Bodenrecht und -bewertung in der DDR


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

38 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

0. Einleitung

1. Die Entstehungsgeschichte der DDR

2. Der Eigentumsbegriff in der DDR

3. Die Entwicklung des Bodenrechts
3.1. Die Bodenreform
3.2. Nutzung von Volkseigentum an Grund und Boden
3.3. Das LPG-Nutzungsrecht
3.4. Die Belastbarkeit von Grundstücken
3.4.1. Grundpfandrechte in der DDR
3.4.2. Gebäudeeigentum und Miteigentumsanteil

4. Bodenrecht der DDR 1989/1990
4.1. Gesetz über den Verkauf volkseigener Grundstücke
4.2. Das Treuhandgesetz
4.3. Veränderungen im wohnungswirtschaftlichen Sektor
4.4. Bodenreformgesetz
4.5. Landwirtschaftsanpassungsgesetz

5. Bodenbewertung in der DDR
5.1. Rahmenbedingungen für die Wertermittlung in der DDR
5.2. Inhalt der Preisverfügung Nr. 3/87
5.3. Die Wertermittlungsverfahren in der DDR
5.3.1. Das DDR-Sachwertverfahren
5.3.2. Das DDR-Ertragswertverfahren
5.4. Die Wertermittlungsverfahren im Ost-West-Vergleich

6. Die Bodenbewertung in der DDR 1989/1990

7. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Anlagen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Das Sachwertverfahren im Überblick Hans Kremer, Stadtsanierung und Bodenordnung vor und nach der Wende; Beispiel Halle/Saale, 1991, S. 62

Abb. 2 Das Ertragswertverfahren im Überblick Hans Kremer, Stadtsanierung und Bodenordnung vor und nach der Wende; Beispiel Halle/Saale, 1991, S. 65

Abb. 3 Die Wertermittlungsverfahren im Ost-West-Vergleich Eigene Darstellung

0. Einleitung

Das Thema der vorliegenden Hauptseminararbeit soll Aufschluss über die Bodenordnung und Bodenpolitik der ehemaligen DDR geben. Die Stellung von Grund und Boden in der DDR ist eine andere als in der BRD oder anderen westeuropäischen Staaten. Grund dafür ist das politische System, welches sich am Vorbild der ehemaligen Sowjetunion orientierte. Mit der Spaltung des ehemaligen Deutschen Reiches nach Kriegsende 1945 in vier Besatzungszonen, war der Grundstein für die DDR gelegt. Die sowjetische Besatzungszone, die später DDR wurde, wurde durch ihre Besatzer politisch und gesellschaftlich geprägt, kontrolliert und bis zur Gründung der DDR auch regiert.

Viele Verordnungen und Gesetze orientierten sich am System des „großen Bruders“. Eine freie Marktwirtschaft, demokratisch freie Wahlen, ein Mehrparteiensystem und die freie Verkehrsfähigkeit von Grund und Boden waren in der DDR nicht gewollt und nicht existent. Aufgrund des immensen Umfangs des betreffenden Themas, werden in dieser wissenschaftlichen Arbeit nur ausgewählte Inhalte bzgl. des Bodenrechtes und der Bodenbewertung erörtert. Mit freundlicher Unterstützung der Kommunalen Bewertungsstelle in Halle war es möglich das Kapitel der Bewertung von Grund und Boden in der DDR genauer darzustellen.

Im wesentlichen soll erreicht werden, dass der interessierte Leser einen Überblick über Grundsätze der Bodenpolitik der DDR bekommt. Es werden vorrangig die rechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Bürger im Zusammenhang mit der Bodennutzung erörtert. Das öffentliche Bodenrecht wurde nicht behandelt. Über diesen Teil des Bodenrechtes gibt es kaum Literatur. Einschlägige Rechtsnormen hierzu sind nach der Wende sang und klanglos verschwunden.

1. Die Entstehungsgeschichte der DDR

Mit der Befreiung Deutschlands durch die alliierten Großmächte 1945 und der Besetzung Ostdeutschlandes durch die sowjetische Besatzungsmacht, wurden in den folgenden Jahren bis 1949 Vorbereitungen für einen neuen Staat, die DDR, getroffen.

