"Vae me, puto, concacavi me" - Kaiser Claudius im Urteil der Zeitgenossen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Historischer Zusammenhang
2.1 Entstehung der Stadt Rom bis zum Beginn von Claudius’ Herrschaft

3 Kaiser Claudius
3.1 Claudius’ Herkunft und Aussehen
3.2 Seine Ehefrauen
3.3 Claudius’ Karriere

4 Claudius’ Zeitgenossen

5 Senecas Apocolocyntosis
5.1 Seneca und seine Beziehung zu Claudius
5.2 Inhalt der Apocolocyntosis
5.3 Bedeutung Senecas für die Reputation von Claudius

6 Tacitus
6.1 Wer war Tacitus?
6.2 Bewertung seines Werkes - Kritiker über Tacitus als Historiker
6.3 Tacitus über Claudius

7 Sueton
7.1 Person und Werke
7.2 Sueton über Claudius

8 Cassius Dio

9 Wirkungen bis heute

10 Literatur

1 Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Kaiser Claudius

(Quelle: www.info-antike.de/claumu1.gif, Zugriff am 09.05.2006)

„O je, ich glaube, ich habe mich beschissen“, dies waren laut Seneca die letzten Worte des Kaisers Claudius (Abb. 1), der als ein Sonderling in die Geschichte eingegangen ist. Neben Seneca haben sich auch andere Autoren über Claudius geäußert, woraufhin er in den folgenden Jahrtausenden einen negativen Leumund hatte. Doch wer entscheidet darüber, ob Claudius ein komischer Kauz war? Woher nehmen Geschichtsschreiber das Recht, ihn so zu bezeichnen? Hatte Seneca eventuell berechtigte Gründe, Claudius Derartiges in den Mund zu legen?

Die objektive Beurteilung von Personen des öffentlichen Lebens - seien es Schauspieler, Musiker oder Politiker - gestaltet sich als schwierig. Ihre „Werke“ können schön, sinnvoll und effizient sein, oder auch das Gegenteil - das ist abhängig von der subjektiven Meinung des Betrachters. Politische Reformen sind eventuell mittels „harter“ Fakten (Zahlen, Graphiken) an ihrem Erfolg messbar. Den Politiker als Person zu beurteilen, ist indes schwieriger. Von den Äußerlichkeiten kann sich mit Hilfe der Medien heutzutage jeder selbst überzeugen, aber diese sagen bekanntlich nicht alles über eine Persönlichkeit aus. Es sollten Biographien und Interviews hinzugezogen werden und im Zeitalter der Kommunikation besteht außerdem die Möglichkeit, sich im Radio, Fernsehen oder im Internet zu informieren. Da Autoren allerdings auch Subjekte sind, werden sie kaum eine objektive Beschreibung einer Person hinsichtlich ihres Charakters geben können. Demzufolge gibt es bereits bei der Darstellung von Persönlichkeiten der Gegenwart das Problem der Unzulänglichkeit.

Bei historischen Personen - Personen, die vor dem technologisierten Zeitalter lebten - ist es noch schwieriger, da oft keine Möglichkeit besteht, diese reell oder virtuell „kennen zu lernen“, bzw. zu erleben. Hierbei stellen Quellen die einzige Informationsmöglichkeit dar. Neben Urkunden, Briefen, Protokollen usw. können dies sowohl die Werke der Person selbst als auch die Werke von anderen Autoren über die jeweilige Person sein. Wie aber kann die Objektivität und Sachlichkeit der Quellen beurteilt werden?

Die Informationen, die über Kaiser Claudius vorliegen, sind vorwiegend von Autoren, die erst nach seiner Zeit lebten. Die Werke seiner direkten Zeitgenossen sind größtenteils nicht mehr erhalten, aber sie werden von nachfolgenden Schriftstellern zitiert. Drei dieser Autoren, die Claudius nicht selbst „erlebten“, sollen hier zum Vergleich dargestellt werden. Seneca, der zeitgleich und sogar am kaiserlichen Hof lebte, stellt dementsprechend in dieser Zusammenstellung eine Ausnahme dar. Wenn angenommen werden könnte, dass er daher den Kaiser am Besten kennen müsste, würde sein Werk als wesentlich und wahrscheinlich auch sehr wahrheitsgemäß angesehen werden. Ob dies so ist und inwiefern er sich von den anderen Autoren unterscheidet, soll im Folgenden dargestellt werden.

