Die Auslandschinesen als Minderheit in Südostasien


Seminararbeit, 2005

41 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung (R)
1.1 Das Image der Auslandschinesen (R+G)
1.2 Definition (R)

2. Einwanderung und Verbreitung der Chinesen in Südostasien (G)
2.1 Geschichte der Migration (G)
2.2 Verlauf der Immigration in den Ländern Südostasiens (G)
2.2.1 Burma
2.2.2 Thailand
2.2.3 Laos, Kambodscha, Vietnam
2.2.4 Malaysien
2.2.5 Philippinen
2.2.6 Indonesien

3. Einteilung der Auslandschinesen (R)

4. Der Anteil der Auslandschinesen in den Ländern Südostasiens (R)

5. Die Wirtschaftsweise der Auslandschinesen (R)
5.1 Der Konfuzianismus (R)
5.2 Das chinesische Familienunternehmen (R)
5.2.1 Merkmale des chinesischen Familienunternehmens
5.2.2 Unterschiede zu westlichen Standardbetrieben
5.3 Bildung von Netzwerken (R)
5.4 Ali-Baba Kooperation (R)

6. Assimilierung der Chinesen in Südostasien (R+G)

7. Beziehungen der Auslandschinesen zu China (G)
7.1 Auslandschinesenpolitik der Republik China (G)
7.2 Auslandschinesenpolitik der Volksrepublik China (G)
7.3 Politische Aktivitäten der Chinesen in Südostasien (G)

8. Diskriminierung und Gewaltakte gegenüber der chinesischen Minderheit (G)
8.1 Gründe für die antichinesische Einstellung (G)
8.2 Brennpunkt Indonesien (G)
8.3 Brennpunkt Philippinen (R+G)
8.4 Brennpunkt Malaysien (R)
8.5 Brennpunkt Thailand (R)
8.6 Brennpunkt (Süd-)Vietnam (R)

9. Literaturverzeichnis

(R).verfasst von Markus Rothensteiner

(G).verfasst von Irene Grabherr

1. Einleitung

China: Mit seinen 9,5 Mio. km2 ist es flächenmäßig das drittgrößte Land der Erde; doch nicht nur das, mit rund 1,4 Mrd. Einwohnern ist es auch das bevölkerungsreichste Land der Erde.

Han-Chinesen stellen die größte Bevölkerungsgruppe des Landes dar (94% der Gesamtbevölkerung). Während sie im eigenen Land die Mehrheitsethnie bilden, sind sie in anderen Ländern eine Minderheit. So z. B. auch in

Südostasien: Rund 522 Mio. Menschen leben in dieser Weltregion, auf einer Fläche von 4,5 Mio. km2. Rund 30 Mio. Auslandschinesen (chin.: Huaren) gibt es weltweit, davon lebt die Mehrheit, nämlich 25,64 Mio., in Südostasien.[1] (Das entspricht in etwa der Einwohnerzahl Perus oder Ugandas.) Das bedeutet, dass etwa 5% der Bevölkerung Südostasiens von Chinesen gestellt wird. Sie sind aus den diversesten Gründen in die Region gekommen.

Wer meint, dass die geringe Menge an südostasiatischen Chinesen ohne regionale Bedeutung bleibt, der irrt. Die Auslandschinesen haben seit jeher die Politik und Wirtschaft der Region beeinflusst. Sie sind das Zugpferd an der Kutsche „Wirtschaftswachstum“ in der Weltregion Südostasien. Fragen wie, „Welche Rolle spielen die Auslandschinesen in Südostasien?“; „Sind sie bloß Mitläufer, oder nehmen sie eine Art Sonderstellung in dieser Region ein?“; „Haben sie sich integriert bzw. wurden sie assimiliert oder haben sie sich abgegrenzt bzw. wurden sie ausgegrenzt?“; „Wie ist es um ihre wirtschaftliche Stärke bestellt?“; „Warum verließen sie ihre Heimat?“; sollen im Laufe dieser Seminararbeit erläutert werden.

