Schulsport in Portugal und Deutschland - ein didaktischer Vergleich auf der Grundlage von Unterrichtsbeobachtungen zum Sportunterricht in der Grundschule


Examensarbeit, 2004

181 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Diskussion zum Schulsport in Deutschland

3 Didaktische Konzepte zum Sportunterricht
3.1 Sportartenkonzept
3.2 Erfahrungsoffenes Konzept

4 Vergleichende Analyse der Konzepte auf der Grundlage von didaktischen Kategorien
4.1 Sportartenkonzept
4.1.1 Zum Erziehungsverständnis
4.1.2 Zum Entwicklungsverständnis
4.1.3 Zum Bewegungsverständnis
4.1.4 Zum Unterrichtsverständnis
4.2 Erfahrungsoffenes Konzept
4.2.1 Zum Erziehungsverständnis
4.2.2 Zum Entwicklungsverständnis
4.2.3 Zum Bewegungsverständnis
4.2.4 Zum Unterrichtsverständnis

5 Schulporträts der hospitierten Schulen in Deutschland und Portugal auf der Grundlage von Interviews und narrativer Dokumentation subjektiver Beobachtungen
5.1 Einführung und Rahmenbedingung der Untersuchung
5.2 Untersuchungsmethoden: Leitfadeninterview und narrativer Dokumentation subjektiver Beobachtungen
5.3 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse
5.3.1 Schulporträt der Escola Básica 1 de Sao Tiago
5.3.2 Schulporträt der Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade
5.3.3 Schulporträt der „Margret und Rolf Rettich- Schule“
5.4 Fazit der Untersuchung

6 Didaktische Analyse des Sportunterrichts in Deutschland und Portugal mit Hilfe der Rezensionsmethode
6.1 Fragestellung
6.2 Untersuchungsmethode: Unterrichtsrezension nach BERG und DIETRICH/ LANDAU
6.3 Durchführung der Untersuchung
6.3.1 Unterrichtsrezensionen in Deutschland
6.3.1.1 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 1. Schuljahr
6.3.1.2 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 2. Schuljahr
6.3.1.3 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 3. Schuljahr
6.3.1.4 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 4. Schuljahr
6.3.2 Unterrichtsrezensionen in Portugal
6.3.2.1 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 1. Schuljahr
6.3.2.2 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 2. Schuljahr
6.3.2.3 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 3. Schuljahr
6.3.2.4 Sportunterricht oder Bewegungserziehung im 4. Schuljahr

7 Theoretische Auswertung
7.1 Klassifikation und Kategorien nach LANDAU
7.2 Einordnung des rezensierten Sportunterrichts

8 Didaktische Diskussion der Ergebnisse

9 Fazit

10 Literaturverzeichnis

Anhang

1 Einleitung

Durch Bewegungen eignen wir Menschen uns von Anfang an die Welt in konzentrischen Kreisen an. „Kleinkinder erobern sich ihre Umgebung Schritt für Schritt, nach und nach. Sie nehmen neue Räume in ihrem Bett in Besitz, erweitern diese Räume, wenn sie erst einmal krabbeln können, um dann nach und nach sich die anderen Räume der Wohnung zu eigen zu machen. Später erschließen sie sich weitere sozialökologische Räume, wenn sie das Haus verlassen und zum Beispiel den Garten selbstständig, wenn auch noch unter Obhut der Eltern erkunden. Danach folgen weitere Räume, zuerst noch unter der Beobachtung der Eltern, wie der Bürgersteig vor dem Haus, die Gärten der Nachbarn, der nahe liegende Spielplatz“ (KLUPSCH- SAHLMANN 1999, 12). KLUPSCH- SAHLMANN (1999) verdeutlicht in diesem Zitat, dass die ganzheitliche Entwicklung des Menschen durch Bewegung gefördert wird. In der Grundschule wird es daher notwendig, dass Kinder mit Hilfe der Bewegung und unter der Berücksichtigung ihrer eigenen Lernbiographie sich handelnd Wissen aneignen. Über Bewegung können Kinder Wissen von dieser Welt erwerben und die Welt verstehen lernen; dies ist ein Ziel schulischer Erziehung. Schule soll zu einem Lern-, Lebens- und Erfahrungsraum werden, welches bei der Gestaltung des Schulalltags zu berücksichtigen ist. Im Alltagsverständnis ist die Schule nicht unbedingt ein Bewegungsraum. Für die Bewegung gibt es zweckbestimmte Räume und Zeiten, zum Beispiel die Sporthalle und den Schulhof beziehungsweise die Sportstunden und die Pausenzeiten (vgl. HILDEBRANDT- STRAMANN 2000, 5). Hier soll die Bewegungslust und der Bewegungsdrang der Kinder gestillt werden. Sie sollen sich vom schulischen Stress erholen und neue Kraft tanken um wieder konzentriert mitarbeiten zu können. Somit wird der Sportunterricht unverzichtbar, denn den Kindern und Jugendlichen soll vermehrt ein Leben und Lernen mit und durch Bewegung ermöglicht werden.

Von dieser Grundlage ausgehend interessieren uns die folgenden Fragen: Welche Bedeutung hat der Sportunterricht für die Kinder und Jugendlichen? Welche didaktischen Konzeptionen können im Sportunterricht ihre Anwendung finden? Welche möglichen Initiativen und Handlungsspielräume finden die Schülerinnen und Schüler im Sportunterricht vor?

Diese und weitere Fragen beschäftigen uns sehr, da die möglichen Antworten darauf, auch die Qualität unseres späteren Sportunterrichts beeinflussen und bestimmen können.

Im Laufe unseres Sportstudiums haben wir durch fachspezifische Seminare und das Fachpraktikum bereits einen Einblick in den deutschen Sportunterricht gewinnen können. Daher möchten wir unsere Fragestellungen erweitern und herausfinden, wie der Sportunterricht in einem anderen Land aussieht. Aus diesem Grunde beschäftigen wir uns im Rahmen unserer Examenshausarbeit mit dem Thema „Schulsport in Portugal und Deutschland- ein didaktischer Vergleich auf der Grundlage von Unterrichtsbeobachtungen zum Sportunterricht in der Grundschule“. Im Weiteren werden wir den Fragen nachgehen, ob zwischen dem deutschen und dem portugiesischen Sportunterricht Unterschiede bestehen und mit welcher didaktischen Konzeption die Grundschulkinder in einem anderen europäischen Land unterrichtet werden. Für die Beantwortung dieser Fragen ermöglicht uns das Sokrates- Erasmus- Programm Informationen in Portugal zu sammeln. Weil wir bisher keine Erfahrungen hinsichtlich der Konstituierung von Sportunterricht in einem anderen europäischen Land haben, erwarten wir gespannt die Zeit in Portugal.

Zu Beginn dieser Arbeit werden wir uns mit der Diskussion zum Schulsport in Deutschland auseinandersetzen. Hier möchten wir zum einen die Begründung und zum anderen die Bedeutung des Schulsports wiedergeben.

Didaktische Konzeptionen werden von uns im dritten Kapitel vorgestellt, und zwar das Sportartenkonzept und die erfahrungsoffene Konzipierung. Da sich die Konzepte hinsichtlich des Verständnisses der Erziehung, der Entwicklung, der Bewegung und des Unterrichts unterscheiden, wollen wir die differenten Auffassungen im vierten Kapitel detailliert beschreiben.

Damit nicht nur theoretische Einsichten vermittelt werden, erstellen wir im darauf folgenden Abschnitt mittels eines Leitfadeninterviews und narrativer Dokumentation subjektiver Beobachtungen Schulporträts der hospitierten Schulen. Um Einblick in die Schulwirklichkeit der beiden europäischen Länder zu erhalten, besuchen wir einerseits die Margret und Rolf Rettich- Schule in Vordorf im Landkreis Gifhorn und andererseits zwei Grundschulen in Castelo Branco (Portugal).

Der Schwerpunkt unserer Examenshausarbeit findet sich im sechsten Kapitel wieder. Auf der Grundlage von Beobachtungen haben wir zu jeder Klassenstufe in Deutschland und Portugal Unterrichtsrezensionen verfasst, um einen Vergleich festhalten zu können.

Bevor wir im achten Gliederungspunkt versuchen eine Synopse zwischen unseren theoretischen und praxisbezogenen Ausführungen zu erstellen und die Ergebnisse didaktisch zu diskutieren, werten wir im siebten Abschnitt unserer Examenhausarbeit die Unterrichtsrezensionen theoretisch aus. Hierzu beziehen wir uns auf die Rahmung und Klassifikation nach LANDAU (1979).

Der Kreis soll sich im Fazit durch die Beantwortung der in der Einleitung gestellten Fragen schließen, indem wir uns aus den gesamten Erkenntnissen um einen Erklärungsversuch bemühen.

Wir verfassen die Examenshausarbeit gemeinsam, deshalb weisen wir darauf hin, dass Katarina Jäckel die Unterrichtsrezensionen für das erste und zweite Schuljahr verfasst und Maren Knopke die Rezensionen für das dritte und vierte Schuljahr anfertigt.

2 Diskussion zum Schulsport in Deutschland

Bevor wir auf die Diskussion zum Schulsport in Deutschland eingehen, möchten wir einleitend für den Leser die Begriffe Schulsport und Sportunterricht voneinander abgrenzen. Das Wesen Schulsport ist historisch gewachsen. Schulturnen, schulische Leibesübung und Leibeserziehung wurden durch den Begriff Schulsport ersetzt. Schulsport verweist zunächst auf den Sport, der in der Schule geschieht. Dennoch kann der Begriff Schulsport die gesamte sportliche Aktivität in der Schule beschreiben. Das heißt, dass sich Schulsport auf unterrichtliches und außerunterrichtliches Sporttreiben bezieht. Als außerunterrichtlicher Sport können Arbeitsgemeinschaften, Sportfeste und Sportfahrten angesehen werden (vgl. RÖTHIG 1992, 397).

Sportunterricht ist eine Veranstaltung organisierten Lernens, die mit pädagogischen Intentionen verbunden ist. Das entsprechende Fach in der Schule verpflichtet alle Schülerinnen und Schüler an der Teilnahme. Unter der Leitung eines Sportlehrers wird der Sportunterricht vermittelt. Die Inhalte des Faches orientieren sich unter anderem am jeweils gültigen Lehrplan und an den Rahmenrichtlinien. Dennoch können Schülerinnen- und Schülerinteressen berücksichtigt werden. Da eine tägliche Sportstunde nicht erfüllbar sein wird, werden als Ersatz Bewegungszeiten und Spielpausen gefordert (vgl. RÖTHIG 1992, 465). In den nachstehenden Ausführungen werden wir die Begriffe Schulsport und Sportunterricht synonym für das verbindliche Fach Sport in der Grundschule verwenden.

Einleitend zur Diskussion geben wir einen geschichtlichen Einblick in die bedeutsamsten Aspekte des Schulsports wieder. Die Geschichte des Schulsports beginnt bereits in der Antike. In dieser Zeit suchte der Mensch nach einer harmonischen Entwicklung und nach absoluter Beherrschung des Körpers. Über Sport sollten der Körper und die Seele zusammenreifen um eine ganzheitliche Harmonie entwickeln zu können. 1811 bezeichnete JAHN die neue Art von Leibesübung mit dem Begriff „Turnen“. In den Schulen war das Turnen auch unter den Begriffen „Gymnastik“, „körperliche Übung“ oder „Leibesübung“ bekannt. Von SPIESS (1840) wurde die erste Systematik des Schulturnens begründet. In seiner „Lehre der Turnkunst“ standen zwar vielfältige Übungsmöglichkeiten im Vordergrund, allerdings wurden der Übungssinn und die Übungsabsicht vernachlässigt. Jedoch war sein Konzept für die Begründung des Sportunterrichts in der Schule maßgeblich mitverantwortlich. Das Schulsystem geriet gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch die Reformpädagogik in die Kritik. Sie beanstandete die einseitig intellektuell ausgerichteten Inhalte und Ziele der Institution. Selbstständigkeit, Kreativität, Spontaneität und Motorik erlangt durch die Reformpädagogik einen wachsenden Stellenwert (vgl. AMBERGER- LAHRMANN/ AMBERGER 2000, 15ff).