Ziel dieser Arbeit soll sein, herauszufinden, warum Claudius bis heute einen Ruf als Sonderling hat. Dazu ist die Arbeit mit Quellen maßgeblich. Obwohl die Quelltexte im Original in lateinischer oder altgriechischer Sprache abgefasst sind, werden sie hier aus Verständnisgründen nur in deutscher Übersetzung zitiert. Bevor die einzelnen Autoren mit ihren Aussagen über Claudius dargestellt werden, wird ein Einblick in die historischen Hintergründe der römischen Kaiserzeit gegeben.

2 Historischer Zusammenhang

2.1 Entstehung der Stadt Rom bis zum Beginn von Claudius’ Herrschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Romulus und Remus

(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Romulus_und_Remus, Zugriff am 09.05.2006)

Der römischen Mythologie zufolge wurden die Zwillinge Romulus und Remus ausgesetzt und von einer Wölfin gesäugt. (Abb. 2) Am 21. April 753 v. Chr. gründete Romulus die Stadt Rom und war der erste von sieben folgenden Königen, die die Stadt regierten. Ab ca. 510 bis 27 v. Chr. war Rom eine Republik, wobei das adlige Patriziat das tonangebende Geschlecht darstellte, während die Plebejer als freie, aber rechtlose Bürger den anderen Stand bildeten.[1]

Nach mehreren Bürgerkriegen regierte Gaius Iulius Caesar diktatorisch und wurde wegen seiner Machtstellung von republikanischen Senatoren in den Iden des März, also am 15. März, des Jahres 44 v. Chr. ermordet. Um seine Nachfolge entbrannte erneut ein Bürgerkrieg: Sowohl sein Großneffe Gaius Octavius, den er adoptiert und testamentarisch zum Nachfolger bestimmt hatte, als auch Marcus Antonius wollten das Erbe Caesars antreten. Zunächst schlossen sich Antonius und Octavius mit Marcus Aemilius Lepidus zusammen und bildeten gemeinsam ein vom Senat gebilligtes Triumvirat. Zur Verstärkung dieses Bündnisses heiratete Antonius die Schwester von Octavius, Octavia. Dieser Zusammenschluss zerbrach aber letztlich wieder und Octavius besiegte am 2. September 31 v. Chr. endgültig Marcus Antonius und ging als Kaiser Augustus hervor.[2]

Mit dem neuen Kaiser wurde die Staatsform der Republik wieder abgeschafft. Dies geschah inoffiziell, denn er „überspielte .. die Realität der neuen Staatsform, die nicht länger Senat und Volk von Rom, sondern ihn selbst als alleinige Quelle und einzigen Träger der Herrschaft kannte; Rom war Monarchie geworden.“[3] Diese neue Staatsform zeichnete sich durch die Herrschaft des princeps aus.

In den Quellen werden neben dem Begriff des princeps außerdem häufig die Begriffe Imperator, Caesar und Augustus zur Beschreibung der Kaiser verwendet. Eine Begriffserklärung soll zur Abgrenzung den näheren Ausführungen zum Prinzipat voranstehen:

„Mit imperator bezeichneten die antiken Historiker gerne den Herrscher in seiner Funktion als Feldherr … Gaius Iulius Caesar hatte seinen Namen an Octavian [Zur Abgrenzung von seinem Vater Gaius Octavius wurde Octavius in der Literatur oft auch als Octavian bezeichnet - Anm. d. Verf.] … vererbt … Den religiösen Ehrennamen Augustus [der Erhabene - Anm. d. Verf.] hatte Octavian 27 v. Chr. erhalten, um die das menschliche Maß übersteigende Bedeutung seiner Person für jeden sichtbar zu dokumentieren.“[4]

Die Begriffe wurden dementsprechend im Laufe der Zeit zu einem festen Bestandteils des Kaisertitels. Der Prinzipat - der Erste - war der Bürger, der eine herausragende Stellung im Staat ausübte.[5] Grundsätzlich wurde die Herrschaftsform des Prinzipats von Kaiser Augustus geschaffen, wobei der Grundstein bereits von Caesar gelegt wurde. Sowohl Augustus als auch Tiberius entwickelten das Konzept weiter.[6] Dieses ermöglichte es, durch die Erhaltung der republikanischen Institutionen die Alleinherrschaft des Kaisers zu verschleiern. Augustus tat dies, indem er bei seinem Amtsantritt alle Sondergewalt an den Senat zurück gab, sich die Kompetenzen aber allmählich wieder holte.[7] Deswegen kann letztlich gesagt werden, „daß [sic!] die Summe der sich im princeps vereinigen legalen Gewalten nahe an Totalität grenzt.“[8]

