"Nichts zu sehr"? Die Institutionen der Polis Athen in der Solonischen Nomothesie


Magisterarbeit, 2006

131 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

A. EINLEITUNG

B. VORBETRACHTUNGEN
I. Die soziale Krise um 600 v.Chr.
1. Die Ursachen
2. Die Erscheinungsformen
II. Die kurzfristige Lösung der sozialen Krise durch die seisáchtheia
III. Die langfristige Lösung durch die nomothesía
IV. Die institutionsrechtlichen Bestimmungen in der Solonischen nomothesía

C. DIE EINTEILUNG DER BÜRGERSCHAFT IN KLASSEN
I. Zur Bedeutung der Klassenbezeichnungen
II. Bürger ohne Grundbesitz
1. Die Äquivalente in den Quellen und die metrologische Reform Solons
2. Zur Glaubwürdigkeit der Ernteerträge in der Athenaíon politeía
III. Der Zweck der Solonischen Bürgerordnung
IV. Zwischenergebnis: Besitz statt Herkunft

D. DIE PENTAKOSIOMÉDIMNOI UND DIE IHNEN ZUKOMMENDEN FUNKTIONEN
I. Das Archontat
1. Zur Historizität des Wahl-Los-Verfahrens
2. Die Wahl der Archonten
3. Die Kompetenzen der neun Archonten
4. Amtsgewalt und Machtpotential der Archontate
II. Der Areopag
III. Zwischenergebnis: Tradition statt Innovation

E. DIE INSTITUTIONEN DER BÜRGERSCHAFT UND DIE POLITISCHE TEILHABE DER HIPPEÎS, ZEUGÎTAI UND THÊTES
I. Der Rat der Vierhundert (boulé)
1. Zur Frage der Historizität
a. Die Quellenlage
b. Die möglichen Kompetenzen und Funktionen des Rates
2. Die Mitglieder und die politische Bedeutung des Gremiums
II. Die Volksversammlung (ekklesía)
III. Das Volksgericht (heliaía)
1. Berufungsgericht oder Gericht erster Instanz?
2. Zur Identität von helaía und ekklesía
IV. Zwischenergebnis: Die Demokratie auf den Weg gebracht?

F. RESÜMEE

QUELLENEDITIONEN

ABKÜRZUNGS- UND LITERATURVERZEICHNIS

A. EINLEITUNG

Im 7. und Anfang des 6. Jahrhunderts v.Chr. befand sich die Bürgergemeinschaft der pólis Athen in einer schweren inneren Krise. Die Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten über ihre wirtschaftliche Notlage führte zu Aufruhr (stásis) und bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Der Athener Solon (ca. 640-560 v.Chr.) soll seinen Mitbürgern geholfen haben, diese Krise zu überwinden und galt besonders im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr. als großer Reformer und „Gesetzgeber“ (nomothétes). Sein Reformwerk umfaßte neben der sogenannten „Lastenabschüttelung“ (seisáchtheia) auch die schriftliche Fixierung von Rechtssatzungen (thesmoí); diese Maßnahme wird von den antiken Quellen und der modernen Forschung als nomothesía bezeichnet. Die Solonischen thesmoí behandeln eine Vielzahl von Bereichen des antiken Straf- und Familienrechts sowie des öffentlichen Rechts. Daneben wird Solon von den Quellen auch eine Münz-, Maß- und Gewichtsreform und die Ordnung der Bürgerschaft nach Klassen (téle) zugesprochen; beides dürften Bestandteile seiner nomothesía gewesen sein.

Da Solon von der Geschichtsschreibung des 4. Jahrhunderts v.Chr. häufig als volksfreundlicher Begründer einer demokratischen pátrios politeía [1] charakterisiert wird, soll in der vorliegenden Arbeit erörtert werden, inwieweit er auch das politisch-institutionelle System der sich noch in der Konsolidierungsphase befindenden pólis Athen neu konstituierte. Reformierte er die überkommene politische Ordnung oder sanktionierte er sie nachträglich? Ausgehend von einer Untersuchung der zugehörigen Überlieferung soll geklärt werden, inwieweit der dem Solon von Clemens von Alexandrien zugesprochene Sinnspruch μηδὲν ἄγαν – Nichts zu sehr [2] tatsächlich als Charakteristikum seines Reformwerkes gelten kann. Verteilte er die politische Macht neu oder veränderte Solon „nichts zu sehr“? Wie wirkte sich die politische Reform auf die Teilhabe der einzelnen Bevölkerungsschichten an der pólis aus und welchen Beitrag leistete Solon für die Entwicklung Athens zum demokratischen Bürgerstaat?

Um einen Einblick in die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Strukturen der archaischen Zeit des 8. und 7. Jahrhunderts zu erhalten, sind die Epen Homers und Hesiods heranzuziehen. Der aus Kleinasien stammende Homer (8. Jahrhundert v.Chr.) und der böotische Bauer Hesiod (ca. 700 v.Chr.) waren zwar keine Zeitzeugen Solons, beschreiben aber großzügig Konstellationen und Lebensumstände der aristokratischen bzw. bäuerlichen Stände ihrer Zeit. Die wichtigsten und zeitlich nächstgelegenen Quellen zu Solon und seinem Wirken sind seine eigenen schriftlichen Hinterlassenschaften. Solon verfaßte Gedichte, die er mündlich vor seinen Mitbürgern rezitierte. Dementsprechend verwendet er Begriffe metaphorisch, die schon den nachfolgenden antiken Autoren nicht mehr eindeutig geläufig waren.[3] Vor allem ist nicht immer greifbar, auf welche Ereignisse Solon explizit anspielt und welche Personen er ansprechen wollte. Eine Interpretation seiner Dichtungen gestaltet sich daher nicht einfach. Dennoch müssen die aus späteren Sekundärquellen kompilierten Fragmente immer auch isoliert betrachtet werden, bevor weitere Quellen hinzugezogen werden können. Für die Untersuchung der nomothesía können die bei anderen antiken Autoren meist indirekt zitierten Solonischen Gesetzestexte herangezogen werden.[4] Jedoch ist ihre Überlieferung schwer nachzuvollziehen; ihr originaler Wortlaut dürfte im Laufe der Zeit verfälscht worden sein. Häufig wird auch deutlich, daß spätere Autoren den Inhalt der Gesetze mißverstanden und den Wortlaut dementsprechend abänderten oder falsch interpretierten. Daher müssen die thesmoí immer im Kontext des Solonischen Reformwerks[5] und unter Hinzuziehung der Dichtungen Solons betrachtet werden. Für die Analyse der politischen Neuerungen sind die Gesetz- und Gedichtfragmente kaum hilfreich. Thesmoí, die sich explizit auf Ämter und Institutionen der pólis Athen beziehen, sind nur einige wenige überliefert. Kein überlieferter Vers Solons behandelt die politischen Aspekte seiner Reformen. Jedoch finden sich in den Dichtungen Hinweise auf seine moralischen Ansichten und seinen politischen Standpunkt, die einer weiterführenden Interpretation – auch hinsichtlich seiner Intention – dienen können.

In der Mitte des 5. Jahrhunderts widmete Herodot (ca. 485-425 v.Chr.) Solon einige Passagen seiner Apódexis historíes [6]. Jedoch war sein Solonbild noch geprägt von der volkstümlichen Figur des „Weisen“. So findet sich Solons politisches Wirken nur am Rande erwähnt, während der Darstellung einer fiktiven Begegnung mit dem Lyderkönig Kroisos besonders viel Platz eingeräumt wird.[7] Ferner schenkte ihm die im 5. Jahrhundert v.Chr. einsetzende historische Literatur nur wenig Aufmerksamkeit. Greifbar wird er als nomothétes erst wieder im 4. vorchristlichen Jahrhundert, wo er vor allem von den Gerichtsrednern zur Legitimation ihrer Argumentationen und zur Beeinflussung der Richter mißbraucht und in seiner historischen Bedeutung als Gesetzgeber ausgebaut wurde.[8] In dieser Tradition der „romantisierenden“ Rückbesinnung steht auch ein Teil der Atthidographie und die Athenaíon politeía des Aristoteles – oder eines seiner Schüler[9] – aus dem letzten Drittel des 4. Jahrhunderts.[10] Die letztgenannte Schrift bildet die wichtigste Quelle zur archaischen Geschichte Athens. Sie bedient sich für die Darstellung des frühen 6. Jahrhunderts der Gedichte Solons und der nur noch in Fragmenten erhaltenen, atthidographischen Schriften des Kleidemos und des Androtion (ca. 415/05-344/3 v.Chr.) aus dem 4. Jahrhundert.[11] Jedoch spiegelt die Atthidographie den Verfassungsstreit zwischen radikaler und gemäßigter Demokratie im 4. Jahrhundert wider und stellt neben Theseus, Drakon und Kleisthenes auch Solon als Begründer einer demokratischen politeía dar.[12] Aristoteles sieht, wie die Atthidographen, in Solon den demokratischen Staatsmann, der – selbst aus dem Volk stammend – den dêmos angeführt[13] bzw. die Demokratie begründet haben soll.[14] Zudem war Aristoteles aufgrund fehlender Quellen zur institutionellen Ordnung Athens im 6. Jahrhundert offensichtlich dazu gezwungen, auf Basis der aktuellen Verfassungskonstitution[15] Rückschlüsse auch auf die Solonische Zeit zu ziehen.[16] Erkenntlich wird der oft anachronistische Charakter der Darstellung auch in der Verwendung bestimmter Begriffe, die im 4. Jahrhundert zwar geläufig waren, im 6. Jahrhundert aber noch nicht zur bekannten Terminologie gehörten.

Späteren Autoren dienten die atthidographischen Schriften und die Athenaíon politeía als Vorlage. Vom Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. datiert die Solonbiographie Plutarchs, der neben der Aristotelischen Schrift auch die Solonischen Gedichte und weitere Quellen – darunter Demetrios von Phaleron und eine vermutlich unvollständige Sammlung der Solonischen Gesetze mit Kommentar[17] – benutzte. Auffällig wird beim Lesen der Vita Solonis und der Athenaíon politeía, daß die wirtschaftliche Krise und die politischen Auseinandersetzungen und Forderungen als Einheit dargestellt werden, ohne daß der Zusammenhang näher erläutert wird. Darüber hinaus werden wichtige Passagen der Solonischen Gedichte weder zitiert noch wenigstens erwähnt.[18] Für beide Autoren bleibt, wie auch für die Atthidographen, zu bedenken, daß sie sich nur schwer ein authentisches Bild von den Gegebenheiten im 6. vorchristlichen Jahrhundert machen konnten.[19] Nur vereinzelt finden sich Zeugnisse über Solon bei Diodor (1. Jahrhundert v.Chr.) und bei dem Lexikographen Pollux (ca. 2. Hälfte 2. Jahrhundert n. Chr.). Alle Zeugnisse über Leben und Wirken (testimonia, i.d.A. abgekürzt mit T) des nomothétes sowie seine Gedichte und die bei anderen Autoren direkt oder indirekt zitierten Gesetzestexte (fragmenta, i.d.A. abgekürzt mit F), sind in entsprechenden Sammlungen zusammengefaßt, erläutert und mit Parallelstellen sowie textkritischem Apparat versehen worden. Die neueste Publikation von Bruno Gentili und Carolus Prato – Band I erschien 1988 in der zweiten Auflage – soll in dieser Arbeit unter Angabe der jeweils zugehörigen Quellstelle verwendet werden.[20] Eberhard Ruschenbusch sammelt in seiner Veröffentlichung ΣΟΛΩΝΟΣ ΝΟΜΟΙ aus dem Jahr 1966 alle Gesetze, die in den antiken Quellen als Solonisch bezeichnet werden oder nach seiner Meinung Solonischen Ursprungs sein könnten. Er teilt sie in Kategorien ein und analysiert einleitend ihre Überlieferungsgeschichte.[21]

Über Solon wurde bereits länger keine umfassende Monographie mehr veröffentlicht.[22] Das mag durchaus an der Komplexität der Thematik und der Fülle der damit einhergehenden Fragestellungen liegen. Überwiegend finden sich in der Literatur über die archaische Geschichte Griechenlands oder Athens Passagen, die sich mit Solon in größerem Rahmen auseinandersetzen.[23] In Aufsätzen werden spezielle Problemstellungen der Solonischen Reformen analysiert. Grundlegend für das Verständnis und die Interpretation der Athenaíon politeía sind die Kommentare von M. CHAMBERS und P. J. RHODES,[24] die zwar häufig nur ältere Forschungsliteratur anführen, aber interessante Ansätze für die Vertiefung der einzelnen Fragestellungen liefern.[25] Die Forschung versucht sich schon seit längerem von der Vorstellung zu lösen, Solon sei ein radikaler Reformer und Innovator gewesen. Sie diskutiert die schon in den antiken Quellen angedeutete Position Solons als „Mann der Mitte“, der durch sein Gesamtwerk trotzdem die Entwicklung der pólis hin zu Staatlichkeit und Bürgerlichkeit forciert haben mag und unwissentlich einen wichtigen Beitrag zum Konsolidierungs- und Demokratisierungsprozeß der pólis Athen leistete.[26]

In der vorliegenden Arbeit soll folgendermaßen argumentiert werden: einleitend wird die Vorgeschichte der Reformen Solons untersucht. Dabei sollen die Ursachen (B,I,1) und die Erscheinungsformen (B,I,2) der Agrarkrise Athens im 7. und frühen 6. Jahrhundert näher beleuchtet werden, um zu ermitteln, inwieweit sie eine Folge der sozialen und politischen Konstellationen in dieser Zeit war. Im Anschluß daran wird die „Lastenabschüttelung“ (seisáchtheia) als ad hoc - Maßnahme Solons zur Lösung der Problematik skizziert werden (B,II). Das Unterkapitel B,III ist den schriftlich fixierten Rechtssatzungen (nomothesía) gewidmet. Darin soll analysiert werden, welchen Charakter die Solonischen Gesetze tragen und inwieweit sie der Stabilisierung der durch die seisáchtheia neuentstandenen wirtschaftlichen Ordnung und der Prävention einer erneuten sozialen Krise dienen sollten und konnten. Die Subkapitel I-III der Vorbetrachtungen (B) tragen den Charakter einer faktischen Darstellung und sollen einen Überblick über die Solonischen Reformen geben. Daher stütze ich mich im Wesentlichen auf die Fachliteratur und gebe einen Überblick über den derzeitigen Forschungs- und Diskussionsstand sowie die einschlägigen Quellen. In Subkapitel IV wird auf die mit den „institutionsrechtlichen Bestimmungen“ innerhalb der nomothesía verbundenen Problemstellungen einzugehen sein, um die folgenden drei Kapitel C, D und E vorzubereiten. Ausgehend von der Einteilung der Bürgerschaft nach Vermögen (C) werden dann die nur der ersten Klasse der pentakosiomédimnoi zukommenden Funktionen analysiert (D). Kapitel E behandelt diejenigen Kollektivgremien, die einem größeren Teil der Bürgerschaft respektive allen Bürgern offen standen. Erörtert werden sollen – soweit das möglich ist – jeweils die institutionellen Veränderungen im Vergleich zur Vorzeit und die Bedeutung für die sich gegebenenfalls dadurch verändernde, soziale und machtpolitische Struktur innerhalb der Bürgerschaft. Die Subkapitel C,IV, D,III und E,IV dienen jeweils der Zusammenfassung und der erneuten Frage nach dem Grad der Innovation in der neuen politischen Ordnung. In einem knappen Resümee (F) soll noch einmal die Position des Reformers in der Geschichte Athens bestimmt und die erhaltenen Ergebnisse der Fragestellung dieser Arbeit, μηδὲν ἄγαν – Nichts zu sehr ?, gegenübergestellt werden. War Solon ein restitutiver oder innovativer Reformer?

