Umgang mit psychischen Schulproblemen in der Grundschule


Examensarbeit, 2005

89 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Interesse und Ausgangspunkt
1.2 Wege der Bearbeitung
1.3 Erklärung der gewählten Begriffe

2. Was sind psychische Schulprobleme? Versuch einer Definition

3. Drei Beispiele für Schulprobleme mit psychischen
Ursachen
3.1 Lernhemmungen
3.2 Schulunlust bzw. Schulangst
3.3 Verhaltensstörungen

4. Psychische Ursachen für Schulprobleme
4.1 Durch die Schule bzw. den Lehrer bedingte Lernstörungen
4.1.1 Der Lehrerwechsel
4.1.2 Beziehungen im Unterricht: Lehrer- Schüler Beziehung
4.2 Durch die Familiensituation und die außerschulische Erziehung bedingte Lernstörungen
4.2.1 Formen der Familiensituation:
Zerrüttete, getrennte oder geschiedene Ehen
4.2.2 Die Geschwistersituation
4.2.2.1 Das Einzelkind
4.2.2.2 Kinder mit mehreren Geschwistern
4.2.2.3 Die Geschwisterreihe
4.3 Durch Entwicklungsstörungen und Verhaltensstörungen des Kindes bedingte Lernstörungen
4.3.1 Das liebesfrustrierte oder das gequälte Kind
4.3.2 Das Opfer einer vernachlässigenden und verwahrlosenden Erziehung

5. Wie diagnostiziert man schulische Lernschwierigkeiten?
5.1 Modelle der psychologisch- pädagogische Diagnostik
5.2 Das medizinische Diagnosemodell
5.3 Prozessdiagnostik

6. Was kann ein Lehrer selber tun, um die Ursache von Schulproblemen heraus zu finden?
6.1 Lerndiagnose
6.1.1 Zu 1.:Denkentwicklung
6.1.2 Zu 2.: Leistungsstand
6.1.3 Zu 3.: Lernmotivation
6.1.4 Zu 4.: Lernstrategien
6.1.5 Zu 5.: Lerntypen
6.1.6 Zu 6.:Lernbarrieren

7. Lernförderung/ pädagogische Maßnahmen
7.1 Das „richtige“ Lehrerverhalten

8. Der Beratungslehrer
8.1 Warum an Grundschulen Beratungslehrer gebraucht werden

9. Gesprächsführung
9.1 Kooperative Gesprächsführung
9.1.1 Verstehen
9.1.1.1 Aufmerksam Zuhören
9.1.1.2 Offene Fragen
9.1.1.3 Gedanken wiedergeben
9.1.1.4 Wiedergeben von Gefühlen
9.1.2 Leiten
9.1.2.1 Strukturieren
9.1.2.2 Lösungswege sammeln
9.1.2.3 Stellung nehmen
9.1.2.4 Beziehungen klären
9.2 Das Schüler –Lehrer Gespräch
9.3 Das Elterngespräch
9.4 Schulz von Thun: Die vier Seiten einer Botschaft

10 Schlusswort

11. Versicherung

12. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit dem Problemfeld der Schulprobleme und dessen Umgang beschäftigen.

1.1 Interesse und Ausgangssituation

Die Eltern und Lehrer erzählen immer wieder von Schülern, die Probleme in der Schule haben. Diesen Schülern fällt es schwer zu lernen. Oft liegen die Schwierigkeiten der Schüler in einem bestimmten Unterrichtfach. Es kann aber auch vorkommen, dass sich die Lernschwierigkeiten auf mehrere Unterrichtsfächer beziehen.

Die Eltern von Kindern mit Schulproblemen versuchen ihren Kindern zu helfen, indem sie zum Beispiel Nachhilfestunden für sie organisieren.

Von Lehrern, Freunden und Bekannten bekommen sie Adressen von Nachhilfeinstitutionen, wie zum Beispiel die Schülerhilfe. Da einige Familien sich solche Institutionen nicht leisten können, wenden sie sich an ältere Schüler oder Studenten, aus dem Bekanntenkreis.

Da ich auf das Lehramt für die Primarstufe studiere, kamen Eltern auch auf mich zu und baten mich, ihren Kindern beim Lernen zu helfen. Dadurch wurde ich intensiv mit Schulproblemen konfrontiert.