Die sowjetische Militäradministration Deutschlands (SMAD) erließ bereits nach Kriegsende insgesamt 1134 Befehle, die rechtliche Regelungen für die sowjetische Besatzungszone enthielten. Inhalt dieser Befehle waren beispielsweise die Installierung von Länder- und Provinzialverwaltungen, die Errichtung zentraler deutscher Verwaltungsorgane für die SBZ, Zentralverwaltung für die Justiz und eine grundlegende Entnazifizierung durch die personelle Erneuerung des Staatsapparates.

Letztendlich entstand aus der 1946 gegründeten SED in Zusammenarbeit mit der

sowjetischen Militäradministration SMAD und der Kommunistischen Partei der Sowjetunion KPdSU eine Verfassung, die am 07. Oktober 1949 rechtskräftig wurde. Die politische Form der DDR sollte im Konzept eine demokratisch-antifaschistische Republik mit einheitlicher Arbeiterpartei sein.

Dieses Staatskonzept wurde durch die sowjetische Besatzungsmacht verordnet. In Zusammenarbeit mit der SED entstand eine Idee für einen Neuanfang, der die Gefahren des alten Systems von vornherein ausschalten sollte. Otto Grotewohl, späterer Ministerpräsident der DDR benannte diese Gefahren in folgendem Zitat: „Allein die Wiederherstellung des Wahlrechts und der Grundrechte ohne Änderung des Staatsaufbaus, der Verwaltung und der alten Besitzverhältnisse könne eine demokratische Erneuerung nicht sichern. (...) Der Kampf müsse vom Boden der demokratischen Republik aus geführt werden. (...) Ohne eine Enteignung des Großgrundbesitzes, ohne eine Überführung der Konzerne und Monopole in die Hand des Volkes und ohne eine durchgreifende Demokratisierung der Verwaltung, der Wirtschaft, der Justiz und der Schule wird die neue Demokratie in Deutschland in der ständigen Gefahr leben, von ihren wiedererstarkenden Gegnern angegriffen und beseitigt zu werden. (...)“1.

Grotewohl gibt in seinem Zitat das Fundament der DDR vor, dass das Ausmaß der späteren Form nur erahnen lässt. Die Verfassung von 1949 verstand offiziell die DDR als sozialistische Demokratie. Dieser Begriff ruft ein unterschiedliches Rechts- bzw. Demokratieverständnis hervor. Im praktischen Vollzug war die DDR dem stereotyp vorgegebenen Parteiwillen der Einheitspartei SED unterworfen. Kontrolle und Planung aus einer Hand als stalinistische Ausprägung.

2. Der Eigentumsbegriff in der DDR

Im Gegensatz zum Grundgesetz der BRD war in der DDR das Eigentum nicht geschützt. Die Verfassung der DDR regelt nicht das Eigentum einer einzelnen Person sondern das sozialistische Eigentum, bezeichnet als Volkseigentum. Neben dem Volkseigentum gab es das persönliche Eigentum der Bürger. In der Verfassung der DDR von 1968 dient das persönliche Eigentum zur Befriedigung von materiellen und kulturellen Bedürfnissen der Bürger2. Dazu zählten beispielsweise Arbeitseinkommen, Ersparnisse, Wohnungsausstattung, persönliche Bedarfsgegenstände und „Gebäude zur Befriedigung der Wohn- und Erholungsbedürfnisse und seiner Familie“3. Persönliches war mit dem sozialistischen Eigentum untrennbar verbunden und untergeordnet.