Die in dieser Arbeit angeführten Jahresdaten sind, insofern nicht anders angegeben, als vor Christus zu begreifen. Griechische Fachbegriffe, für die keine adäquate Übersetzung gegeben werden kann, werden griechisch respektive lateinisch transkribiert wiedergegeben. Es gilt die alte Deutsche Rechtschreibung.

Silvia Bielert

B. VORBETRACHTUNGEN

I. Die soziale Krise um 600 v.Chr.

1. Die Ursachen

[27] Im 7. Jahrhundert befand sich Athen in einer schweren Krise, welche die Gemeinschaft bedrohte. Kontrovers diskutiert die Forschung sowohl die Faktoren, die diese Krise bedingten, als auch die Formen, in denen sie sich innerhalb der archaischen pólis äußerte. Auch wann sie ausbrach, ist nicht eindeutig festzustellen. Aristoteles ordnet ihr Erscheinen zeitlich nach dem Versuch Kylons, eine Tyrannis zu errichten (ca. 632), dem anschließenden Gerichtsverfahren gegen die Alkmeoniden und nach der Entsühnung der Stadt durch Epimenides ein.[28] Athen muß sich schon einige Jahre in dieser Situation befunden haben, als Drakon seine Gesetzgebung anstrengte (ca. 621/20);[29] der Putschversuch Kylons kann als das früheste Anzeichen einer politischen „Unordnung“ gewertet werden.[30] Ihren Höhepunkt erreichte die tumultuarische Lage nicht lange vor Solons Berufung zum diallaktés.

Obwohl Aristoteles und Plutarch Auskunft über die Zustände und Auswirkungen der Situation in der pólis geben, sagen sie nichts über die Ursachen. Mit Hilfe der Solonischen Gedichte wird jedoch rekonstruierbar, welche Umstände die pólis in diese Krise brachten. Dem sogenannten „Eunomiagedicht“, das Solon vor seiner Berufung öffentlich rezitiert haben muß, sind folgende Worte zu entnehmen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nicht der Zorn der Götter, sondern die Gier der Polisbewohner nach Reichtum, angeführt von den „Führern des Volkes“ (ἡγεμόνες τοῦ δήμου), bewirkte „Aufruhr“ (στάσις) in Athen und verursachte Ungerechtigkeit und eine enorme Armut, die ihre Opfer sogar in die Sklaverei führen konnte (πιπράσκειν).[34] Die Gier nach Reichtum prangert Solon in vielen erhaltenen Fragmenten seiner Gedichte an. Er erörtert die Unzulänglichkeiten des irdischen Reichtums, der nicht vor Unglück schützt und eine schlechte Gesinnung nicht ausgleicht.[35] Doch nicht die Bürgerschaft Athens allgemein macht er für die „Mißgesetzlichkeit“, die δυσνομία,[36] wie er den Zustand der pólis beschreibt, verantwortlich. Seine Kritik an Habgier und unrechtem Tun gilt überwiegend der wohlhabenden Oberschicht, den hegemónes oder den „Herren“ (δεσπόται), wie er sie in seinem „Rechenschaftsgedicht“ nennt.[37] Den anderen wirft er lediglich vor, untätig zugesehen zu haben, wie die „Wohlordnung“ (εὐνομία) zerstört wird.[38] Was sich bei Solon wie anarchische Zustände anhört, in denen sich die hegemónes so viel aneigneten wie sie nur konnten ohne Rücksicht auf andere zu nehmen,[39] wird bei der Betrachtung der sozialen Ordnung einer agrarisch geprägten archaischen pólis -Gesellschaft, welche die Forschung gern als face-to-face-society bezeichnet, offensichtlicher.

Da für das 7. Jahrhundert unter Besitztum vor allem Ackerland zu verstehen ist, kann die Vermehrung von Reichtum als ein illegales oder legales Anhäufen von Ländereien begriffen werden.[40] Das soziale Ansehen der wohlhabenden oîkos -Herren hing in erster Linie von Wert und Anzahl ihrer Besitztümer ab.[41] Der auch den οἴκοι mit Führungsanspruch drohende soziale Abstieg[42] und das ständige Streben nach Durchsetzung der eigenen Interessen und Mehrung des Reichtums machte den Verbund größerer oíkoi instabil und führte zu blutigen Konflikten und Konkurrenzkämpfen unter ihnen.[43] Versteht man den Kylonischen Putschversuch als erste Eskalation innerhalb der bestehenden Krise, hervorgerufen durch das Wettbewerbsdenken der aristokratischen Führungsschicht, dürften die anschließenden Blutracheakte unter den hegemónes ihre erste Gegenmaßnahme in der Drakonischen Gesetzgebung gefunden haben, welche die Selbsthilfe durch Gerichtszwang einzuschränken suchte.[44]

Die attischen Kleinbauern hingegen hatten häufig nur ein karges Auskommen. Der Ernteertrag des eigenen Landes reichte gerade, um die Mitglieder des eigenen oîkos zu ernähren; die Vorratskammern waren nicht immer gefüllt.[45] Eine gewisse Verschuldung war daher nicht unüblich. Schulden machten die Bauern in Form von Naturalschulden;[46] innerhalb des gängigen Systems der „Nachbarschaftshilfe“ liehen sie sich untereinander Geräte und kleinere Mengen Ernteerträge aus.[47] Konnte ein Bauer seine Naturalschulden – bedingt durch eine Mißernte oder andere Umstände – nicht zurückzahlen, lief er Gefahr, seinen Ruf als ehrlicher Kreditnehmer zu verlieren.[48] Bodenerschöpfungen und Störungen im Wasserhaushalt kamen gewiß vereinzelt vor; einen Rückgang der Getreideproduktion oder die Ausweitung der Olivenkulturen als Verschuldungsursachen einer breiteren Schicht auszumachen, bleibt jedoch Spekulation ohne Anhaltspunkte in den Quellen.[49] Anders sah es mit der Auswirkung des oft propagierten Bevölkerungswachstums im 7. Jahrhundert in ganz Griechenland aus, das für sich genommen noch nicht für eine starke Reduktion der verfügbaren Nutzfläche in Athen sorgte, aber durch die Bestimmungen des Erbrechtes zu einer zunehmenden Aufteilung des attischen Bodens unter den Nachkommen führen konnte, bis ein Landstück nicht mehr ausreichte, um die Familie zu versorgen.[50]

Viel gefährlicher als die gängige Nachbarschaftshilfe waren den Kleinbauern die oîkos -Herren, die reichen Großgrundbesitzer, die schon bald zur Knechtung ihrer Schuldner übergingen, indem sie ihre Notlagen bewußt ausnutzten und mehr gaben, als ihnen die Bauern jemals zurückgeben konnten.[51] Ihr Ziel war es, kleinere oíkoi in Abhängigkeit zu bringen, um so die eigene Position innerhalb der aristokratischen Stasiskämpfe durch Mehrung der Anhängerschaft – die dem Aristokraten bei öffentlichen Auftritten, Gewaltaktionen und in der Ausübung amtlicher Funktionen Unterstützung leistete – dauerhaft zu festigen.[52]

Die Armut, die im Solonischen „Eunomiagedicht“ angesprochen wird, betraf demnach die Kleinbauern innerhalb der attischen Landbevölkerung und konnte sie in die Verschuldung und später in die Schuldknechtschaft bzw. sogar in die Schuldsklaverei führen.[53] Zwar war die gängige Praxis der Schuldenaufnahme nicht gleichbedeutend mit „personaler Verpfändung“. Da aber im archaischen Rechtsempfinden die Unfähigkeit, ein Darlehen zurück zu zahlen, einem Diebstahl glich, hatte der Gläubiger in diesem – und nur in diesem – Fall das Recht, auf den säumigen Schuldner oder dessen Eigentum (insofern dieser noch welches hatte) im Rahmen der Selbsthilfe zurückzugreifen.[54]

Unter den genannten Voraussetzungen müssen nun auch die bei Solon, Aristoteles und Plutarch besprochenen Formen der Abhängigkeit verschuldeter Kleinbauern von der Oberschicht analysiert werden.

2. Die Erscheinungsformen

[55] War ein Bauer nicht mehr zahlungsfähig, konnte er sein Land an den Gläubiger verkaufen, um seine Schulden zu begleichen, und versuchen, seinen zukünftigen Lebensunterhalt als Handwerker oder Arbeiter zu bestreiten.[56] Verkaufte er nicht, drohte ihm der Verkauf in die Schuldsklaverei durch den Gläubiger.[57] Der Darlehensgeber hatte dadurch ein Druckmittel, Arbeitsdienste auf seinem Grundbesitz (Schuldknechtschaft) zu fordern.[58] Der Schuldner konnte auf diese Weise Zeit gewinnen, um seine Schulden zu begleichen und wieder Herr über sein Land zu werden.[59] Der Gläubiger konnte den Bauern jedoch auch zwingen, ihn als Erbe einzusetzen, um doch noch in Besitz des begehrten Landes zu kommen. Die Flucht konnte zwar helfen der Sklaverei zu entgehen, führte aber in ein ungewisses Schicksal.[60]

Da die wohlhabenden Gläubiger – wie beschrieben – vornehmlich ein Interesse daran hatten, ihre Schuldner dauerhaft von sich abhängig zu machen und sich langfristig regelmäßige Einnahmen zu sichern, statt sich durch den Verkauf des Schuldners in die Sklaverei nur einmalig zu bereichern,[61] gerieten die Kleinbauern in den Status eines ἑκτέμορος.[62] In der Athenaíon politeía werden die von den Reichen Abhängigen in „Hörige“ bzw. „Tagelöhner“ (πελάται) und hektémoroi unterteilt. Letztere sollen die Felder der Reichen, unter Abgabe von Sechsteln ihres „Ertrages“ (μίσθωσις), bearbeitet haben.[63] Denkbar wäre, daß der hektémoros auf seinem eigenen Land als Pächter arbeitete und einen bestimmten Teil seines Ernteertrages an den Gläubiger abgab, um sich „das Zugriffsrecht auf seine Person“ auf diese Weise „ständig abzukaufen[64] und den Verkauf in die Sklaverei zu verhindern.[65] In diesem Fall war eine Rückkehr in den alten sozialen Status nicht gegeben. Vielmehr bildeten die hektémoroieine ganz neue Schicht von fest abhängigen Bauern[66], während sich die traditionell freien oíkoi langsam minimierten. So jedenfalls kann die Athenaíon politeía verstanden werden, die für hektémoroi und pelátai zusammenfassend festhält:

Χαλεπώτατον μὲν οὖν καὶ πικρότατον ἦν τοῖς πολλοῖς τῶν κατὰ τὴν πολιτείαν τὸ δουλεύειν·

Das härteste und bitterste Los war es nun also für die Massen unter dieser Verfassung, sich in Abhängigkeit zu befinden. [67]

Um die verschuldeten Grundstücke der hektémoroi zu kennzeichnen, könnten die von Solon erwähnten ὅροι aufgestellt worden sein, die jedem den sozialen Abstieg des Schuldners vor Augen führten und somit weitere potentielle Gläubiger abhalten sollten, neue Darlehen an ihn zu geben.[68] Da jedoch weder Aristoteles noch Plutarch behaupten, der hektémoros sei ein verschuldeter Bauer gewesen und hätte seine Abgaben leisten müssen, um ein Darlehen zurück zu zahlen, versucht die neuere Forschung, weitere Theorien zu entwickeln. Während in der englischen Literatur zuletzt die These vertreten wurde, die hektémoroi seien keine Schuldner gewesen, sondern bildeten eine feste Schicht Schutzgeld zahlender Bauern,[69] haben einige deutsche Althistoriker diskutiert, ob ein hektémoros das ehemals freie Land Attikas, das von den hegemónes – wahrscheinlich legal – okkupiert wurde, um mit mehr Anbaufläche mehr Exportwaren produzieren zu können, bewirtschaftete.[70] Die Theorie besagt weiterhin, daß, obwohl die Bauern das allen Bürgern zugängliche Land vor der Okkupation frei nutzen konnten, um die Erträge ihrer, durch Erbteilung erheblich verkleinerten Böden, aufzubessern, sie es nun nur noch als Pächter – für einen „Lohn“ von einem Sechstel des dort anfallenden Ertrages – bearbeiten durften und den Rest an die oîkos -Herren abgeben mußten.[71] In dieser These ergeben Aristoteles’ (Ath. pol. 2,2) und Plutarchs (Solon 13,4) Berichte, die Armen hätten die Felder der Reichen bearbeitet, und der fehlende Hinweis auf die Verschuldung der hektémoroi einen Sinn. Denn zu Schuldnern wurden sie gegenüber den oîkos -Herren erst, wenn durch schlechte Ernteerträge auf dem eigenen und dem ehemals freien Land die hohe Abgabe von fünf Sechsteln nicht genug zum Leben übrig ließ oder die Pacht gar nicht erst gezahlt werden konnte.[72] Jedoch kann auch diese Interpretation des hektémoros letztendlich nicht bewiesen werden.

Zwar kann kaum geklärt werden, welchen Status der hektémoros hatte, wie hoch seine Abgaben waren und ob nur sein eigenes oder das frei zugängliche Land für die Berechnung maßgeblich waren. Aber sein Leben gestaltete sich – trotz seiner rechtlichen Freiheit[73] – beschwerlich. Konnte er seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, wurde er „pfändbar“ (ἀγώγιμος); ihm drohte der Abstieg in die Schuldsklaverei, und damit der Verkauf ins Ausland oder die Verpflichtung auf attischem Boden als Sklave des Gläubigers oder eines anderen Atheners unentgeltliche Dienste zu leisten.[74] Sein Land ging als Ausgleich für die nichterbrachte Darlehensrückzahlung oder die ausstehende Pachtgebühr an den Gläubiger.

Die „Angesehenen“ (γνώριμοι) und die „Menge“ (πλῆθος), berichtet die Athenaíon politeía, führten Parteikämpfe miteinander (στασιάζειν),[75] denn die „Verfassung“ (πολιτεία) sei „oligarchisch“ (ὀλιγαρχικός) und die „Armen“ (πένητες) von den „Reichen“ (πλουσίοι) abhängig gewesen.[76] Die Massen „hatten an nichts Anteil“ (οὐδενὸς […] ἐτύγχανον μετέχοντες).[77] Aristoteles postuliert ein schlichtes Zweischichtenmodell. Seine Darstellung scheint extrem und von seinem eigenen Erfahrungshorizont vor den Wirren des 4. Jahrhunderts geprägt zu sein.[78] Und auch Solon mag den Gegensatz zwischen Arm und Reich besonders hervorgehoben haben, um seiner politischen Programmatik ein schlagkräftiges Motiv zu geben. Doch wäre sein Reformprojekt nicht in diesem Umfang notwendig gewesen, hätte die Unterdrückung nur einige wenige Athener betroffen. Die sozialen Ungerechtigkeiten und die Stasiskämpfe innerhalb der Aristokratie – bezeugt durch Kylons Putschversuch und die anschließenden Auseinandersetzungen unter den Aristokraten – bargen die Gefahr einer Tyrannis, errichtet von einem oîkos -Herren, der bei der Akquisition ärmerer Landsmänner („Bauernlegen“) besonders erfolgreich war.[79] Solon selbst mußte sich gegen den Vorwurf, eine Tyrannis errichten zu wollen, verteidigen,[80] obwohl er gegen diese Bedrohung redete[81]. Eindrucksvoll beschrieb er seine Befürchtungen mit den Worten:

Γιγνώσκω καί μοι φρενὸς ἔνδοθεν ἄλγεα κεῖται

πρεσβυτάτην ἐσορῶν γαῖαν [Ἰ]ᾳονίας

κλινομέμην.