Nachdem ich meine Nachhilfeschüler näher kennen gelernt hatte, musste ich manchmal auch erkennen, dass diese Kinder keine großen Schwierigkeiten beim Lernen zeigten. Ich erinnere mich da an einen 9 jährigen Jungen, der in der dritten Klasse einer Grundschule war. Er war dabei diese Klassenstufe zu wiederholen, da er die Lernziele in Mathematik der dritten Klasse im Vorjahr nicht erreicht hatte.

Bei diesem Jungen konnte ich feststellen, dass er in den Nachhilfestunden sehr gut mitarbeitete. Er verstand den Lernstoff und machte nur kleine Flüchtigkeitsfehler beim Rechnen.

Bei ihm hatte ich das Gefühl, dass er für den anstehenden Mathematiktest gut vorbereitet war. Doch musste ich hinterher feststellen, dass der 9 jährige trotz des intensiven Lernens, die Anforderungen des Mathematiktests nicht erfüllen konnte.

Natürlich habe ich zunächst darüber nachgedacht, dass ich mich vielleicht geirrt hatte, vielleicht hatten wir doch zu wenig gelernt. Doch als wir den Mathetest zusammen durchgerechnet hatten, wusste dieser Junge was er falsch gemacht hatte. Er konnte mir selbstständig den richtigen Rechenweg vorrechnen und erklären.

Daraus erkannte ich, dass dieses Kind keine Probleme bei dem Lernen hat, sondern es vermutlich so ist, dass er in bestimmten Situationen das Gelernte nicht anwenden kann.

Durch diese Art der Erfahrungen, die ich bei Nachhilfestunden sammeln konnte, entwickelte sich bei mir ein intensives Interesse für Lernschwierigkeiten. Ich wollte nun wissen, woran es liegen könnte, dass die Schüler zu Hause gut lernen, das Erlernte aber in der Schule nicht anwenden können. Ich begann mich über Ursachenfelder für Schulprobleme zu informieren. Dabei stieß ich auf das psychische Ursachenfeld.

Dieser Bereich hat mich besonders interessiert. Denn ich, als werdende Lehrerin, habe mir vorgenommen, dass ich auf meine Schüler eingehen und ihnen helfen möchte. Natürlich weiß ich, dass es nicht immer einfach sein wird und, dass man auch als Lehrer einmal „versagen“ kann. Doch ich denke, man sollte trotzdem seine Ziele vor Augen halten und versuchen, sie so gut wie möglich zu erreichen.

Da in der heutigen Zeit, auf Grund der Arbeitslosigkeit und anderen sozialen Faktoren, wie die hohe Scheidungsrate, sich das Familienleben ändert, vermehren sich dadurch auch die Probleme der Kinder. Bei vielen Kindern können sich solche Probleme, die den Kindern oft auch seelischen Stress bereiten, als Lernschwierigkeiten in der Schule äußern.

Um als Lehrer auch für diese Fälle gewappnet zu sein, sollte man sich im Voraus schon damit beschäftigen.

Durch die Erfahrungen, die ich in den Nachhilfestunden sammeln konnte, hat sich also bei mir ein Interesse für den Umgang mit psychischen Schulproblemen entwickelt und somit auch das Thema dieser Examensarbeit.

1.2 Wege der Bearbeitung

Um zunächst einen groben Überblick über das Thema zu bekommen und um an das Thema heran zu führen, beginne ich mich mit der Frage auseinander zu setzten, was psychische Schulprobleme überhaupt sind.

Im dritten Kapitel meiner Arbeit gehe ich auf drei Beispiele ein, deren Ursachen im psychischen Bereich liegen könnten.

Als nächstes werde ich mich mit den Ursachen für Schulprobleme beschäftigen. Dabei gehe ich besonders auf die Lernstörungen ein, die durch Schule bzw. Lehrer bedingt sein können. Hierunter fallen zum Beispiel ein Lehrerwechsel, der das Lernverhalten eines Schülers verändern kann, oder die Lehrer- Schüler Beziehung, die gestört sein könnte. Denn auch eine gestörte Lehrer- Schüler Beziehung kann Einfluss auf das Lernen eines Schülers haben.

Des Weiteren können Familiensituationen und außerschulische Erziehungsmethoden Lernstörungen verursachen. Daher wende ich mich in 4.2 den gestörten Familiensituationen zu. Dazu gehört auch die Geschwistersituation, die auch Einfluss auf das lernende Kind haben kann.

Als dritten Ursachenbereich werde ich mich mit Entwicklungsstörungen und Verhaltensstörungen befassen, die eine Lernstörung hervorrufen können.

