Konversationsanalyse: Argumentieren in Gesprächen - am Beispiel der Sendung "Sabine Christiansen"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Teil
2.1. Theoretische Grundlagen
2.1.1. Konflikte
2.1.2. Dissenssequenzen
2.2. Anwendung / Empirischer Teil
2.3. Vorwurfsaktivitäten

3. Praktischer Teil
3.1. Grundlage des Beispiels
3.2. Interpretation des Beispiels

4. Schlusswort

5. Literaturangabe

6. Anhang: Transkript der Sendung „Sabine Christiansen“ vom 15.

Februar 2004

1. Einleitung

„Geschwätzige Republik“ - so titelte vor einiger Zeit eine große deutsche Tageszeitung und weiter hieß es im Text: „Auf allen Kanälen wird gequatscht, ständig prasseln Statements, Talks und Interviews auf die Zuschauer ein, permanent ist Wahlkampf. Betroffenheit, Skandale, Forderungen nach Entschuldigungen und Entschuldigungen selbst lösen sich im Minutentakt ab.“[1]

Angesprochen wird hierbei die Flut der Talkrunden, die derzeit das Fernsehprogramm bestimmen, sei es politischer oder rein unterhaltsamer Natur.

Verbale Kommunikation ist das optimale Werkzeug für Medien und Politik, um zu vermitteln und zu informieren, aber auch um abzugrenzen und zu spalten. Sie vermittelt Inhalte ebenso wie Emotionen, kann verbinden und trennen. TV-Politik-Talkrunden spielen eine immer wichtiger werdende Rolle für die propagandistische Verbreitung von politischen Ideologien. Dies liegt vor allem in der Fähigkeit der Massenmedien begründet, Meinungen zu bilden und zu verbreiten.

Die Politik-Talkshow „Sabine Christiansen“ erhebt den Anspruch für sich Informationen zu vermitteln und das Wichtige deutlich zu machen.

Wöchentlich wird auf dieser Plattform diskutiert, gestritten und um die Gunst des Publikums geworben. Welcher kommunikativer Mittel die Teilnehmer sich dabei bedienen und aufgrund welcher Merkmale man Streitgespräche erkennen kann, soll in dieser Arbeit aufgezeigt werden.

Dabei wird neben den Merkmalen, die Streitgespräche aufweisen, auch das kommunikative Stilmittel des Vorwurfs zuerst theoretisch und anschließend am praktischen Beispiel erläutert. Mit Hilfe eines Transkriptes wird die Sendung „Sabine Christiansen“ vom 15.02.2004 mit dem Titel „Praxisgebühren und Rentenklau: Bleibt Müntes SPD auf Schröders Kurs?“ untersucht.

2. Theoretischer Teil

2.1. Theoretische Grundlagen

2.1.1. Konflikte

Definierende Merkmale für Konfliktsituationen:

Erste Voraussetzung für einen Konflikt sind mindestens zwei Parteien, die jeweils darauf ausgerichtet sind, die andere(n) Partei(en) zu zerstören, zu verletzen oder anders zu kontrollieren. Meist entstehen Konflikte aus Positions- und/oder Ressourcenknappheit, das heißt, dass Konfliktrelationen immer Versuche beinhalten, Kontrolle über knappe Ressourcen und Positionen zu erhalten oder das Verhalten in eine ganz bestimmte Richtung zu lenken. Machterhaltung oder –ausübung zählen zu den wesentlichen Zielen eines Konflikts. Dies verdeutlicht, dass in einer Konfliktrelation eine Partei nur auf Kosten der anderen zum Erfolg kommen kann.

„Konfliktrelationen stellen einen grundlegenden sozialen Interaktionsprozess dar und keinen Zusammenbruch eines anderenfalls regulierten Verhaltens, sondern lediglich einen Wechsel der herrschenden Normen und Erwartungen.“[2]

Konfliktmanagement (nach Galtung):

Das Konfliktmanagement, welches von Systemen entwickelt wird, wird dazu gebraucht, um die Kosten des Konflikts unter einer bestimmten erträglichen Marke zu halten.

Man unterscheidet zweierlei Arten:

1. Verhaltenskontrolle: Dabei wird das Verhalten der beteiligten Parteien (oder derer Delegierten) durch die Formulierung von Regeln kontrolliert;
2. verschiedene Arten der Konfliktlösung: Die Konfliktlösung ist ein Prozess, der das Handlungssystem in einen Zustand überführt, in dem die Bedingungen für einen Konflikt (d.h. unterschiedliche Ziele) nicht mehr länger gegeben sind. Eine Lösung kann von der vorbehaltlosen Zustimmung, über den Kompromiss bis zur Auslöschung einer Konfliktpartei führen.

Konflikte haben immer eine Dynamik, die durch die unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten über bestimmte normative Sachverhalte in Gang gehalten wird und erst dann enden, wenn eine Übereinstimmung hergestellt ist.