Ich erkenne immer mehr, und Schmerz liegt in meinem Herzen,

wenn ich das älteste Land Ioniens niedersinken sehe. [82]

Die Krise Athens im 7. vorchristlichen Jahrhundert war demnach in erster Linie eine Agrarkrise,[83] die, bedingt durch ökonomische und demographische Veränderungen, zu immer größeren wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den sozialen Schichten und am Ende des Jahrhunderts zu katastrophalen Zuständen in der pólis führte. Zwar kann von einem „Feudalsystem“ nicht die Rede sein, weil dies eine Leibeigenschaft schon von Anfang an voraussetzt.[84] Doch stand die zunehmende Existenzangst der meisten Bürger den gewaltsamen Auseinandersetzungen einiger weniger gegenüber, die sich in erster Linie um ihr soziales Prestige, ihre wirtschaftlichen Vorteile und in deren Folge um ihre politische Macht sorgten.[85] Von daher verweisen die vereinzelten blutigen Auseinandersetzungen dieser Zeit auch auf eine politische Krise. Untrennbar waren die Lebensräume der Bauern und der reichen Großgrundbesitzer miteinander verbunden; die Probleme, die sich in beiden jeweils auftaten, bedingten einander. Das Zusammenleben in der Gemeinde war komplexer geworden, die althergebrachte soziale und auch politische Ordnung war den neuen Anforderungen nicht mehr gewachsen, drohte zusammenzubrechen[86] und mußte daher dringlichst konsolidiert und reorganisiert werden.

Solon scheint nach einem ersten Ansatz durch Drakon – der immerhin versucht hatte, die blutigen Fehden unter den Aristokraten einzudämmen – der Erste zu sein, der die Ursachen der Mißstände und die Notwendigkeit einer neuen „Wohlgesetzlichkeit“ (εὐνομία)[87] wirklich erkannte. Damit steht er als schillernde Figur im Mittelpunkt des Wandlungsprozesses, dem das frühe Athen unterworfen war. Die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen machten auch eine Weiterentwicklung der politischen Institutionen notwendig. Während sich in anderen póleis auch tyrannische Regierungsformen etablierten, festigte sich Athen langsam zum „Bürgerstaat“ und Solon war „the man who [...] created the beginnings of a formal citizenship“.[88] Doch bevor über Solons Verdienste für die institutionelle Entwicklung und die politische Stabilisierung Athens gesprochen werden kann, müssen seine ersten Maßnahmen zur Lösung der sozialen Krise in den Blick genommen werden.

II. Die kurzfristige Lösung der sozialen Krise durch die seisáchtheia

Den Quellen ist zu entnehmen, daß die Athener Solon gemeinsam zum „Archon“ (ἄρχων), „Vermittler“ (διαλλακτής) und „Gesetzgeber“ (νομοθέτης) wählten.[89] Höchstwahrscheinlich beruht Solons Wahl zum árchon im Jahr 594/93 auf einer Erfindung.[90] Und auch wenn er dieses Amt bekleidet haben sollte,[91] kann er nicht sein ganzes Reformwerk innerhalb eines Jahres umgesetzt haben.[92] Abgesehen davon, stellt das archaische Archontat vor Solons Reformen nicht die notwendigen Kompetenzen für eine umfassende Reform zur Verfügung. Glaubhafter ist, daß Solon nur zum diallaktés und – vielleicht in zweiter Instanz – zum nomothétes bestellt wurde, basierend auf dem Ansehen, daß er im Laufe der vergangenen Jahre durch öffentliche Auftritte erworben hatte;[93] womöglich auch aufgrund seiner Rolle im Krieg gegen Megara um Salamis.[94]

Die versklavten Schuldknechte waren von der Stimmabgabe natürlich ausgeschlossen. Die „Wählerschaft“ setzte sich überwiegend aus kleineren und mittleren Bauern zusammen, die im Krieg als Hopliten dienten und ein starkes Gegengewicht zu den Aristokraten bildeten. Daneben zählten auch viele reiche Bürger zu seinen „Wählern“, die, aus Neid auf die erfolgreichen ἄνδρες μεγάλοι[95] oder aus wahrer Besorgnis über die hýbris einiger Standesgenossen und um die Ordnung der pólis, in Solon ihren Verbündeten sahen und daran glaubten, daß er seine Position nicht ausnutzen und sich selbst zum Führer des Volkes aufschwingen würde.[96]

Aristoteles wie Plutarch setzen den „Vermittler“ Solon zwar hinsichtlich seiner Herkunft in die führende Schicht, seinem Vermögen nach aber ins Mittelfeld: ἦν δ᾿ ὁ Σόλων [...] τῶν μέσων.[97] Da sein Amt als árchon strittig ist, fehlt zwar ein mögliches Beweismoment für seine Herkunft aus aristokratischen Kreisen, jedoch ist seinen Gedichtfragmenten zu entnehmen, daß ihm die vornehme Lebensart wohlbekannt war.[98] Seine „mittlere“ Vermögensstellung wurde von beiden Autoren aus den Anfeindungen der „Reichen“ in Solons Gedichten rekonstruiert.

Die erste Maßnahme, die Solon ergriff, bezeichnet Aristoteles als „Lastenabschüttelung“ (σεισάχθεια),[99] als eine „Aufhebung der Schulden“ (χρεῶν ἀποκοπή).[100] In Solons Gedichten taucht der seisáchtheia -Begriff nicht auf:

[...] Γῆ μέλαινα, τῆς ἐγῶ ποτε

ὅρους ἀνεῖλον πολλαχῇ πεπηγότας·

πρόσθεν δὲ δουλεύουσα, νῦν ἐλευθέρα.

πολλοὺς δ᾿ Ἀθήνας, πατρίδ᾿ ἐς θεόκτιτον,

ἀνήγαγον πραθέντας, ἄλλον ἐκδίκως,

ἄλλον δικαίως, τούς τ᾿ ἀναγκαίης ὕπο

χρειοῦς φυγόντας, γλῶσσαν οὐκέτ᾿ Ἀττικήν

ἱέντας, ὡς ἂν πολλαχῇ πλανωμένους,

τοὺς δ᾿ ἐνθάδ᾿ αὐτοῦ δουλίην ἀεικέα

ἔχοντας, ἤθη δεσποτῶν τρομευμένους,

ἐλευθέρους ἔθηκα.

[...] sie, die schwarze Erde, die ich einst

enthob der Schuldenmale, vielfach eingerammt:

zuvor ins Sklavenjoch gebeugt, ist sie jetzt frei!

Und viele hab’ ich nach Athen, ins Land der Väter gottgeschenkt,

zurückgeführt, die man verkauft (den einen wider’s Recht,

den andern rechtens), ferner die, die – unterm harten Zwang

der Schuldenlast geflüchtet – gar nicht Attisch mehr

beherrschten, weil sie vielerorts weit weg umhergeirrt.

Und die, die hier am Ort schmachvolle Sklaverei

ertrugen, zitternd vor den Launen ihrer Herrn,

die hab’ ich frei gemacht! [101]

Zentraler Gegenstand seines oben zitierten „Rechenschaftsgedichts“, das sich auf das bereits durchgeführte Reformwerk bezieht, ist die „Sklaverei“ (δουλοσύνη). Zum einen will Solon die Γῆ μέλαινα δουλεύουσα, die „versklavte schwarze Erde“,[102] befreit, zum anderen die vormals verkauften, geflüchteten und die in Attika lebenden, versklavten Athener zurückgeführt respektive frei gemacht haben. Die allgemeine Schuldentilgung von der Aristoteles und Plutarch ausgehen, kann aus den Zeilen 5-7 in diesem Gedicht nicht ohne weiteres rekonstruiert werden.[103] Einzig der Begriff ὅρος in seiner Definition als „Schuldstein“ könnte anzeigen, daß es sich um die Stornierung bestehender wirtschaftlicher Abhängigkeiten, nicht aber um die Annullierung konkreter Schulden handelte.[104] Jedoch ist der hóros schwer zu deuten. Erst im 4. Jahrhundert standen die hóroi als sichtbare Symbole auf verpfändetem Land.[105] Diese Deutung als „Schuldstein“ legen Aristoteles und Plutarch den hóroi und damit ihrer Auslegung einer Maßnahme Solons als „Lastenabschüttelung“ aber zugrunde. Deutet man die hóroi als „Grenzsteine“,[106] hätte sich Solon mit ihrer buchstäblichen Entfernung von den Äckern Attikas einer Straftat schuldig gemacht.[107] Da sich Solon selbst als hóros zwischen den Parteien bezeichnete,[108] können auch die hóroi im Rechenschaftsgedicht als Symbol für die Teilung Attikas in zwei miteinander streitende Lager interpretiert werden. Die „versklavte schwarze Erde“ muß als Metapher für den Streit um das attische Ackerland gelten.[109] Festgestellt werden kann anhand des „Rechenschaftsgedichts“ nur, daß Solon den Stasiskämpfen durch Vermittlung zwischen den sich streitenden Parteien ein Ende setzte.[110] Er befreite die personifizierte, fruchtbare Erde Attikas quasi von den bestehenden Abhängigkeiten innerhalb der sozialen Ordnung auf dem Land und ihre Bürger von der Knechtung ihrer Rechte durch Gewalt und Blutvergießen[111] und der Gefahr einer Tyrannis.[112] Der in den Fragmenten mehrfach auftauchende Sklavereibegriff,[113] bezieht sich nicht nur auf die tatsächliche Versklavung der Bürger,[114] sondern dient auch als Umschreibung des Solonischen dysnomía -Gedankens.

Weder erwähnt Solon, wie er die verkauften Sklaven aus dem Ausland zurückholen konnte, noch, daß er sie in ihre alten Eigentumsverhältnisse eingesetzt hätte.[115] Die nach späteren Quellen angeblich geforderte, von Solon aber nicht explizit angesprochene, „Neuverteilung des Landes“ (διανέμειν τὴν γῆν)[116] konnte er nicht erfüllen. Denn die Unzufriedenheit einiger Bürger hätte zu anhaltenden Auseinandersetzungen geführt und die eunomía wäre weiter gefährdet gewesen.[117] Die ererbten Besitzverhältnisse mußten – selbst wenn es eine solche Forderung gegeben hätte[118] – weitestgehend beibehalten werden, weil große Ländereien und anderes Besitztum die Voraussetzungen dafür waren, daß sich die wohlhabende, wirtschaftlich freie Führungsschicht politisch betätigen konnte. Solon konnte so nur die dringlichste Not des Demos lindern. Für die ehemaligen Sklaven bedeutete dies, daß ihnen ein Neuanfang als Bauer wahrscheinlich verwehrt blieb und auch die hektémoroi mußten sich weiter mit ihrem kleinen Ackergrund zufrieden geben – es sei denn den Bauern hätte wirklich freies Land zur Nutzung offen gestanden.[119] Weiter kann kaum geklärt werden, ob der soziale Status und die Zahlungsverpflichtungen der hektémoroi durch Rückgabe ihres Landes tatsächlich aufgehoben wurden,[120] denn mit der Enthebung der begrifflich schwer faßbaren hóroi kann eine solche Maßnahme nicht belegt werden. Einziger Anhaltspunkt dafür ist, daß die hektémoroi nach den Solonischen Reformen in keiner Quelle auftauchen.[121]

Schlußendlich werden durch die Verse Solons nur moralische Aspekte seines Reformwerkes ersichtlich. Über die seisáchtheia ist kaum Konkreteres zu erfahren.[122] Zwar prangert Solon eindeutig den Zusammenhang zwischen der Situation des Volkes und dem Gebaren vieler hegemónes an, aber das „Rechenschaftsgedicht“ spielt in erster Linie auf die allgemeine Lösung einer sozialen Krise an. Mit der in den späteren Quellen als seisáchtheia benannten Maßnahme entschärfte Solon die akute Situation und schwächte den aristokratischen Wettbewerb nur kurzfristig.[123] Sie allein bedeutete noch keine umfassende Agrarreform,[124] sondern nur den „Auftakt“ des Solonischen Gesamtwerkes. Aufschlußreicher ist daher die greifbarere „Gesetzgebung“ (νομοθεσία) Solons, welche die schnelle Befreiung der Bauern Attikas von der Last der Abhängigkeit untermauern und einer neuen Krise vorbeugen sollte.

III. Die langfristige Lösung durch die nomothesía

[Leges bonae ex malis moribus procreantur. (Macr. Sat. 3,17,10)]

Auch die Gesetzgebung Solons muß als Antwort auf einzelne Erscheinungen der Krise gewertet werden.[125] Während er im „Rechenschaftsgedicht“ die Befreiung der Athener aus der wörtlichen und metaphorischen Versklavung verteidigt, indem er auf die Notstände in der ärmeren Bevölkerung vor seinem Eingreifen hinweist, widmet er der nomothesía nur wenige Zeilen:

[...] Ταῦτα μὲν κράτει,

ὁμοῦ βίαν τε καὶ δίκην ξυναρμόσας,

ἔρεξα καὶ διῆλθον ὡς ὑπεσχόμην,

θεσμοὺς δ᾿ ὁμοίως τῷ κακῶ τε κἀγαθῷ,

εὐθεῖαν εἰς ἕκαστον ἁρμόσας δίκην,

ἔγραψα.

[...] Bis dahin war es Kraft,

mit der ich – Zwang und Recht vereinend zum Verbund –

gehandelt und den Plan erfüllt, so wie ich es versprach.