Im fünften Kapitel geht es dann um Diagnosemöglichkeiten. Allerdings dürfen die beschriebenen Diagnosemodelle, nur von Experten, wie Schulpsychologen und Beratungslehrer, durchgeführt werden. Ich werde das medizinische Diagnosemodell und das Modell der Prozessdiagnostik erläutern.

Im 6. Kapitel meiner Arbeit werde ich mich mit der Frage auseinandersetzten, was ein Lehrer selbst tun kann, um seinen Schüler zu helfen. Ein Lehrer muss folgende Punkte beachten um eine Diagnose für ein Schülerverhalten feststellen zu können. Er muss sich mit der Denkentwicklung eines Kindes auseinandersetzen, den Leistungsstand beachten, für Lernmotivation sorgen, Lernstrategien vermitteln, Lerntypen bestimmen und Lernbarrieren erkennen können.

Dieses Kapitel erläutert einige Möglichkeiten, die es einem Lehrer erleichtern sollte, solche Voraussetzungen zu erfüllen.

Im Nächten Kapitel dieser Hausarbeit befasse ich mich mit der Lernförderung und den pädagogischen Maßnahmen. Da ich mich in meiner Arbeit nicht auf spezielle Lernstörungen beschränke, kann ich in diesem Kapitel auch nicht auf konkreten Fördermaßnahmen eingehen. Daher habe ich hier nur einen groben Überblick gegeben. Denn es gibt für jede Lernstörung bzw. Lernhemmung verschiedene Maßnahmen, die auf verschiedene Kinder abgestimmt werden müssen.

Ein Unterpunkt dieses 7. Kapitels ist das „richtige“ Lehrerverhalten. Diesen Punkt habe ich bearbeitet um aufzeigen zu können, wie ein Lehrer sich verhalten könnte um Lernstörungen, die durch den Lehrer bedingt sind, zu vermeiden.

Das 8. Kapitel handelt über den Beratungslehrer. Fachlehrer, die mit Problemen ihrer Schüler überfordert sind, können sich an einen Beratungslehrer wenden. In diesem Kapitel werde ich nur kurz auf die Aufgaben eines Beratungslehrers eingehen und mich im nächsten Punkt auf die Frage konzentrieren, warum gerade in der Grundschule Beratungslehrer gebraucht werden.

Das 9. Kapitel meiner Arbeit ist eine kleine Einführung in die Gesprächsführung. Ich halte diesen Punkt für besonders wichtig, da man als Lehrer immer Gespräche führen muss. Seien es Gespräche mit den Schülern, mit den Kollegen oder mit den Eltern. Da es sich in diesen Gesprächen oft um Probleme in der Schule handeln wird, ist es meiner Meinung nach wichtig, dass sich in diesen Gesprächen keine Missverständnisse entwickeln, die die zwischenmenschliche Kommunikation erschweren.

Eine oft verwendete Gesprächstechnik ist die Kooperative Gesprächsführung. Da sie auch bei Lehrerfortbildungen vermittelt wird, habe ich mich dafür entschieden, diese Technik in meiner Arbeit zu erläutern.

Wie ich oben schon erwähnt habe, wird man als Lehrer viele Gespräche führen müssen. Da es aber unterschiedliche Gesprächspartner gibt, zum Beispiel Eltern oder Schüler, ist es wichtig zu differenzieren. Man sollte Eltern anders begegnen als Schülern. Deswegen werde ich in meiner Hausarbeit auch differenzieren zwischen einem Schüler- Lehrer Gespräch und einem Elterngespräch.

Als Letzten Punkt werde ich auf das Kommunikationsmodell „Die vier Seiten einer Nachricht“ von Friedemann Schulz von Thun eingehen. Ich denke, wenn man nach diesem Modell Gespräche führt, kann man Missverständnissen eher aus dem Weg gehen. Daher habe ich es für richtig gehalten, als Abschluss, diese kleine Einführung in das Kommunikationsmodell von Schulz von Thun zu geben.

1.3 Erklärung der gewählten Begriffe

In meiner Arbeit werde ich nicht differenzieren zwischen männlichen und weiblichen Lehrern. Genauso werde ich nicht die weiblichen Schüler gesondert nennen.

Der Grund dafür ist, dass für mich persönlich mit dem Begriff „Lehrer“ nicht nur männliche Lehrkräfte gemeint sind, sonder auch weibliche.

Für mich ist Lehrer ein Oberbegriff für Menschen, die eine lehrende Tätigkeit ausführen.