1.1 Das Image der Auslandschinesen

„Die Chinesen sind die Herren des Pazifiks.“

Sterling Seagrave (1995)

„Nirgendwo auf der Welt gibt es reichere Leute als bei den Chinesen.“

Ibn Batuta (14. Jahrhundert)

„Ich weiß nicht, ob ich die Chinesen wegen ihrer vielen Tugenden bewundern, oder wegen ihrer grellen Defekte verachten soll … Ihr Fleiß übertrifft den jeden andern Volkes auf der Erde, sie sind arbeitsam, geduldig und frohgemut. Auf der anderen Seite sind sie korrupt, aalglatt und pedantisch, sie kriechen vor der Autorität und sind tyrannisch gegen Untergebene.“

Sir James Brook; Radscha von Sarawak (19. Jahrhundert)

„Der Chinese kommt mit einem Stock und zwei Gepäckstücken – und er soll auch so wieder gehen!“

Vietnamesisches Sprichwort

1.2 Definition

Als Auslandschinesen (engl. Overseas Chinese, chin. haiwai huaren oder huayi) werden alle im Ausland lebenden Personen chinesischer Herkunft bezeichnet, die sich – unabhängig von ihrem Geburtsort oder ihrer Staatsangehörigkeit – als chinesischstämmig sehen oder als solches angesehen werden. Dabei zeichnet sie der Gebrauch der chinesischen Hochsprache oder eines Dialekts, die Verwendung eines chinesischen Namens, die Befolgung diverser typischer Bräuche, sowie die starke Verflechtung in interpersonelle Netzwerke („Bambusnetzwerke“) aus (WEGGEL 1999, S. 15). Genaueres zu den Netzwerken der Auslandschinesen folgt in Kapitel 5.3 „Bildung von Netzwerken“.

2. Einwanderung und Verbreitung der Chinesen in Südostasien

2.1 Geschichte der Migration

Die Geschichte der chinesischen Auswanderung reicht fast eineinhalb Jahrtausende zurück und erfolgte anfänglich hauptsächlich aus religiösen und kulturellen, später aber zunehmend aus politischen und wirtschaftlichen Gründen. Durch die größere geographische Nähe zu China waren die Länder des südostasiatischen Festlandes naturgemäß früher und intensiveren chinesischen Einflüssen ausgesetzt. In dieser Region war die Einwanderung der Chinesen umfangreicher und fand zeitlich früher statt als im insularen Südostasien. Die ersten chinesischen Besucher Südostasiens waren Händler und buddhistische Mönche, die nach Indien reisten und auf der Durchreise oft einige Monate in Südostasien verweilten. Einige blieben mehrere Jahre, meist in besondern Vierteln der großen Hafenstädte wie Melaka oder Hoi An und nahmen einheimische Frauen. Sie sahen sich selbst jedoch nicht als „Einwanderer“, sondern als „vorläufige Bewohner“, die eines Tages nach China zurückkehren würden. Man nennt dieses vorläufige Verweilen im Ausland „Sojourning“ (WANG 1996). Aus jener Zeit stammen zwei wichtige Hinterlassenschaften: Zum einen stammen einige der wichtigsten Quellen über die ersten Königreiche in Südostasien von Chinesen, zum anderen sandte ein chinesischer Kaiser der Ming-Dynastie (1368-1644) eine große Flotte in den Süden. Der Besuch dieser Armada ist später unter den Auslandschinesen zur Legende geworden. (FELDBAUER, HUSA, KORFF 2003 und WEGGEL 1999)

Push-Faktoren für die Auswanderung aus China waren oftmals Kriege, Volksaufstände und Dynastiezusammenbrüche. Es waren hauptsächlich fünf epochale Katastrophen, die Emigrationswellen aus China auslösten: Als im 10. Jahrhundert die Tang-Dynastie zusammenbrach, flohen mehrere tausend Chinesen nach Sumatra und ließen sich dort meist als Bauern oder Geschäftsleute nieder. Als im 13. Jahrhundert das Song-Reich von den Mongolen zerstört wurde, flohen weitere Chinesen zu Tausenden nach Thailand, Malaysien und Singapur und gründeten dort zahlreiche Siedlungen. Weitere Emigrationsschübe folgten im 17. Jahrhundert, als die Ming-Dynastie ins Wanken geriet (hauptsächlich nach Taiwan) sowie im 19. Jahrhundert als die Quing-Dynastie ihr Ende fand. Das fünfte Ereignis, welches zu Auswanderungen führte, war der Zusammenbruch der Republik China im Jahr 1949, was vor Allem eine gewaltige Wanderung von Mensch und Kapital nach Taiwan und Hongkong nach sich zog. Im 20. Jahrhundert waren es dann schließlich wirtschaftliche Pull-Faktoren, die für weitere Auswanderungen ausschlaggebend waren. (vgl. WEGGEL 1999).