Konfliktlösungsarten

Konflikt wird als das „Konzept einer allgemeinen soziologischen Handlungstheorie“[3] gesehen und auch als solches beschrieben. Bei der verbalen Konfliktaustragung bewegen sich die Konfliktparteien aber nicht mehr im Rahmen ihrer allgemeinen Handlungskompetenz, sondern sind den bestimmten Einschränkungen und Verpflichtungen unterworfen, die die Verwendung von Sprechhandlungen mit sich bringen. Die Konfliktparteien müssen also die Gesprächsregeln akzeptieren, wodurch sie in ihrem Handlungsspielraum eingeengt sind. Die verbale Konfliktausübung ist eine Teilklasse aller möglichen Arten von Konfliktbewältigung, innerhalb derer es wiederum auch weitere Unterscheidungsmöglichkeiten gibt. Zeichnet sich der Gesprächsverlauf durch Sachorientierung aus und weist damit auch die Kriterien für eine Argumentation auf, dann spricht man von der sozial-produktiven Konfliktlösung. Wird der Gesprächsverlauf heftiger, indem die Gesprächspartner ihren Standpunkt ohne Rücksicht auf den des Anderen durchzusetzen versuchen, ist von einer sozial-reduktiven Konfliktlösung die Rede. Zu dieser Konfliktlösung kommt es meist dann, wenn nicht ein Sachthema zur Diskussion steht, sondern wenn es primär um die Beziehungsebene und das Aushandeln von Identitäten geht.

Eine andere Konfliktlösungsstrategie liegt im Verlassen der Situation durch eine Konfliktpartei und endet damit im Gesprächsabbruch.

In jedem Gespräch können aber auch Konflikte über die Gesprächsregeln selbst, bzw. deren Einhaltung auftreten.

Des weiteren können verbale Konfliktaustragungen auch materielle Folgen nach sich ziehen, wie beispielsweise bei Gerichtsprozessen.

Emotionen und ihre Rolle bei der verbalen Konfliktaustragung

Konflikte, die verbal ausgetragen werden, entzünden sich meist an Normenverstößen von Gesprächsteilnehmern in den Bereichen Weltwissen, Rollenbeziehungen und Regeln der Gesprächsorganisation. Zwangsläufig treten dabei Emotionen auf. Bei Oatley (1992) werden diese als „Kontrollsignale“ bezeichnet, da es in dissenten Sequenzen immer um gegensätzliche Handlungen und Ziele geht. Man kann auch die Intensität und Ausdrucksmodalität bei solchen Emotionen bestimmen: Je eher die Identität einer Person bedroht ist, desto intensiver ist die Emotion. Verstöße gegen inhaltliche Kommunikationsaspekte werden also nicht so schnell zu Dissens führen wie Verstöße gegen den interpersonellen Kommunikationsaspekt. Die Intensität von Dissensen, die sich an der Gesprächsorganisation entzünden, tendieren meist dazu, von Beginn an emotionaler zu sein als andere. Die am häufigsten auftretende Emotion ist Wut. Der Emotionsausdruck findet meist auf der para- oder nonverbalen Ebene statt, wozu Gestik, Mimik und Intonation zählen.

Rollenpositionen der Gesprächteilnehmer:

Die teilnehmenden Personen einer Diskussion handeln weniger als Individuen, sondern vielmehr als Vertreter unterschiedlicher Rollenpositionen. Rollen sind „als eine Verbindung einer sozialen Identität und Einzelhandlungen charakterisierbar“ (Balog 1989)[4]. Somit lässt sich das kommunikative Handeln auch auf die Realisierung von Rollenerwartungen durch die Handelnden zurückführen. Rollenhandeln lässt sich dabei unter dem Aspekt der Rollenerwartungen, die die Interaktanten sich gegenseitig entgegenbringen, ebenso charakterisieren, wie unter dem der Selbstdarstellung. Das heißt zum einen, dass Interaktanten das Verhalten der anderen auf dem Hintergrund unterschiedlicher Rollenerwartungen, die sie an diese richten, interpretieren und zum anderen, dass auch ihr eigenes Handeln jene Rollenkonzeption wiederspiegelt, die sie von sich selbst haben.

Das Individuum hat nicht immer nur eine einzige Rolle inne, sondern es können sich unterschiedliche Rollenaspekte im Handeln einer Person überschneiden bzw. überlagern. Es gibt also zum einen die Rollenerwartung, die jedem Teilnehmer aufgrund seiner Position zum Thema entgegengebracht wird und zum anderen die interaktiv entstehenden gruppendynamisch bedingten Koalitions- und Kontrahentenstrukturen zwischen den Teilnehmern. Dazu kommen noch extrasituationale Rollenaspekte das heißt, dass jeder Gesprächsteilnehmer auch außerhalb der aktuellen Situation Teil einer bestimmten sozialen Gruppe bzw. Subkultur ist. Damit lassen sich unterschiedliche Rollen erkennen:

Situationsunabhängige Rolle

Statusrolle

Interaktionsrolle

2.1.2. Dissenssequenzen

Die Dissensorganisation in Gesprächen

Die Dissensorganisation stellt eine Modifikation der allgemeinen gesprächsstrukturierender Prinzipien dar, indem sie sich nicht nur durch den typischen Wechsel in der Präferenzorganisation festmachen lässt, sondern sich auch auf der Ebene der Turnvergaberegeln charakterisieren lässt.