Die gleiche Begründung gilt auch für das Wort „Schüler“. Auch unter diesem Begriff verstehe ich, dass Schüler und Schülerinnen gleichermaßen damit gemeint sind.

Lernprobleme können sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen auftreten. Daher habe ich mich dazu entschlossen keine geschlechtsspezifischen Unterschiede zu machen.

Wenn ich aber von einem bestimmten Schüler, oder einer bestimmten Schülerin spreche, werde ich selbstverständlich auch das Geschlecht dieses Kindes berücksichtigen.

2. Was sind psychische Schulprobleme? Versuch einer Definition

Jeder Mensch weiß, was Schulprobleme sind. Entweder sind es die eigenen Erfahrungen oder die Erfahrungen der Freunde und Bekannte.

Oftmals werden Schulprobleme unterschätzt. Sie werden als vorübergehend bezeichnet und nicht weiter beobachtet. Doch werden diese Probleme nicht behoben, kann es zu schwerwiegenden Problemen bei dem Kind führen (vgl. Tarnopol, 1981)

Es gibt viele verschiedene Gründe, die bei den Kindern Schulprobleme verursachen können. Ich werde mich in dieser Arbeit auf die psychischen und neurogenen Ursachen beschränken.

Die schulischen Leistungen eines Kindes können in dreifacher Hinsicht gestört sein. Erstens; das Kind kann den angebotenen Stoff nicht richtig auffassen. Zweitens; das Wiedergeben des Neugelernten funktioniert nur teilweise und drittens; das Kind kann den Stoff nicht einprägen.

Da diese drei Punkte eng miteinander verbunden sind wird ein Schüler, der eine dieser drei Störungen aufweist, auch die zwei anderen nicht von der Hand weisen können (vgl. Singer, 1970).

Allerdings muss hier unterschieden werden, ob der Schüler nicht in der Lage zu „lernen“ ist oder, ob er nur in bestimmten Situationen wie zum Beispiel in Prüfungen „versagt“.

Wenn der Schüler nur in bestimmten Situationen, das Gelernte nicht wiedergeben kann, handelt es sich hier wahrscheinlich um blockierende Prüfungsangst (vgl. Singer, 1970).

Wenn der Schüler aber unabhängig von der Situation, Probleme hat, dann handelt es sich meistens um Lernstörungen oder Lernhemmungen.

Wie ich oben bereits beschrieben habe, gibt es viele verschiedene Ursachen von Schulleistungsstörungen. Diese können auch von der Schule selbst verursacht werden. Ein Lehrer, der zum Beispiel unzufrieden mit sich selbst ist oder Persönlichkeitsprobleme hat, wird in seinem Unterricht mehr Konflikte verursachen als ein gesunder und zufriedener Lehrer.

Ein langweiliger und unter- oder überfordernder Unterricht kann auch eine Ursache für Schulprobleme sein.

Neben den schulischen Ursachen gibt es aber auch Ursachen, die in der gestörten Familiensituation des Kindes zu suchen sind.

Weitere Ursachen sollten beim Kind selber gesucht werden:

Ist das Kind intelligent genug?

Hat das Kind vielleicht ein zu langsames Lerntempo?

Oder vielleicht sogar eine verlangsamte Entwicklung?

Das sind Ursachen die in der Besonderheit des Kindes liegen können.

Nicht zu vergessen sind die organischen bzw. neurogenen Störungen (vgl. Singer, 1970).

Deshalb sollten die Begriffe Lernstörung und Lernhemmung voneinander unterschieden werden, wobei es nicht einfach ist diese beiden Ausdrücke voneinander abzugrenzen.

Nach Correll ist eine Lernstörung „...das Absinken der Lernleistung unter das Niveau, das durch die individuelle psychisch- intellektuelle Begabung und Entwicklung angedeutet wird...“ (Correll, 1976, S. 7). Lernstörung soll also ausdrücken, dass eine Störung des Lernprozesses vorliegt, die in- und außerhalb der Schule vorkommen kann. Der Begriff Lernstörung sagt allerdings nichts über die Ursache der Störung aus. Daher wird davon ausgegangen, dass Lernstörungen seelische und körperliche Ursachen haben können (vgl. Singer, 1970).

Bei Lernhemmungen geht es auch um einen Leistungsabfall, der aufgrund der Allgemeinenentwicklung eines Kindes oder auch seiner Intelligenz nicht erwartet wird. „Lern-„hemmung“ soll jedoch kennzeichnen, dass es sich hier um eine seelische Störung des Lernablaufes handelt.“ (Singer, 1970, S. 30).