Im 17. Jahrhundert begannen sich die ersten Kolonialmächte für eine Zusammenarbeit mit den Chinesen zu interessieren und erkämpften sich einen Anteil am China-Handel. Viele chinesische Händler und Handwerker ließen sich in Städten wie Manila oder Batavia[2] nieder, chinesische Dschunken besuchten regelmäßig die Häfen und tauschten ihre Waren gegen Silber und lokale Erzeugnisse. Ihnen wurden besondere Stadtviertel zugewiesen, die Vorläufer der heutigen „Chinatowns“ in den großen Städten Südostasiens.

Typisch für solche chinesische Viertel sind „shophouses“: Reihenhäuser, die gleichzeitig Wohn- und Geschäftshaus bilden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: http://www9.ocn.ne.jp/~jitian/china/amoi/palace/SHOPHOUSE.JPG

Im 18. Jahrhundert führte Chinas große Nachfrage nach Rohstoffen und exotischen Produkten aus den Tropen (tropische Harze, Forstprodukte, Mineralien, Gewürze...) zu der Idee, einige der Produkte mit chinesischen Arbeitskräften in Südostasien zu produzieren, da im noch wenig bevölkerten Südostasien die Arbeitskräfte teuer waren. Also kamen Tausende chinesische Arbeiter mit Unterstützung von einheimischen Herrschern nach Südostasien. Diese hatten einige Vorteile: Sie waren billiger, gewohnt in größeren Gruppen zu arbeiten und verfügten auch oft über bessere Technologie. Sie bevorzugten jene Gebiete, in denen sich noch keine Kolonialmächte angesiedelt hatten, wie z.B. in Teilen Indonesiens, Malaysien und Vietnam. Dort bauten sie unter anderem Gewürze an oder schürften nach Zinn oder Gold. Sie organisierten sich in sogenannten „kongsi“ – kooperative Unternehmen, in denen die meisten Arbeiter auch Anteile an den Gewinnen erhielten. Die meisten Chinesen kehrten wieder nach China zurück, jedoch starben auch viele der unter den harten Bedingungen vor Ort. Nur einige wenige blieben nach der Arbeitszeit als Kleinbauern in der Region.

Es sei zu erwähnen, dass praktisch alle chinesischen Migranten männlich waren, da die Ausreise von Frauen und Kindern (Ausnahme: zu Prostitutionszwecken) erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Beginn der regelmäßigen Dampfschiffverbindungen einsetzte.

Bis zum 19. Jahrhundert war der chinesische Handel in Südostasien bedeutender als der westliche. Chinesische Geldgeber stellten Kapital zur Verfügung, rekrutierten die Arbeiter, transportierten sie nach Südostasien, und exportierten die Produkte nach China. Mit immer stärkerem Einfluss des Kolonialismus begannen sich die Europäer im 19. Jahrhundert für diese Unternehmen zu interessieren, was den Beginn der „Kuli-Ära“ in der Zeit des Hochkolonialismus einleitete (ca. 1870 bis 1930). Das europäische Interesse an den regional verfügbaren Rohstoffen führte zu einem hohen Bedarf an Arbeitskräften und dem Import von Kontraktarbeitern aus China. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war die Emigration von Chinesen vom Kaiser in Beijing verboten, trotzdem bemühten sich die Europäer um chinesische Arbeitskräfte für die großen Tabak- und Kautschukplantagen. Diese Sogwirkung nach Südostasien wurde durch die sozialpolitische Situation in China verstärkt. Zahlreiche Bauernkriege und Aufstände sowie bürgerkriegsähnliche Zustände veranlassten viele Migranten dazu das Land zu verlassen. Zu dieser Zeit erreichte die Auswanderung aus China ihren Höhepunkt: Hunderttausende emigrierten nach Südostasien, als erste Station diente Singapur, von wo aus die Arbeitskräfte auf die malaiische Halbinsel und nach Niederländisch-Indien vermittelt wurden. Allein zwischen 1876 und 1901 wanderten fast fünf Millionen Emigranten über die chinesischen Häfen Xiamen, Shantou, Quanzhou und Hongkong aus.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die chinesischen Kulis immer mehr von einheimischen Arbeitern ersetzt.