An dieser Stelle wollen wir nun an die Kritik anknüpfen um die aktuelle Diskussion zum Schulsport aufzugreifen. Nach GÜNZEL und LAGING (1999) besteht die Gefahr, dass die Bildung auf ein rein technologisches Verständnis reduziert wird. Daher gilt es im Erziehungsraum Schule Lebensform und Lebensqualität zu vermitteln. Die Schule soll versuchen einer leibbezogenen Bildung in einem ganzheitlichen Sinn zu entsprechen. Bewegung, Spiel und Sport bieten vielfältige Chancen und Herausforderungen für die Entwicklung und Entfaltung der Persönlichkeit von Kindern und Jugendlichen. Schulsport ist ein Teil des öffentlichen Erziehungswesens, daher beschäftigt sich Sportunterricht nicht nur mit Sporttreiben. Daher brauchen Kinder und Jugendliche einen Ort, wo sie ihrem Bedürfnis nach Bewegung nachgehen können (vgl. FUNKE- WIENEKE 1996, 9). Der Sportunterricht muss von den subjektiven Lebenslagen der Schülerinnen und Schüler ausgehen und sich auf diese Lebenswelt hin ausrichten. Positiv erlebte Bewegungserfahrungen beeinflussen nachhaltig die persönliche Lebensführung, denn sie können zu einem vertrauten Umgang mit dem eigenem Körper sowie zur bewegten Gestaltung des Umfeldes beitragen. Die Fähigkeit der verbalen und leiblichen Kommunikation kann durch die in der Gruppe gemeinsam erlebten Bewegungen und Spiele verbessert werden. (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 2).

Mit diesen Aussagen begründen die Autoren GÜNZEL und LAGING das Fach Sport primär als Lebensfach und erst sekundär als Lernfach zu sehen. Dennoch darf das motorische und körperbezogene Lernen nicht in den Hintergrund treten. Die Grundlage für die gelungene Teilnahme an der reichhaltigen Körper- und Bewegungskultur schafft das Lernen und Vermitteln sowie das Erproben und Finden in diesem Handlungsfeld. Transparent müssen die Lerninhalte an die Schülerinnen und Schüler herangetragen werden, so dass Körper- und Bewegungsaktivitäten von den Schulkindern mit Sinn verknüpft werden können. Die Sportpädagogik und Sportdidaktik werden aufgefordert Antworten auf die Bedeutung des Schulsports zu geben. Trotz der eben genannten Begründungen hat das Fach Sport gegen Stundenkürzungen und Infragestellungen als Schulfach zu kämpfen (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 2f). Bei der Auswahl und Inszenierung von Sportunterricht kann zwischen verschiedenen didaktischen Konzepten entschieden werden. In Deutschland ist seit den 70er Jahren eine Hinwendung zum Sportartenkonzept zu verzeichnen. Als Orientierung und Vorlage des Schulsports dient der Wettkampf- und Hochleistungssport. Die Schülerinnen und Schüler werden in den bekannten Disziplinen, wie zum Beispiel Geräteturnen und Leichtathletik sowie in den großen Sportspielen (Fußball, Volleyball, Basketball und Handball) unterrichtet. Von den Lehrkräften wird Wert auf die genaue Einhaltung der Bewegungstechnik und auf die Schulung der konditionellen und koordinativen Voraussetzungen gelegt. Es handelt sich bei diesem Konzept um eine Erziehung zum Sport, denn „hier wird Sport als Selbstzweck gesehen, den die Menschen um seiner selbst willen betreiben“ (GÜNZEL/ LAGING 1999, 4). Allerdings gibt es einige Anhaltspunkt die das Sportartenkonzept als Schulsportkonzept kritisieren. Bei der „Abbilddidaktik“ müssen sich die Schülerinnen und Schüler an die Vorgaben des Leistungs- und Wettkampfsports richten. Die Orientierung am Wettkampfsport bringt auch die Grundstrukturen, wie Spezialisierung, Instrumentalisierung und Selektion, mit sich. Das bedeutet, dass sich die Schulkinder im Sport spezialisieren müssten, um eine Leistung zu erbringen. Die stärkste Kritik liegt in der Auswahl der Inhalte, da man nach wie vor am klassischen Kanon festhält und allenfalls Ergänzungen zulässt. Seit 1980 hat sich ein Wandel vollzogen, denn die Vielschichtigkeit und Komplexität moderner Lebensverhältnisse haben zugenommen und müssen auch im Schulsport Berücksichtigung finden. Demzufolge braucht der Schulsport ein Konzept, dass zum einen die Lebenssituation der Kinder und Jugendlichen einfließen lässt und zum anderen dem Bildungsauftrag der Schule gerecht wird (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 4ff).

Im folgenden Abschnitt klären wir deshalb den Leser über die derzeitige Debatte um die zukünftige Bedeutung des Sportunterrichts und des Schulsports auf. Die Diskussion um den Bildungs- und Erziehungsbeitrag des Faches Sport ist durch vier verschiedene Richtungen geprägt (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 7). Von außen schaut die sozialwissenschaftlich fundierte Bildungsdebatte auf den Sport. Zu unserer Alltagskultur gehören Sport und Bewegung, deshalb müssen Kinder und Jugendliche mit dem Sport umgehen und sich mit ihm auseinandersetzen. Durch diese Auseinandersetzung wird die Ich- Stärkung und ein Prozess des Sich- Bildens hervorgebracht (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 7).

Die leibanthropologische Bildungsdebatte thematisiert den Leib. Da der mit Sinn und Bedeutung ausgestattete Körper in eine Beziehung mit der Welt tritt, rückt der Mensch in den Mittelpunkt des Sportunterrichts. „Im Zentrum steht der individuelle (junge) Mensch (mit dem Bedürfnis nach Bewegung) in seinen leiblichen Beziehungen zur Welt“ (BALZ u. a. 1997, 14). Hier geht es um die Entwicklung grundsätzlicher Dimensionen. Der „Werkzeugleib“ findet seine Funktion, im Sport und im Alltag, durch den Umgang mit dem Leib. Weiterhin dient der Körper als Symbolleib, denn durch ihn soll das leibliche Handeln ausgedrückt und interpretiert werden. Bei der Bildung des Beziehungsleibes, tritt der Mensch in die Begegnungsfähigkeit im leiblichen Umgang mit anderen (vgl. FUNKE- WIENEKE, 1996, 9). Durch Körpererfahrungen soll der Leib sensibilisiert werden und als vielfältiges Sinnes- und Wahrnehmungsorgan fungieren. Der Bewegungsdialog besteht aus dem Sich- Bewegen und entsprechend der Bewegungssituation aus dem Sich- Verhalten (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 7f).

Nach Befunden von GÜNZEL und LAGING lässt sich die bildungstheoretische Diskussion zwischen der sozialwissenschaftlichen und der anthropologischen Bildungsdebatte einordnen. In der bildungstheoretischen Debatte geht es um die Stärkung der Ich- Identität. Diese bildet sich im Prozess des Auseinandersetzens und der Suche nach neuen Werten und Orientierungen aus. Der heutigen Fitness- Welle und den Extremsportarten geht die Sinnlichkeit verloren, die die Bildungsdebatte versucht wieder herzustellen. Durch die Hinwendung zum Subjekt und durch die Beachtung der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen soll in der Schule eine neue leibliche Bildung ermöglicht werden. In der lebensweltlich orientierten Bildungsdebatte rückt die Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen in den Vordergrund (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 7f). Durch die veränderte Kindheit, wie zum Beispiel die medialen Reizüberflutungen, den Verlust der Primärerfahrungen sowie die zunehmende Vereinzelung und Verinselung des Lebensalltages, muss die Schule versuchen die gesellschaftlichen und sozialen Defizite auszugleichen. Die Schule muss zum Lebens-, Lern- und Erfahrungsort für Kinder werden (vgl. HILDEBRANDT- STRAMANN 2000, 7). Durch Bewegung können sich die Kinder und Jugendlichen mit der Welt auseinandersetzen und sich die Umwelt eigentätig und selbstständig aneignen. Laut GÜNZEL und LAGING muss der Schulsport beziehungsweise die Schule folgende sechs Bildungsaufgaben übernehmen. Zunächst ist die Körpererfahrung zu nennen, bei der der Umgang mit dem eigenen Körper erfahren wird. Weiterhin sollen die Schülerinnen und Schüler vielfältige Bewegungserfahrungen sammeln, indem sie sich mit ihrer Umwelt auseinandersetzen (Umwelterfahrung). Als vierte Bildungsaufgabe ist die Könnenserfahrung aufzuzählen, bei der die „Vermittlung eines am individuellen Vermögen orientierten Bewegungskönnens“ (GÜNZEL/ LAGING 1999, 9) gegeben wird. Im Umgang miteinander sollen die Kinder und Jugendlichen Sozialerfahrungen lernen und als Beitrag zur Gesundheitserziehung kann die Gesundheitserfahrung im Sportunterricht zählen. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich im „Haus des Lernens“ und im Schulleben wohl fühlen. Somit kann die Schule nicht nur als Lernort, sondern vielmehr als ein Lebensort gesehen werden. Demzufolge ist es wichtig, dass der Schulsport zur veränderten Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen beiträgt, indem vielfältige Bewegungserfahrungen angeboten werden (vgl. GÜNZEL/ LAGING 1999, 9f).

Mit dieser Diskussion verbindet sich die Forderung nach Praxiswirksamkeit. Um den fachdidaktischen Ansprüchen gerecht zu werden, müssen die Perspektiven für eine bewegte, gesunde und gute Schule berücksichtigt werden (vgl. BALZ u. a. 1997, 14). In dem pädagogischen Konzept der „Bewegten Schule“ findet der Schulsport eine besondere Bedeutung. Denn in einer „Bewegten Schule“ ist Bewegung nicht nur in dem Fach Sport thematisiert, sondern wird zum fächerübergreifenden Auftrag. Gut sichtbar wird der Bewegungsaspekt im „Haus der bewegten Schule“. Zum Schulprogramm gehören zum Beispiel Bewegungspausen, Sport- und Bewegungsunterricht und außerunterrichtliche Bewegungsangebote (vgl. KLUPSCH- SAHLMANN 1999, 11). Das Fach Sport wird dennoch nicht überflüssig, es gewinnt, bei der Vermittlung von motorischen Bewegungserfahrungen, einen zentralen Stellenwert. Weiterhin können die kindlichen Bewegungserfahrungen aufgegriffen und erweitert werden. Die Schule soll auf das Leben vorbereiten und Lebenswelterfahrungen der Schülerinnen und Schüler integrieren. „Ein Ziel schulischer Erziehung ist es, den Kindern die Chance einzuräumen, das Wissen von der Welt zu erwerben und die Welt verstehen zu lernen“ (KLUPSCH- SAHLMANN 1999, 14). Durch Bewegung erlangt das Kind eine ganzheitliche Entwicklung und der selbsttätige Umgang eröffnet den Schülerinnen und Schülern den Zugang zur Welt. Die Welt wird durch Bewegung erschlossen und das Wissen wird zunächst bildlich, dann handelnd und schließlich symbolisch angeeignet (vgl. KLUPSCH- SAHLMANN 1999, 14).

Wer an der Diskussion um den Schulsport teilnehmen möchte, muss sich im Hinblick auf den Sportunterricht für ein bestimmtes didaktisches Konzept entscheiden. Deshalb stellen wir im dritten Gliederungspunkt das traditionelle Sportartenkonzept und schließlich den neueren pädagogischen Ansatz der erfahrungsoffenen Konzipierung vor.