Kaiser Augustus hat schließlich die lange währenden Bürgerkriege befriedet, das Römische Reich erlebte unter ihm eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Augustus’ Nachfolge trat sein Stiefsohn Tiberius an und diesem folgte der erst 25 - jährige Caligula[9] auf den Thron. Caligula war ein Neffe von Claudius.[10] Nach dem Mord an diesem wurde Claudius 41 n. Chr. gewissermaßen durch Zufall zum Kaiser ernannt. Er regierte bis zu seinem Tod am 13. Oktober 54 n. Chr..

3 Kaiser Claudius

3.1 Claudius’ Herkunft und Aussehen

Claudius’ vollständiger Name lautet Tiberius Claudius Drusus Germanicus. Er ist ein Urenkel von Gaius Iulius Caesar. Wie bereits erwähnt, heiratete Octavia, die Schwester von Kaiser Augustus, Marcus Antonius. Sie hatten zwei Kinder: Antonia Minor und Antonia Major. Augustus’ dritte Ehefrau Livia hatte ebenfalls zwei Kinder: Drusus und den späteren Kaiser Tiberius. Ersterer heiratete Antonia Minor, sie hatten drei Kinder: Livilla, Germanicus und Claudius. (s. Abb. 3)

Claudius wurde am 1. August 10 v. Chr. in Lyon geboren. Sein Vater starb bereits ein Jahr nach seiner Geburt. Da Claudius in seiner frühen Kindheit eine schwere Krankheit hatte, litt er wegen der folgenden Gehirnschäden fortan an körperlichen Behinderungen: er humpelte und stotterte. Wissenschaftler sind sich über diese Krankheit nicht einig, als Ursache für seine Behinderungen werden entweder spastische Paralyse, Kinderlähmung, Hirnhautentzündung, multiple Sklerose oder angeborene Gehirnerweichung vermutet. Womöglich wurden sie aber auch durch eine frühe Geburt hervorgerufen.[11]

Eine über diese Fakten hinaus gehende objektive Darstellung von Claudius’ Charakter und seinem Aussehen ist aus den bereits erwähnten Gründen nicht möglich. Die Quellen sind sich außerdem bezüglich seines Aussehens und dem Maß seiner Behinderungen nicht einig. Wie die einzelnen Autoren ihn betrachten, wird noch zu erörtern sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Stammbaum von Kaiser Claudius, selbst erstellt

3.2 Seine Ehefrauen

Claudius konnte sich seine Ehefrauen nicht selbst aussuchen, denn die Gründe für Eheschließungen waren nicht von privater, sondern von politischer Natur. Daher kümmerten sich auch der jeweilige Herrscher und seine Berater um Ehefrauen für Claudius.[12]

Seine ersten zwei Verlobungen schlugen allerdings fehl: Die Eltern der ersten Braut (Aemilia Lepida) fielen beim Kaiser Augustus in Ungnade und seine zweite Auserwählte (Livia Medullina) verstarb noch vor der Hochzeit. So wurde Plautia Urgulanilla seine erste Ehefrau. Sie hatten zwei Kinder: Claudius Drusus, der an einer in die Luft geworfenen Birne erstickte und Claudia, der er nach der Geburt die Vaterschaft absprach. Die Ehe wurde wegen Untreue Urgulanillas geschieden. Auch seine zweite Ehe mit Aelia Paetina, mit der er die Tochter Antonia hatte, wurde wieder geschieden.

Kurz darauf heiratete er die junge Valeria Messalina. Im Jahre 40 kam die gemeinsame Tochter Octavia zur Welt und 41 der Sohn Tiberius Claudius Germanicus, der ab 44 Britannicus genannt wurde. Messalina kam wegen ihrer sexuellen Eskapaden, unzähligen Liebschaften und Intrigen in Verruf. Der Höhepunkt dieser Machenschaften war ihre Hochzeit mit dem jungen Senator Gaius Silius, obwohl sie noch mit Claudius verheiratet war. Claudius, der angeblich von ihrem Lebenswandel bis dato noch nichts wusste, wurde nun durch seinen Sekretär Narcissus aufgeklärt. Es bestand immerhin die Gefahr, dass Silius durch diese Ehe Claudius vom Thron stürzen könne.[13] Narcissus kümmerte sich auch um die Verhaftung und Hinrichtung Messalinas, die er ohne Prozess anordnete. Claudius wurde bei dieser Entscheidung nicht angehört, da Narcissus befürchtete, dass Messalina ihn mit ihrem Charme wieder besänftigen könne.

