Darstellung und Funktion von Tierfiguren im Werke Franz Kafkas - exemplarisch aufgezeigt an ausgewählten Erzählungen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

18 Seiten, Note: 2,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Tiere als Träger menschlicher Eigenschaften am Bsp. der Fabel

3. Die Tiere Franz Kafkas
3.1 Tier und Mensch innerhalb einer Erzählung
3.1.1 „Die Verwandlung“
3.1.2 „Schakale und Araber“
3.2 Die reinen Tiererzählungen
3.2.1 “Josefine, die Sängerin, oder das Volk der Mäuse“
3.2.2 “Der Bau”

4. Der Hintergrund in Kafkas Leben

5. Schlussbetrachtung

1. Einleitung

Tiere haben nicht nur in unserem alltäglichen Leben, sondern auch in der Literatur einen festen Platz. Sie tauchen häufig in Erzählungen und Werken auf, doch in den seltensten Fällen haben sie tatsächlich eine Wirkung oder einen Einfluss auf den Verlauf des Geschehens. Meist sind sie nur „Beiwerk“, um die Geschichte realistischer zu gestalten.

Im Gegensatz dazu stehen Kafkas Tierfiguren in vielen seiner Erzählungen im Mittelpunkt. Ohne sie wäre die Aussage, die er treffen möchte, nicht möglich. Dabei sind seine tierischen Darstellungen allerdings nicht immer direkt zu verstehen und einfach einer Funktion zuzuordnen. Der Autor vereint in seinen Erzählungen Elemente der Fabel mit denen der Parabel und schafft eine mysteriöse Gegenwelt zum rein Menschlichen, mit der er die Leser in seinen Bann zieht. Den geistigen Hintergrund bildet meiner Meinung nach vor allem die Industrialisierung, bei der die Arbeit, die Produktivität und die damit einhergehende Entindividualisierung des Menschen das neue Zentrum der Gesellschaft bilden. Auf diesen Gegensatz und die daraus resultierende Spannung bauen Kafkas Werke. Die Tiere helfen ihm dabei, die gewünschte Wirkung zu erzielen. Besser wahrscheinlich, als Menschenfiguren dies jemals könnten.

In der vorliegenden Arbeit möchte ich nun zunächst die allgemeine Rolle der Tierfiguren in der Literatur am Beispiel der Fabel und Parabel analysieren und ihre Funktion herausfinden. Im Anschluss sollen einzelne Erzählungen Kafkas, die tierische Elemente enthalten, eben auf die Funktion ihrer Hauptfiguren untersucht und eine mögliche Deutung aufgezeigt werden. Dabei werde ich mich hauptsächlich auf die im Seminar behandelten Texte mit tierischem Inhalt konzentrieren, um diese möglichst umfassend behandeln zu können. Hinzu nehmen werde ich lediglich noch die thematisch wichtige Erzählung „Die Verwandlung“, die als eines der bekanntesten Werke Kafkas besonders viel Angriffsfläche für das zu behandelnde Thema bietet.

2. Tiere als Träger menschlicher Eigenschaften am Bsp. der Fabel

Eigentlich sollten menschliche Eigenschaften doch am Besten an Menschen selbst exemplarisch aufgezeigt werden können – denkt man für gewöhnlich. Warum dies jedoch anhand von Tierfiguren noch besser gelingen kann, beweist die Fabel.

In einer reinen Tiererzählung (lat. fabula: das Erdichtete[1]) ist der Mensch völlig von der Bildfläche verschwunden. Lediglich die menschliche Sprache wird den Tieren verliehen, um sie uns verständlich zu machen. Die Aufgabe der Fabel ist es, zu belehren und denjenigen überzeugen, der nicht verstehen will. Allein durch tierische Charaktere werden so alltägliche, menschliche Eigenschaften problematisiert und hervorgehoben, wobei die gewünschte Wirkung aus der Kürze und Pointiertheit resultiert. Je länger die Erzählung, umso mehr verblasst die eigentliche Intention. Erst durch das Überraschungsmoment am Ende wird der Leser zum Umdenken gebracht.

Doch warum schlüpfen überhaupt Tiere in die Rolle der Hauptakteure, um gerade menschliche Eigenschaften zu verkörpern? Das klingt zunächst paradox. Ein Grund dafür ist, dass das Tier seinen Charakter offen nach außen trägt. Es ist nicht durch Mimik und Gestiken in der Lage sich zu verstellen und somit eine andere Rolle als die seine zu spielen. So steht beispielsweise die Elster im Allgemeinen für das Diebische, der Hund für Treue gegenüber seinem Herren. Sie repräsentieren also durch ihr instinkthaftes Verhalten bestimmte Eigenschaften und führen uns diese deutlich vor Augen. Eben dadurch, dass die Tiere ausschließlich ihrem Instinkt gemäß handeln, ist ihr (reflektionsloses) Tun keiner Moral unterworfen. Bei Tieren gibt es daher kein „gutes“ und „böses“ Verhalten. Sie haben nicht die Wahl, sondern handeln nur wie die Natur es für sie vorsieht. Somit ist ihre Entscheidungsfreiheit sehr eingeschränkt. Genau dies ist es, was dem Leser seine eigene Freiheit vor Augen führen und so zum Umdenken veranlassen soll.