3 Didaktische Konzepte zum Sportunterricht

Das Lernen von Bewegungen gehört zum Kern des Erwerbs bewegungskultureller Kompetenz und ist deshalb von sport- und bewegungspädagogischem Interesse. Ausgerichtet ist der Sportunterricht zweifelsfrei darauf, „dass die Schüler lernen, sich besser zu bewegen, geschickter, sinnessicherer, angepaßter an die Situation und die Bedingungen ihres eigenen Leibes, mit mehr Genuss und Freude und – auch dies – in größerer Übereinstimmung mit dem Bewegungsgeschmack und den Konventionen ihres sozialen Umfeldes“ (FUNKE- WIENEKE 1999, 10).

Obwohl sich das Lernen von Bewegungen oftmals im freien Bewegungsleben von Kindern nebenher ereignet, beispielsweise in Szenarien wie Halfpipes oder Streetball, bedarf die Aneignung der gesellschaftlich geformten Bewegungen in Sport und Bewegungskultur einen bestimmten Grad an expliziten Lernprozessen. Für das Bewegungslernen ist die planmäßige Vermittlung jedoch keine unumgängliche Bedingung. Zwar können methodisch strukturierte Anleitungen, Demonstrationen und Anregungen dem Lernen förderlich sein, aber Lehren kann dem Lernen offenbar auch hinderlich sein (vgl. SCHERER 2001, 2).

Weil der eigentliche Vorgang des Lernens nicht direkt beobachtbar ist, ist es nicht einfach dem Bewegungslernen auf die Spur zu kommen. Erst wenn wir etwas können, was wir vorher nicht konnten, stellen wir fest, dass etwas gelernt wurde. „Lernen ist ein Konstrukt, eine imaginäre Brücke, die wir zwischen dem Können spannen, um das Nicht- Beobachtbare zu erklären“ (SCHERER 2001, 2). In welcher Weise Bewegungen gelernt und gelehrt werden können und sollen, darüber gibt es zwischen der Bewegungswissenschaft und der Sportpädagogik, je nach wissenschaftlichem Selbstverständnis, Übereinstimmungen oder Unstimmigkeiten. Infolgedessen gibt es viele theoretische Annahmen und Vorschläge für das Bewegungslernen in unterschiedlichen Dimensionen und Ebenen.

Auf Grund der Vielzahl von Modellen und praktischen Vorschlägen zum Lernen und Lehren sportlicher Bewegungen möchten wir in den vorstehenden Ausführungen zum einen das Sportartenkonzept, welches in der Sportpädagogik der technologischen Position zugerechnet wird, vorstellen. Dieser Ansatz zum Lernen und Lehren ist in der Sportpraxis wie in der Methodikliteratur nach wie vor weit verbreitet, allerdings in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion zunehmend in die Kritik geraten. Konzepte so genannten offenen Unterrichts, in denen den Kindern mehr Eigenständigkeit im Lernprozess zugestanden werden sollte, sind entstanden. Deshalb kennzeichnen wir zum anderen im weiteren Verlauf der Examenshausarbeit das erfahrungsoffene Konzept in seinen grundlegenden didaktischen Ausrichtungen. Beide Konzeptionen lassen sich im Schulsport nachweisen und ermöglichen es den Sportunterricht vollkommen unterschiedlich zu gestalten: „Einerseits gibt es das pädagogische Plädoyer für die Selbstbildungskräfte von Kindern und Jugendlichen und damit für das Offenhalten des Unterrichts für die Selbsttätigkeit der Schülerinnen und Schüler, mithin für freie Angebote und Lerngelegenheiten, für offene Unterrichtsformen, für problemorientiertes Lernen und Lehren, für die Individualisierung von Bewegungsarrangements und darauf bezogenen Bewegungsformen. Andererseits gibt es auch das Plädoyer für die Eindeutigkeit und Allgemeinverbindlichkeit der Sache – meist ist hier der Sport gemeint – für eindeutige und sachbezogene Anleitung, für notwendige Kontrollen, mithin eine deutliche Akzentuierung der Anleitungsfunktion, bei der die Fäden in der Hand der Lehrenden zusammenlaufen“ (TREBELS 1999, 194).

3.1 Sportartenkonzept

In Anlehnung an DIETRICH und LANDAU (1990) war und ist die Methodik die Sache des Lehrenden, er inszeniert die einzelnen Lernschritte über entsprechende Aufgaben, Anweisungen und sucht die dafür geeigneten Organisationsformen aus. SÖLL (1997, 162) versteht unter Methoden „im eigentlichen Sinne (...) die methodischen Verfahrensweisen als die nach bestimmten Prinzipien aufbereiteten Lehr- und Lernwege, die zu den sportlichen Fertigkeiten und Handlungen führen sollen.“ Als eindeutig vorgegebene sportliche Bewegungsfertigkeit ist die Sachstruktur Grundlage für die methodischen Überlegungen des Lehrenden. So wird aus der Analyse der Sache auf den optimalen Lernweg der Schülerinnen und Schüler geschlossen. Diesem Verständnis von Methodik liegen Annahmen zugrunde, die eine unreflektierte Nachrangigkeit der Methoden gegenüber der Ziel- und Inhaltsfrage im Sportunterricht zeigen. Die Lernenden sind in dieser Sichtweise „Objekte“, denen ein gegebener Sachverhalt beizubringen ist. Eigene Erfahrungen des Lernenden als Subjekt werden hierbei ausgeblendet. Außerdem sollen die Schülerinnen und Schüler aus der Sachstruktur auf den Lernweg schließen und ohne pädagogische Begründung wird festgelegt, dass ein fertiges Bewegungsmuster (zum Beispiel die Hocke) ein Gegenstandsfeld (zum Beispiel „Stützsprünge“) am besten erschließt (vgl. LAGING 2000, 2).

Das Sportartenkonzept kennzeichnet eine sportpädagogische Richtung, die seit den 70er Jahren weit verbreitet ist. In der Praxis des Schulsports, vor allem in den Sekundarstufen, findet diese Konzeption ihre Anwendung. Die sportive Position „geht von dem gesellschaftlich bedeutsamen Phänomen „Sport“ aus und sieht ihre Aufgabe vor allem darin, die aufwachsende Generation möglichst früh in die gesellschaftliche Wirklichkeit des Sports einzuführen und die Individuen zur Teilnahme an den spezifischen Handlungskontexten der Sportgebilde zu qualifizieren“ (MARAUN o. J., 29). Wenn sich das Bewegungslernen in diesem Rahmen konstituiert, werden das Erlernen sportmotorischer Fertigkeiten und der Erwerb sportbezogener Fähigkeiten Zielgrößen des Bewegungslernens. Zur Einlösung dieser Zielvorstellungen ist die sportwissenschaftliche Forschung stets darum bemüht gesichertes Wissen bereitzuhalten. Weil Sportunterricht aber in einem anderen Zusammenhang steht, lassen sich die gewonnenen Erkenntnisse nicht in handlungstechnologische Informationen für den Sportlehrer modifizieren. Deshalb suchen Theoretiker und Praktiker „nach methodischen Aufbereitungsmöglichkeiten, die zwischen wissenschaftlich begründeter Zielsetzung und den „Adressaten“ vermittelt“ (MARAUN o. J., 29).

LEIST stellt 1978 in seinem Buch fest, dass methodische Reihungsprinzipien von phänografischen Beschreibungen der Zielbewegungen ausgehen, da sie sich nach idealisierten Bewegungsformen in Funktion von Sollwerten richten. Grundlegend ist die Annahme, dass sich Bewegungslernen in einem linearen Prozess vollziehe, der sich in der Regel in drei Stufen einteilen lässt. Laut MEINEL und SCHNABEL (1987) folgt das Bewegungslernen über die Stufen der Grobkoordination, Feinkoordination und Stabilisierung/ Automatisierung einer zielgerichteten Logik. Lernprozesse werden in dem Phasenmodell weitgehend isoliert und in eine künstliche Lernumwelt ausgelagert. Natürliche Varianz bewältigen die Lernenden erst in der Phase der Stabilisierung/ Automatisierung. Schließlich wird mit den klassischen „Von ... zu“- Formulierungen vom Leichten zum Schweren oder vom Einfachen zum Komplexen gelernt. Die methodischen Übungsreihen folgen der Linearitätsannahme und gelten als bewährte Lösung der Komplexitätsreduktion. „Die Komplexität wird durch Zerlegung in Teile nach raum- zeitlichen oder funktionalen Gesichtspunkten, durch Vereinfachung von Situationsbedingungen oder durch Abwandlung der Zielfertigkeit zu reduzieren gesucht“ (SCHERER 1999, 28). Hinzu kommt, dass die Vereinfachungs- und Reihungsstrategien meist in eine darbietende, deduktive oder vorstrukturierte Lehrweise eingebunden werden. Mit FUNKE- WIENEKE (1995) kann dieses oft bestimmende Methodenverständnis als „durchgreifendes Lehren“ bezeichnet werden. Durch die eben beschriebene Methodik des Sportartenkonzepts eignen sich die Schülerinnen und Schüler mit wissenschaftlichen Verfahren sportliche Bewegungen an. Aus diesem Grund ist dieser Sportunterricht weithin darauf angelegt, dass konstitutionelle Voraussetzungen und sportliche Bewegungsfertigkeiten erarbeitet werden.

Bei einer solchen methodischen Vorgehensweise beim Lehren und Lernen „geht man von idealisierten Sollwert- Bewegungen aus und verliert dabei die Wirklichkeit des Bewegens und Lernens aus dem Blick“ (SCHERER 2001, 8). Bewegungen sind Einheiten und Formen menschlichen Handelns und gestalten sich in der handelnden Auseinandersetzung mit der sozialen und materiellen Umwelt. Aus dieser Sichtweise können Bewegungen nur als Sich- Bewegen beziehungsweise als Bewegungshandeln adäquat zu fassen sein. „Vor unseren Augen ereignet sich also nichts Körperliches und auch nichts Geistiges, sondern nur Funktion, Aktion. Wichtigstes Merkmal dieser Aktion ist das Sich- Bewegen. Hieraus ergibt sich, dass es unmöglich ist, dieses Geschehen als überwiegend körperlich zu bezeichnen. Der Körper ist nicht etwas, was wir erziehen, unterrichten oder bilden können. Man kann ihn nicht als Ding von unserem Mensch- Sein abstrahieren“ (BUYTENDIJK 1956, zitiert in TAMBOER 1979, 14).

Zweifellos werden auch bei dieser klassischen methodischen Verfahrensweise wie das Sportartenkonzept Erfahrungen gemacht, bleiben jedoch in gewisser Weise ungeordnet. Inhalte können von den Schülern nur in der Weise in Erfahrung gebracht werden, wie der Lehrer sie thematisch aufbereitet. Als regulierte Erfahrungen können sie schwerlich in das eigene Lernen integriert werden. „Erst wenn es gelingt, Methode auch als Strategie des Lernenden selbst zu entwerfen, kann dieser seine Erfahrungen methodisch überhaupt erst auf das Lernproblem hin einbringen und ausrichten“ (DIETRICH/ LANDAU 1990, 187). Anfang bis Mitte der 80er Jahre entwickelten sich schließlich Alternativen des Lehrens und Lernens, die ein anthropologisches Verständnis menschlichen Bewegens aktualisieren. Im Nachfolgenden soll dem Leser der neuere sportpädagogische Ansatz zum Bewegungslernen präsentiert werden.

3.2 Erfahrungsoffenes Konzept

Auf Grund der Zunahme von technisch kontrolliertem Wissen ist unsere Lebenswelt durch einen Verlust der Selbsttätigkeit gekennzeichnet. „Nicht mehr im Umgang mit Dingen oder aus der Begegnung mit den Phänomenen lernen die Menschen ihre Welt zu begreifen, sondern über die Sicht der Dinge und Phänomene, die Experten von jenen entwerfen“ (BÖHME 1990, zitiert in MARAUN o. J., 26). Im voranschreitenden Prozess der Verwissenschaftlichung scheint die lebensweltliche Erfahrung ihre Zuständigkeit zu verlieren. Problematisch wird die wissenschaftliche Erfahrung, wenn es darum geht, Wissen ohne Bedeutungszusammenhänge zur Verfügung zu stellen. Um objektivierende Kontrolle und Vergleichbarkeit zu ermöglichen, ist es für die Wissenschaftsproduktion von Bedeutung zu spezifizieren, zu zerlegen und Eindeutigkeiten herzustellen. Dazu sind einerseits die prinzipielle Situationsabhängigkeit des Phänomens und andererseits das Ausblenden der Subjektivität erforderlich. Dem Feststellen objektiver Gegebenheiten geht die lebensweltliche Erfahrung nicht nach. Sie stellt eine Auseinandersetzung mit der Welt in bestimmten Situationen dar. Daher kann sie auch immer nur jeweils „meine“ Erfahrung sein – unversehrt dessen, dass jeder auch typische Erfahrungen macht (vgl. MARAUN o. J., 27). Wie und welche Erfahrungen gemacht werden, ist obligatorisch für die Konstitution der gegenwarts- und zukunftsorientierten Wirklichkeit.