Die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre setzte den großen Migrationsströmen ein Ende, viele Kulis kehrten nach China zurück.

Der zweite Weltkrieg unterbrach die Beziehung zu China und die japanische Besetzung Südostasiens brachte Unsicherheit, Unterdrückung und Mangel, was die Chinesen veranlasste, näher zusammenzurücken. Nach dem Krieg war einerseits in den meisten Ländern Südostasiens weitere Immigration aus China verboten, andererseits waren Chinas Grenzen nach 1950 ohnehin praktisch geschlossen. Die Rückkehr der im Ausland verweilenden Chinesen war für die meisten weder möglich noch erwünscht, nachdem 1949 die Kommunisten die Volksrepublik China gegründet hatten. Das „Sojourning“ war zu einer langfristigen Residenz geworden. Infolgedessen existierte in den 50er-Jahren in den meisten Ländern Südostasiens – vorwiegend in den Städten – eine chinesische Minderheit, deren Tätigkeit sich auf Groß- und Einzelhandel konzentrierte. Ihre Berufe waren vielschichtig: Subsistenzbauern, Handwerker, Angestellte, Akademiker, Rohstoffhändler etc.

Im Zuge der Unabhängigkeitsbewegungen der einzelnen Länder Südostasiens wurden die Chinesen durch Einheimische aus der Klasse der ungelernten Arbeiter verdrängt. Nationalistische Regierungen versuchten, Chinesen aus ihrer Rolle in Handel und Finanzen oder der Industrie zu verdrängen, allerdings mit wenig Erfolg (vgl. FELDBAUER, HUSA, KORFF 2003).

2.2 Verlauf der Immigration in den Ländern Südostasiens

Die Einwanderung, Ansiedlung und Verbreitung von Chinesen ist in den verschiedenen Ländern und Regionen sowohl in voreuropäischer als auch in europäischer Zeit sehr unterschiedlich verlaufen. Sowohl zwischen dem Festland und dem insularen Südostasien als auch innerhalb der einzelnen Länder findet man Unterschiede dieser Entwicklung. Was jedoch in allen Ländern Südostasiens stattfand, ist der große Einwanderungsschub aus China im Zuge der europäischen Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert.

2.2.1 Burma

Das an China angrenzende Burma hatte eine Brückenfunktion für die Migration aus dem Norden. Zwar bestand zwischen der burmesischen und der chinesischen Bevölkerung eine enge kulturelle Affinität, doch wurde Burma dennoch über Jahrhunderte hinweg von Indien stärker beeinflusst. Überhaupt erlangten die Chinesen in Burma nicht jene dominierende ökonomische Position, die sie später in den anderen südostasiatischen Ländern einnahmen, sondern mussten diese Position den Indern überlassen. Die Chinesen konzentrierten sich auf die städtischen Gebiete mit Schwerpunkt auf Rangoon, wo ca. 50% der Chinesen in Burma lebten. Einen weiteren Schwerpunkt bildeten wegen der geographischen Nähe zur chinesischen Provinz Yunnan die in Nordosten Burmas gelegenen Shan-Staaten, die im Laufe der Geschichte oftmals chinesischen Übergriffen ausgesetzt waren. Im Gegensatz zu anderen Gebieten Südostasiens betrachteten die nach Burma einwandernden Chinesen das Land im Allgemeinen als ihre neue Heimat. Sie erlernten die Sprache und integrierten sich auf diese Weise relativ schnell. Das Verhältnis zwischen chinesischen Einwanderern und Burmesen war verhältnismäßig gut, die Chinesen wurden von den Burmesen als pauk paw bezeichnet, was soviel bedeutet wie „nächste Verwandte“. Trotzdem kam es 1931 auch in Burma kurzfristig zu antichinesischen Ausschreitungen, was jedoch ein singuläres Ereignis blieb (vgl. BUCHHOLT 1998).