Doch dann hab Satzungen für niedrig und für hoch,

indem ich jedem Tatbestand sein striktes Recht zumaß,

ich festgesetzt. [126]

Mehr ist von Solon selbst über seine „Rechtssatzungen“ (θεσμοί) nicht zu erfahren. Einzelne thesmoí sind bei späteren Autoren der Antike überliefert und von Ruschenbusch kompiliert, kategorisiert und mit einem umfassenden Überlieferungskommentar versehen worden.[127] Schwierig bleibt der Nachweis, inwiefern diese Gesetzestexte den Originalen entsprechen. Denn ihre Inhalte lassen häufig auf einen späteren Verfassungskontext schließen.[128] Der Umstand, daß die antiken Autoren die Gesetze vor dem Hintergrund dessen, was sie über die Krise des 7. Jahrhunderts zu wissen glaubten, interpretierten und verfälschten, macht ihre Analyse schwierig. Auch ist kaum glaubhaft, daß der Solonische Codex bis zu seiner erneuten Niederschrift im Jahr 404/3 v.Chr. nach dem Sturz der Dreißig Tyrannen ohne Veränderungen in Kraft war.[129] Daneben waren sich schon die antiken Autoren uneins über die Aufzeichnung der Gesetze auf sog. hölzernen ἄξωνες, mit einer nicht sehr langen Lebensdauer, und/oder auf κύρβεις, deren materielle Zusammensetzung umstritten ist;[130] eine Tatsache, die nicht nur für die Rekonstruktion der Textüberlieferung besonders wichtig ist, sondern auch vermuten läßt, daß keiner der Autoren die originalen Aufzeichnungen gesehen hat. Ruschenbusch sortiert daher auch einen Großteil der Fragmente aus.[131] Unter den von ihm als Solonisch beglaubigten thesmoí findet sich eine Fülle an Glossen und wörtlichen Zitaten. RUSCHENBUSCH teilt sie in privates und öffentliches Strafrecht, sowie in Familien- und Nachbarschaftsrecht. Ein weiterer Teil sind Aufwandsgesetze, kultische Bestimmungen und Ausschnitte aus prozeß- und „institutionsrechtlichen“ Satzungen. Doch weder inhaltlich noch formell stellen Solons thesmoí eine Kodifikation dar. „[...] They only cover cases, which are not ‚the rule’ – whereas the rule itself remains implicit, unwritten, or [...] ‚uncodified’.[132] Charakteristisch ist für die frühe, und daher auch für die Solonische, Gesetzgebung in erster Linie, daß sie nicht etwa „am grünen Tisch entworfen“ wurde, sondern „in der Tradition dörflicher Normen und bäuerlicher Rechtsbräuche[133] stand. Daher ist auch davon auszugehen, daß Solon lediglich das bestehende Gewohnheitsrecht schriftlich fixierte und um die zur Überwindung der Krise notwendigen, strafrechtlichen Bestimmungen erweiterte.[134] Während das Recht vorher noch regelmäßig gebrochen wurde,[135] war es jetzt für alle Bürger einsehbar.

Der Unterstützung der seisáchtheia dienten vor allem die wirtschaftliche und soziale Probleme betreffenden Satzungen. Die flüchtigen und dadurch „ehrlos“ (ἄτιμος[136] ) gewordenen Schuldner wurden nicht nur in die Heimat zurückgeholt, sondern erhielten auch Amnestie.[137] Die Gewährung eines Darlehens gegen leibliche Haftung wurde verboten[138] und damit natürlich auch der Zugriff auf die Person eines zahlungsunfähigen Schuldners.[139] Dieses Gesetz kann als endgültiger Beleg für die Beseitigung der Schuldknechtschaft (hektémoros) und als einschneidendste Maßnahme im Bereich der Agrarwirtschaft gewertet werden.[140] Doch wurde den Kleinbauern hierdurch weder ein angenehmes Leben zuteil noch die Möglichkeit, Schulden zu machen, abgeschafft. Mit seinem Vebot der Darlehensgabe gegen leibliche Haftung nahm Solon den aus der Sklaverei Zurückgekehrten die Möglichkeit, sich selbst als Sicherheit zu geben, um eine neue bäuerliche Existenz zu begründen.[141]

Die Beschränkung des Grunderwerbs[142] setzte noch nicht die Höhe des maximal möglichen Landbesitzes fest.[143] Sie dürfte aber dem Zweck gedient haben, vor allem die vielen kleineren oíkoi zu erhalten und einer erneuten Konzentration des Landes in aristokratischer Hand entgegenzuwirken.[144] Dem Erhalt des oîkos und der Entlastung ärmerer Bauern im privaten Bereich sollten auch diverse Erbschafts- und Adoptionsgesetze dienen. Solon führte die Testierfreiheit ein,[145] die erlaubte, daß der „Erblasser ohne vollbürtige Söhne [...] einen Gesamterben einsetzen[146] konnte. Dieser wurde adoptiert und mußte – wenn vorhanden – eine der sonst nach dem ἐπίκληρος -Gesetz erbberechtigten Töchter heiraten, so daß der oîkos respektive der zu ihm gehörende Besitz im Ganzen erhalten blieb.[147] Die Beschränkung der Mitgift auf wesentliche Gegenstände sorgte dafür, daß sich ein Kleinbauer mit der Verheiratung seiner Tochter nicht mehr ruinieren mußte,[148] während den Aristokraten mit diesem Gesetz eine wichtige Möglichkeit der Selbstdarstellung genommen wurde.[149] Die Unterhaltsgesetze schränkten das Problem der Bodenparzellierung ein. Der Vater war verpflichtet für eine handwerkliche Ausbildung seiner Söhne zu sorgen, um im Alter unterhaltsberechtigt zu sein.[150] Diese Maßnahme sollte sowohl den grundbesitzlosen thêtes zugute kommen, als auch der weiteren Zersplitterung des bäuerlichen Besitzes entgegen wirken. Durch die Verpflichtung, seine Söhne rechtzeitig ein Handwerk erlernen zu lassen, stand es dem kinderreichen Vater offen, den Familienbesitz nur an den Ältesten weiterzugeben.[151]

Um die zurückgekehrte Bevölkerung und die zur Zeit der Reformen verarmten, aber aus der Abhängigkeit entlassenen Kleinbauern ausreichend mit Nahrung versorgen zu können, erließ Solon ein – vielleicht befristetes[152] – Exportverbot für alle Lebensmittel, ausgenommen Öl.[153] Als gesichert Solonisch gilt, daß das Bürgerrecht nur noch an die verliehen werden durfte, die nach Athen übersiedelten, in keiner anderen pólis mehr beheimatet waren und einem „Handwerk“ (τέχνη) nachgingen.[154] Solon dürfte sich so der uneingeschränkten Loyalität der Neuankömmlinge gegenüber ihrer neuen Heimat Athen vergewissert haben. Zudem stellte er sicher, daß sie weder die Bedingungen auf dem Land verschärfen[155] noch das städtische Proletariat vergrößern würden.[156]

[...]


[1] Der Begriff der „Väterverfassung“ entstand im Rahmen des Peloponnesischen Krieges, als die Forderung nach einer Abkehr von der radikalen Demokratie und eine Orientierung an den „Verfassungen“ Drakons, Solons und Kleisthenes’ laut wurde. Vgl. zu diesem Sachverhalt RUSCHENBUSCH, ΠΑΤΡΙΟΣ ΠΟΛΙΤΕΙΑ. Theseus, Drakon, Solon und Kleisthenes in Publizistik und Geschichtsschreibung des 5. und 4. Jahrhunderts v.Chr., in: Historia 7 (1958), 398; JACOBY, Atthis. The Local Chronicles of Ancient Athens, ND der Ausgabe von 1949, New York, 1973, 77. 154; HÖLKESKAMP, Schiedsrichter, Gesetzgeber und Gesetzgebung im archaischen Griechenland, Historia Einzelschriften 131, Stuttgart, 1999, bes. 55 f.

[2] Vgl. Clem. Alex. strom. 1,61,1: Πάλιν αὖ Χίλωνι τῷ Λακεδαιμονίῳ ἀναφέρουσι τὸ „Μηδὲν ἄγαν“· Στράτων δὲ ἐν τῷ περὶ εὑρημάτων Σωδἀμῳ τῷ Τεγεάτῃ προσάπτει τὸ ἀπόφθεγμα, Δίδυμος δὲ Σόλωνι αὐτὸ ἀνατίθησιν, ὤσπερ ἀμέλει Κλεοβούλῳ τὸ „Μέτρον ἄριστον“. – Wiederum auf Chilon aus Lazedämon führt man das „Nichts übers Maß“ zurück. Straton aber legt in dem Buch Über die Erfindungen den Spruch dem Stratodemos aus Tegea bei, Didymos aber schreibt ihn dem Solon zu, wie denjenigen „das Maß ist das Beste“ dem Kleobulos. Text: Clément d’Alexandrie, Les Stromates, griech. und franz., Band I, übers. und mit Anm.en versehen von M. Caster, eingel. von Cl. Mondésert, Paris, 1951, 94. Übersetzung: Klemens von Alexandrien, T. F.; Die Teppiche (Stromateis), deutsch, nach der Übersetzung von F. Overbeck, hrsg. und eingel. Von C. A. Bernoulli und L. Früchtel, Basel, 1936, 194.

[3] Vgl. STAHL, Gesellschaft und Staat bei den Griechen. Archaische Zeit, Paderborn u.a., 2003, 176 f.

[4] Teilweise geben die Sekundärquellen auch die zugehörige Gesetzestafel (áxon) und die laufende Nummer des entsprechenden Gesetzes (nómos) an. Solon bezeichnete seine Satzungen mit dem älteren Begriff thesmoí. Vgl. hierzu MOSSÉ, How a Political Myth Takes Shape. Solon, „Founding Father“ of the Athenian Democracy, in: Rhodes, P. J. (Hg.), Athenian Democracy, Edinburgh Readings on the Ancient World, übers. von Rosh Ireland, Edinburgh, 2004, 245 f.

[5] Ähnliches merkt schon Aristoteles an. Vgl. Aristot. Ath. pol. 9,2.

[6] Vgl. Hdt. 1,29-33. 86,3-5.

[7] Vgl. JACOBY, Atthis 153 und 352 Anm. 12. Solon als einen der Sieben Weisen darzustellen, war auch die Intention des Diogenes Laertios in der Mitte des 3. nachchristlichen Jahrhunderts.

[8] Viele angeblich Solonische Gesetze finden sich in den Reden des Demosthenes (ca. 384/83-322 v.Chr.) und bei dem Logographen Lysias (ca. 445-380 v.Chr.). Es war üblich, Gesetze der „alten Zeit“, in die das individuelle und kollektive Bewußtsein kaum mehr vordringen konnte, bekannten Größen zuzuschreiben. Grundlegend hierzu ist nach wie vor RUSCHENBUSCHS systematische Analyse der Nennungen Solons bei den Rednern. RUSCHENBUSCH 1958, 401. 406-408 weist darauf hin, daß Solon vor 356 lediglich als einer der Sieben Weisen betrachtet wurde; seit 356 galt er als Begründer einer gemäßigten oder radikalen Demokratie, wobei Kleisthenes seinen Status als Schöpfer der Demokratie um 353 sogar an Solon abtreten mußte (a.a.O 419). Vgl. außerdem RUSCHENBUSCH, Atthis und Politeia, in: Hermes 109 (1981), 322.

[9] Im Text wird synonymisch für die Athenaíon politeía „Aristoteles“ genannt, auch wenn es einige berechtigte Bedenken bezüglich seiner Autorschaft geben mag. Vgl. Aristoteles, Staat der Athener, übers. und erl. von M. Chambers, Aristoteles. Werke in deutscher Übersetzung 10,1, Darmstadt, 1990, 76 f.; Aristoteles, Der Staat der Athener, übers. und hrsg. von M. Dreher, Stuttgart, 1997, 18-20. Somit kann i.d.A. auf den Ausdruck „der Autor der Athenaíon politeía“ verzichtet werden.

[10] Die Abfassungszeit der Athenaíon politeía liegt nach STAHL, Archaische Zeit 178 zwischen 329/28 und 322 v.Chr., nach CHAMBERS, Staat der Athener 83 zwischen 329/28 und 325, nach RHODES, A Commentary on the Aristotelian Athenaion Politeia, Oxford, 1981, 52 zwischen 335/4 und 322.

[11] Die Atthis des Kleidemos wird von JACOBY, Atthis 74 auf 354 v.Chr. datiert. Grundlegend zu den Quellen der Athenaíon politeía ist nach wie vor JACOBY, Atthis. Vgl. auch die Analyse von CHAMBERS, Staat der Athener 84-91, bes. 86 f. sowie ders., 1981, 316-326.

[12] Die Athenaíon politeía versucht den Kompromiß zwischen Kleidemos, dem Vertreter der radikalen Demokratie, und Androtion, demjenigen der gemischten Verfassung bzw. gemäßigten Demokratie, zu finden. Vgl. das Schema bei RUSCHENBUSCH 1958, 423. Zu Solon als Begründer der Demokratie bzw. Kleisthenes als ihr Widerhersteller siehe auch Isokr. or. 7,16. 15,232.

[13] Zu Solon als „Fürsprecher des Volkes“ (προστάτης τοῦ δήμου) siehe Aristot. Ath. pol. 2,2. Die Athenaíon politeía bezeichnet zumindest einige Maßnahmen Solons als die „volksfreundlichsten“ (δημοτικώτατα).Vgl. Aristot. Ath. pol. 9,1 und 2. 10,1.

[14] Vgl. Aristot. pol. 2,1273b 35 - 1274a 21 . Ath. pol. 41,2.

[15] Die „zeitgenössische“ Verfassung soll nach Aussage der Athenaíon politeía diejenige von 404/3 sein. Vgl. Aristot. Ath. pol. 41,1.

[16] Vgl. CHAMBERS, Staat der Athener 90 f. und STAHL, Archaische Zeit 178-180. Da Aristoteles, trotzdem er die Verfaßtheit der pólis unter Solon behandelt, keinerlei Gedichte oder nómoi zitiert, welche diese Thematik betreffen, ist es durchaus möglich, daß ihm hierzu keine Primärquellen vorlagen. Anders RHODES, Eisaggelia in Athens, in: JHS 99 (1979), 104.

[17] Vgl. RUSCHENBUSCH, ΣΟΛΟΝΟΣ ΝΟΜΟΙ. Die Fragmente des Solonischen Gesetzeswerkes. Mit einer Text- und Überlieferungsgeschichte, Historia Einzelschriften 9, Wiesbaden, 1966, 46.

[18] Vgl. STAHL, Archaische Zeit 180-182.

[19] Vgl. RHODES, Commentary 118; OLIVA, Solon - Legende und Wirklichkeit, Xenia. Konstanzer althistorische Vorträge und Forschungen, Heft 20, Konstanz, 1988, 26 f.; WELWEI, Athen. Vom neolithischen Siedlungsplatz zur archaischen Großpolis, Darmstadt, 1992, 155; ders., Ursachen und Ausmaß der Verschuldung attischer Bauern um 600 v.Chr., in: Hermes 133 (2005), 29.

[20] GENTILI/PRATO, Poetarum elegiacorum testimonia et fragmenta. Pars Prior, Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, Leipzig, 21988. Die nach 1988 publizierte Forschungsliteratur greift noch häufig auf die Sammlung von Ernst Diehl (Anthologia lyrica Graeca. Band 1. Poeta elegiaci, Leipzig, 31949) zurück. Der zweite Band der Sammlung früher griechischer Iamben und Elegien von Martin L. West stammt zwar in zweiter Edition von 1992, wurde aber zuerst schon 1972, vor der Erstpublikation von Gentili und Prato im Jahr 1979, herausgegeben. Vgl. WEST, Iambi et elegi Graeci ante Alexandrum cantati, Band 2: Callinus, Mimnermus, Semonides, Solon, Tyrtaeus, minora adespota, Oxford u.a., 21992.

[21] Zwei Jahre später gab Antonio MARTINA eine weitere Gesetzessammlung heraus. Vgl. MARTINA, Solon. Testimonia veterum collegit, Rom, 1968.