Des Weiteren ist lebensweltliche Erfahrung verstärkt Sinneserfahrung und damit an den Körper gebunden. Darauf haben unter anderem PIAGET (1973), BETTELHEIM (1983) und SPITZ (1969) in ihren entwicklungspsychologischen Untersuchungen aufmerksam gemacht. Nicht durch die passive Rezeption gewinnt das Subjekt Erfahrungen, sondern in der handelnden Auseinandersetzung mit der dinglichen und sozialen Wirklichkeit. „Erfahrungsprozesse fangen mit dem Selbsttun an, und darin ist eine leiblich- sinnliche Dimension enthalten“ (HILDEBRANDT- STRAMANN 2000, 100). Infolgedessen wird der dialektische Prozess von Aneignung und Herstellung von Erfahrung zum Ausgangspunkt des erfahrungsorientierten Ansatzes. Vor dem Hintergrund der medial geprägten und nur mittelbar erfahrbaren Welt wird dem erfahrungsorientierten Lernen ein hoher Stellenwert beigemessen (vgl. SCHERER 1999, 35).

Mit dem erfahrungsoffenen Konzept ist ein Bewegungs- und Lernverständnis erarbeitet worden, welches die Kritik am sportiven Ansatz konstruktiv wendet. Die erfahrungsoffene Konzipierung beruht auf BUYTENDIJKS (1956) Verständnis menschlichen Bewegens. Dieser methodische Zugriff beschreibt menschliches Verhalten unter funktionaler Perspektive. „Bewegung als Funktion verstehen heißt, sie in ihren Bezügen und im Relationsgefüge von Intentionalität, Sinn, Zielen und Bedeutungen zu erfassen“ (SCHERER 1999, 32).

Auf der Grundlage BUYTENDIKS funktionaler Betrachtungsweise menschlicher Bewegungen, möchte ich dem Leser die zentralen Bestimmungsmomente des Bewegens und Lernens darstellen. Bei einer auf Erfahrung gründenden Bewegungslehre ist Sich- Bewegen ein Verhalten der Menschen in einem persönlich- situativen Bezug. Für den erfahrungsorientierten Ansatz ist die Bewegungsbedeutung von besonderer Relevanz. Weil Bewegungen als Funktionen zu verstehen sind, sind sie in thematische Kontexte eingebunden und von deren Sinn durchdrungen. Der Zusammenhang von Menschen, situativen Kontexten und Bedeutungen stellen ein relationales Ereignis dar. Damit wird darauf verwiesen, dass Person und Umwelt sich gegenseitig bedingen und nur in Bezug aufeinander beschreibbar sind. „Die wechselseitige Bezogenheit wird bildlich veranschaulicht in Form eines Dialogisierens, eines wechselseitigen Fragens und Antwortgebens, in der die Bewegungssituation (Außenwelt) und das sich bewegende Individuum wechselseitig aufeinander bezogen sind“ (TREBELS 1999, 200). Im Dialog konstituiert sich aus dem Zusammenspiel von objektiven und subjektiven Bewegungsbedeutungen die Bewegungsgestalt. Auf Grund der Intentionalität menschlichen Verhaltens ist das Sich- Bewegen eine spezifische Art des Verstehens von Welt. TREBELS (1999) spricht von einer Welt „um zu“ und „als etwas“. Beim Sich- Bewegen stiftet der Bewegungsaktor in einem persönlich- situativen Bezug und im Sinne einer bestimmten Bewegungsbedeutung den Zusammenhang von „um zu“ und „als etwas“. Durch die intentionale Bewegung wird die Bewegungswelt für das sich- bewegende Subjekt erkennbar und kann verstanden werden (vgl. TREBELS 1999, 202). Wahrnehmen und Bewegen stehen in einer wechselseitigen Abhängigkeit, die VON WEIZSÄCKER (1968) in einem Gestaltkreis dargestellt hat. Nicht durch objektive Daten bemisst sich die Welt für die Sich- Bewegenden, sondern durch Umgangserfahrungen. Angesichts der wahrgenommenen Bewegungswelt wird das Bewegungsverhalten tief greifend beeinflusst. Ein Zuwachs an Erfahrungen ändert wiederum meine Wahrnehmung. Von daher ist der menschliche Leib das Bindeglied zwischen Mensch und Welt.

Diese konstitutiven Momente des Sich- Bewegens sind die Grundlage einer pädagogischen Auslegung des Lernens und Lehrens. Sie spiegeln sich in einer erfahrungsoffenen Konzipierung wieder. Auf Grund der expandierenden Verwissenschaftlichung soll der Mensch wieder befähigt werden leiblichen Kontakt mit sich und der Welt aufzunehmen. Dies setzt Inszenierungen voraus, die den leiblich- sinnlichen Resonanzraum als aktive Möglichkeit der lernenden Auseinandersetzung berücksichtigt. Hinsichtlich einer erfahrungsoffenen Konzeption muss es dem Subjekt gestattet sein, sich selbstständig und selbsttätig mit der Umwelt auseinanderzusetzen und sich mit seinen leib- seelischen Besonderheiten einzubringen. Gegenstand der Aneignung ist nicht ein festes Bewegungsmuster, sondern die Auseinandersetzung mit der Bewegungssituation in eigener Regie. Situationen, in denen reizvolle Materialien vorhanden sind, mit denen sich Kinder in eigener Regie beschäftigen können, sollen arrangiert werden. Als methodisches Verfahren der Vermittlung kann in Anlehnung an FUNKE- WIENEKE (1995) das „versichernde Aufrufen“ gekennzeichnet werden. Das Handeln des Lernenden bleibt in der Auseinandersetzung mit der Aufgabe sein eigenes. Ohne sich auf- oder vorzudrängen, ist die Lehrkraft da und gibt dem Lernenden Vertrauen zu sich selbst. Demzufolge geht der erfahrungsorientierte Ansatz nicht von der Sachstruktur des zu erlernenden Gegenstandes aus, sondern von der Strukturierung des Gegenstandes durch den Lernenden selbst.

4 Vergleichende Analyse der Konzepte auf der Grundlage von didaktischen Kategorien

Die von uns beschriebenen Konzepte haben Rahmenbedingungen und Festlegungen für die Abgrenzung und für den Zusammenhang von Sich- Bewegen- Lernen und Sich- Bewegen Unterrichten getroffen. Im Folgenden muss es nun darum gehen die vorher angedeuteten qualitativen Unterschiede der Unterrichtskonzepte näher zu durchleuchten. Um die sportive und die erfahrungsoffene Konzipierung vergleichen zu können, möchten wir sie auf der Grundlage von didaktischen Kategorien analysieren. Daher wird nun in diesem Gliederungspunkt der Examenshausarbeit das Erziehungs-, das Entwicklungs-, das Bewegungs- und das Unterrichtsverständnis beider Konzeptionen untersucht um dem Leser eine Gegenüberstellung anbieten zu können.

4.1 Sportartenkonzept

4.1.1 Zum Erziehungsverständnis

Bevor das Erziehungsverständnis im Sportartenkonzept erläutert wird, möchten wir das erzieherische Alltagsverständnis vorausschicken. Wenn Lehrkräfte von Erziehung reden, geht es ihnen um die Haltung und Bereitschaft, die die Schülerinnen und Schüler zur Schule, zum Unterricht, zu Sport und zu sich selbst einnehmen (vgl. FUNKE- WIENEKE 1999, 13). Das Erziehen richtet sich auf die Mädchen und Jungen, von denen erwartet wird, dass sie sich absichtsgemäß verhalten und sich den erzieherischen Vorstellungen anpassen. Macht der Erwachsene beim Kind Fehlbetragen ausfindig, strebt er eine Verbesserung der Haltung und Einstellung an. Dies erfordert von der Lehrkraft eine bestimmte Attitüde und die Handhabung bestimmter Mittel. Mit Widerstands- und Durchsetzungsfähigkeit muss sich der Erwachsende konsequent verwirklichen um den Schülerinnen und Schülern eindeutige Richtlinien zu geben. Ansagen und Aufforderungen dienen der Lehrkraft als „Erziehungsmittel“. Bleiben die Mädchen und Jungen uneinsichtig, müssen stärkere Sanktionen, wie zum Beispiel Verwarnungen, Strafzeiten, schlechte Noten oder Nachsitzen, eingesetzt werden. Oft ist Erziehen Sisyphosarbeit, das heißt „Im Erziehen ist nichts gewiss, es sei denn das Ungewisse des Ausgangs“ (FUNKE- WIENEKE 1999, 14). Zunehmend problematisch erweist sich die Erziehungsarbeit, wenn sie durch Faktoren des außerschulischen Lebens beeinflusst wird. Lebensprobleme der Eltern (zum Beispiel Krankheit, Drogensucht, Scheidung, Arbeitslosigkeit) können den Erziehungsauftrag beeinträchtigen. Infolgedessen sind die Erziehungsberechtigten entweder hilflos oder selbst unerzogen und die Erziehungsarbeit wird an heimliche Erzieher, wie die Medien oder Peer- Groups, abgetreten. Der überwältigende Einfluss induziert ein Verhalten seitens der Schülerinnen und Schüler, welches die Erziehungsarbeit an der Schule schwierig werden lässt. Alltäglich üblich ist eine Trennung von Bildung und Erziehung. Der Erziehung geht es im Vergleich zur Bildung zuallererst um das Ausprägen von der Gesellschaft vorgegebenen Werten und Normen. Sie will die Haltung und den Willen des einzelnen durch Fremdbestimmung festigen (vgl. FUNKE- WIENEKE 1999, 15). Auch im Sportunterricht gilt es die für die Öffentlichkeit notwendigen Persönlichkeitsqualitäten systematisch und planmäßig zu formen.

Im Sportartenkonzept wird das eben von uns beschriebene Erziehungsverständnis aufgegriffen. Nach BALZ (1997) wird die „Erziehung im engeren Sinne“ auch das „Erzogenwerden“ genannt. In einem personalen Bezug versucht die Lehrkraft bei einem Schüler eine Bereitschaft und Haltung bei der Überwindung körperlicher Widerstände zu wecken. Der Schüler muss sich im Urteilsvermögen des Erwachsenen in einem vertretbaren Maß anstrengen. Auch wenn die Bewältigung der bereitgestellten Aufgabe anfangs schwer fällt, darf sich der Schüler nicht entmutigt abwenden. Ferner vertritt der Erwachsene den Standpunkt, „dass es zum Beweis der eigenen Lebendigkeit gehört, das Leben und sich selbst an Widerständen zu spüren und an solchen Widerständen zu wachsen“ (BALZ u. a. 1997, 15). Ob die Bemühungen der Lehrkraft zum Erfolg führen, ist fraglich. Unberücksichtigt bei diesem erzieherischen Handeln bleibt der Schüler mit seinen eigenen Vorstellungen der Handhabung. Letztlich ist es die Entscheidung des Individuums, ob er sich anstrengt oder nicht. Der Entschluss des Schülers ist nämlich nicht gänzlich abhängig von den Bemühungen des Erwachsenen gefällt worden. „In diesem Fall führt also unter Umständen die Vorstellung, jemand werde von einem anderen erzogen, die Lehrkräfte dramatisch gesagt, in die Irre: Die Erzieherin oder der Erzieher kann eben nicht über das Handeln eines anderen verfügen, ihn „zu etwas bringen“ in dem Sinne, dass die Absicht der Erzieherin/ des Erziehers zum Handeln des Schülers wird. Resultat einer solchen Fehleinschätzung können gleichermaßen „Resignation“ oder „schärfere Maßnahmen“ sein“ (BALZ u. a. 1997, 15). Das Erziehen im personalen Bezug ist nur dann erfolgreich, wenn der erzieherische Aufruf Bestandteil eines Zwiegesprächs wird. Der Schüler muss sich auf den Aufruf beziehen können und ihn als Vorlage zur Selbsterziehung anerkennen. Deshalb ist Erziehung grundlegend als Selbsterziehung zu sehen.