Unter Lernhemmung verstehe ich, dass es eine bestimmte Gegebenheit gibt, die einen Menschen - hier einen Schüler- daran hindert etwas auszuüben. Es muss Ereignisse gegeben haben, die einen daran hindern etwas zu tun. Nach Singer sind Lernhemmungen Erscheinungen die den Anschein haben, wieder beseitigbar zu sein.

3. Drei Beispiele für Schulprobleme mit psychischen Ursachen

Im folgende werde ich drei Beispiele für Schulprobleme beschreiben, die eine psychische Ursache haben können.

Da es sehr unterschiedliche Schulprobleme gibt, beschränke ich mich auf einige Beispiele. Die Wahl dieser drei Schulprobleme hat keine besondere Bedeutung. Ich habe sie gewählt, weil sie mich besonders interessieren, und weil ich sie für wichtig halte.

Meiner Meinung nach sind Lernhemmungen, Verhaltensstörungen, Schulunlust und Schulangst von Bedeutung für einen Lehrer, da sich Schulprobleme bestimmt oft auf diese „Störungen“ zurückzuführen lassen.

3.1 Lernhemmungen

Der Begriff der Lernhemmung beschreibt, wie oben schon erwähnt, die Tatsache einer vorübergehenden Blockierung des Lernprozesses durch psychische Faktoren (vgl. Berger, 1989).

Diese Faktoren können zum Beispiel durch eine Familienkrise entstehen. Ein Kind dessen Eltern sich scheiden lassen wollen, sieht das Probleme auf ihn zukommen werden. Es entstehen Konflikte. Es wird diskutiert, wo das Kind zum Beispiel weiterhin leben soll, bei welchem Elternteil es bleiben wird usw. Diese Probleme beschäftigen das Kind in der Situation mehr als seine Schulleistungen. Diese treten für einige Zeit in den Hintergrund. Dabei kann es dann zu Schulproblemen wie Leistungsabfall oder sogar zur Blockade der gesamten intellektuellen Leistungsfähigkeit kommen. Das heißt also, dass auch ein Intelligenztest der zu diesem Zeitpunkt durchgeführt wird, „falsche“ Ergebnisse erbringen würde, da das Kind durch psychische Ursachen einen verminderte Leistungsfähigkeit aufweisen kann (vgl. Berger, 1989).

3.2 Schulunlust bzw. Schulangst

Die Ursache dafür, dass ein Kind mit Unlustgefühlen und Abneigung zur Schule geht liegt meistens in der Umwelt des Kindes.

Die Unlust an der Schule kann durch ein zeitlich begrenztes Erlebnis oder langfristig wirksame Bedingungen hervorgerufen werden.

In der Schule können als Ursache Konflikte mit Lehrern oder Mitschülern eine Rolle spielen. Zuhause können Probleme auftreten, wenn die Lernleistungen nicht von den Eltern anerkannt werden. Eine weitere Ursache ist die Rivalität zwischen Geschwistern (vgl. Berger, 1989). Weitere mögliche Faktoren durch die eine Schulunlust entstehen kann sind Unzufriedenheit mit dem gewählten Schultypus, Ablehnung bestimmter Lerninhalte, Desinteresse an Teilen des Lernstoffes und Entwicklungskrisen. Diese Ursachen können kurzfristig oder auch auf längere Zeit wirksam sein und sich dann auch zu Lernstörungen führen.

Lehrer, Eltern und Mitschüler haben hier die Aufgabe die Ursachen genau zu klären um dann gemeinsam an einer Überwindung der Schulunlust zu arbeiten.

Es ist wichtig die Schulunlust eines Kindes zu therapieren da ansonsten auch schwerwiegendere Lernstörungen auftreten können. Diese wiederum können unter Umständen auch zu Schulverweigerung oder Schulabbruch führen. (vgl. Berger, 1989)

3.3 Verhaltensstörungen

Die Feststellung einer Verhaltesstörung ist keine medizinische Diagnose und auch keine Persönlichkeitseigenschaft eines Kindes. Es ist eine Aussage eines Erwachsenen über ein Kind, das sich in manchen Situationen anders verhält als es von ihm erwartet wird. Sein Verhalten weicht also von einem zu erwartenden „Normalverhalten“ (Berger, 1989, S. 57) ab.