Nach diesem Ereignis sollte Claudius wieder verheiratet werden. Seine Berater schlugen Iulia Agrippina vor. Da sie jedoch die Tochter von Claudius’ Bruder Germanicus und somit seine Nichte war, musste der Senat erst beschließen, dass solche Verbindungen nicht länger als inzestuös galten. Agrippina brachte ihren Sohn Domitius mit in die Ehe und setzte auch alles daran, diesem die Nachfolge zu sichern. Da Domitius noch jung war, ließ Agrippina Seneca als Lehrer aus dem Exil zurück holen. (Auf die Bedeutung Senecas für Claudius wird noch eingegangen.) Weiterhin wurde Domitius mit Claudius’ Tochter Octavia verlobt und schließlich auch von Claudius adoptiert. Octavia musste zur Vollziehung der Ehe in eine andere Familie wechseln, da es sonst eine Geschwisterehe gewesen wäre.[14] Zugleich arbeitete Agrippina daran, Claudius’ leiblichen Sohn Britannicus aus dem Spiel zu bringen, was ihr auch erfolgreich gelang. Aber „gegen Ende seines Lebens soll Claudius die Benachteiligung des Britannicus bereut haben; man vermutet sogar, dass er sein Testament zugunsten des leiblichen Sohnes ändern wollte. Aber dazu kam es nicht mehr.“[15] Nach Claudius’ Tod, dessen Ursache zwar umstritten ist, aber sehr wahrscheinlich durch eine Vergiftung von Agrippina herbeigeführt wurde, wurde Domitius Kaiser Nero.

[...]


[1] Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005 © 1993-2004, Microsoft Corporation: Stichwort: Rom.

[2] Microsoft ® Encarta ® Enzyklopädie 2005 © 1993-2004, Microsoft Corporation: Stichworte: Gaius Octavius und Marcus Antonius.

[3] Kierdorf, Wilhelm: Claudius, 41-54, in: Clauss, Manfred (Hrsg.): Die römischen Kaiser: 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, München 1997: S. 67-76, hier S. 8-9.

[4] Kierdorf, S. 7-9.

[5] Vgl. Kierdorf, S. 9.

[6] Vgl. Mommsen, Theodor: Römische Kaisergeschichte - nach den Vorlesungs-Mitschriften von Sebastian und Paul Hensel 1882/86, Demandt, Barbara & Alexander (Hrsg.), München 1992: S. 91.

[7] Vgl. Christ, Karl: Geschichte der römischen Kaiserzeit: von Augustus bis zu Konstantin, München 42002: S. 87.

[8] Mommsen, S. 98.

[9] Caligula war sein Spitzname, er bedeutet Soldatenstiefelchen. Sein richtiger Name lautet Gaius Iulius Caesar Germanicus.

[10] Es kann im Rahmen dieser Arbeit darauf verzichtet werden, näher auf die Herrschaft der beiden Kaiser einzugehen.

[11] Vgl. http://www.imperiumromanum.com/personen/kaiser/claudius_01.htm, eingesehen am 30. April 2006.

[12] Vgl. Kierdorf, S. 67-76 und http://www.imperiumromanum.com/personen/kaiser/claudius_05.htm, eingesehen am 30. April 2006.

[13] Vgl. Seyfarth, Wolfgang: Römische Geschichte, Kaiserzeit 1, Berlin 31980: S. 111.

[14] Vgl. Seyfarth, S. 112.

[15] Kierdorf, S. 76.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
"Vae me, puto, concacavi me" - Kaiser Claudius im Urteil der Zeitgenossen
Hochschule
Universität Passau  (Philosophische Fakultät)
Veranstaltung
Politische Diffamierung im Mittelalter
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V66253
ISBN (eBook)
9783638589239
ISBN (Buch)
9783656800903
Dateigröße
834 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kaiser, Claudius, Urteil, Zeitgenossen, Politische, Diffamierung, Mittelalter
Arbeit zitieren
Susan Waldow (Autor:in), 2006, "Vae me, puto, concacavi me" - Kaiser Claudius im Urteil der Zeitgenossen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66253

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