2.2.2 Thailand

Auch Thailand, der östliche Nachbar Burmas, war schon früh politischem Einfluss sowie Übergriffen Chinas ausgeliefert. Frühe Einwanderer kamen über den Landweg aus Südchina. Im 17. Jahrhundert hielten sich ca. 3000 Chinesen in Thailand auf, die meisten von ihnen in der Stadt Ayutthya (nördlich von Bangkok). Eine verstärkte Immigration von Chinesen über den Seeweg setzte erst im 19. Jahrhundert ein, nachdem die Europäer die Öffnung der chinesischen Häfen erzwungen hatten. Zwischen 1850 und 1890 wanderten jährlich zwischen 7000 und 15000 Chinesen ein, was zu einem Bevölkerungsanteil von etwa 25% (1884) führte. Auch in Bangkok war eine hohe Konzentration der Chinesen zu beobachten: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sollen von den ca. 400.000 Einwohnern Bangkoks die Hälfte chinesischer Herkunft gewesen sein[3]. Durch die Heirat der männlichen chinesischen Einwanderer mit thailändischen Frauen fand ein hohes Maß an Vermischung statt. In Thailand ist somit die Assimilation der Chinesen weitgehend gelungen (vgl. BUCHHOLT 1998).

2.2.3 Laos, Kambodscha, Vietnam

Diese drei Länder gerieten einheitlich unter französische Kolonialherrschaft und wurden durch die Europäer mit dem Begriff „Indochina“ zusammengefasst. Diese Bezeichnung deutet darauf hin, dass in diesem Bereich die indische und die chinesische Zivilisation zusammengetroffen sind. Indochina war als einzige Region Südostasiens Teil des chinesischen Hegemonialbereiches. Die Geschichte dieser Region ist daher von chinesischen Eroberungen, temporären Annexionen, intensiven Sinisierungen und Tributzahlungen geprägt. Eintausend Jahre lang war Vietnam Teil des chinesischen Han-Reiches (602 v. Chr. – 220 n. Chr.), was das Land hinsichtlich sozialer Organisation, Staatsaufbau, Wirtschaft, Kultur und Sprache bis heute prägte. Die drei Indochina-Staaten waren schon in frühchristlicher Zeit einer kontinuierlichen chinesischen Immigration ausgesetzt, dementsprechend hoch ist der chinesische Anteil an der Bevölkerung, aber je nach Land und Region sehr ungleichmäßig verteilt. Das schwer zugängliche Laos weist einen vergleichsweise geringen Anteil auf, während die Küstenregionen, Tonking im Norden sowie das frühere Cochinchina im Süden Vietnams und Kambodschas zum Ende der Kolonialzeit die höchsten chinesischen Bevölkerungsanteile besaßen. Ein Grund für diese hohe Konzentration war, dass im Gegensatz zu Thailand und Burma die Einwanderung von Anfang an sowohl über den Land- und den Seeweg erfolgte, und besonders die küstennahen Gebiete leicht erreichbar waren. Viele urbane Zentren wie Saigon, Pnom Penh oder Haiphong gehen zum Teil auf chinesische Gründungen zurück.

Seit dem Ende des Vietnamkrieges ist es zu einer deutlichen Reduzierung der Bevölkerung chinesischer Herkunft gekommen, dennoch gibt es weiterhin eine umfangreiche chinesische Bevölkerungsgruppe, die mit ihrer wichtigen ökonomischen Funktion an Einfluss gewinnt (vgl. BUCHHOLT 1998).

2.2.4 Malaysien

Betrachtet man die Chinesen in Malaysien, so muss man berücksichtigen, dass die heutige malaysische Föderation zwei Gebiete umfasst, die etwa 600 km voneinander entfernt liegen. Die chinesische Einwanderung nach Westmalaysien hängt eng mit der Geschichte der Straße von Malakka zusammen und der sich dort herausgebildeten Handelsplätze, wie Malakka, Penang und Sigapur, die ab 1830 unter britischer Herrschaft die sogenannten „Straits Settlements“ bildeten. Malakka war lange Zeit der bedeutendste Handelsplatz zwischen Indien und China. Die frühesten Beziehungen zwischen Malakka und China basierten fast ausschließlich auf Handelskontakten, bis ins 17. Jahrhundert siedelten sich lediglich einige hundert Chinesen an. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter britischer Herrschaft erfolgte ein deutlicher Anstieg der chinesischen Bevölkerung. Eine rapide Einwanderung fand im 18. Jahrhundert auf der Insel Penang statt, nachdem die Briten dort eine Siedlung gegründet hatten. Innerhalb von 3-4 Jahren siedelten sich dort ca. 3000 Chinesen an, welche der Siedlung eine chinesische Prägung gaben. Durch weitere Einwanderung stieg der Anteil der Chinesen in Penang auf 50% der Gesamtbevölkerung an.