[22] Zu nennen bleiben LEHMANN-HAUPT, Solon of Athens. The Poet, the Merchant and the Statesman, Liverpool, 1912; LINFORTH, Solon the Athenian, Berkeley, 1919; FREEMAN, The Work and Life of Solon. With a Translation of his Poems, London u.a., 1926, 56-89; WOODHOUSE, Solon the Liberator, ND der Ausgabe von 1938, New York, 1963; HÖNN, Solon, Staatsmann und Weiser, Wien, 1948; MASARACCHIA, Solone, Florenz, 1958. Zuletzt findet sich mit OLIVA, Solon eine knappe Darstellung mit einer Bibliographie für die Zeit nach 1945.

[23] Besonders gute und teilweise sehr ausführliche Darstellungen finden sich außer in einschlägigen Handbüchern bei HIGNETT, A History of the Athenian Constitution to the End of the Fifth Century B.C., Oxford, 1952; GSCHNITZER, Griechische Sozialgeschichte. Von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden, 1981; MANVILLE, The Origins of Citizenship; WELWEI, Athen; STAHL, Archaische Zeit; CROIX, Athenian Democratic Origins and Other Essays, hrsg. von D. Harvey and R. Parker, Oxford, 2004. Die letztgenannte Publikation umfaßt eine Reihe von bis dahin noch unveröffentlichten Aufsätzen und Briefen aus den 60er Jahren.

[24] Vgl. CHAMBERS, Staat der Athener; RHODES, Commentary.

[25] Die Grundlage für die auch heute noch diskutierten Forschungsfragen legten seit Auffindung der Athenaíon Politeía im 19. Jahrhundert (die erste Edition stammt von KENYON, ΑΘΗΝΑΙΩΝ ΠΟΛΙΤΕΙΑ. Aristotle on the Constitution of Athens, Oxford, 1891) folgende Publikationen: KEIL, Die Solonische Verfassung in Aristoteles Verfassungsgeschichte Athens, Berlin, 1892; WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Aristoteles und Athen, Band I, Berlin, 1893, 39-75; BELOCH, Griechische Geschichte, Band I, Straßburg und Berlin, 21913, 163-165. 318-327; BUSOLT, Griechische Geschichte bis zur Schlacht von Chaironeia, Band II (Die Ältere Attische Geschichte und die Perserkriege), Gotha, 21895, 354-300; BUSOLT, Griechische Staatskunde, Band II (Darstellung einzelner Staaten und der zwischenstaatlichen Beziehungen), Handbuch der Altertumswissenschaft Abt. 4 Teil 1 Band 1, bearbeitet von H. Swoboda, München, 31926, 828-859; DE SANCTIS, ΑΤΘΙΣ. Storia della Repubblica Ateniese dalle Origini alla Età di Pericle, Turin, 21912, 193-259. Diese Arbeiten sind auch heute noch grundlegend. Dennoch wird in der vorliegenden Arbeit, mit wenigen Ausnahmen, vornehmlich „neuere“ Literatur zitiert, die seit den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts veröffentlicht wurde.

[26] Hervorzuheben sind hierzu besonders STAHL, Aristokraten und Tyrannen im archaischen Athen. Untersuchungen zur Überlieferung, zur Sozialstruktur und zur Entstehung des Staates, Stuttgart, 1987 und ders., Archaische Zeit; WELWEI, Athen und ders., Attische Bauern sowie WALTER, An der Polis teilhaben. Bürgerstaat und Zugehörigkeit im archaischen Griechenland, Historia Einzelschriften 82, Stuttgart, 1993.

[27] Die m. E. umfangreichsten und ergiebigsten Abhandlungen zur archaischen pólis und ihren politischen und sozialen Verhältnissen stellen STAHL, Aristokraten; ders., Archaische Zeit; STEIN-HÖLKESKAMP, Adelskultur und Polisgesellschaft. Studien zum griechischen Adel in archaischer und klassischer Zeit, Stuttgart, 1989; WELWEI, Athen, bes. 150-161; WALTER, Bürgerstaat.

[28] Vgl. Aristot. Ath. pol. 2,1. Zu Kylon in den Quellen siehe Hdt. 5,71; Thuk. 1,126,3-12; Plut. Solon 12,1-4.

[29] Vgl. RHODES, Commentary 88: „[...] there was a long period of στάσις before the legislation of Draco and the reforms of Solon.“ Aristot. Ath. pol. 4 behandelt die Drakonische Gesetzgebung. Aristot. Ath. pol. 41,2 bezeichnet diese „Verfassung“ als die dritte seit Ion. Aristot. pol. 2,1274b 15-18 und rhet. 1400b 21 f. erwähnen nur die außerordentliche Härte des Drakonischen Strafrechts. Aristot. Ath. pol. 4,4 nennt zwei der Erscheinungen der sozialen Krise, die später von Solon beseitigt worden sein sollen, schon für die Drakonische Zeit, nämlich die Darlehen gegen leibliche Haftung und daß das Land in den Händen weniger war. Zu Drakons Gesetzgebung siehe auch WELWEI, Athen 138-146.

[30] Vgl. FORREST, Wege zur hellenischen Demokratie. Staatsdenken und politische Wirklichkeit von 800 - 400 v.Chr., München, 1966, 150; EDER, Polis und Politai. Die Auflösung des Adelsstaates und die Entwicklung des Polisbürgers, in: Euphronios und seine Zeit, hrsg. von der Antikensammlung Staatliche Museen zu Berlin nach einem Kolloquium in Berlin 19./20. April 1991 anläßlich der Ausstellung Euphronios, der Maler, 1992, 26; RHODES, Commentary 88: „Cylon’s bid for tyranny is seen as the first incident in a period of στάσις lasting [...] until Pisistratus succeeded in establishing himself as tyrant.

[31] Sol. F 3,5-8 GENTILI/PRATO (Demosth. or. 19,255). Übersetzung: LATACZ, Die griechische Literatur in Text und Darstellung, Band I: Archaische Periode, Stuttgart, 21998, 197.

[32] Sol. F 3,11-13 GENTILI/PRATO. Übersetzung: ebd.

[33] Sol. F 3,23-25 GENTILI/PRATO. Übersetzung: LATACZ, Griechische Literatur 199.

[34] Götter: vgl. Sol. F 3,1-4. 15,1 f. GENTILI/PRATO; στάσις: vgl. Sol. F 3,19 GENTILI/PRATO; πιπράσκειν = „verkaufen“.

[35] Vgl. Sol. F 1 (Stob. 3,9,23). 5,1 (Plut. Solon 14,3). 5,2-5 (Aristot. Ath. pol. 5,3). 6 (Plut. Solon 3,3). 18 (Stob. 4,33,7). 29b GENTILI/PRATO (Aristot. Ath. pol. 12,3). Siehe auch Hes. erg. 320-326.

[36] Vgl. Sol. F 3,31 GENTILI/PRATO. Die dysnomía ergriff jeden Bürger. Vgl. Sol. F 3,26-29 GENTILI/PRATO. Der Begriff erscheint auch bei Hes. theog. 230.

[37] Vgl. Sol. F 30,14 GENTILI/PRATO. Zur Oberschicht vgl. SPAHN, Mittelschicht und Polisbildung, Frankfurt am Main u.a., 1977, 122; MITCHELL, New Wine in Old Wineskins. Solon, Arete and the Agathos, in: Mitchell, L. G./Rhodes, P. J. (Hgs.), The Development of the Polis in Archaic Greece, London und New York, 1997, 138 und die eindeutige Wertung Aristoteles’ in Ath. pol. 5,3: καὶ ὅλως ἀεὶ τὴν αἰτίαν τῆς στάσεως ἀνάπτει τοῖς πλουσίοις. – Im allgemeinen schiebt er immer den Reichen die Schuld am Bürgerkrieg zu. (Text: Aristoteles; Athenaion Politeia, Bibliotheca Scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneriana, hrsg. von M. Chambers, Stuttgart, 1994, 4. Übersetzung: CHAMBERS, Staat der Athener 16.) Unter δεσπόται sind in diesem Fall die „Herren“ über die versklavten Athener zu verstehen. Vgl. Sol. F 30,14 GENTILI/PRATO. Vor allem die Quellen späterer Zeit nennen sie εὐπατρίδαι (vgl. Isokr. or. 16,25; Aristot. Ath. pol. 13,2. 19,3; Plut. Theseus 25,1. 26,5. 32,1), eine Bezeichnung, die zwar von der älteren Forschung häufig übernommen wurde, aber nicht nur deren Reichtum, sondern vor allem Herkunft und soziales Prestige anzeigt. Der Begriff sollte in klassischer Zeit die alteingesessenen Adligen von den neuen „Emporkömmlingen“ abgrenzen. Daneben werden überwiegend γνώριμοι (= die „Vornehmen“, vgl. Aristot. Ath. pol. 2,1. 5,1. 6,2. 11,2) und πλουσίοι (= die „Reichen“, vgl. Aristot. Ath. pol. 2,2. 5,3; Plut. Solon 3,2. 5,2. 13,2. 14,1 f. 15,6. 16,1. 20,5. 29,1. 30,3) verwendet. In der vorliegenden Arbeit werden die Bezeichnungen Großgrundbesitzer und oîkos -Herr bzw. alternativ dazu Aristokrat verwendet, weil diese Begriffe den Charakter eines hegemón m. E. am besten umschreiben. Denn erstens handelt es sich nicht um den Kleinbauern, sondern um den Besitzer mehrerer, großer Ländereien (vgl. STAHL, Aristokraten 84 f.; WELWEI, Athen 153). Zweitens arbeitet der Großgrundbesitzer nicht selbst auf dem Acker, sondern läßt ihn von Gesinde, Sklaven (vgl. STAHL, Aristokraten 99 f.) und anderen Abhängigen, von denen noch die Rede sein wird, bewirtschaften. Jedenfalls ist er aufgrund zahlreicher Untertanen „mehr“ Herr, als der Kleinbauer, der „nur“ über seine Familie herrscht. Drittens widmet er sich in Manier der ἀγαθοί und ἀριστοί der Kriegführung, Politik, Muße und der Aufrechterhaltung seines sozialen Prestiges (vgl. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 39; STAHL, Aristokraten 86; WELWEI, Attische Bauern 33). Die englischsprachige Literatur favorisiert eine Unterteilung der reichen Bürger in Vonehme und Nicht-Vornehme. Letzteren soll es gegenüber ihren Mitbürgern edler Herkunft versagt geblieben sein, Ämter zu besetzen. Vgl. RHODES, Commentary 89; MITCHELL 1997, 138. Da die Bedeutung der Herkunft für das soziale Prestige in vorsolonischer Zeit an anderer Stelle i.d.A. noch vertieft werden wird, sind beide Gruppen in meinen „Vorbetrachtungen“ unter den vier genannten Bezeichnungen zu fassen.

[38] Vgl. Sol. F 3,5-6 GENTILI/PRATO. Die Fragmente Sol. F 12 (Diod. 9,20,2) und 15 GENTILI/PRATO (Diod. 9,20,3) beziehen sich vermutlich schon auf Peisistratos. Vgl. dazu Aristot. Ath. pol. 14,2; Plut. Solon 29,2-5. 30.

[39] Es darf nicht vergessen werden, daß Solon ein politisches Programm propagiert und sich absichtlich Übertreibungen bedient. Die Metaphern sind Teil der Dichtkunst und waren wenigstens den zeitgenössischen Zuhörern durchaus verständlich!

[40] Vgl. Sol. F 3,12 f. GENTILI/PRATO.

[41] STAHL, Aristokraten 83 f. beschreibt den Reichtum der Aristokraten als einen „Indikator für ihre gehobene soziale Stellung“, mißt ihm aber keinerlei „wirtschaftliche Bedeutung“ bei, eher sei er „Mittel zum Zweck in der Stasis“.

[42] Weil die Grundlage des Vermögens die Landwirtschaft bildete, konnte die Gefahr zu verarmen vereinzelt auch für wohlhabende Großgrundbesitzer gegeben sein. Plut. Solon 23,4 behauptet sogar, daß das Land für Viehzucht eher geeignet wäre als für Ackerbau und beschreibt damit einen wenig produktiven Boden. Jedoch ist FORRESTS These (1966, 156-158), die Reichen hätten sich nicht nur von ihresgleichen, sondern auch von kleineren Bauern, die wirtschaftlichen Erfolg hatten, bedroht gefühlt, übertrieben. Vgl. auch STAHL, Aristokraten 84.

[43] Zu dieser Thematik siehe STAHL, Aristokraten 83-93. 2003, 193 f.; die besonders ausführliche Darstellung von STEIN-HÖLKESKAMP 1989, 104-122; WELWEI, Athen 153 und MITCHELL 1997, 138, die darauf hinweist, daß die Auseinandersetzungen auch zwischen „competing political groups“ stattfanden, die nicht nur unter den „Angesehenen“, sondern auch unter den Reichen ohne politische Macht ihre Anführer fanden.

[44] Ähnlich GAGARIN, Drakon and Early Athenian Homicide Law, New Haven und London, 1981, 21; BLEICKEN, Die athenische Demokratie, Paderborn u.a., 1985, 16; EDER 1992, 26; WELWEI, Athen 138. 144.

[45] Vgl. Hes. erg. 477 f. propagiert die Anschaffung von genügendem Vorrat für den Winter und verweist auf den Vorteil anderen gegenüber, denen es nicht so geht.

[46] Die Münzprägung wurde in Athen frühestens Mitte des 6. Jahrhunderts eingeführt. Siehe hierzu HÖNN 1958, 35; WELWEI, Athen 154; RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie, in: ZPE 100 (1994), 353. Zuletzt auch HORSMANN, Athens Weg zur eigenen Währung. Der Zusammenhang der metrologischen Reform Solons mit der timokratischen, in: Historia 49 (2000), 259-263 und STAHL, Archaische Zeit 192. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 39 nimmt Edelmetall und Bronze als Zahlungsmittel an. Ähnlich WELWEI, Athen 175 und RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie 362.

[47] Vgl. Hes. erg. 342-367. 453 f. Ausführlicher auseinandergesetzt hat sich STAHL, Archaische Zeit 182- 186 mit dem Prinzip des reziproken Warenaustauschs. Zur Nachbarschaftshilfe vgl. auch SCHMITZ, Nachbarschaft und Dorfgemeinschaft im archaischen und klassischen Griechenland, in: HZ 268 (1999), 561-597 1999, 570 f.

[48] Vgl. Hes. erg. 359-362 warnt vor einseitigem Nehmen ohne Geben, 364-367 vor zuviel Freizügigkeit. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 76 sieht in einer obligatorischen Verzinsung des Darlehens die Ursache für das Anwachsen der Schuldenlast. Eine solche ist in den Quellen jedoch nicht eindeutig belegt.

[49] GALLANT, Agricultural Systems, Land Tenure, and the Reforms of Solon, in: ABSA 77 (1982), 116 lehnt die Bodenerschöpfungen und WELWEI, Athen 154 alle vier Ursachen für eine Verschuldung ab. Anders FRENCH, The Economic Background to Solon’s Reforms, in: CQ 50 (1956), 11. 16 und ders., The Growth of the Athenian Economy, London, 1964, 11. Zu den exogenen Faktoren siehe auch STAHL, Archaische Zeit 192.