4.1.2 Zum Entwicklungsverständnis

Im Gegensatz zum Erziehungsverständnis wird beim Entwicklungsverständnis nicht die Perspektive der Lehrkräfte, sondern die Seite der Schülerinnen und Schüler betrachtet. Schaut man auf die verzweigte Literatur der Entwicklungspsychologie, so stellt der Leser fest, dass es für die Entwicklungsbedingungen und Entwicklungsaufgaben unterschiedliche Betrachtungsweisen gibt. Diverse Schwerpunkte und Sichtweisen sind in den zahllosen Entwürfen enthalten und grenzen sich dadurch voneinander ab. Um sportpädagogisch relevante Entwicklungstheorien formulieren zu können, sollen die Bemühungen der Sportwissenschaft untersucht werden. Fachwissenschaftliche Probleme der Entwicklung sind in erster Linie in der Bewegungslehre zu finden (vgl. DIETRICH/ LANDAU 1990, 203). WILLIMCZIK und ROTH (1983) stellen in ihrer veröffentlichten Bewegungslehre die sportmotorische Entwicklung als die Entwicklung eines ausgrenzbaren sportmotorischen Persönlichkeitsbereichs dar. Dabei versuchen Sie den Bezug zwischen Entwicklung und Bewegung aufzuarbeiten. WILLIMCZIK (1983) bezieht sich auf die Entwicklungspsychologie, die zwischen kognitiver, sozialer und motorischer Entwicklung unterscheidet.

Ausgangspunkt WILLIMCZIKS Theorie ist die motorische Entwicklung. Für die motorische Entwicklung nimmt WILLIMCZIK einen individuellen motorischen Persönlichkeitsbereich an, dessen Veränderungen im Lebenslauf dann als motorische Entwicklung bezeichnet werden. Als spezielles Gegenstandsgebiet grenzt er die sportmotorische Entwicklung und den eigenen sportmotorischen Persönlichkeitsbereich von der motorischen Entwicklung ab. Die Entwicklung konditioneller und koordinativer Fähigkeiten (wie Kraft, Schnelligkeit, Beweglichkeit), elementarer motorischer Fertigkeiten (wie Gehen, Laufen, Springen) und sportmotorischer Fertigkeiten (Kugelstoß, Korbleger, Brustschwimmen) versucht WILLIMCZIK in seinen Ausführungen zu beschreiben und zu erklären. Er schreibt, dass „die Darstellung der Entwicklung sportmotorischer Fertigkeiten aus mehreren Gründen problematisch ist und dass sportmotorische Fertigkeiten als Kulturtechnik notwendigerweise lernbedingt sind (vgl. WILLIMCZIK 1983, 247). Für die Entwicklung der konditionellen Fähigkeiten macht er ähnliche Einschränkungen. Eigentlich beschreibt WILLIMCZIK die Entwicklung der Trainierbarkeit, welche die Entwicklung im Wesentlichen als ein von innen bestimmter Reifungsvorgang beschreibt.

„Der Begriff der Entwicklung wird so weitgehend inhaltsleer und durch Begriffe wie Wachstum und Reifung auf der einen und Lernen und Trainieren auf der anderen Seite ersetzbar“ (DIETRICH/ LANDAU 1990, 205). Wenn nun endogene (angeborene) und exogene (umweltbedingte) Faktoren die motorische Entwicklung beeinflussen, dann muss auch die Struktur der Umwelt in entwicklungstheoretische Annahmen berücksichtigt werden. Folglich kann es für die sportmotorische Entwicklung keine explizite Theorie geben. Lern- und Trainingstheorie reichen wohl aus, um die Entwicklung der Sportmotorik hinreichend erfassen zu können.

4.1.3 Zum Bewegungsverständnis

Das Sportartenkonzept beinhaltet ein substantielles Körperbild, welches den Körper als eine in sich geschlossene Entität begreift. Kennzeichnend für eine substantielle Sichtweise ist, dass die Haut des Körpers als Scheidelinie zwischen „Innen“ und „Außen“ fungiert. Mit dem substantiellen Körperbild geht eine Auffassung vom menschlichen Bewegen einher, die Bewegung als Ortsveränderung von Teilen charakterisiert.

Für die bewegungstheoretische Auffassung kann man entweder auf die aristotelische oder die galileische Tradition zurückgreifen. Das Sportartenkonzept bezieht sich ausschließlich auf die galileische Tradition. Diese ist durch ein kausalistisches Erklärungsschema bestimmt, wodurch menschliches Verhalten als Folge von Ursachen in einer zeitlichen Reihenfolge begriffen wird. In seinen Veröffentlichungen spricht BUYTENDIJK (1956) die galileische Tradition mit der physikalischen Betrachtungsweise an. Da sich die physikalisch- methodische Betrachtungsweise ausschließlich an den von Augenblick zu Augenblick ablaufenden Zustandsänderungen orientiert und die Einsicht in den Zusammenhang von Individuum und Umwelt abstrahiert, analysiert die physikalische Perspektive Ortsveränderungen des Körpers und/ oder Teile des Körpers (vgl. TAMBOER 1979, 16). Eine Ortsveränderung kann dadurch bestimmt werden, dass man von einer Achsenkonstruktion ausgeht, mit deren Hilfe man eine frontale, eine sagitale und eine transversale Ebene unterscheiden kann (vgl. TAMBOER 1994, 40). Mittels der Konstruktion von Achsen glaubt man Körperbewegungen abgelöst von ihrer Umgebung bestimmen und mathematisch exakt beschreiben zu können. Für die Bewegungsbeschreibung wird also auf die Mechanik als Theoriekonstrukt zurückgegriffen. Sie eignet sich, um Bewegungsformen wissenschaftlich genau zu untersuchen und um Erklärungswissen für den raum- zeitlichen Ablauf einer Bewegung in physikalischer Perspektive bereitzustellen (vgl. TREBELS 1992, 21). Dafür ist es aber notwendig, dass der Bewegungskörper vom „Lebendigsein“ weggezogen wird. Weil lediglich der von außen wahrnehmbare Aspekt der Bewegung betrachtet wird, ist die physikalische Perspektive für den Zusammenhang zwischen Bewegungen und angestrebten Wirkungen wenig gehaltvoll. Zwar ist ein solcher methodischer Zugang nach BUYTENDIJK (1956) möglich, aber nicht ausreichend um das Spezifische menschlichen Bewegens zu erfassen. Sobald sich Menschen bewegen, sind ihre Aktionen immer zielgerichtet auf die Umwelt bezogen. Deshalb stimmen wir mit BUYTENDIJK überein, wenn er sagt, dass die menschliche Bewegung mit der physikalischen Betrachtungsweise nicht adäquat beschrieben werden können.

4.1.4 Zum Unterrichtsverständnis

Da der Sportunterricht der Planungsbedürftigkeit unterliegt, benötigt man Literatur mit didaktisch- methodischen Unterrichtshilfen. Schnell wird deutlich, „dass die Mehrzahl dieser Literatur die Planung des Sportunterrichts einseitig aus der Sicht des Lehrenden darstellt, ohne zu berücksichtigen, was den Schüler wohl interessieren könnte“ (HILDEBRANDT/ LAGING 1981, 17). Letztendlich handelt es sich um eine zweckrationale Gestaltung des Unterrichts. Auf Grund dessen räumt dieser Sportunterricht solchen Zielen Priorität ein, die sich an kontrollierbaren und vorher determinierten Qualifikationen orientieren. Vorangestellt werden motorische Zielsetzungen, die zu einer Einschränkung des pädagogisch- erzieherischen Auftrages führt. Deshalb sind kognitive, affektive und soziale Ziele dem motorischen Aspekt offenkundig untergeordnet. Inhalte des Sportunterrichts sind bereits vorweg bestimmt wurden, so dass normierte und wettkampforientierte Sportarten, Disziplinen und Sportspiele Anwendung finden. Um die Ziele und Inhalte möglichst effektiv vermitteln zu können, muss der Vermittlungsrahmen entsprechend beschaffen sein. Infolgedessen gibt die Lehrkraft als Fachmann Anweisungen und steuert damit das Bewegungsverhalten der Übenden. Sobald die Schülerinnen und Schüler bei der Ausführung bestimmter Aktionen abweichendes Verhalten zeigen, wird dieses von der Lehrkraft entdeckt und umgehend richtig gestellt. Fehler können sich daher auch gar nicht erst einschleichen. „Aber auch damit verbundene Erfahrungen, die besseren Verhalten hin orientieren könnten, bleiben den Übenden vorenthalten“ (TREBELS 1999, 209). Das Kind wird hier ausschließlich als zu belehrendes Objekt aufgefasst. Idealiter sollten die Mädchen und Jungen aus dem Vorgang des Lernens herausgehalten werden um das zu realisieren, was als Bewegung von der Lehrkraft intendiert war. Unter dem führenden Willen des fachlich versierten Lehrers, soll der Schüler reibungslos funktionieren (vgl. FUNKE- WIENEKE 1995, 12). Wie eine Marionette wird der junge Erwachsene in seinen Bewegungen gesteuert, die durch die Lehrkraft erst hervorgebracht werden. Über das was der Übende eigentlich tut, ist er sich nicht bewusst. FUNKE- WIENEKE (1995) kennzeichnet dieses Unterrichtsverständnis als ein „direkt durchgreifendes Lehren“. Es handelt sich also um einen Unterricht, der auch als geschlossen bezeichnet werden kann. Weil die Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler in der sportiven Konzeption unberücksichtigt bleibt, gilt es ein Konzept anzustreben, welches die Schulkinder an der Planung, Zielsetzung, Inhaltsgestaltung und Durchführung des Unterrichts beteiligt.

Damit sich der Leser die Unterschiede zwischen der sportiven und der erfahrungsoffenen Konzipierung verdeutlichen und sich für eine sportpädagogische Grundorientierung entscheiden kann, stellen wir im Folgenden die erfahrungsoffene Konzipierung ebenfalls auf der Grundlage von didaktischen Kategorien vor.

4.2 Erfahrungsoffenes Konzept

4.2.1 Zum Erziehungsverständnis

Das Erziehungsverständnis des erfahrungsoffenen Konzepts unterscheidet sich prinzipiell von dem des Sportartenkonzepts. Im Rahmen der erfahrungsoffenen Konzeption ist ein Erziehungsverständnis aktualisiert worden, das mit BALZ (1997) als „Sich- selbst- Erziehen“ gekennzeichnet wird. Im Mittelpunkt des Erziehungsverständnisses steht die Selbsterziehung, ohne die nichts geschehen kann.

Im Streben nach Lebenserweiterung treffen junge Menschen offen und wandlungsbereit auf Persönlichkeiten, Dinge, Themen und Ereignisse. Weil die Lebenswelt individuell wahrgenommen wird, treten die Mädchen und Jungen den Herausforderungen unterschiedlich entgegen und wählen diejenigen aus, die für sie wandlungsbedeutsam sind. Schließlich sind die erlebten Erfahrungen für die Selbsterziehung von wesentlicher Bedeutung.

