch unterteilt die Postmoderne daher folgendermaßen:[21]

- präzise: Postmoderne Theoretiker, wie etwa Jean-Francois Lyotard oder Umberto Eco, die entsprechende Modelle entwerfen.
- anonym: Genannt wird hierbei Ludwig Wittgenstein, in dessen Denken das Bewusstsein der Pluralität zwar eine Rolle spielt, dieses wird aber nicht als postmodern deklariert.
- diffus: Postmoderne Praktiken werden ohne klare Theorie entwickelt. Darin zeigt sich das Problem der Beliebigkeit besonders deutlich.

Durch die eingangs erwähnte Postmoderne-Debatte gewann die Literatur wieder an Bedeutung und neue Theoreme verbreiteten sich. Als Wegbereiter der postmodernen Schriftstellerei können in Amerika vor allem Thomas Pynchon und Jorge Luis Borges gesehen werden, in Europa insbesondere Umberto Eco.[22] Im deutschsprachigen Raum hielt die Literatur der Postmoderne mit einiger Verspätung in den 80er Jahren Einzug. Namhafte Vertreter sind an dieser Stelle unter anderen Botho Strauß, Peter Handtke, Patrick Süskind, Sten Nadolny und Christoph Ransmayr.

[...]


[1] Anz, Thomas: Spiel mit der Überlieferung. In: Die Erfindung der Welt: Zum Werk von Christoph Ransmayr.

Hrsg. von Uwe Wittstock. Frankfurt am Main: Fischer 1997. S. 120 – 132. Hier: S.120.

[2] Ransmayr, Christoph: Die letzte Welt. 10. Aufl. Frankfurt am Main: Fischer 2000.

[3] Vgl. Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Hrsg. von Wolfgang Welsch.

Weinheim: VCH, Acta Humanoria 1988. S.9.

[4] Ebd., S.10.

[5] Vgl. ebd.

[6] Ebd., S.12.

[7] Vgl. ebd., S. 13.

[8] Vgl. ebd., S. 35.

[9] Vgl. ebd., S. 37.

[10] Ebd., S. 19.

[11] Türck, Hans Joachim: Postmoderne. Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag; Stuttgart: Quell 1990. S. 83.

[12] Wege aus der Moderne 1988: S. 18.

[13] Hassan, Ihab: Postmoderne heute. In: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion.

Hrsg. von Wolfgang Welsch. Weinheim: VCH, Acta Humanoria 1988. S.49 - 56.

[14] Vgl. Welsch, Wolfgang: Unsere postmoderne Moderne. 2., durchges. Aufl. Weinheim: VCH, Acta Humanoria

1988. S. 4 – 7.

[15] Vgl. Wege aus der Moderne 1988: S.2.

[16] Wittstock, Uwe: Leselust. Wie unterhaltsam ist die neue deutsche Literatur? Ein Essay. München:

Luchterhand Literaturverlag 1995. S.64.

[17] Vgl. Welsch 1988: S.7.

[18] Vgl. Wege aus der Moderne 1988: S.16.

[19] Vgl. Pfeiffer, Joachim: Von der Postmoderne zur Zweiten Moderne. Zur Standortbestimmung von Literatur,

Literaturwissenschaft und Literaturdidaktik. www.vib-bw.de/tp8/home_pfeiffer/antrittsvl.htm (26.02.2002).

[20] Vgl. Umberto Eco: Nachschriften zum `Namen der Rose`. 8. Aufl. München: dtv 1987. S. 77.

[21] Vgl. Welsch 1988: S.80.

[22] Auf die Einflüsse “spätmoderner“ Autoren (z.B. James Joyce, Thomas Mann) sei verwiesen.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Darstellung postmoderner Aspekte in Christoph Ransmayrs Werk 'Die letzte Welt'
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Neuere deutsche Literatur )
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
16
Katalognummer
V52035
ISBN (eBook)
9783638478458
ISBN (Buch)
9783638598361
Dateigröße
532 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darstellung, Aspekte, Christoph, Ransmayrs, Werk, Welt
Arbeit zitieren
Thomas Schiller (Autor:in), 2002, Darstellung postmoderner Aspekte in Christoph Ransmayrs Werk 'Die letzte Welt', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52035

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