Verhaltensstörungen sind immer bedingt durch die Beziehung von einem Kind zu seiner Umwelt. Denn es gibt Kinder die mit dem einen Lehrer sehr gut zurecht kommen und bei ihm gut lernen und bei einem anderen Lehrer zum Beispiel den Unterricht stören oder einfach unerträglich sind. Ein anderes Kind was in der Schule ruhig und unauffällig ist, kann in anderen Bereichen des Lebens immer wieder in Konflikte und aggressive Auseinandersetzungen mit anderen verwickelt sein.

Die gestörte Beziehung eines Kindes zu seiner Umwelt muss nicht immer aktuell sein. Es ist auch möglich, dass ein Kind durch frühere Erlebnisse oder Lebensbedingungen geprägt ist und, dass durch die Verarbeitung dieser Erlebnisse auch Verhaltesstörungen beim Kind hervorgerufen werden können.

Man darf also nicht vergessen, dass jedes Verhalten eines Kindes egal ob es normal oder gestört ist eine Ursache hat. Diesen Kindern kann nur geholfen werden, wenn man nach Ursachen im Leben des Kindes sucht und diese dann durch gemeinsames Handeln mit dem Kind zu verändern versucht.

Verhaltensstörungen im Unterricht zeichnen sich durch verschiedene Formen aus. Unruhe, Aggressivität, Disziplinlosigkeit und Widerstand gegen Autoritätspersonen sind schneller erkannt als Kontaktschwierigkeiten eines Kindes, einen Rückzug aus dem Unterricht und Inaktivität des Schülers.

Man muss allerdings berücksichtigen, dass beide Formen dazu führen können, dass das Lehrer- Schüler Verhältnis gestört wird. Zusätzlich kann es dazu kommen, dass die Schüler dem Unterricht nicht mehr konzentriert folgen können und somit auch Lernschwierigkeiten entstehen. Hinzu kommt, dass die gestörte Beziehung zum Lehrer sich so negativ auswirken kann, dass der Lehrer eine Abneigung diesem Schüler gegenüber entwickelt. Diese Abneigung kann sich dann auch direkt oder indirekt in den Leistungsbeurteilungen widerspiegeln (vgl. Berger, 1989).

4. Psychische Ursachen für Schulprobleme

Laut Keller wurden nach Schätzungen schon um 1989 20% der Schüler als verhaltensproblematisch bezeichnet.

Lehrer die Probleme im Unterricht lösen möchten, müssen als erstes nach Ursachen suchen und sich mit diesen auseinandersetzten. Zu den typischen Ursachen gehören aus psychologischer Sicht vor allem Entwicklungsstörungen, Familienprobleme, schulische Fehler und organische Störungen.

Da ich mich mit psychischen Schulproblemen beschäftige, werde ich auf organische Störungen in dieser Arbeit nicht genauer eingehen.

4.1 Durch die Schule bzw. den Lehrer bedingte Lernstörungen

Im Folgenden werde ich mich mit den Ursachen für Schulprobleme, die durch die Schule bzw. den Lehrer bedingt sind, beschäftigen. Da es viele verschiede Verursachungsformen gibt, beschränke ich mich auf einige Beispiele:

4.1.1 Der Lehrerwechsel

Gerade in der Grundschule ist es für Kinder wichtig eine gute Beziehung zum Lehrer zu haben. Grundschüler lernen aus einer „sekundären Motivation“ (Correll, 1976, S. 13) heraus. Ihr Ziel ist es dem Lehrer zu gefallen in dem sie ihm gehorchen und aufmerksam dem Unterricht folgen. Das sachliche Interesse am Unterricht wird meistens erst an weiterführenden Schulen entwickelt.

Noch besser lernt das Kind, wenn ihm sein Lehrer sympathisch ist und er das Gefühl hat auch von seinem Lehrer gemocht und akzeptiert zu werden. Im Umgekehrten Fall hat das Kind keine Motivation sich im Unterricht anzustrengen.

Wenn ein Schüler seine bisherige Sympathie für den Lehrer verliert oder er einen neuen Lehrer bekommt, mit dem das „Zusammenleben“ nicht ganz so einfach ist wie mit dem alten Lehrer, können beim Kind Lernstörungen auftreten (vgl. Correll, 1976).

Vor allem nach einem Lehrerwechsel steigt die Zahl der Schüler mit Lernstörungen an. Sie können dann behoben werden, wenn der Lehrer die Sympathie der Schüler gewinnt.