Schülerinnen und Schüler schließen sich der Selbsterziehung an, wenn ihnen solches empfohlen, nahe gelegt und plausibel gemacht wird. Infolgedessen werden den Mädchen und Jungen keine manipulativen Umgangsformen vermittelt, sondern in respektvoller Zuwendung begründete Empfehlungen und Hinweise ausgesprochen. (vgl. BALZ u. a. 1997, 16). Die Aufforderungen zur Selbsterziehung erfahren die Mädchen und Jungen also durch die Tätigkeit der Erzieher. Aber erst wenn das Vorgeschlagene bei den Schülerinnen und Schülern resoniert, kann es wirksam werden.

Ferner ist von Bedeutung, dass Lehrkräfte ihren Vorstellungen, wie Kinder und Jugendliche sind und sein könnten, entgegen arbeiten. Notwendig ist es, den Sich- Erziehenden in die Bestimmung seiner Berufung einzubeziehen und die Stellungnahme des Jüngeren bei dem Aufzeigen von Perspektiven anzuerkennen. Durch die erzieherischen Impulse kann das Subjekt seine selbst skizzierte Selbstbestimmung möglicherweise verwirklichen. „Dem Wandel einer Person liegt eben nicht nur das Fremdverhältnis zugrunde, in dem sich ein Subjekt zu anderen Subjekten befindet und in dem Wandlungsabsichten artikuliert und vermittelt werden. Es liegt ihm genauso fundamental das Selbstverhältnis zugrunde, in dem sich das Subjekt zu seinen Handlungen selbst bestimmt“ (FUNKE- WIENEKE 1999, 19).

Es ist nicht zu verhindern, dass sich die Schülerinnen und Schüler an Lehrkräften ein Beispiel nehmen. „Daher kommen der eigenen Lebensweise und den Umgangsformen der Erzieher eine große Bedeutung zu. Wiederum: Sie bewirken nichts direkt, aber sie führen zu Wahrnehmungen und Stellungnahmen, die für die Selbsterziehung der Jüngeren wichtig ist“ (BALZ u. a. 1997, 16). Hinsichtlich bestimmter Gewohnheiten und Handlungsweisen, sollte die pädagogische Wirkung des Erziehers kein schlechtes Bild abgeben. Bei abweichendem Verhalten sollten sich die Schülerinnen und Schüler nicht auf das Beispiel des Erziehers berufen und damit ihre eigene Verantwortung von sich schieben können.

Dieser vertretbare Rahmen des Umgangs von Lehrkräften mit Schülerinnen und Schülern findet in der erfahrungsoffenen Konzeption ihren Anklang. In relativer Unabhängigkeit erziehen sich die jungen Erwachsenen im Sport- und Bewegungsunterricht selbst. Der Erzieher muss das Individuum in seinem Handeln respektieren und mit seinen personalen Bezügen einbeziehen.

4.2.2 Zum Entwicklungsverständnis

Die erfahrungsoffene Konzipierung geht von der sozialanthropologischen Annahme aus, dass das Individuum seine Entwicklung im eigenen Handeln hervorbringt. „In der schrittweisen Erkundung und Kontrollierbarkeit von körperlicher Nahwelt hin zur sozial- dinglichen Umwelt vollzieht sich die kindliche Entwicklung und dabei bewegungsgemäß vermittelt und körperlich verhaftet, auch seine emotionale Fundierung“ (BALZ u. a. 1997, 18).

Kennzeichnend für das Entwicklungsverständnis ist das relationale Körperbild. Dieses erkennt dem menschlichen Leib eine inhärente Relationalität zu, die eine unlösbare Verbundenheit zwischen Mensch und Welt mit einbezieht (vgl. TAMBOER 1994, 36). Die Entwicklung ist nur dann realisierbar, wenn sich der Mensch mit der Realität handelnd auseinandersetzt. Für die Entwicklung spielt das Sich- Bewegen eine maßgebende Rolle, da jegliches menschliches Handeln Erfahrungen sammeln lässt. Beispielsweise stützt sich das Erlernen von Begriffen auf grundlegenden Bewegungen. „Sich bewegend „kennt das Kind die Natur der Welt schon lange, bevor es in der Lage ist, diese in Begriffen und Symbolen zu deuten. Die Entwicklung des Kleinkindes führt vom „Greifen“ zum „Begreifen“, nicht umgekehrt“ (TAMBOER 1979, 19). Durch das Bewegen lernen die Menschen nicht nur die Welt kennen, sondern können sich in dieser auch ausdrücken und verwirklichen. Im Sich- Bewegen muss sich das Subjekt mit seinem persönlich- situativen Hintergrund auf die Welt beziehen können. Folglich sammelt das Subjekt Erfahrungen und gewinnt die Erkenntnis, dass die Vertiefung und Ausdehnung dieser Welt durch ihn selbst bewirkt werden kann. Als Gestalter seiner Entwicklung kann das Individuum in der handelnden Auseinandersetzung mit der Umwelt eine Ich- Identität entfalten. „Für die Entwicklung eines emotional gestärkten Selbst ist erfahrene Selbstwirksamkeit, also positive Resonanz auf eigene Aktivitäten, von ausschlaggebender Bedeutung“ (BALZ u. a. 1997, 18). Die Entwicklung ist in einer erfahrungsoffenen Konzipierung Zweck des Bewegungsunterrichts.

4.2.3 Zum Bewegungsverständnis

Bei der Untersuchung der menschlichen Bewegung spielt die aristotelische wie auch die galileische Tradition eine zentrale Rolle. Während das Sportartenkonzept die galileische Tradition anspricht, ist die aristotelische Tradition Grundlage der erfahrungsoffenen Konzipierung. Sie betrachtet Zielgerichtetheit als ein inhärentes Merkmal menschlichen Verhaltens, welches ein teleologisches Erklärungsschema erfordert.

Mit BUYTENDIJK (1956) ist zwischen einer physikalischen Betrachtungsweise von Bewegungen und einer Perspektive, die dem Wesen des menschlichen Sich- Bewegens angemessen scheint, zu unterscheiden. Im Zusammenhang mit dem Sportartenkonzept haben wir die galileische Tradition und damit die physikalische Betrachtungsweise bereits angesprochen. Weil der funktionelle Gesichtspunkt bei dieser Denkweise unberücksichtigt bleibt und der leiblichen Existenz nicht Rechnung getragen wird, befasst sich eine differente Bewegungsauffassung mit der menschlichen Bewegung als reale Erscheinung. Bewegungen werden nämlich erst dann einsichtig, wenn auch Bezug auf die Bedeutung von Bewegungen genommen wird.

Die erfahrungsoffene Konzipierung bezieht sich auf die funktionelle Betrachtungsweise und begreift den Menschen auf Grund des relationalen Körperbildes als ein handelndes Wesen. „Handeln bedeutet in diesem Zusammenhang das Verwirklichen von Bedeutungsrelationen“ (TAMBOER 1994, 44). Letztlich sind Erscheinungen des menschlichen Daseins nämlich nur greifbar zu machen, wenn Bezug auf das Subjekt, die konkrete Situation und die Bewegungsbedeutung genommen wird. Außerdem wird Bewegen als sinnvolles Verhalten begriffen, das intentional verankert und gerichtet ist. Die funktionelle Betrachtungsweise setzt also immer eine Einsicht in den Sinn des Bezugs von Individuum und Umwelt voraus. Folglich werden menschliche Bewegungen als Funktionen begriffen, wobei BUYTENDIJK (1956) Funktionen definiert als „ein unteilbares Ganzes betrachtet, das sinnvoll bezogen ist auf etwas, das außerhalb dieser Veränderung liegt (vgl. TAMBOER 1979, 15).

Auf diesem Hintergrund wird menschliches Bewegen als Ereignis sinnvollen Verhaltens und Bewegungen immer im Kontext Mensch- Welt- Beziehung begriffen. Dies ist als solches ein „relationales Ereignis“ und die Metapher „Dialog soll den relationalen Grundzug des Sich- Bewegens anschaulich vor Augen führen (vgl. TREBELS 1992, 22). Voraussetzung für den Dialog ist die Intentionalität menschlichen Verhaltens, die in der Bewegungshandlung zum Ausdruck kommt. Die Antwort im bewegenden Dialog realisiert sich durch die Verbindung subjektiver und objektiver Bedeutungen. Was das Subjekt mit den konstituierenden Faktoren tut, wie es sie beurteilt und es zu einem für sie bedeutungsvollen Ganzen zusammenfügt, ist eine von der Person zu Stande gebrachte Gestalt von Bedeutungen. Durch den bewegenden Dialog entsteht für den Bewegungsaktor eine subjektiv wahrgenommene Welt.

Hat man sich wie das erfahrungsoffene Konzept für die funktionelle Betrachtungsweise entschieden, befasst man sich mit ganz anderen Erscheinungen als jenen, die sich unter der physikalischen Perspektive bieten. In diesem Sinne werden Bewegungen nicht als Ortsveränderungen des Körpers, sondern als „sich irgendwo bewegende Menschen“ begriffen.

4.2.4 Zum Unterrichtsverständnis

Die erfahrungsoffene Konzipierung ist mit einer praktischen Perspektive für das Unterrichten entwickelt worden. Ein Bewegungsunterricht, welcher von einer Theorie menschlichen Sich- Bewegens ausgeht, hat eigene Strukturen des Unterrichtens. Dies betrifft einerseits die Gliederung der Bewegungsinhalte und andererseits das unterrichtliche Arrangement (vgl. TRBELS 1999, 205). Vor dem Hintergrund des Unterrichtsverständnisses muss berücksichtigt werden, dass Gegenstand der Aneignung nicht ein festgelegtes Bewegungsmuster, sondern die Auseinandersetzung mit der Bewegungssituation als dialogischer Prozess ist. Es sollten Bewegungsdialoge ermöglicht werden, in denen sich die persönliche Intentionalität bestimmend auswirken kann. Schließlich erschließen sich die Schülerinnen und Schüler in der eigenverantwortlichen und selbstständigen Auseinandersetzung mit der sozialen und dinglichen Umwelt Erfahrungsfelder, die zur Grundlage menschlichen Lebens werden sollen. Da der Bewegungslehrer das Sich- Bewegen lediglich beeinflussen kann, gilt es Unterrichtssituationen zu erstellen, denen eine gemeinsame Handlungsorientierung, bestehend aus den Absichten der Lehrkraft und den Handlungszielen der Schüler, zugrunde liegen (vgl. HILDEBRANDT/ LAGING 1981, 19). Durch Bewegungsarrangements schafft die Lehrkraft selbst oder gemeinsam mit ihren Schulkindern Bewegungssituationen. Welche Bewegungsabsicht an diesem Arrangement verfolgt werden soll, formuliert der Lehrer in einer einladenden Angabe. Diese ist für individuelle Bewegungsantworten prinzipiell offen. Durch ein individuell angemessenes Bewegungsarrangement und einen entsprechenden Bewegungsvorschlag kann die Lehrkraft für das Subjekt den Zusammenhang von Bewegungsbedeutung und individueller Bewegungsantwort herstellen. Die individuell stimmige Bewegungsantwort auf eine Bewegungsbedeutung ist das Ziel des Unterrichts. Durch das eigene Bewegen wird bestimmten Bewegungsbedeutungen entsprochen. In solch einem Unterricht geht es immer um die Bewältigung einer Bewegungssituation, in der einer bestimmten Bewegungsbedeutung durch das eigene Bewegen entsprochen wird (vgl. TREBELS 1999, 207). Des Weiteren ist es für die Unterrichtsplanung erforderlich bei gleicher Thematik innerlich zu differenzieren. Auf Grund bereits vorhandener Erfahrungen und individueller Eignung muss das Arrangement für unterschiedliche, jedoch gültige Antworten, offen gehalten werden. Zur vertieften Auseinandersetzung mit den Bewegungsbedeutungen trägt ein Lernarrangement zu höherer Komplexität bei. Außerdem sollte in diesem Unterricht ein soziales Lernen angebahnt und unterstützt werden, das eine Gleichförmigkeit wie auch eine Konkurrenzorientierung vorbeugt. Um die Schülerinnen und Schüler zum selbstständigen Handeln, zur Kreativität, Kommunikation und Kooperation anzuregen, muss der Vermittlungsrahmen so gestaltet sein, dass er Handlungsspielräume eröffnet. Nach FUNKE- WIENEKE (1995) ist das „Versichernde Aufrufen“ ein Konzept um das Sich- Bewegen- Lernen adäquat zu unterstützen. Die Aufgabe der Lehrkraft besteht darin, die Mädchen und Jungen bei der problemhaltigen Auseinandersetzung mit Rat und Tat zu begleiten. Für die Einlösung der Bewegungsabsicht macht er keine verbindlichen Angaben, sondern macht sich zum Anwalt des Problems. Er lässt Schülerinnen und Schüler Bewegungserfahrungen sammeln und sichert, dass eigenständig Evidenzen für richtig und für angemessen entwickelt werden. Zwar orientiert die Lehrkraft den Schüler auf eine Absicht hin, aber sie will ihn nicht lenken oder steuern. In der Auseinandersetzung mit der Aufgabe bleibt das Handeln des Lernenden sein eigenes. „Von den ersten Zielen, die er sich setzt, bis zu der Art und Weise, wie er sie angeht und bewältigt“ (FUNKE- WIENEKE 1995, 12). Die Lehrkraft gibt dem jungen Menschen Vertrauen und versucht zwischen Bewegungsaufgabe und Bemühen des Schülers zu vermitteln. Bei diesem Verständnis von Unterricht wird der Schüler zum Subjekt seines eigenen Lernprozesses.