[50] Zur „Bodenparzellierung“ siehe RUSCHENBUSCH, Untersuchungen zur Geschichte des athenischen Strafrechts, Köln und Graz, 1968, 41 und Plutarchs Solonbiographie 351; GSCHNITZER, Sozialgeschichte 76; STAHL, Archaische Zeit 191 f. WELWEI, Athen 154 weiß zwar, daß der Bevölkerungszuwachs „quantitativ nicht faßbar“ ist, scheint ihn aber als Ursache der kleinbäuerlichen Not nicht auszuschließen. WELWEI, Attische Bauern 41 glaubt schon nicht mehr an die völlige Auflösung der Existenzgrundlage durch Erbteilung.

[51] Vgl. WELWEI, Attische Bauern 40. LINK, Landverteilung und sozialer Frieden im archaischen Griechenland, Stuttgart, 1991, 30 glaubt, daß die „Nachbarschaftshilfe“ unter Kleinbauern eher selten zu schlimmeren Konsequenzen führte, als daß der Bauer seinen Ruf verlor und als kreditunwürdig galt. M.E. konnten diese Konsequenzen durchaus schon existenzbedrohend sein.

[52] Neben der Agrar- und Viehwirtschaft besaßen die Großgrundbesitzer auch Nebeneinkünfte aus Krieg, Handel, „öffentlicher Wirksamkeit, Anerkennungsgeschenken“ (STAHL, Aristokraten 83, der GSCHNITZER, Sozialgeschichte 39 fast wörtlich übernimmt). Zum Begriff der Abhängigkeit siehe WELWEI, Athen 155; RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie 353; STAHL, Archaische Zeit 172. 193 f. Aristot. Ath. pol. 2,2 schreibt vereinfachend, die „Armen“ (πένητες) seien von den „Reichen“ (πλουσίοι) abhängig gewesen. Zur politischen Bedeutung der Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Aristokraten und Nichtaristokraten siehe STAHL, Aristokraten 99-104, der auf das „Führertum“ der Aristokratie und die „Anhänglichkeit der sozial Unterlegenen“ hinweist. Die Bündnisse seien aber ständigen Wechseln unterworfen gewesen, ein „Institut sozialer Abhängigkeit“ hätte es nicht gegeben (a.a.O. 100). Hierzu vgl. auch BLEICKEN 1985, 15; STEIN-HÖLKESKAMP 1989, 27-29. WELWEI, Attische Bauern 38 f. sieht auch in der Anschaffung einer Hoplitenrüstung durch den wehrfähigen mittelständischen Bauern eine Ursache für die Verschuldung gegenüber größeren Grundeigentümern.

[53] FORREST 1966, 156 sieht hierin nicht die Ursache für die Unzufriedenheit in der Bevölkerung, sondern in der „Tatsache, daß sie als Athener zu Sklaven gemacht werden konnten“. Zur Unterscheidung von Schuldknechtschaft und Schuldsklaverei siehe auch SCHUMACHER, Sklaverei in der Antike. Alltag und Schicksal der Unfreien, München, 2001, 26-28.

[54] Vgl. RUSCHENBUSCH, Untersuchungen zur Geschichte des athenischen Strafrechts, Köln und Graz, 1968, 40; ders., Plutarchs Solonbiographie 353 f.; HARRIS, When is a Sale Not a Sale? The Riddle of Athenian Terminology for Real Security Revisited, in: CQ 38 (1988), 380; CHAMBERS, Staat der Athener 345 f.; WELWEI, Athen 154 f.; STAHL, Archaische Zeit 186. Der Fachbegriff für diesen Vorgang lautet „Personalexekution“. Anders aber Aristot. Ath. pol. 2,2. 6,1 (F 69b Ruschenbusch). 9,1 (F 40a und 69a Ruschenbusch), der glaubt, die Sicherheit für ein Darlehen hätte der Schuldner bis auf Solon prinzipiell durch seinen und seiner Angehörigen Leib gegeben. Nach STAHL, Archaische Zeit 179 handelt es sich bei dieser Darlegung um einen Anachronismus des 4. Jahrhunderts, in dem solche Kredite möglich gewesen seien.

[55] Für die Darstellungen der Verschuldung sind vor allem folgende Publikationen heranzuziehen: RUSCHENBUSCH, Strafrecht 43-45; ders., Plutarchs Solonbiographie 351-354; GSCHNITZER, Sozialgeschichte 75 f.; RHODES, Commentary 90-97; STAHL, Aristokraten 83-104. 2003, 185-194; WELWEI, Athen 150-161. Dazu das „Rechenschaftsgedicht“ (Sol. F 30 GENTILI/PRATO), in dem sich Solon gegen die Kritiker seiner „Neuordnung“ zur Wehr setzt; Aristot. Ath. pol. 2,2 f.; Plut. Solon 13,4 f.

[56] Vgl. RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie 353; STAHL, Archaische Zeit 187.

[57] Vgl. Sol. F 30,9-12 GENTI LI/PRATO. Siehe auch WELWEI, Athen 155, der darauf hinweist, daß der „Prozeß der Versklavung ärmerer Bevölkerungsschichten“ noch nicht sehr lange angedauert haben kann. Der Hinweis Solons a.a.O., er hätte versklavte ehemalige Athener Bürger zurückgeholt, die das Attische schon verlernt hätten, ist für WELWEI eine Übertreibung.

[58] Während die aristokratischen Helden Homers noch selbst auf dem Feld und im Haus arbeiteten, widmeten sich die Aristokraten in Solonischer Zeit der Muße und der Politik. Vgl. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 39 und STAHL, Aristokraten 86.

[59] Vgl. STAHL, Archaische Zeit 187.

[60] Daß dennoch einige „flüchteten“ (φεύγειν) berichtet Solon in Sol. F 30,11 GENTILI/PRATO.

[61] Vgl. WELWEI, Attische Bauern 40. Ähnlich auch RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie 354 mit weiteren Argumenten gegen den Verkauf des Schuldners in die Sklaverei durch den Gläubiger.

[62] In der Darstellung der hektémoroi (= „Sechstteiler“) folge ich im wesentlichen der gängigsten Auffassung, vertreten durch den Großteil der i.d.A. Anm. 55 genannten Literatur. Abweichungen bestehen nur in kleineren Aspekten. Zu bedenken ist, daß der hektémoros in seiner wörtlichen Bedeutung und gesellschaftlichen Stellung schwer zu fassen ist. Eine andere Sichtweise ist bei LINK 1991, 15-34 zu finden, der die Arbeiten von Càssola (Note critiche e filologiche. Solone, la terra, e gli ectemori, in: PP 19 [1964], 26f f. und La proprietà del suolo in Attica fino a Pisistrato, in: PP 28 [1973], 75f f.) ins Gedächtnis der Forschung zurückruft und sich teilweise auf dessen Erkenntnisse stützt. Keine der von mir verwendeten Publikationen erwähnt Càssola, außer RHODES, Commentary 90. 92. 94, der auch einen Überblick über die in der Forschung bis dahin vertretenen Meinungen zum hektémoros gibt (a.a.O. 92-97), und kritisch WELWEI, Athen 161 Anm. 60. Eine ganz andere Theorie über den hektémoros und den Charakter der Krise im 7. Jahrhundert publizierte HARRIS, A New Solution to the Riddle of the Seisachtheia, in: Mitchell, L. G./Rhodes, P. J. (Hgs.), The Development of the Polis in Archaic Greece, London/New York, 1997, 103-112.

[63] Vgl. Aristot. Ath. pol. 2,2. Der hektémoros taucht in den überlieferten Gedichtfragmenten Solons nicht auf. Die μίσθωσις kann auch mit „Lohn“ übersetzt werden. Vgl. auch Plut. Solon 13,4, der den hektémoros gleichbedeutend mit dem thêtes (Lohnarbeiter) nennt. Daneben stellt er diejenigen, die unter Verpfändung ihres Leibes Schulden aufgenommen hatten und deswegen als Schuldsklaven in Attika oder in der Fremde arbeiten mußten.

[64] STAHL, Archaische Zeit 188.

[65] Vgl. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 76. WELWEI, Athen 156 spricht sich gegen die Darstellung der Athenaíon politeía aus, die hektémoroi hätten den Acker der wohlhabenden oîkos -Herren bestellt. Zur Abgabe vgl. RHODES, Commentary 93; CHAMBERS, Staat der Athener 145. Ob der hektémoros 1/6 abzugeben hatte oder nur 1/6 behalten durfte, kann nicht geklärt werden. Jedoch ist es schwer vorstellbar, daß ein Kleinbauer, der bereits in die Schulden geraten war, in der Lage sein konnte, seine Familie mit einem Sechstel seines Ernteertrages ausreichend zu versorgen. Aus Aristot. Ath. pol. 2,2 ist zur Höhe der Abgabe nichts zu entnehmen, außer daß dem Zahlungsmodell eine Einteilung in „sechste Teile“ zugrunde lag. Von dem Rechts auf Verkauf in Sklaverei machten vorwiegend die reichen oîkos -Herren Gebrauch, nicht aber der kleine Bauer, der einen Ausstand von einem „Scheffel“ (μέδιμνος) Getreide hatte. Ähnlich auch WELWEI, Attische Bauern 40.

[66] STAHL, Archaische Zeit 189. Ähnlich RHODES, Commentary 93: „[...] at some stage [...] the condition of these dependent peasants (gemeint sind die hektémoroi) was standardised […]“, vielleicht, wie er hinzufügt, mit der Rechtssetzung Drakons. Zur möglichen Herkunft des hektémoros siehe STAHL, Archaische Zeit 188 f., der auf die Möglichkeit hinweist, daß die hektémoroi nicht nur auf ihrem eigenen Besitz arbeiteten, sondern daneben, für ein Sechstel des Ertrages auch auf dem Land eines Aristokraten, der wiederum auf deren Arbeitsdienste angewiesen war. WELWEI, Athen 156 schließt ein „bis in die ‚Dunklen Jahrhunderte’ zurückreichendes erbliches Hörigkeitsverhältnis“ aus, weil Solon „eine akute Krise beschreibt“.

[67] Aristot. Ath. pol. 2,3. Text: CHAMBERS, Athenaíon politeía 1. Übersetzung: CHAMBERS, Staat der Athener 13.

[68] Vgl. Sol. F 30,6 GENTILI/PRATO. Siehe auch Plut. Solon 15,6. LATACZ, Griechische Literatur 205 übersetzt „Schuldenmale“, CHAMBERS, Staat der Athener 21 „Schuldsteine“. Zu den hóroi vgl. auch STAHL, Archaische Zeit 189-191.

[69] Vgl. HARRIS 1997. Der Kleinbauer soll sechste Teile seiner Ernte als Gegenleistung für „protection against outsiders and for maintaining internal order“ (HARRIS 1997, 110) an die Aristokraten gegeben haben. Diese „Schutzgelder“ hätten sich nach und nach zu einer Institution konsolidiert. (Eine ähnliche These vertrat schon ANDREWES, The Growth of the Athenian State, in: Boardman/Hammond (Hgs.), The Cambridge Ancient History, Band III, 3, Cambridge, 21982, 377-382.) Die Argumentation HARRIS’ ist leider nicht immer schlüssig. Vor allem die von ihm herangezogenen Quellstellen beweisen m. E. seine These nicht. Die Nennung von hektémoroi und pelátai in der Athenaíon politeía (2,2) und die Tatsache, daß die pelátai später mit den römischen clientes verglichen werden (Plut. Romulus 13,7) kann nicht beweisen, daß auch die hektémoroi einen ähnlichen Status hatten. Vgl. auch STRASBURGER, Zum antiken Gesellschaftsideal, Heidelberg, 1976, 115; STAHL, Aristokraten 101; RHODES, Commentary 91. Unter den bei Homer und Hesiod genannten Arrangements zwischen der Bevölkerung und den Regierenden (vgl. Hom. Il. 9,149-156 = 291-197. 12,310-321. 17,225 f. Od. 13,13-15. 19,194-198) sind lediglich situationsbezogene Geschenkgaben und gastfreundschaftliche Aufmerksamkeiten zu verstehen. Vgl. auch WELWEI, Attische Bauern 29 f. Und auch die bezeugten Tributzahlungen (vgl. Hdt. 3,89,3; Thuk. 2,97,3 f.) können nicht als Beweis für HARRIS These angeführt werden. Wenn HARRIS Recht hätte, hätten alle Bauern abgabenpflichtige hektémoroi sein müssen und das System der phylaí und phratríai Attikas deckte solche Übereinkünfte zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Schichten schon ab.

[70] Vertreten hat diese These Stefan Link, der zum Beweis Sol. F 3,12 f. GENTILI/PRATO heranzieht: οὔθ᾿ ἱερῶν κτεάνων οὔτε τι δημοσίων φειδόμενοι κλέπτουσιν ἀφαρπαγῇ ἄλλοθεν ἄλλος [...] – . ..von götter- und gemeinschaftseigenem Besitztum nichts verschonend stehlen sie in Raffgier – der von hier, der andre dorther [...]. Übersetzung: LATACZ, Griechische Literatur 197. Zum wirtschaftlichen Interesse der hegemónes vgl. LINK 1991, 24 f.

[71] Vgl. LINK 1991, 28-30 unter Verweis auf die lex Manciana. Dagegen WELWEI, Athen 161 Anm. 60 und Attische Bauern 41 Anm. 32. Jedoch vertrat WELWEI, Attische Bauern 31-33 zuletzt immerhin die Ansicht, daß das „neu erschlossene Kulturland in den Besitz dessen übergegangen“ sein könnte, der es „kultivieren ließ oder selbst kultivierte“ (WELWEI, Attische Bauern 31 unter Verweis auf die Stellen Hom. Od. 18,357-364. 24,205-207), wobei Rodung und Kultivierung mehrere Jahre in Anspruch genommen haben dürften, bevor ein nennenswerter Ertrag erwirtschaftet werden konnte. Vgl. WELWEI, Attische Bauern 41. Somit waren die ärmeren Schichten zwar nicht vom Okkupationsrecht ausgeschlossen, ein reicherer Großgrundbesitzer hatte jedoch eher Mittel und Zeit für solche langwierigen Unternehmungen.

[72] Vgl. LINK 1991, 31. Anders GALLANT 1982, 122f, der die Annahme vertritt, daß die hektémoroi auf dem eigentlich unverteilten, aber von den Reichen okkupierten, Land arbeiten mußten um ihre Schulden abzutragen. Auch MANVILLE, Citizenship 107-123 geht von der Existenz des public land aus.

[73] Vgl. SCHUMACHER 2001, 26-28.

[74] Auch CHAMBERS, Staat der Athener 146 versucht die unklaren Angaben von Aristot. Ath. pol. 2,2 und 6,1 zu entschlüsseln. Es gäbe einen Unterschied zwischen den hektémoroi und denen, die auf ihren Körper anliehen, insofern es sich um „zwei Stufen von zunehmender Verschuldung“ handelte und bei letzterer, nach CHAMBERS Interpretation von Plut. Solon 13,4, um nichtzahlungsfähige Bauern, die auch den Sechstel nicht mehr aufbringen konnten. WELWEI, Athen 157 f. bezieht die Äußerung Solons (Sol. F 30,9 GENTILI/PRATO = Aristot. Ath. pol. 12,4), er hätte auch „unrechtmäßig“ (ἔκδικος) versklavte Athener befreit, auf diese Fälle, in denen hektémoroi doch noch versklavt wurden, trotz Vereinbarung mit dem Gläubiger. Siehe auch Sol. F 30,8 f. GENTILI/PRATO, wo Solon von der Rückführung der Verkauften nach Athen spricht; RUSCHENBUSCH, Strafrecht 40 und RHODES, Commentary 93 f.