Dazu möchte ich das Beispiel von Katja anführen:

Katja ging immer gerne zur Schule wegen ihrer Klassenlehrerin Frau Burg, an der Katja sehr hing. Katja war im Unterricht immer sehr aufmerksam und half ihrer Lehrerin wo sie nur konnte. Manchmal vertrat sie sogar Frau Burg, wenn diese kurzfristig aus dem Unterricht gerufen wurde. Katjas Mitschüler akzeptierten Katjas Rolle in der Klasse, da sie ihre Position auch nicht ausnutzte.

Wenn Katja nach der Schule nach Hause kam, erzählte sie immer begeistert von der Schule. Sie brachte immer gute Noten mit und bekam dafür von ihrer Familie und Freunden Anerkennung und Lob.

Dann veränderte sich das Mädchen. Sie wurde verschlossener, erzählte nicht mehr von der Schule und ihre Note sang von „gut“ auf „ausreichend“.

Die Ursache für diese plötzliche Veränderung und den Leistungsabfall lagen darin, dass Frau Burg umgezogen war und Katja und ihre Klasse nun Frau Ilsemann als Klassenlehrerin hatten.

Da Frau Ilsemann sich unsicher fühlte, weil ihre Klasse sie immer mit ihrer Vorgängerin verglich, wollte sie sehr gerecht sein und keines der Kinder bevorzugen. Dabei bemerkte sie nicht, dass Katja mehr Aufmerksamkeit benötigte. Katjas freundliche Dienste wie das Helfen beim Bücher oder Hefte tragen, wurden von ihrer neuen Lehrerin freundlich abgelehnt. Am Anfang hatte sich Katje oft gemeldet, jedoch ohne eine Antwort geben zu können. Nach einiger Zeit nahm Frau Ilsemann sie nicht mehr so häufig dran, da sie sie vor der Klasse nicht bloßstellen wollte. Frau Ilsemann sah Katjas Verhalten als Übereifer und nicht angemessen zu ihren Leistungen. Der Gedanke wurde durch die letzte Klassenarbeit auch bestätigt (vgl. Heyder,1985).

Der Lehrerwechsel brachte für Katja also negative Veränderung mit sich. Frau Burg war für sie gleich nach ihren Eltern eine wichtige Bezugsperson, von der sie sich angenommen fühlte. Die Zuneigung ihrer Lehrerin gegenüber war eine große Motivation für das Mädchen.

Nach den Lehrerwechsel musste Katja nicht nur den Verlust einer wichtigen Bezugsperson verkraften, sondern spürte auch zusätzlich Unsicherheit die zu Angst führte. Denn durch die gut gemeinte Neutralität der neuen Lehrerin fühlte sich Katja von ihr abgelehnt.

Diese Ablehnung führte zu einer Unsicherheit und wiederum zu Angst. Wie oben beschrieben meldete sich die Schülerin zu Anfang noch oft, doch wenn sie dann drangenommen wurde, konnte sie aus Angst, etwas falsches sagen zu können, plötzlich nicht mehr auf die Frage ihrer Lehrerin antworten.

Katja merkte, dass sich ihre Stellung in der Klasse auch veränderte. Ihre Mitschüler lachten sie aus, wenn sie an der Reihe war und nicht antworten konnte.

Katja traute sich nun selber nichts mehr zu. Sie litt unter Versagensängsten, da sie auch Angst hatte wegen ihrer schlechteren Noten die Achtung und Liebe ihrer Eltern verlieren zu können. Dazu kommt, dass Katja durch ihre schlechten Noten ihre Zweifel an sich selbst bestätigt sieht (vgl. Heyder, 1985).

Das oben angeführte Beispiel von Katja, ist eines von vielen möglichen Ursachen für Schulversagen. Dieser Fall zeigt, dass die schulischen Probleme durch einen Lehrerwechsel hervorgerufen werden können.

4.1.2 Beziehungen im Unterricht: Lehrer- Schüler Beziehung

Das Lehrer- Schüler- Verhalten steht in einer wechselseitige Beziehung zueinander. Das Schülerverhalten wird beeinflusst von dem Verhalten seines Lehrers. Aber umgekehrt wird auch das Verhalten eines Lehrers von dem seinen Schüler beeinflusst. Denn ein Lehrer muss handeln und auf das Verhalten seiner Schüler reagieren.

Deshalb ist es wichtig zu sagen, dass Schulleistungsprobleme aber auch gute Schulleistungen nie alleine vom Lehrer abhängen. Es sind immer beide Seiten beteiligt. Allerdings ist der Anteil des Lehrers immer etwas größer als die seiner Schüler (vgl. Louis, 1976).