Im Gründungsjahr Singapurs, 1819 sollen dort nur 120 Malaien und 30 Chinesen gelebt haben. Vier Jahre später waren es bereits 10.000 Einwohner, von denen ein Drittel Chinesen waren. Diese wurden von Sir Stamford Raffles als die für die weitere ökonomische Entwicklung der Stadt wichtigsten Zuwanderer angesehen (Purcell 1965). Raffels legte eine räumlich-ethnische Segregation fest, die noch heute an Stadtvierteln (Chinatown) und Straßennamen zu finden ist. Die Einwanderung fand vornehmlich im Rahmen eines Systems von Menschenhandel statt: Die chinesischen Einwanderer wurden über Agenten vermittelt oder verkauft, und hatten somit keine freie Entscheidungsmöglichkeit über ihr weiteres persönliches Schicksal. Auch Geheimgesellschaften, Morde und andere Verbrechen waren in Singapur an der Tagesordnung. Die Chinesen Singapurs bildeten trotz gemeinsamer traditioneller Wurzeln dennoch keine Einheit, ein wichtiger Grund dafür waren sprachliche Differenzen aufgrund von unterschiedlichen Herkunftsregionen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte dann die „kuli-Ära“ in Form eines großen Einwanderungsschubes chinesischer Arbeitskräfte ein, da das Land für die Ausbeutung ihrer reichlich vorhandenen Ressourcen nicht genügend Arbeitskräfte besaß. Dieser Einwanderungsschub legte den Grundstein für die heute bestehenden Probleme einer ethnisch differenzierten Gesellschaft (Malaien, Chinesen, Inder).

Betrachtet man nun das insulare Malaysien, so lässt sich feststellen, dass in Sarawak, Sabah und Brunei etwa ein Drittel der Bevölkerung chinesischer Herkunft ist. Obwohl die Kontakte zwischen diesem Gebiert und China vermutlich bis ins 14. Jahrhundert zurückreichen, setzte auch hier die verstärkte Einwanderung und Ansiedlung durch Chinesen erst im 19 Jahrhundert im Rahmen der europäischen Expansion ein. Die Einwanderung der Chinesen wurde hier durch die Briten aus wirtschaftspolitischen Interessen gefördert. Die Einwanderung erfolgte auch hier oft über ein System von Kontraktarbeiter-Agenturen mit unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen. Die freien Immigranten, vorwiegend Intellektuelle, Händler und Handwerker, konzentrierten sich auf die Städte. Bereits damals unter britischer Herrschaft hatten die Chinesen in Malaysien eine einflussreiche wirtschaftliche Position eingenommen, was sich bis heute fortsetzte (vgl. BUCHHOLT 1998).

[...]


[1] WEGGEL 1999, S. 44 u. 45

[2] heute Jakarta

[3] Skinner, 1957, Purcell 1965

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Die Auslandschinesen als Minderheit in Südostasien
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Geographie und Regionalforschung Wien)
Veranstaltung
Seminar Minderheitenprobleme in Südostasien
Note
2
Autoren
Jahr
2005
Seiten
41
Katalognummer
V61581
ISBN (eBook)
9783638550123
ISBN (Buch)
9783638681988
Dateigröße
763 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Achtung: Zitierung weitgehend ohne Seitenzahlangaben
Schlagworte
Auslandschinesen, Minderheit, Südostasien, Seminar, Minderheitenprobleme, Südostasien
Arbeit zitieren
Irene Grabherr (Autor:in)Markus Rothensteiner (Autor:in), 2005, Die Auslandschinesen als Minderheit in Südostasien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61581

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