„Die Dissensorganisation eines Gespräches tritt nicht erst einige Zeit nach dem Beginn einer dissenten Sequenz auf, sondern lässt sich auch auf der Ebene der Turnvergaberegeln festmachen.“[5]

Folgende Merkmale kennzeichnen die Dissensorganisation in einem Gespräch:

1. Es treten keine Markierungen von Nichtübereinstimmungs-äußerungen auf, Nichtübereinstimmung wird bevorzugt.
2. Sprecherwechsel treten an disagreement relevance places auf und nicht wie bei konsensuellen Gesprächen an transition relevance places – die Regeln werden in der Dissensorganisation also systematisch verschoben.
3. Es tritt ein erhöhtes Ausmaß an formaler Kohäsion zwischen aufeinanderfolgenden Äußerungen auf – d.h. inhaltliche Anschlüsse werden besonders markiert.

Wenn mindestens zwei der hier aufgeführten Merkmale auftreten, kann man von einem Übergang in die Dissensorganisation sprechen. Mit diesen Merkmalen ist es also möglich, die Dissensorganisation nicht nur inhaltlich, sondern auch gesprächsstrukturell zu definieren. Die Dissensorganisation zeichnet sich zudem durch ein höheres Maß an Unterbrechungen bzw. durch Überlappungen gekennzeichnete Phasen aus. Unterbrechungen sind dadurch charakterisiert, dass der Sprecher, der gerade nicht am Wort ist, den anderen in seinem Redeturn stört, speziell an einer Stelle, die kein Transition Relevance Place ist. Die Unterbrechung kann dann erfolgreich sein, wenn der andere seinen Turn abbricht oder es kommt zu einer Phase des Simultanredens, wenn der andere Sprecher seinen Turn nicht beendet. Unterbrechungen in Konfliktgesprächen haben eine doppelte Funktion: sie machen zum einen dem Kontrahenten das Rederecht streitig und zum anderen markieren sie inhaltliche Relevanzpunkte in der gegnerischen Argumentation, die dann im eigenen Turn aufgegriffen und bearbeitet werden können. Gerade in politischen Talkrunden wie dem folgenden Beispiel der Sendung „Sabine Christiansen“ wird dies besonders deutlich.

Zusammenfassend und vereinfacht lässt sich sagen, dass die Dissensorganisation von Gesprächen in Bezug auf die Beziehungsgestaltung hauptsächlich darauf ausgerichtet ist, das eigene Image zu bewahren und das des Kontrahenten zu bedrohen.

Dissensorganisation, Widerspruchs- und Vorwurfssequenzen

Widerspruchs- und Vorwurfssequenzen definieren sich dadurch, dass ein Kontrahent zwar eine Nichtübereinstimmung mit dem Standpunkt des anderen anzeigt, seinen eigenen jedoch nicht weiter ausführt. Die Widerspruchs- und Vorwurfssequenzen heben sich also von der Dissensorganisation ab, doch trotzdem leiten Widersprüche häufig dissente Sequenzen ein, bei denen jedoch dann beide Kontrahenten ihre Standpunkte darstellen. Auch Vorwürfe sind in der Lage eine Dissensorganisation einzuleiten, da die Zurückweisung durch den Adressaten für den ersten Sprecher zur Folge hat, dass er, will er sich als konsequente Persönlichkeit erweisen, auf seiner ursprünglichen Äußerung beharren wird.

[...]


[1] Frankfurter Rundschau vom 31.03.2004, Seite 27 (Rubrik: FR PLUS) „Geschwätzige Republik“

[2] Gruber, Helmut (1996), Seite 17.

[3] Gruber, Helmut (1996); Seite 36.

[4] Gruber, Helmut (1996), Seite 47.

[5] Gruber, Helmut (1996), Seite 60.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Konversationsanalyse: Argumentieren in Gesprächen - am Beispiel der Sendung "Sabine Christiansen"
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Hauptseminar Konversationsanalyse
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V57736
ISBN (eBook)
9783638520874
ISBN (Buch)
9783656791508
Dateigröße
491 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Verbale Kommunikation ist das optimale Werkzeug für Medien und Politik, um zu vermitteln und zu informieren, aber auch um abzugrenzen und zu spalten. Sie vermittelt Inhalte ebenso wie Emotionen, kann verbinden und trennen. TV-Politik-Talkrunden wie beispielsweise "Sabine Christiansen" spielen eine immer wichtiger werdende Rolle für die propagandistische Verbreitung von politischen Ideologien. Dies liegt vor allem in der Fähigkeit der Massenmedien begründet, Meinungen zu bilden und zu verbreiten.
Schlagworte
Konversationsanalyse, Argumentieren, Gesprächen, Beispiel, Sendung, Sabine, Christiansen, Hauptseminar, Konversationsanalyse
Arbeit zitieren
Diplom Soziologin Sarah Kuhnert (Autor:in), 2004, Konversationsanalyse: Argumentieren in Gesprächen - am Beispiel der Sendung "Sabine Christiansen", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/57736

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