Entsprechend der kommunistischen Vorstellung gab es in der DDR verschiedene Eigentumsformen an Grund und Boden. Laut der Verfassung der DDR bestand das sozialistische Eigentum aus drei Komponenten, die es zu schützen und zu mehren galt4. Das „gesamtgesellschaftliche Volkseigentum“ umfasste z. Bsp. die volkseigenen (staatlichen) Betriebe (VEB) und Kombinate (VEK). Die verschiedenen Produktionsgenossenschaften5 wurden als „genossenschaftliches Gemeineigentum werktätiger Kollektive“ bezeichnet. Die dritte sozialistische Eigentumsform stellte das „Eigentum gesellschaftlicher Organe6 und Bürger“ dar. Hierunter fällt auch das bereits schon erwähnte persönliche Eigentum des Bürgers. Das Nutzungsrecht an Grund und Boden sowie das durch menschliche Arbeit erworbene Eigentum charakterisieren das „persönliche Eigentum“. Das noch unter kapitalistischen Gesellschaftsverhältnissen entstandene private Boden- und Gebäudeeigentum durfte nicht kapitalistisch genutzt werden. Langfristiges Ziel war es diese Eigentumsform, z. Bsp. der private Mietwohnungssektor, zu beseitigen. Um den Flächenumfang für die persönliche Bodennutzung bzw. des persönlichen Gebäudeeigentums zu begrenzen, wurde bei Bedarf Volkseigentum gebildet. Dies geschah durch Enteignungen zum „Wohle des Volkes“. Eine zwingende Folge einer Enteignung sollte die Entschädigung bilden7. Bis 1960 gab es jedoch keine eindeutigen Bestimmungen und Regelungen über die Entschädigung von enteignetem Eigentum. Das Aufbaugesetz von 1950 sollte durch Inanspruchnahme von Grundstücken und Gebäuden den Aufbau von Stadtzentren sichern. Aus der allgemeinen Inanspruchnahme wurde aber allmählich ein Enteignungstatbestand für Baumaßnahmen8. Leider war im Aufbaugesetz keine gesetzmäßige Regelung über die Entschädigung enthalten9. Erst ab 1960 folgte eine Reihe von Gesetzen, welche die Entschädigungsfrage regeln sollten. Dazu zählte das 1. und 2. Entschädigungsgesetz. Gründe und Verfahren für eine Enteignung wurden genauer definiert, so dass der einzelne Bürger mehr individuelle Rechte gegenüber dem Staat hatte. In der DDR wurde eine Aufteilung des Eigentums in Ober- und Untereigentum angestrebt und auch durchgeführt. Dabei war der Staat als Verwalter des „Obereigentums“ zu verstehen, der in der Lage war Verfügungsrechte über Grund und Boden an seine Bürger zu verleihen. Als „Untereigentum“ bezeichnete man im Gegenzug das vom Nutzungsberechtigten „gepachtete“ Grundstück. Es wurde ein Nutzungsrecht erworben, welches zeitlich beschränkt war, zur landwirtschaftlichen oder baulichen Nutzung10.

3. Entwicklung des Bodenrechts

Die rechtliche Entwicklung ist von vielen Gesetzen und Verordnungen geprägt, die oftgeändert oder durch andere neue Gesetze abgelöst wurden. Dabei zeigten die einzelnen Gesetze im zeitlichen Ablauf eine Weiterentwicklung an, die sich positiv auf die Rechte des einzelnen Bürgers auswirkten.

Aufgrund der großen Anzahl an Gesetzen, Verordnungen und Durchführungsbestimmungen, wird im Rahmen dieser Arbeit nur auf ausgewählte Schwerpunkte näher eingegangen.

3.1. Die Bodenreform

Bereits 1945 haben die Alliierten im Potsdamer Abkommen eine Bodenreform vereinbart, die das politische Ziel verfolgte, eine Entmachtung von führenden Kriegsverbrechern und NSDAP-Funktionären zu erreichen. Die Bodenreform war eine Entnazifizierungsmaßnahme. Die treibende Kraft für die Durchsetzung der Bodenreform war die damals noch existierende KPD, die sich im Jahre 1946 mit der SPD zur SED zusammenschloss. Für die SBZ forderte die KPD allerdings eine erweiterte Ausführung. Enteignet werden sollte Grund und Boden ab 100 Hektar aller Kriegsverbrecher und aktiven NSDAP-Mitglieder. Im September 1945 beschlossen die Parteien der SBZ deren entschädigungslose Enteignung11.

Das enteignete Grundeigentum bildete den sogenannten Bodenfonds, der ca. 3,3 Mio. Hektar Land umfasste.

Der enteignete Boden wurde neu verteilt. Von den 3,3 Mio. Hektar wurden sofort 1,1 Mio. Hektar verstaatlicht. Der Rest wurde an Landarbeiter, landlose und landarme Bauern und Umsiedler als privatbäuerliches Arbeitseigentum übertragen. Die Übertragung war unentgeltlich12. Die Größe des für jeden einzelnen Bauern übertragbaren Landes begrenzte sich auf maximal 10 Hektar. Zum unentgeltlichen Erwerb von Land aus dem Bodenfonds waren Bedingungen an die Bauern gestellt, um die eigene und tatsächliche Bewirtschaftung des Bodens zu gewährleisten.

Folgende Regeln mussten eingehalten werden:

- Begrenzung der Wirtschaftsgröße der neu geschaffenen Bauernwirtschaften auf 5, maximal 10 Hektar (Art. IV der Bodenreformverordnungen)
- Die Festlegung eines symbolischen Kaufpreises in Höhe des Wertes einer Jahresernte (Art. V Bodenreformverordnungen)
- Verbot der Verpachtung, des Verkaufs und der Teilung der in Eigentum übergebenen Fläche (Art. VI, Bodenreformverordnungen)13.

In traditionell landwirtschaftlich geprägten Gebieten entstanden nach 1949 agrarische Kleinbetriebe, die bis zu 50 Hektar Land bewirtschafteten. Daneben gab es die Neubauern, die als Kleinbauern im Gegensatz zu den größeren Kleinbetrieben mit Existenzproblemen zu kämpfen hatten und nicht selten die übereigneten Höfe wieder aufgaben. Es hatte sich eine ländliche Struktur entwickelt, in der größere landwirtschaftliche Betriebe dominierten im Gegensatz zum kleinen Privatbauerntum, welches zusehends abnahm. Im Dezember 1951 sollte die Bodenverhältnisse ein weiteres Mal reformiert werden. Durch Kollektivierung der Landwirtschaft sollte eine einheitliche Bewirtschaftung entstehen. Die Großbauern sollten somit beseitigt und die Klein- und Mittelbauern kollektiviert werden14. Es wurden landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) gegründet und die Bauern bewegt in diese einzutreten. Zunächst war der Beitritt in die LPG freiwillig. Anreiz für die einzelnen Bauern sollte eine gesicherte Bewirtschaftung des Bodens sein. Viele Bauern verließen aufgrund dieser Reform ihre Höfe und flüchteten in den Westen. Es entstanden Versorgungslücken durch brachliegende Betriebshöfe und die SED-Führung war gezwungen diese selbst zu verwalten. Nach der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wurde der Beitritt in die LPG Pflicht. Die Umsetzung dieses Vorhabens wurde durch Repression herbeigeführt. Der Staat erhob bewusst die Steuern und Ablieferungsvorgaben, die den Ruin vieler Höfe zur Folge hatte und damit als letzter Ausweg die Kollektivierung stand. Es kam zu Hunderten Strafprozessen gegen Bauern, die gegen die Eingliederung in die LPG waren. Die Gerichte verhängten Zuchthausstrafen dessen Gründe angebliche Steuerschulden waren. Inhaftierten Neubauern wurde der Grundbesitz wieder enteignet und den LPGs zugeführt. Die Verfahren des Staates blieben nicht ohne Folgen. Es kam in den Dörfern verhäuft zu Widerstandshandlungen.

Der Volksaufstand15 im Juni 1953 bewegte die Parteispitze dazu die Zwangskollektivierung zunächst abzubrechen und partiell rückgängig zu machen. Die Folge waren Massenaustritte aus der LPG. Auswirkungen im landwirtschaftlichen Sektor waren vorprogrammiert. Miserable Lebensbedingungen durch die geringe Wirtschaftskraft der LPGs löste eine zusätzliche Fluktuation von landwirtschaftlichen Arbeitskräften aus. Die SED-Führung kommandierte folglich Schüler, Studierende, Parteimitglieder, Polizisten und Soldaten zur Erntehilfe ab.

Im Jahr 1954 forcierte die SED die Zwangskollektivierung erneut. Die Partei bediente sich erneut der Mittel des Drucks, des Zwangs und des Terrors.

Bei der Durchführung der Bodenreform ging es letztendlich nicht um die Erlangung von Privateigentum der Neubauern, sondern im Vordergrund standen weitergehende politische Interessen der Machthaber. Die Eingliederung der Bauern in die LPGs war bereits von vornherein geplant16.

Die Agrarpolitik war nach sowjetischem Vorbild gestaltet. Mangelnde Rentabilität und Produktivität waren Merkmale dieser zentralistischen Planwirtschaft.

3.2. Nutzung von Volkseigentum am Grund und Boden

Volkseigener Grund und Boden wurde seit Beginn der DDR 1949 durch VEBs und staatliche Organe verwaltet und bewirtschaftet. Rechtmäßig wurde diese Art der Verwaltung und Bewirtschaftung als „Rechtsträgerschaft“ bezeichnet. Auch für Genossenschaften und gesellschaftliche Organisationen war die Rechtsträgerschaft an volkseigenen Grundstücken möglich. Jedoch sprach man hier von einer „nutznießenden Rechtsträgerschaft“. Ersichtlich wurde dies im Grundbuch mit dem Vermerk in Abt. 1 „Eigentum des Volkes“ kenntlich gemacht.

Die Aufgaben eines Rechtsträgers war die Verpflichtung zur rationellen Nutzung des ihm zugewiesenen Grundstückes. Eine Weitergabe an einen anderen Rechtsträger sollte erfolgen, wenn man nicht im Stande war seine Planaufgaben zu erfüllen. Ein Rechtsträgerwechsel war stets unentgeltlich, es gab also keinen Kaufvertrag.

Die mit dem Grundstück verbundenen Gebäude und baulichen Anlagen mussten bei einem Rechtsträgerwechsel bezahlt werden17. Der Logik zur Folge müsste der übernehmende Rechtsträger nun Eigentümer der bezahlten baulichen Anlagen/Gebäude sein. Nach dem Recht der DDR blieb er aber auch nach Bezahlung nur Rechtsträger und nicht Eigentümer. Die Rechtsträgerschaft hat eine juristisch einfache Regelung. Ausgangspunkt waren hier die am gesamtwirtschaftlichen Ziel orientierten Interessen. Der verwaltungsmäßige Aufwand war relativ gering.

Anders war dies bei rechtlichen Regelungen wo das Volkseigentum am Boden dem Bürger zur Verfügung gestellt wurde, um beispielsweise ein Eigenheim darauf zu errichten. Dem Bürger wurde ein Nutzungsrecht am Boden unbefristet und unentgeltlich eingeräumt. Die Kosten beschränkten sich daher nur auf den Bau des Gebäudes. Diese Regelung bezeichnete man in der DDR als „getrenntes Gebäudeeigentum“. Eine erste gesetzliche Regelung über eine unentgeltliche Überlassung von volkseigenem Boden gab es am 21.04.195418.

Weitere Gesetze wie das Bauspargesetz und das Gesetz über den Verkauf von volkseigenen Eigenheimen sowie das ZGB folgten. Charakteristisch für all diese Gesetze sind auch hier die ständig wechselnden Inhalte.

Dem Eigenheimbauer bzw. -käufer wurden mit diesen Gesetzen nahezu dieselben Rechte wie einem Grundstückseigentümer eingeräumt. Der Unterschied bestand darin, dass der Boden nicht als Eigentum erworben werden konnte. Jedoch folgte dem Nutzungsrecht am Boden das Eigentum am Gebäude. Bei einer Veräußerung des Gebäudes ging das Nutzungsrecht am Grundstück ebenfalls auf den Erwerber über. Die Veräußerung musste vorher staatlich genehmigt werden19. Für die Gebäude wurden gesonderte Gebäudegrundbuchblätter angelegt, um die Teilnahme am zivilen Rechtsverkehr zu sichern. Im Vergleich zum „freien Grundeigentum“ hatte ein Gebäudeeigentümer systembedingte Nachteile. Einerseits wurde volkseigener Boden unentgeltlich für die Nutzung zur Verfügung gestellt, damit der Bürger sein privates Heim errichten konnte. Andererseits durfte er nur dann Nutzungsrechte erwerben, wenn er noch kein Eigenheim besaß. Selbiges galt für den Erbfall.

Des weiteren war eine Weitervermietung unzulässig20.

Weitere Einschränkungen ergaben sich für Bürger der Alt-BRD. Diese konnten nach dem Gesetz nicht Erbe eines Eigenheims auf volkseigenem Boden werden21. Wer aus der DDR ausreiste, dem konnte das Nutzungsrecht - und somit auch das Eigentumsrecht am Gebäude - entzogen werden.

Die Vorschriften über den Entzug von Nutzungsrechten wurde als Strafe für illegales Verlassen der DDR missbraucht22.

Etwas später wurde die unentgeltliche Nutzungsüberlassung aufgegeben und eine Entgeltzahlung eingeführt. Diese Regelung wurde jedoch 1970 korrigiert, sodass der Staat auch weiterhin bei fast allen Bewerbern auf Nutzungsentgelte verzichtete.

3.3. Das LPG-Nutzungsrecht

Eine der wichtigsten Veränderungen im Bodenrecht der DDR vollzog sich mit der Bildung der LPG. Durch zwei LPG-Gesetze (1959 und 1982) wurde der Umfang der Nutzungsrechte gestaltet. Den LPGs stand mit Abstand das wohl umfangreichste Nutzungsrecht in der DDR zu.

Es erstreckte sich auf folgende Flächen:

- Flächen bisheriger Nutzer, Eigentümer und Pächter, die in die LPG eingebracht wurden,
- Vom Staat übergebende Flächen (Bodenreformland),
- Flächen, die von ihren Eigentümern nicht mehr bewirtschaftet werden konnten.

Im Zuge der Bodenreform flüchteten viele Bauern aus der DDR. Ihre zurückgelassenen Höfe wurden von den LPGs übernommen und verwaltet oder in Pacht genommen. Auf Grundlage dieser Zwangsverpachtung entstand 1955 eine „Verordnung über die einheitliche Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Nutzflächen durch die LPG“. Hier fand die Aufspaltung in zwei Rechtsverhältnisse statt. Der Staat trat als Pächter gegenüber dem Eigentümer auf und übergab die Flächen der LPG zur kostenlosen Nutzung. Der Staat zahlte dem Eigentümer keine Pacht, er übernahm lediglich in Ausnahmefällen die Zahlung der öffentlichen Lasten. Ein Grundgedanke, der charakteristisch für das Bodenrecht der DDR war. Man konnte ohne eigene Arbeit kein Entgelt verlangen. Ein bloßes Grundstück, dass nicht bewirtschaftet wird, kann keine Einkünfte erzielen. Dies bedeutete die Abschaffung der absoluten Grundrente23.

Der Inhalt der LPG-Nutzungsgesetzes wurde im ersten LPG-Gesetz erstmals gesetzlich definiert. Es wurden alle Rechte des Eigentümers erfasst. Ausgeschlossen war jedoch die dingliche Verfügung über das Eigentum. Es ermöglichte der LPG eine Großflächenbewirtschaftung ohne rechtliche Schranken.

Das zweite LPG-Gesetz definierte das Nutzungsrecht der LPG als dauerndes Recht (§18). Anders als beim Nutzungsrecht des volkseigenen Bodens für Eigenheime, umfasste das Recht der LPG auch die Gebäude, die auf den Grundstücken standen. Es bestand auch keine Regelung hinsichtlich gesonderter Gebäudegrundbuchblätter. In den 80er Jahren erfuhr das Nutzungsrecht der LPG immer mehr Erweiterungen. So war es der LPG erlaubt, die Nutzung an staatliche Organe und sozialistische Betriebe weiterzugeben. Im Zusammenhang mit dem ZGB der DDR war es der LPG möglich für Genossenschaftsmitglieder und auf dem Lande lebende Bürger, Boden für Eigenheime zur Verfügung zu stellen, soweit für den Boden ein LPG-Nutzungsrecht bestand. Die Bereitstellung der Bodenfläche wurde durch eine Nutzungsurkunde bestätigt24. Landwirtschaftlich genutzter Boden wurde in der DDR besonders geschützt. Die kostenlose Überlassung von Boden für Industrie, Wohnungsbau und Bergbau unter gleichzeitiger Aufgabe von landwirtschaftlich genutztem Boden, sollte begrenzt werden. Mit der „BodennutzungsVO“ und der „VO über die Bodennutzungsgebühr“ sollte nun dem Entzug des landwirtschaftlichen Bodens entgegengewirkt werden. Die von der LPG genutzten Flächen bedurften nun einer verwaltungsrechtlichen Zustimmung, bevor sie für andere Nutzungen abgegeben wurden. Investoren wurden verpflichtet den wirtschaftlichen Nachteil, welcher der LPG durch die Flächenabgabe entstand, auszugleichen25. Die VO über die Bodennutzungsgebühr regelte neben der wirtschaftlichen Entschädigung eine anfallende Bodennutzungsgebühr, die zusätzlich entrichtet werden musste. Diese konnte beispielsweise bei Ackerland je nach Bodenqualität und Investitionszweck zwischen 60.000 und 400.000 Mark betragen, wenn der Boden dauerhaft entzogen werden sollte26. Da nun LPG-Flächen nicht mehr kostenlos fremdgenutzt werden konnten, zeigt, dass auf eine Grundrente nicht ohne Schaden für die Gesellschaft verzichtet werden konnte. Die Bodennutzungsgebühr an der Gesamtinvestitionssumme betrug in einzelnen Zweigen der Volkswirtschaft 2 bis 8%27. Investoren sollten die Auswahl ihrer Standorte gründlich abwägen.