[75] Ob es neben den Kämpfen unter Aristokraten auch wirklich zu gewaltvollen Auseinandersetzungen zwischen γνώριμοι und πλῆθος kam, kann nicht festgestellt werden. RHODES, Commentary 89 glaubt unter stásis sowohl die „oppression of the poor by the rich“ als auch das „aristocratic monopoly of public office which impinges [...] on the non-aristocratic rich“ fassen zu können, teilt also πλῆθος in Arme und Reiche ohne herausragende Herkunft, die sich jeweils mit den Aristokraten befehdeten.

[76] Vgl. Aristot. Ath. pol. 2,1 f. Πολιτεία und ὀλιγαρχικός sind keine termini des 6. Jahrhunderts! Siehe hierzu CHAMBERS, Staat der Athener 143.

[77] Vgl. Aristot. Ath. pol. 2,3.

[78] WELWEI, Athen 152 liegt ebenso richtig, wenn er Aristoteles’ übertriebene Darstellung der Verhältnisse in Attika mit den Worten anzweifelt: „Viele Hopliten-Bauern mögen zwar [...] eine soziale Deklassierung befürchtet haben, doch wird in der Überlieferung nirgendwo ausdrücklich erwähnt, daß infolge der Krise nicht mehr genügend Wehrfähige zur Verfügung standen.

[79] Vgl. Sol F 3,17-23. 12,3 f. GENTILI/PRATO; Ath. pol. 2,1. 5,1 f.; Plut. Solon 13,3. Dazu STAHL, Archaische Zeit 190. 193.

[80] Vgl. Sol. F 29b,3 und 7 f. GENTILI/PRATO.

[81] Vgl. Sol. F 3,17-23. 12 (spricht von μόναρχος). 15 GENTILI/PRATO.

[82] Sol. F 4 GENTILI/PRATO (Aristot. Ath. pol. 5,2). Übersetzung: CHAMBERS, Staat der Athener 15.

[83] Anders GALLANT 1982, 124 der eine soziale und keine wirtschaftliche Krise postuliert und HARRIS 1997, 107, der eine Agrarkrise explizit ausschließt.

[84] Diese sogenannten „quasi-feudalen“ Verhältnisse werden überwiegend von der englischen Literatur zur Charakterisierung der sozialen „Mißstände“ verwendet. Zuletzt sprach sich auch WELWEI, Attische Bauern 29 gegen solche Darstellungen aus.

[85] Vgl. auch MITCHELL 1997, 138. Die Krise schreibt auch STAHL, Aristokraten 102 den „schlimmen Auswüchsen aristokratischer Ausbeutung“ zu. SCHMITZ 1999, 574 faßt das distanzierte Verhältnis zwischen Aristokraten und Kleinbauern in treffenden Worten zusammen: „Die Adligen strebten demgegenüber eine Stellung außerhalb dieser von den Bauern bestimmten Ordnung an. Durch die bessere wirtschaftliche Absicherung waren sie nicht in die verbindlichen Regeln der Bauern, die Arbeitsamkeit und Rechtschaffenheit sowie Solidarität unter den Bauern forderten, eingebunden. Ja, sie gingen sogar auf eine deutliche Distanz zur bäuerlichen Dorfgemeinschaft und zum Nachbarn.

[86] Vgl. STAHL, Archaische Zeit 173. Abgeschwächter beschreibt es WELWEI, Attische Bauern 43: „Das System als solches war nicht kollabiert.“ Die Wahlversammlung sei ebenso wie das System der phylaí und phratríai noch funktionsfähig gewesen.

[87] Vgl. Sol. F 3,32 GENTILI/PRATO.

[88] MANVILLE, Citizenship 124.

[89] Aristot. Ath. pol. 5,2 (árchon und diallaktés); Plut. Solon 14,2 (árchon, diallaktés und nomothétes); Diog. Laert. 1,62 (árchon).

[90] So jedenfalls FEHLING, Die Sieben Weisen und die frühgriechische Chronologie. Eine traditionsgeschichtliche Studie, Bern u.a., 1985, 110-120, bes. 119; WALTER, Bürgerstaat 192 Anm. 90. Hdt. 1,29,1 erwähnt Solon nicht als árchon, sondern nur als Gesetzgeber. Jedoch kann dies auch auf die Rolle des herodoteischen Solon als einer der „Sieben Weisen“ zurückzuführen sein oder aber Herodot war kein Archontat Solons bekannt. Die Forschung übernimmt sonst aber überwiegend die von Diogenes Laertios (1,62) gegebene Datierung des Solonischen Archontats in das Jahr 594/593. Aristot. Ath. pol. 14,1 datiert immerhin die Gesetzgebung (nomothesía) Solons in das 32. Jahr vor der Machtergreifung des Peisistratos – 592/591.

[91] Ausführlich zur Forschungsdiskussion um die Chronologie der Solonischen Reformen und eines eventuellen Archontats siehe RHODES, Commentary 120-122.

[92] Anders OLIVA, Solon 48.

[93] Der diallaktés bezeichnet kein konventionelles Amt. Hierbei handelt es sich nur um einen Titel, der auf Beschluß der Wahlgemeinschaft mit bestimmten Vollmachten ausgestattet worden sein muß. Daß sich hinter dieser Wahlgemeinschaft die Volksversammlung verbirgt, wird an Formulierungen wie „Athener Bürgern“ bzw. dêmos ersichtlich. Vgl. Aristot. Ath. pol. 5,2. Zwar kann für den Zeitraum vor der Institutionalisierung der Magistraturen noch nicht mit einem festen Wahlmodus gerechnet werden. Vielmehr erfolgte die Auswahl der Amtsinhaber aufgrund ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Stellung bzw. aufgrund ihrer Erfahrung. Vgl. STAHL, Aristokraten 152; STEIN-HÖLKESKAMP 1989, 96. Da der Prozeß der Institutionalisierung jedoch mit Sicherheit schon vor Solons Reformen einsetzte, kann ein bestimmter Wahlmodus für seine Ernennung vorausgesetzt werden. Auch wenn die ekklesía noch nicht nach formellen Vorgaben tagte, war sie Anfang des 6. Jahrhunderts bereits eine „reale politische Kraft“ (vgl. STAHL, Aristokraten 154 f.).

[94] Vgl. OLIVA, Solon 48 f. und WALTER, Bürgerstaat 192 Anm. 90. Die Gedichte Solons, in denen er die Athener Bürger aufzurütteln suchte, den Kampf aufzunehmen, sind der beste Beweis für sein Engagement. Ausführlich zum Kampf Athens gegen Megara um Salamis äußert sich OLIVA, Solon 40-46, der zu dem Schluß kommt, daß nur Solons „öffentliches Auftreten für den Kampf um Salamis“ (46) – belegt durch die sog. „Salamis-Elegie“ (Sol. F 2 GENTILI/PRATO) – vor Beginn seines Archontats, der Grund für seine Beliebtheit war. Ob Solon überhaupt aktiv an diesem Krieg beteiligt war, kann schon aus chronologischer Unsicherheit nicht mehr geklärt werden, wurde aber von Plut. Solon 8-10. 12,5 angenommen. Dagegen Daimachos FGrH 65 F 7, der behauptet, Solon habe keine militärische Vergangenheit. Weniger aufschlußreich sind Aristot. Ath. pol. 17,2 und Diog. Laert. 1,46 f. Weitere Quellen siehe Sol. T 35-53 GENTILI/PRATO. Nicht erwähnt wird Solon als Beteiligter von Hdt. 1,59,4. Für den endgültigen Sieg siehe MEIGGS/LEWIS Nr. 14. Möglich wäre, daß sein Engagement für die Fortsetzung des Krieges auf eine aktive Beteiligung zurückzuführen ist. Noch schärfer MANVILLE, Citizenship 125, der behauptet Solon wäre für „military exploits against Megara“ bekannt gewesen. Siehe weiter STAHL, Archaische Zeit 240-243. Zur Datierung der Gesetzgebung nach Bekleidung eines Archontats vgl. HIGNETT, Athenian Constitution 316-321 und SEALEY, Zum Datum der Solonischen Gesetzgebung, in: Historia 28 (1979), 238-241, die sie in die späte dritte Dekade des 6. Jahrhunderts datieren. Dagegen RHODES, Commentary 121 und WALLACE, The Date of Solon’s Reforms, in: AJAH 8 (1983), 81-95. Ein Archontat wäre beispielsweise auch für die Zeit nach der Umsetzung des Solonischen Reformwerkes denkbar. (Vgl. STAHL, Aristokraten 177.) Aus Plut. Solon 16,5 ist zu entnehmen, daß Solon erst nach der seisáchtheia zum „Reformer“ (diorthotés) und Gesetzgeber ernannt und bevollmächtigt wurde.

[95] = die „großen Männer“ (vgl. Sol. F 12,3 GENTILI/PRATO). Hier könnte auch hegemónes stehen.

[96] Vgl. WELWEI, Athen 152. 153. 159 und 2005. Anders RUSCHENBUSCH, Plutarchs Solonbiographie 355, der glaubt, nur die Armen hätten Solon gewählt, und zwar zum árchon.

[97] Vgl. Aristot. Ath. pol. 5,3 (Text: CHAMBERS, Athenaíon politeía 4. Übersetzung: CHAMBERS, Staat der Athener 16.); Plut. Solon 1,1-3. 2,1. Plutarch schreibt aber in Solon 16,2 auch, Solon sei δημοτικὸς [...] καὶ μέσος gewesen, also „aus dem Volk und von mittlerem Stande“. (Text: Plutarch; Grosse Griechen und Römer, Band I, eingel. und übers. von Konrat Ziegler, Zürich u.a., 21979, 101. Übersetzung: ZIEGLER, Plutarch 229.) Zwar könnte δημοτικὸς auch „für das Volk eintretend“ bedeuten, scheint aber hier, aufgrund des vorherigen Exkurses über Abstammung und Wirken des Lykurgos, von Plutarch nicht gemeint gewesen zu sein. Vgl. auch Aristot. pol. 4,1296a 18, der alle nomothétai dem Mittelstand zurechnet. Diese Ansicht des Aristoteles steht in enger Verbindung mit seinen philosophischen Ansichten von der „Mitte“ als rechtem Maß. Seine autarke Position läßt ihn von allen Parteien unabhängig agieren und entscheiden. Vgl. HÖLKESKAMP 1999, 48.

[98] Vgl. Sol. F 16 (Plut. am. 5,751b). 17 (Plat. Lys, 212e). 24 (Plut. am. 5,751e) GENTILI/PRATO. Siehe hierzu auch STAHL, Archaische Zeit 229.

[99] Vgl. Aristot. Ath. pol. 6,1 und 2. 12,4; Plut. mor. 343d. Solon 15,2 und 3. 15,5. 16,5.

[100] Vgl. Aristot. Ath. pol. 6,1. 10,1. 11,2. 12,4. 13,3; Plut. Solon 15,2 und 3. 15,7. Anders formuliert in Plut. Sol 15,5 (ἀναίρεσις παντῶν συμβόλαιον, vgl. auch 16,1). Androtion (FGrH 324 F 34) spricht nach Plut. Solon 15,3 nur von einer „Zinsmäßigung“ (μετριότης τόκων), nicht von einer Schuldenaufhebung.

[101] Sol. F 30,5-15 GENTILI/PRATO. Übersetzung: LATACZ, Griechische Literatur 205. Vgl. auch Plut. Solon 15,6.

[102] Vgl. außerdem Poll. 7,151 (F 67 Ruschenbusch: ἐπίμορτος γῆ – abgabepflichtiges Land). Siehe auch Hesych. s.v. ἐπίμορτος. Die „schwarze Erde“ symbolisiert in den Quellen unter anderem das fruchtbare Ackerland. Vgl. Hom. Od. 11,365. 587. 19,111; Hes. theog. 69; Plat. rep. 363b.

[103] Anders WELWEI, Athen 162. Daß Aristoteles und Plutarch unter der seisáchtheia eine „Generalamnestie“ für alle wirtschaftlichen Schuldner verstanden haben, zeigen schon die in ihren Schriften referierten verleumderischen Anekdoten, über „Grundstücksspekulationen“ im Vorfeld der seisáchtheia. Vgl. Aristot. Ath. pol. 6,2; Plut. Solon 15,7 f. OLIVA, Solon 52 f. entlarvt diese Darstellungen als Konstrukt des 5. Jahrhunderts.

[104] Ähnlich STAHL, Archaische Zeit 195.

[105] Erstmals erscheinen die hóroi als Schuldsteine bei Isaios (6,36), in einer Rede aus dem Jahr 364 v.Chr. Vgl. auch FINLEY, Studies in Land and Credit in Ancient Athens. 500 - 200 B.C. The Horos-Inscriptions, New Brunswick/New Jersey, 1951, 10-21.

[106] Vgl. Hom. Il. 12,421. 21,405; Sol. F 31,8 f. GENTILI/PRATO (Aristot. Ath. pol. 12,5); Dig. 10,1,3. Siehe auch LINK 1991, 19-21 in Anschluß an Càssola; HARRIS 1997, 104.

[107] Vgl. HARRIS 1997, 104.

[108] Vgl. Sol. F 31,8 f. GENTILI/PRATO: Ἐγὼ δὲ τούτων ὥσπερ ἐν μεταιχμίῳ ὅρος κατέστην. – Ich aber stand wie ein Grenzstein fest mitten im Kampf zwischen beiden Seiten. (Übersetzung: CHAMBERS, Staat der Athener 22.) Siehe auch Solons „Mittlerposition“ in Sol. F 7,5 f. GENTILI/PRATO (Aristot. Ath. pol. 12,1).

[109] Zwar interpretiert auch LINK 1991, 20-22 den hóros als Grenzstein, deutet ihn aber nicht sinnbildlich als unsichtbare Grenze zwischen den verfeindeten Parteien. Vielmehr sei unter Gê mélaina das von den hegemónes okkupierte, ehemals freie Land zu verstehen, das hernach mit Grenzsteinen versehen wurde. Außerdem deklariere Solon das „Niemandsland“ als „gemeindeeigenes Besitztum“ (κτέανον δημόσιος, vgl. Sol. F 3,12 f. GENTILI/PRATO) und damit eine rechtlich nicht verbotene Okkupation als Diebstahl.

[110] Ähnlich auch HARRIS 1997, der jedoch auf eine andere Interpretation der seisáchtheia hinaus will. Gegen HARRIS und die Definition der hóroi als metaphorische „Grenzsteine“ äußert sich, ebenfalls unter Verweis auf Sol. F 31 GENTILI/PRATO, WELWEI, Attische Bauern 35 f. Er glaubt weiterhin an konkrete „Markierungssteine“, die ein durch Abgaben belastetes Land kennzeichneten. Von einer Vereinigung des Volkes spricht Solon auch in Sol. F 30,1 f. GENTILI/PRATO.

[111] Vgl. Sol. F 3, 14-16 GENTILI/PRATO. Wie GEHRKE, Konflikt und Gesetz. Überlegungen zur frühen Polis, in: J. Bleicken (Hg.), Colloquium aus Anlaß des 80. Geburtstages von Alfred Heuss, Frankfurter Althistorische Studien 13, Kallmünz, 1993, 62-65, bes. 63 wunderbar herausgearbeitet hat, war Solon die Rechtsicherheit ein starkes Anliegen,.