5 Schulporträts der hospitierten Schulen in Deutschland und Portugal auf der Grundlage von Interviews und narrativer Dokumentation subjektiver Beobachtungen

5.1 Einführung und Rahmenbedingung der Untersuchung

Die Zielsetzung unserer Untersuchung ist die Vorstellung der von uns hospitierten Schulen. Dabei handelt es sich zum einen um eine deutsche Institution im Landkreis Gifhorn (Vordorf) und zum anderen um zwei portugiesische Grundschulen in Castelo Branco. In diesem Gliederungspunkt unserer Examenshausarbeit wollen wir die Schulen und ihre Ausstattung sowie die Schulen und ihr Bewegungsprogramm betrachten.

Die Grundlage für das Verständnis der Institutionen schaffen wir, indem wir mit Interviews Hintergründe und Zusammenhänge der einzelnen Schulen darlegen. Anhand einer Befragung sollen die Schulen näher beleuchtet werden, damit nicht nur theoretische Einsichten erlangt werden. Vorab entwickelten wir einen Interviewleitfaden, den wir mit Professor Antonio Faustino in die portugiesische Sprache übersetzt haben (s. A1). Die Direktorin der deutschen Schule haben wir mit denselben Fragen konfrontiert (s. A6).

Wir möchten dem Leser anschaulich Bilder der drei Grundschulen vermitteln. Die Anfertigung der Schulporträts nach einem Interviewleitfaden stellt einen ersten Schritt dar, die drei hospitierten Schulen näher kennen zu lernen und einen Einblick in die Schulwirklichkeit zu bekommen (vgl. REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE 2001, 134). Schließlich ergänzen wir die Porträts mit narrativen Beschreibungen subjektabhängiger Beobachtungen um die Schulwirklichkeit detailliert darzustellen.

Bevor wir die Ergebnisse unserer Recherchen bekannt geben und diskutieren, erläutern wir zunächst die Untersuchungsmethode des Leitfadeninterviews. Im sechsten Gliederungspunkt unserer Examenshausarbeit vervollständigen wir schließlich die „Porträts“ mit den Unterrichtsrezensionen, um den Sportunterricht in Deutschland und Portugal auswerten zu können.

5.2 Untersuchungsmethoden: Leitfadeninterview und narrativer Dokumentation subjektiver Beobachtungen

Für die Ausarbeitung der Schulporträts haben wir als Erhebungsverfahren verschiedene methodische Zugänge angewendet. Die Berichte über die Schulen sind mit Hilfe von Interviews und subjektiven Beobachtungen, die narrativ festgehalten worden sind, entstanden.

„Interviews wie auch schriftliche Befragungen (...) sind eine Weiterentwicklung des alltäglichen Gesprächs. Wie dieses bieten sie Zugang zu Informationen, über die der Interviewpartner verfügt“ (ALTRICHTER/ POSCH 1998, 143). Ziel der Interviews ist es von Personen etwas zu erfahren, das einem wichtig ist und was man noch nicht weiß (vgl. ALTRICHTER/ POSCH 1998, 145). Statt des „strukturierten“ haben wir uns für das „offene“ Interview entschieden. Kennzeichnend für eine offene Befragung ist, dass sie dem Befragten Möglichkeiten zur freien Darstellung seiner Situation und seiner Überlegungen geben. In Anlehnung an HRON (1982) gibt es zwei Formen offenen Interviews: fokussierte und narrative. Im Gegensatz zu den narrativen haben die fokussierten Interviews eine vorgegebene Struktur. Bei unserer Untersuchung orientieren wir uns an dem fokussierten Interview und entwickelten Fragen, die für die Erstellung der Schulporträts relevant sind. Deshalb überlegten wir, über was und worüber wir Informationen erhalten möchten. Folglich erstellten wir gemäß der Funktion unseres Forschungsvorhabens einen Interviewleitfaden für die Direktorinnen und den Direktor der Schulen in Deutschland und in Portugal. Für die Anfertigung des Leitfadens verwendeten wir maßgeblich die Vorlage der REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE (2001). In unserem Katalog fragen wir zunächst nach der Ausstattung der Schule (Umfeld, räumlich- materielle und personelle Rahmenbedingungen). Nachfolgend gliedert sich unser Leitfaden in Fragen zum Schulprogramm, wie zum Beispiel Unterrichtstätigkeit und besondere Veranstaltungen. Zum Schluss werden die Schuldirektorinnen und der Schuldirektor gebeten, eigene Anregungen ihrerseits zu vermerken (s. A.1 und A.6).

Folgt man ALTRICHTER und POSCH (1998) hängt die Auswahl des Interviewpartners, des Ortes und der Zeit von der Fragestellung und den Möglichkeiten der zu interviewenden Personen ab. Interviewereffekte, wie zum Beispiel innere Widersprüche, Pausen oder Diskrepanzen, sind Fehlerquellen und lassen sich beim Interview nicht gänzlich ausschalten (vgl. ALTRICHTER/ POSCH 1998, 153).

Wie bereits in der Einführung erwähnt, führen wir unsere Untersuchung an zwei verschiedenen portugiesischen und an einer deutschen Grundschule durch. Im Einzelinterview bemühen wir uns den Schulleiterinnen und dem Schulleiter die Fragen unseres Leitfadens zu stellen. Durch eine vorherige Terminabsprache gelingt es uns mit den Direktorinnen und dem Direktor in den Freistunden zu sprechen. Nach dem Interview besteht die Aufgabe darin, die Daten für die weitere Verarbeitung vorzubereiten. Weil wir die Interviews nicht auf Band aufzeichnen, transkribieren wir die Aussagen der Schulleiterinnen und Schulleiter wörtlich. Die portugiesischen Antworten der Schulleiterin und des Schulleiters übersetzen wir für den Leser sinngemäß in die deutsche Sprache.

Da wir die Validität qualitativer Forschung zu erfüllen versuchen, ergänzen wir die aus dem Interview hervorgehenden Aussagen mit dem Verfahren der narrativen Dokumentation. Unterschiedliche Sichtweisen sollen sich bei der Untersuchung der Schulwirklichkeit integrieren. Zum einen berücksichtigen wir in unserem methodischen Untersuchungsrahmen die Sicht der Direktorinnen und Direktoren und zum anderen den Blickwinkel der Beobachter. Für BALZ (1997) ist die narrative Dokumentation ein skizziertes qualitatives Verfahren, das erzählend gewonnene Einsichten der Schulwirklichkeit festhält. „Verfolgt wird in erster Linie eine Dokumentation subjektabhängiger Beobachtungen von Ereignissen oder Geschehnissen. Dabei handelt es sich um eine Form der Beobachtung, die man nicht immer trennscharf in ein Raster aus offen/ verdeckt oder teilnehmend/ nicht teilnehmend einpassen kann (CLAUSEN/ HOSENFELD 1994, zitiert in REGENSBURGER PROJEKTGRUPPE 2001, 130). Aus forschungspraktischen Gründen verwenden wir die narrativen Beschreibungen subjektiver Beobachtungen nur für die Angaben zum jeweiligen Pausengelände. Infolgedessen entstehen die Darstellungen der Schulhöfe mittels subjektiver Empfindungen.

Im folgenden Abschnitt stellen wir die Ergebnisse vor und werten sie aus um drei Schulporträts zu entwickeln.

5.3 Darstellung und Auswertung der Ergebnisse

5.3.1 Schulporträt der Escola Básica 1 de Sao Tiago

Bei der Escola Básica 1 de Sao Tiago handelt es sich um eine Grundschule, in der die ersten vier Jahrgänge unterrichtet werden. Die Schule existiert seit September 2002 und liegt im Zentrum von Castelo Branco in Portugal. Auf Grund der zentralen Lage nutzen die Schülerinnen und Schüler keine öffentlichen Verkehrsmittel um die Schule zu erreichen. In wenigen Minuten gelangen die Kinder zu Fuß oder mit dem Auto der Eltern zu der Institution.

Besucht wird die Escola Básica 1 de Sao Tiago von Kindern, die aus mittelständischen und gutbürgerlichen Familien stammen. Ein kleiner Prozentsatz der Schülerinnen und Schüler kommt aus einem ungünstigen sozialen Umfeld. Ausländerinnen und Ausländer aus verschiedenen Ländern sind an dieser Schule nur vereinzelt anzutreffen. Allerdings werden Kinder mit körperlichen sowie geistigen Behinderungen in dieser Grundschule integriert und unterrichtet.

Derzeit sind an der Grundschule 24 Lehrkräfte beschäftigt, davon sind 21 weiblich und drei männlich. Das Alter der Lehrerinnen und Lehrer liegt zwischen 23 und 57 Jahren. Lediglich ein „professor“ (Lehrer) lehrt das Fach Sport. 281 Kinder gehen momentan in die Escola Básica 1 de Sao Tiago, wobei die Geschlechterverteilung ausgewogen ist. Für die einzelnen Klassen gibt es keine Betitelungen. Meist tragen sie den Namen der Klassenlehrerin oder des Klassenlehrers.

An dieser Grundschule beobachten wir den Sportunterricht des zweiten und des dritten Schuljahres. In die zweite Klasse gehen 24 Kinder (elf weiblich, 13 männlich) und die dritte Klasse wird von 19 Schülern (elf weiblich, acht männlich) besucht. Unterstützt werden die erzieherischen Handlungen durch sechs Hilfskräfte. Die Hälfte der zusätzlich angestellten Frauen ist für die Sauberkeit und Ordnung auf dem Schulgelände verantwortlich. Für die Betreuung der körperlich sowie geistig behinderten Kinder sind die drei anderen Mitarbeiterinnen zuständig.

In der Mitte des Schulhofes steht das zweistöckige Gebäude der Escola Básica 1 de Sao Tiago (s. A.8). Im unteren Teil der Schule befinden sich die circa 40m² großen Klassenräume, die jeweils mit einer Fensterfront und einem Ausgang zum Schulhof ausgestattet sind. Die wichtigsten Gruppenräume, wie zum Beispiel der Musikraum und die Bibliothek, stehen den Schülerinnen und Schülern im zweiten Stock zur Verfügung. Des Weiteren sind in der Schule drei Räume für den Förderunterricht vorhanden. Einheitliche Tische und Stühle stehen in den Klassenräumen für die Kinder bereit, die aber nicht nach Größen differenziert sind. Für die Kinder mit einem Handicap gibt es ein spezielles Equipment, welches von den Eltern gekauft und in die Schule gebracht werden muss. Zu den Sportanlagen der Grundschule de Sao Tiago gehört ein Gymnastikraum. Für die Umsetzung des Sportunterrichtes sind diverse Materialien in der Sporthalle vorhanden, die ausreichen, um die Übungen der portugiesischen Rahmenrichtlinien ausführen zu können. Markierungen fehlen auf dem Untergrund des Gymnastikraumes. Obwohl die Kinder meist im Gymnastikraum zur Bewegung erzogen werden, weicht die Lehrkraft bei schönem Wetter auf den Schulhof aus.