Man kann die Entrichtung der Bodennutzungsgebühr auch mit dem gezahlten

Grundstückspreis im Kapitalismus vergleichen. Der Unterschied hier besteht darin, dass sie nicht an den „Verkäufer“, also die LPG gezahlt wurde, sondern direkt an den Staat ging.

[...]


1 U. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 30

2 Vgl. Art. 11 Abs. 1, DDR-Verfassung v. 1968

3 Vgl. §23 Abs. 1 ZGB d. DDR

4 Vgl. GBL I., Nr. 47, DDR-Verfassung v. 1968

5 z.Bsp.: landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG)

6 z.Bsp.: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB)

7 Vgl. Art. 16 Satz 1 der DDR-Verfassung v. 1968

8 U. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 165

9 K. Heuer, Grundzüge des Bodenrechts der DDR, S. 77

10 H. Kremer, Stadtsanierung und Bodenordnung, S. 19

11 I. Kowalczuk, Das bewegte Jahrzehnt, S. 115

12 Klumpe/ Nastold, Rechtshandbuch Ost-Immobilien, S. 7

13 U. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 150

14 I. Kowalczuk, Das bewegte Jahrzehnt, S. 116

15 Volksaufstand 17.06.1953, Demonstrationen, Verhaftungen, Erschießungen

16 D. Zahnert, Das Recht der Bodenreform der SBZ, S. 12

17 U. Heuer, Rechtsordnung der DDR, S. 162

18 Gesetz über die Verleihung von Nutzungsrechten an volkseigenen Grundstücken

19 Vgl. §4 Nutzungsrechtsgesetz, §289 ZGB der DDR

20 Vgl. §§ 3, 5 Nutzungsrechtsgesetz v. 1970, §288 ZGB

21 Vgl. §5 Abs. 2 Nutzungsrechtsgesetz

22 U. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 156

23 U. Heuer, Die Rechtsordnung der DDR, S. 157

24 Vgl. §3 der VO über die Bereitstellung v. genossenschaftlich genutzten Bodenflächen für die Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande (1976)

25 Vgl. 1. DB zur BodennutzungsVO der DDR

26 Vgl. §3 VO über Bodennutzungsgebühr

27 Vgl. Rohde, Bodenrecht, Berlin 1989, S. 119

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Bodenrecht und -bewertung in der DDR
Hochschule
Hochschule Anhalt - Standort Dessau
Veranstaltung
Wissenschaftliches Hauptseminar
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
38
Katalognummer
V64906
ISBN (eBook)
9783638576000
ISBN (Buch)
9783638670234
Dateigröße
665 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Im Rahmen des Studienganges Immobilienwirtschaft an der HS-Anhalt gab es für die Immobilienbewertung unter anderem dieses Thema zu vergeben.
Schlagworte
Bodenrecht, Wissenschaftliches, Hauptseminar, DDR, Bodenbewertung, Immobilienbewertung
Arbeit zitieren
Kathrin Gallien (Autor:in), 2006, Bodenrecht und -bewertung in der DDR, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64906

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