[112] Ähnlich auch WELWEI, Attische Bauern 33 f.

[113] Siehe Sol. F 3,18. 12,4.15,4. 30,7 und 13 GENTILI/PRATO.

[114] Von ihr ist in Sol. F 3,23-25 und 30,8-15 GENTILI/PRATO wörtlich die Rede.

[115] Vgl. OLIVA, Solon 51 f.; WELWEI, Athen 162; STAHL, Archaische Zeit 196.

[116] Vgl. Aristot. Ath. pol. 12,3. 11,2 (πάντα ἀνάδαστα ποιέειν); Plut. Solon 16,1 (ἀναδασμός γῆς). Vielleicht gibt Solon in F 29b GENTILI/PRATO einen Hinweis auf solche Forderungen.

[117] Wenigstens die schon Begüterten bedenkt Solon nicht mit noch mehr Besitztum: Sol. F 5,2-5 GENTILI/PRATO weist die Reichen zurecht, ihre Ansprüche zurückzuschrauben; Sol. F 7,3 f. GENTILI/PRATO verweigert den Reichen „unziemlichen“ (ἀεικής) Besitz (insofern hierfür die Übersetzungen von LATACZ, Griechische Literatur 203 oder ZIEGLER, Plutarch 231 zugrunde gelegt werden; i.d.A. zitiert S. 38 Anm. 185); Sol. F 29b,8 f. GENTILI/PRATO genehmigt den „Vornehmen“ (ἐσθλοί) nicht den gleichen Anteil am Ackerboden, wie den „Schlechten“ (κακοί).Vgl. die Übersetzung bei CHAMBERS, Staat der Athener 20, der eine soziale Einteilung in die „Vornehmen“ und den „Rest“ zugrunde legt. Vielleicht bezeichnet Solon aber mit κακοί die „Elenden“ oder „Unglücklichen“, d.h. die Opfer der Gier der Reichen; oder er grenzt die „Vornehmen“ von denen ab, die sich vormals durch unverhältnismäßige Landeinnahme bereichert hatten bzw. von denen, die sich jetzt bereichern wollten. Vgl. MANVILLE, Citizenship 130. Denn in Sol. F 6 GENTILI/PRATO sagt er: πολλοὶ γὰρ πλουτοῦσι κακοί, ἀγαθοὶ δὲ πένονται. – Viele schlechte Kerle sind reich, und es darben die Guten. (Übersetzung: ZIEGLER, Plutarch 212.) Das soziale Prinzip der vornehmen ἀγαθοί und der ärmeren κακοί würde dabei verdreht. WELWEI, Attische Bauern 37 tendiert dazu unter κακοί diejenigen zu fassen, „die bereits einen nicht unbedeutenden sozialen Status besaßen“ und versuchten, die allgemeine Aufruhr gegen die hegemónes für ihre Ziele zu nutzen. Anders GSCHNITZER, Sozialgeschichte 82, der glaubt Solon intendierte in Sol. F 29b,8 f. GENTILI/PRATO eine Ungleichheit in den Besitzverhältnisse zugunsten der Reichen. Vgl. auch OLIVA, Solon 50, der richtig darauf hinweist, daß Solon keine soziale, sondern eine moralische Klassifikation gibt.

[118] Zuletzt wurde die Authentizität dieser Forderung bezweifelt von WELWEI, Attische Bauern 34, der hierin den radikal-revolutionären Geist des 4. Jahrhunderts sieht. „Eher ist zu vermuten, daß von einem erfolgreichen Anführer einer Stasis Enteignungen unterlegener Gegner und eine Aufteilung ihrer Güter unter die Parteigänger des Siegers erwartet wurden.“ Siehe auch Brandt, Γῆς ἀναδασμός und ältere Tyrannis, in: Chiron 19 (1989), 210 f. Er kommt zu dem Schluß, daß kein „Vertreter der älteren Tyrannis im griechischen Mutterland und in Kleinasien eine Neuaufteilung des Landes vorgenommen hat, auch wenn dies ein dringendes und deutlich artikuliertes Bedürfnis des Demos“ war (a.a.O. 214).

[119] Jedoch ist kaum davon aus zugehen, daß das bereits okkupierte und gerodete Land wieder enteignet wurde.

[120] So nämlich GSCHNITZER, Sozialgeschichte 77; WELWEI, Athen 156.

[121] Vgl. OLIVA, Solon 52.

[122] Ähnlich HARRIS 1997, 106 f.

[123] Kritik soll von beiden Seiten an Solon herangetragen worden sein. Vgl. Sol. F 29b, 4 f.; Aristot. Ath. pol. 11,2. 13,3; Plut. Solon 16,1 und 3.

[124] Vgl. SPAHN, Oikos und Polis. Beobachtungen zum Prozeß der Polisbildung bei Hesiod, Solon und Aischylos, in: HZ 231 (1980), 549; WELWEI, Athen 163.

[125] Vgl. RUSCHENBUSCH, Nomoi, 26. Plutarchs Solonbiographie 352.

[126] Sol. F 30,15-20 GENTILI/PRATO. Übersetzung: LATACZ, Griechische Literatur 205.

[127] Vgl. RUSCHENBUSCH, Nomoi.

[128] V.a. durch die Redner Lysias und Demosthenes wurden Solon zahlreiche Gesetze „untergeschoben“, um die eigene Beweisführung zu unterlegen und zu legitimieren. Und auch die Geschichtsschreibung des 4. Jahrhunderts entstand vor dem Hintergrund eines Streites „um die Verfassung Athens“ (vgl. RUSCHENBUSCH 1958, 398) und suchte mit Solons Namen Propaganda für das jeweilige Verfassungsideal zu machen. Ähnlich auch WELWEI, Athen 172.

[129] Aristot. Ath. pol. 35,2 weist darauf hin, daß es unter der Herrschaft der Dreißig (404/3) selbst schon Veränderungen gegeben habe, die jedoch im einzelnen nicht aufgeführt werden. Zu den Dreißig Tyrannen siehe auch HIGNETT, Athenian Constitution 378-389. Daneben sind auch Veränderungen durch Kleisthenes, Themistokles oder Ephialtes nicht auszuschließen.

[130] Ausführlich zur gesamten Problemstellung, die i.d.A. nicht im einzelnen ausgeführt werden kann, siehe RUSCHENBUSCH, Nomoi, 1-24. Seitdem gab es einige Versuche, einzelne Gesetzesfragmente zu analysieren und auf ihre Glaubwürdigkeit zu prüfen. Das Problem der áxones und kýrbeis wurde hinreichen diskutiert von STROUD, The Axones and Kyrbeis of Drakon and Solon, Berkeley u.a., 1979; ROBERTSON, Solon’s Axones and Kyrbeis, and the Sixth-Century Background, in: Historia 35 (1986), 147-176 argumentiert gegen RHODES, Commentary 132, der áxones und kýrbeis für identisch hält; CONNOR, „Sacred“ and „Secular“. Ἱερὰ καὶ ὅσια and the Classical Athenian Concept of the State, in: AncSoc 19 (1988), 185-188. Außerdem Aristot. Ath. pol. 7,1; Plut. Solon 25,1-3; OLIVA, Solon 59-61.

[131] Vgl. RUSCHENBUSCH, Nomoi 1. 103-126, F 94-152.

[132] HÖLKESKAMP, What's in a Code? Solon’s Laws Between Complexity, Compilation and Contingency, in: Hermes 133 (2005), 290. Daß es sich bei den „verfassungsrechtlichen“ Satzungen nicht um ein Verfassungsgrundgesetz handelt, meinen auch JACOBY, Atthis 333 f.; RUSCHENBUSCH, Nomoi, 26; SPAHN 1977, 144; STAHL, Aristokraten 193. HÖLKESKAMP (a.a.O.) kritisiert RUSCHENBUSCHs Einteilung der Gesetze nach modernen Kategorien und favorisiert die bei MARTINA 1968 gemachten Einteilungen, die nicht auf einen umfangreichen Solonischen Gesetzescodex schließen lassen. Die institutionsrechtlichen Satzungen erscheinen bei MARTINA unter der Kategorie Atheniensium ordines. Zu Recht stellt HÖLKESKAMP 2005, 281 f. auch klar, daß die sog. Unterhalts-, Adoptions- und Erbschaftsgesetze nicht unter der Kategorie „Familienrecht“ zusammengefaßt werden sollten.

[133] SCHMITZ 1999, 568.

[134] Vgl. GSCHNITZER, Sozialgeschichte 164 Anm. 50 und 52; STAHL, Archaische Zeit 235.

[135] Vgl. die Klagen Solons über Rechtsverletzungen in F 3 und 30 GENTILI/PRATO.

[136] Die bürgerlichen Rechte gingen bei diesem Vorgang verloren; der Betroffene war der Rache anderer ausgeliefert und konnte klaglos getötet oder versklavt werden, vor allem dann, wenn er sich Zutritt zu bestimmten öffentlichen Stätten, wie Amtlokalen, Gerichten oder Heiligtümern verschafft hatte. Zur atimía vgl. RUSCHENBUSCH, Strafrecht 16-22.

[137] So ist das von Plut. Solon 19,4 (F 70 Ruschenbusch) zitierte 8. Gesetz des 13. áxon auch für diese Personengruppe auszulegen.

[138] Vgl. Aristot. Ath. pol. 6,1 (F 69b Ruschenbusch). Aristot. Ath. pol. 9,1 (F 69a Ruschenbusch) zählt dieses Gesetz zu einem der drei volksfreundlichsten Maßnahmen; Plut. Solon 15,2 (F 69c Ruschenbusch).

[139] RUSCHENBUSCH, Nomoi, 94 sieht in den drei zuletzt genannten Quellstellen (Fußnote 138) eine „einseitige pfandrechtliche Interpretation“. Nicht die Darlehensgabe unter Verpfändung des Schuldnerleibes sei verboten worden, sondern nur der Zugriff auf den säumigen Schuldner, der sich damit eines Diebstahls schuldig gemacht hatte. Von einem „allgemeinen Verbot des Zugriffs auf die Person“ (RUSCHENBUSCH, Strafrecht 30) ist in den Quellen nicht die Rede.

[140] Vgl. WELWEI, Athen 162.

[141] Vgl. FRENCH 1956, 22; LINK 1991, 34.

[142] Vgl. Aristot. pol. 2,1266b 16 f. (F 66 Ruschenbusch).

[143] Ähnlich LINK 1991, 32: Den zusätzlichen Erwerb von Land konnte Solon den Reichen nicht verbieten, jedoch in seiner Höhe begrenzen. So sollte einer erneuten Okkupation öffentlichen Landes im großen Stil vorgebeugt werden.

[144] Vgl. WELWEI, Athen 165. SPAHN, Oikos und Polis. Beobachtungen zum Prozeß der Polisbildung bei Hesiod, Solon und Aischylos, in: HZ 231 (1980), 549 sieht sogar Solons primäres Ziel in der Erhaltung der oíkoi. Die Authentizität dieses Gesetzes wurde unter anderem von ANDREWES 21982, 384 angezweifelt.

[145] Vgl. Plut. Solon 21,3 (F 49a Ruschenbusch). Siehe auch die Gesetze F 49a. c-d. 50a-b Ruschenbusch und die in Aristot. Ath. pol. 35,2 genannten Veränderungen in diesem Gesetz durch die Dreißig Tyrannen.

[146] WELWEI, Athen 168.

[147] Zu dieser Interpretation ausführlicher: WELWEI, Athen 168. Zum epíkleros -Gesetz vgl. F 51-53 Ruschenbusch. Die „Erbtochter“ trat das Erbe an, insofern sie weder erbberechtigte Brüder hatte noch mit einem vom Vater adoptierten Mann verheiratet war. Zu den Adoptionsgesetzen siehe F 58a-b Ruschenbusch.

[148] Vgl. Plut. Solon 20,6 (F 71a Ruschenbusch) und Poll. 1,246 (F 71b Ruschenbusch).

[149] Das gleiche Prinzip gilt auch für die Beschränkung des Begräbnisaufwands. Vgl. F 72a-c Ruschenbusch.

[150] Vgl. Plut. Solon 22,1 (F 56 Ruschenbusch). Dazu WELWEI, Athen 167 f.

[151] Vgl. auch die Bestimmungen in F 54. 55a-c Ruschenbusch. Plut. Solon 22,4 (F 57 Ruschenbusch) nimmt die von einer Konkubine geborenen Söhne von der Unterhaltsregelung aus. Zu den Erbrechtsgesetzen außerdem GSCHNITZER, Sozialgeschichte 79; WELWEI, Athen 167 f. LINK 1991, 34 weißt darauf hin, daß sich das Handwerk in Athen gerade erst entwickelte und somit nicht für alle einen ausgewogenen Lebensunterhalt bot. Gegen diese Annahme spricht sich WELWEI, Athen 167 aus, der von einer Nachfrage nach Arbeitskräften im Gewerbe zur Zeit der Reformen ausgeht.

[152] So jedenfalls HAMMOND, The Seisachtheia and the Nomothesia of Solon, in: JHS 60 (1940), 80; FLACH, Solons volkswirtschaftliche Reformen, in: RSA 3 (1973), 16.

[153] Vgl. Plut. Solon 24,1 (F 65 Ruschenbusch). Dazu WELWEI, Athen 165 f. LINK 1991, 33 ergänzt richtig, daß als Exporteure nur die reichen Großgrundbesitzer in Frage kamen, die auf diesem Weg ihre erwirtschafteten Überschüsse verkaufen konnten. Diese Überschüsse seien aber, so Link, wenigstens zum Teil auf dem okkupierten, freien Land durch die hektémoroi erwirtschaftet worden. Daher sieht er hierin den Versuch Solons, das Interesse der Großgrundbesitzer an der Okkupation freien Landes zu minimieren. Vgl. auch GALLANT 1982, 122, der in Solon selbst den „élite farmer“ sieht, der seine Überschüsse verkaufte und STEIN-HÖLKESKAMP 1989, 76-81, die außerdem eine Fülle an Beispielen für den aristokratischen Handel gibt. Die Überschüsse wurden überwiegend gegen Luxusartikel aus anderen Ländern eingetauscht.

[154] Vgl. Plut. Solon 24,4 (F 75 Ruschenbusch).

[155] Vgl. WELWEI, Athen 166.

[156] Zu der zweifelhaften Diskussion darüber, ob Solon eine Förderung von Handel und Gewerbe vorschwebte, indem er zielstrebig „Handwerksspezialisten“ anwarb, siehe GSCHNITZER, Sozialgeschichte 78 f. und WELWEI, Athen 166 f.

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
"Nichts zu sehr"? Die Institutionen der Polis Athen in der Solonischen Nomothesie
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Alte Geschichte)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
131
Katalognummer
V68154
ISBN (eBook)
9783638594219
ISBN (Buch)
9783638680998
Dateigröße
1305 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nichts, Institutionen, Polis, Athen, Solonischen, Nomothesie
Arbeit zitieren
Magistra Artium Silvia Bielert (Autor:in), 2006, "Nichts zu sehr"? Die Institutionen der Polis Athen in der Solonischen Nomothesie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/68154

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