Die Fläche des Pausenhofes besteht zum einen aus Kieselsteinen und zum anderen aus Steinplatten. Der Hof ist von einem hohen Eisenzaun umgeben, so dass Nicht- Befugten ein Zutritt zum Gelände verweigert ist. Gut aufgehoben können die Schulkinder auf dem überschaubaren Schulgelände miteinander spielen. Auf dem Schulhof fehlen Bäume und Sträucher. Hinzu kommt, dass es keine Spiel- und Turnmaterialien, wie zum Beispiel ein Klettergerüst, gibt. Daher bietet der Pausenhof wenige Gelegenheiten zum Sich- Bewegen (s. A.9).

An dem Tag unserer Beobachtung ist strahlender Sonnenschein und die Kinder freuen sich auf die große Pause. In Sommerbekleidung laufen die Kleinen mit Schwung auf den Hof und spielen diverse Spiele. Ein paar Mädchen knoten Springseile aneinander und spannen als „Pferdchen“ ihre Schulkameradinnen ein. Mehrere Jungen fangen sich gegenseitig, wobei am Zaun „Klipp“ ist und die Kinder nicht gefangen werden können. Einige Schulkinder packen ihr Pausenbrot aus und setzen sich in Gruppen auf den Boden. Für Ordnung sorgen die drei zusätzlich angestellten Hilfskräfte der Schule, die auf die Einhaltung von Regeln hinweisen. Bei wilden Verfolgungsjagden und Rangeleien greifen die aufsichtsführenden Personen in das Geschehen ein. Zum Beenden der Pause ertönt nach 15 Minuten die Schulklingel. Sofort rennen die Schülerinnen und Schüler in das Schulgebäude und erwarten die nächste Unterrichtsstunde. Während der Beobachtung drängt sich uns die Frage auf, warum die neu errichtete Schule über unzureichende Bewegungsmöglichkeiten verfügt? Das dürftige Außenangebot des Schulhofes hinterlässt beim Beobachter einen tristen und kühlen Eindruck. Eine weitere Gelegenheit zum Aufenthalt bietet die Cafeteria, die in der freien Zeit von den Mädchen und Jungen aufgesucht werden kann.

In den portugiesischen Grundschulen werden die Schülerinnen und Schüler in zwei Schichten unterrichtet. Die Hälfte der Kinder besucht von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr und die zweite Gruppe von 13.15 Uhr bis 18.15 Uhr die Escola Básica 1 de Sao Tiago. Fünf Tage in der Woche gehen die Mädchen und Jungen fünf Stunden à 45 Minuten (ges. 25 Stunden/ Woche) in die Institution. Für die eine Stunde Sport werden die Schulkinder von dem Sportlehrer aus dem Klassenraum abgeholt. Die Escola Básica 1 de Sao Tiago kooperiert mit der Escola Superior de Educação de Castelo Branco. Seit 2002 sind die Studenten des vierten Jahres regelmäßig für das Projekt „Psychomotorik“ verantwortlich.

An der portugiesischen Grundschule liegt zwar ein Schulprogramm vor, aber Einzelheiten sind uns bedauerlicherweise nicht mitgeteilt worden. In den Fächern Portugiesisch und Rechnen können die Kinder bei mangelhaften Leistungen am Förderunterricht mitmachen. Obwohl die Eltern über die Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden können, sind alle Kinder am katholischen Religionsunterricht beteiligt. Des Weiteren können die Schülerinnen und Schüler in ihrer Schulzeit zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen wählen. Häufig organisieren die Lehrkräfte Ausflüge zu öffentlichen Einrichtungen, wie zum Beispiel „Correios“ (Post), „Bombeiros“ (Feuerwehr) oder „Policia“ (Polizei). Einmal im Jahr machen die Kinder der portugiesischen Grundschule eine mehrtägige Klassenfahrt. „Festa do Magusto“ (Herbstfest), „Natal“ (Weihnachten), „Carneval“ (Karneval), „Páscoa“ (Ostern), „Encerramento do ano lectivo“ (Fest zum Jahresabschluss) und weitere Feste werden an dieser Bildungsstätte gefeiert. Hinzu kommt, dass im Sommer für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ein Schul- und Sportfest stattfindet. Die Escola Básica 1 de Sao Tiago kooperiert intern sowie extern.

Zum Bewegungsprogramm gibt uns der Schulleiter kaum Auskunft. In den Pausen bekommen die Schülerinnen und Schüler keine Materialien bereitgestellt. Außerdem bietet der Schulhof keine Möglichkeiten, dass sich die Kinder an Geräten bewegen können. Vereinzelt sieht man Mädchen und Jungen, die entweder Lauf- oder Fangspiele veranstalten.

5.3.2 Schulporträt der Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade

In die Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade gehen Kinder, die sich im Alter zwischen sechs und elf Jahren befinden. Seit 50 Jahren besteht die Grundschule in Castelo Branco und hat sich den Fortschrittsentwicklungen in den Jahren angepasst. Zentral, in der Nähe des Bahnhofes liegt die Rua Joaõ Evangelista, an der sich die Schule befindet. Daher nutzen nur zwei Kinder die öffentlichen Verkehrsmittel um die Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade zu erreichen.

Die soziale Herkunft der Schülerinnen und Schüler ist mannigfaltig, da diese aus unterschiedlichen sozialen Milieus stammen. Sie kommen sowohl aus bürgerlichen als auch aus ärmlichen Verhältnissen. Allerdings besuchen auch einige Kinder der gehobenen Schicht die Grundschule.

An der portugiesischen Grundschule sind 19 weibliche und zwei männliche Lehrkräfte (ges. 21) beschäftigt. Der Altersdurchschnitt des Kollegiums liegt zwischen 40 und 50 Jahren. Im Fach Sport steht der Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade ein Sportlehrer zur Verfügung. Momentan werden 245 Schulkinder an der Schule unterrichtet und das Verhältnis von Mädchen und Jungen ist ausgeglichen. Auch an dieser Grundschule erforschen wir den Sportunterricht, allerdings im ersten und im vierten Schuljahr. Während die erste Klasse von 17 Schülern (acht weiblich, neun männlich) besucht wird, gehen in die vierte Klasse 13 Kinder (fünf weiblich, acht männlich). Für die einzelnen Klassen werden keine Bezeichnungen, wie zum Beispiel 1a verwendet, weil es die Überschaubarkeit zulässt. Neben den 21 Lehrerinnen und Lehrern sind fünf Hilfskräfte beschäftigt, die die erzieherische Arbeit unterstützen.

Die portugiesische Grundschule besteht aus einem zweistöckigen Haupt- und einem Nebengebäude (s. A.12). Im Nebengebäude befindet sich sowohl die Bibliothek als auch ein Raum, der multifunktional genutzt wird. Hier wird nicht nur Sport, sondern auch Musik den Mädchen und Jungen gelehrt. Die Klassenzimmer im Hauptgebäude sind circa 56 Quadratmeter groß. Ihre freie Zeit können die Schülerinnen und Schüler entweder im Aufenthaltsraum oder in der Cafeteria verbringen. Stühle und Tische entsprechen einer einheitlichen DIN-Norm und unterscheiden sich in der Größe nicht. Bisher ist für die Mädchen und Jungen noch kein spezielles Material, wie zum Beispiel Sitzbälle, angeschafft worden.

Um das Fach Sport unterrichten zu können, nutzt der Sportlehrer den „Sala Polivalente“ (Mehrzweckraum) mit 60 Quadratmetern und ohne Bodenmarkierungen. Im Gymnastikraum sind in den Schränken verschiedene Materialien (Bälle, Hula- Hopp- Reifen, Springseile, und so weiter) verstaut. Bei gutem Wetter frequentiert der Sportlehrer des Öfteren mit den Kindern den Schulhof.

Der Pausenhof ist von einem hohen Zaun umgeben, der verhindert, dass die Schulkinder das Gelände verlassen und Unbefugte Zutritt erhalten. Obwohl vor der Schule Palmen und Bänke stehen, wirkt der Hof nicht sehr einladend. Der begrünte Teil des Schulgeländes kann von den Schülerinnen und Schüler mittels eines weiteren Zauns nicht betreten werden. Der Untergrund des Geländes ist mit Kieselsteinen vollständig bedeckt. Wenig Raum zum Bewegen steht den Mädchen und Jungen bereit. Bewegungsanlass bietet vor allem ein Klettergerüst und eine Rutsche, die in den Pausen von den Schülerinnen und Schülern genutzt werden können (s. A.13). Dennoch fehlen Anlässe und Herausforderungen für die Mädchen und Jungen um körperlich aktiv zu werden. Könnte man nicht zusätzlich Bewegungsmöglichkeiten schaffen, indem man Materialien wie Bälle oder Seile anbietet?

An diesem Tag ist der Himmel bedeckt, trotzdem verbringen die Schulkinder die große Pause auf dem Schulhof. Mit dem Läuten der Schulglocke kommen die Mädchen und Jungen aus ihren Klassenzimmern ins Freie. Sofort beginnen sie Trinkpäckchen zu öffnen und Pausenbrote zu verspeisen. Viele der Kinder finden sich in Gruppen zusammen, stehen herum und reden miteinander. Vereinzelt spielen Mädchen und Jungen Fangen oder beschäftigen sich mit dem Klettergerüst. Um das auf dem Schulgelände stehende Toilettenhäuschen toben die Schülerinnen und Schüler herum. Während unserer Beobachtung stehen zwei Hilfskräfte als Pausenaufsicht beisammen und unterhalten sich. Sie nehmen das Geschehen auf dem Schulhof kaum wahr, so dass ein Streit unbemerkt bleibt. Zwei Jungen schubsen sich hin und her. Schließlich fällt einer zu Boden und schlägt sich das Knie auf. Weinend unterbricht das Kind das Gespräch der Hilfskräfte, woraufhin diese zum Verbandkasten eilen. Während sich die Aufsicht um den verletzten Jungen kümmert, klingelt es zum Stundenbeginn und die Kinder laufen in die Klassenräume.

Für den Unterricht an der Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade sind die 245 Schülerinnen und Schüler in zwei Gruppen eingeteilt. Daher besucht die erste Schicht von 8.00 Uhr bis 13.00 Uhr und die zweite von 13.15 Uhr bis 18.15 Uhr die portugiesische Grundschule. In der Woche haben die Kinder 25 Stunden zu je 45 Minuten Unterricht. Die Stundenzahl beinhaltet zwei Stunden Sportunterricht. Über die Vergangenheit der Schule erteilt uns die Schulleiterin nur wenige Informationen. Hinsichtlich der Bildung besitzt die Escola Básica 1 de Nossa Senhora da Piedade eine Tradition. Bestimmt wird das Programm der Schule auf der Ebene der „central governo“ (zentralen Regierung).

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Ende der Leseprobe aus 181 Seiten

Details

Titel
Schulsport in Portugal und Deutschland - ein didaktischer Vergleich auf der Grundlage von Unterrichtsbeobachtungen zum Sportunterricht in der Grundschule
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig  (Insitut für Sportwissenschaft)
Note
2,5
Autoren
Jahr
2004
Seiten
181
Katalognummer
V56032
ISBN (eBook)
9783638508360
ISBN (Buch)
9783656808725
Dateigröße
1416 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Schulsport, Portugal, Deutschland, Vergleich, Grundlage, Unterrichtsbeobachtungen, Sportunterricht, Grundschule
Arbeit zitieren
Maren Knopke (Autor:in)Katarina Jäckel (Autor:in), 2004, Schulsport in Portugal und Deutschland - ein didaktischer Vergleich auf der Grundlage von Unterrichtsbeobachtungen zum Sportunterricht in der Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/56032

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