Mithilfe der Tierfiguren kann also das Tierische im Menschen dargestellt werden (Habsucht, Geiz, List etc.). Es gibt mehrere Vorteile, die sich durch diese Darstellung offenbaren: zum einen betrachtet der Mensch das Tier mit einem größeren Abstand, als er es bei einer reinen Menschen-Erzählung tun würde. Er entwickelt so eine objektivere Sichtweise auf das Geschehen und kann es besser und in gewissem Grade objektiver beurteilen. Die Aufmerksamkeit des Lesers wird durch das „Wunderbare“, den Reiz der tierischen Akteure, hervorgerufen, so Dithmar, der nach Johann Jacob Breitinger zitiert[2]. Zum anderen wird das Dargestellte auf eine fiktive Ebene gehoben, wodurch der aufgezeigte Einzelfall einen exemplarischen Charakter erhält. Der Reiz der Tiere einer Fabel liegt eben darin, dass ihre Hauptakteure Zwischenwesen sind – nicht ganz Mensch und nicht ganz Tier.

3. Die Tiere Frank Kafkas

Wilhelm Emrich sieht die tierischen Figuren Kafkas als Erzeuger einer gewissen Sphäre und Stimmung. Sie vertreten das verdrängte, ursprüngliche „Ich“ des Menschen, dessen er sich nicht (mehr) bewusst ist. Daher dienen die Tiere dem Autor dazu, die Verbindung des „Universellen“ mit dem „wahren Selbst“ darzustellen.[3] Wie Franz Kafka dies schafft und was er damit beim Leser erreicht, soll im Folgenden das Thema sein und anhand mehrerer Erzählungen und Werke Kafkas aufgezeigt werden.

3.1 Tier und Mensch innerhalb einer Erzählung

In diesen Erzählungen spielt der Mensch zwar nach wie vor einen wichtigen Part, jedoch wird er von den auftauchenden Tierfiguren enorm beeinflusst. Erst durch sie entdeckt der Mensch sein bislang verborgenes Ich, welches er eben durch das Auftauchen der Tiere nicht länger verdrängen kann. So helfen die tierischen Figuren dem Menschen bei seiner Selbsterkenntnis, wie es sonst kein anderer könnte.

3.1.1 „Die Verwandlung“

Dass Tierrollen eine befreiende Funktion innerhalb einer Erzählung haben können, lässt sich exemplarisch anhand der Interpretation von Kafkas „Die Verwandlung“ aufzeigen, wo der Protagonist Gregor Samsa des Nachts zu einem „ungeheuren Ungeziefer“[4] verwandelt wird. Diese Transformation geschieht einfach mit ihm und wird nicht von Samsa selbst herbeigesehnt, oder auch nur gewünscht. Deshalb ist er auch sehr befremdet, als er als insektenartiges Wesen erwacht. Gregor realisiert das Geschehen nicht in seiner gesamten Reichweite und akzeptiert seinen Zustand in keiner Weise. So ist es nicht verwunderlich, dass er weiterhin über berufliche Belange nachdenkt und sogar eine Geschäftsreise plant. Bereits hier wird dem Leser deutlich gemacht, dass Samsa mit seinem Beruf äußerst unzufrieden ist (sehr typisch für Kafkas menschliche Hauptcharaktere). Daraus resultierten auch die „unruhigen Träume [ n ] “[5] in der Nacht. Er jammert über seinen Job und kalkuliert, wie er am schnellsten aus der Firma aussteigen und sich selbstständig machen kann. Was er jedoch anstelle dessen machen will, bleibt unklar. So ist hier die Unzufriedenheit mit der aktuellen Situation erkennbar, die schnellstmöglich beseitigt werden soll, doch in Anbetracht der andersartigen Zukunft tritt nur Verwirrung und Planlosigkeit..

[...]


[1] Dithmar, Reinhard: Die Fabel. Geschichte × Struktur × Didaktik. UTB für Wissenschaft. Ferdinand Schöningh. Paderborn. 1997. S. 163

[2] Dithmar, Reinhard: Die Fabel. Geschichte × Struktur × Didaktik. UTB für Wissenschaft. Ferdinand Schöningh. Paderborn. 1997. S. 198

[3] Emrich, Wilhelm: Franz Kafka. Dritte Auflage. Athenäum Verlag. Frankfurt am Main. 1964. S. 115

[4] Kafka, Franz: «Die Verwandlung». Achte Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag. Hrsg.: Joseph Kiermeier-Debre. Leipzig. 1916. S. 7

[5] Kafka, Franz: «Die Verwandlung». Achte Auflage. Deutscher Taschenbuch Verlag. Hrsg.: Joseph Kiermeier-Debre. Leipzig. 1916. S. 7

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Darstellung und Funktion von Tierfiguren im Werke Franz Kafkas - exemplarisch aufgezeigt an ausgewählten Erzählungen
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Universität)
Veranstaltung
Hauptseminar "Kafka und die Moderne"
Note
2,0
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V56459
ISBN (eBook)
9783638511247
ISBN (Buch)
9783656833673
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Darstellung, Funktion, Tierfiguren, Werke, Franz, Kafkas, Erzählungen, Hauptseminar, Kafka, Moderne
Arbeit zitieren
Anonym, 2006, Darstellung und Funktion von Tierfiguren im Werke Franz Kafkas - exemplarisch aufgezeigt an ausgewählten Erzählungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56459

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