Nach Correll ist das Verhältnis vom Schüler zu seinem Lehrer ein wichtiger Einflussfaktor auf die schulischen Leistungen eines Kindes. Durch eine gestörte Lehrer- Schüler Beziehung, können gestörte Einstellungen der Schüler zum Lehrer entstehen.

Es gibt drei Grundformen der Lehrer- Schüler Beziehung: die laissez- faire Form, die autoritäre und die demokratische Form.

Das Laissez- faire Verhalten des Lehrers zeichnet sich dadurch aus, dass der Lehrer die Rolle des Beobachters einnimmt, der passiv ist und die Kinder so handeln lässt wie sie selber es für richtig halten. „Er zieht sich auf den Standpunkt der „negativen Pädagogik“ zurück und vertraut der immanenten Weisheit des unbeeinflussten Entfaltungsprozesses der Kinder...“ (Correll, 1976, S. 17).

Auf diese Weise erhalten die Schüler nur sehr wenig Hilfe vom Lehrer und haben aber auch die Möglichkeit andere beim Lernen im Unterricht zu stören. Dadurch wird es in der Klasse chaotisch unruhig und unstrukturiert werden, was wiederum das Lernen beeinträchtigen kann. Diese Beeinträchtigung wirkt sich auch auf lange Sicht gesehen auf das Lernverhalten der Schüler aus und sie bekommen eine generelle Abneigung gegen das Lernen (vgl. Correll, 1976).

Kinder verlangen eine geordnete Arbeitsgruppe und möchten sich in dieser auch geborgen fühlen. Da diese Forderungen der Kinder bei einem laissez- faire Verhalten des Lehrers nicht erfüllt werden, können bei dem Kind emotionale Fehleinstellungen entstehen die Lernstörungen hervorrufen könnten.

Das autoritäre Verhalten eines Lehrers ist genau das Gegenteil zum laissez- faire Verhalten.

Bei dem autoritären Erziehungsstil steht der Lehrer im Mittelpunkt des Unterrichtes. Die Klasse ist nur auf den Lehrer ausgerichtet und hat sehr wenig oder kaum eigenen Handlungsmöglichkeiten.

Die Schüler müssen sich also ihrem Lehrer fügen und ihm gehorchen. Wenn ein Schüler nicht gehorcht, wird dieser bestraft. Dadurch verhindert der Lehrer, dass seine Schüler selbstständig werden und auch selbstständig Denken.

Da den Kindern ein autoritäres Verhalten vorgelebt wird, übernehmen sie diese Umgangsformen auch im Umgang mit ihren Mitschülern. Sie verhalten sich egoistisch, ängstlich und misstrauisch, denn sie wollen dem Lehrer mit guten Leistungen imponieren und wissen, dass eigene Leistungen dann höher bewertet werden, wenn andere schlechtere Leistungen erbringen.

Dieses egozentrische Verhalten der einzelnen Schüler führt zu einem Zusammenbruch des Lernprozesses und zu dem Fall der sozialen Bindungen innerhalb der Klasse. Dies wiederum kann dazu führen, dass die Kinder keine Lust auf das Lernen in der Schule mehr haben. Obwohl die Schüler immer wieder versuchen ihrem Lehrer durch gute Leistungen zu imponieren und nach Annerkennung streben, wird das Selbstwertgefühl vieler Schüler durch den autoritären Erziehungsstil des Lehrers gestört sein. Diese Kinder haben oftmals Angst vor der Schule.

Laut Correll konnte Nedelsky zeigen, dass „ Angstzustände, lähmende Depressionen und andere emotionale Störungen, die zu empfindlichen Lernstörungen führen,“ dort auftreten, „wo der Lehrer eine autoritäre Einstellung zur Klasse vertritt...“ ( Correll, 1976, S. 19).

Das demokratische Lehrerverhalten ist laut Correll „die optimale Bedingung für das Lernen“ (Correll, 1976, S. 19) der Schüler.

[...]

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Umgang mit psychischen Schulproblemen in der Grundschule
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
89
Katalognummer
V59515
ISBN (eBook)
9783638534307
ISBN (Buch)
9783640386345
Dateigröße
606 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umgang, Schulproblemen, Grundschule
Arbeit zitieren
Arzu Getboga (Autor:in), 2005, Umgang mit psychischen Schulproblemen in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59515

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Umgang mit psychischen Schulproblemen in der Grundschule



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden