Grossräumige Entwicklungstendenzen der deutschen Bürostandorte


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

100 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1. Fragestellung, Zielsetzung und Relevanz der Arbeit
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Theoretischer Rahmen
2.1. Die Analyse des Städtesystems
2.1.1. Die Rang-Größe-Regel
2.1.2. Das Global-City-Konzept
2.1.3. Funktionsspezialisierung
2.2. Die regionale Wirtschaftsstruktur
2.3. Agglomerationseffekte
2.4. Bürobetrieb, Büroarbeit und Bürostandort : Entwicklung und Standort- verhalten von Bürobetrieben
2.4.1. Die sektorale Entwicklung der Wirtschaft
2.4.2. Die Bedeutung des sekundären Sektors für die Bürostandorte
2.4.3. Die Entwicklung der Büroarbeit
2.4.4. Zur Theorie des Standortverhaltens von Bürobetrieben
2.4.5. Die Nachfrage nach Büroflächen
2.4.5.1. Zusammenhang von wirtschaftlicher Entwicklung und der Entwicklung von Bürostandorten
2.4.5.2. Der Struktureffekt
2.4.5.3. Der Sacheffekt

3. Der Einfluss von Fusionen bzw. Übernahmen und des Staates auf die Entwicklung von Bürostandorten
3.1. Die Bedeutung von hochrangigen Unternehmensabteilungen mit Steuerungs-, Kontroll- und Entscheidungsfunktionen für den Bürostandort
3.1.1. Hauptverwaltungsinterne Standortspaltung
3.1.2. Auswirkung der Flexibilisierung auf die Unternehmensorganisation
3.2. Der Einfluss des staatlichen Apparates : Vorleistung durch öffentliche Anbieter und die Subventions-Politik des staatlichen Apparates
3.2.1. Der Einfluss der EU und die „Europäisierung“

4. Die Entwicklung der deutschen Bürostandorte
4.1. Die Entwicklung der Verdichtungsräume in der BRD
4.1.1. Verdichtungsräume und Metropolenregionen
4.1.2 Europäische Metropolenregionen
4.2. Definition der deutschen Bürostandorte
4.3. Entwicklung der Bürobautätigkeit und der Nutzerstrukturen in den deutschen Städten
4.3.1. Die wichtigsten Bürostandorte im Vergleich
4.3.2. Die Suburbanisierung von Bürobetrieben

5. Die Untersuchungsregionen
5.1. Europäische Metropolregion Hamburg
5.2. Europäische Metropolregion Rhein Ruhr
5.3. Europäische Metropolregion Rhein Main
5.4. Europäische Metropolregion München
5.5. Europäische Metropolregion Berlin-Brandenburg

6. Großräumige Entwicklungstendenzen
6.1. Das Szenario des DIW
6.2. Die Prognosen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR)
6.2.1. Die BBR Arbeitsplatzszenarien 2010/2015
6.2.2. Die Szenarien zur Raumentwicklung in Deutschland 2015/2040
6.2.3 BBR Studie 2002 „Europäische Verflechtungen deutscher Metropolräume“ : Tendenzielle Auswirkungen auf die Raumstruktur
6.3. Die Szenarien „Immobilien im neuen Jahrtausend“ von Bayerische Landesbank und empirica
6.4. Das Prognos Szenario
6.5. Die Szenarien der Deutsche Bank Research

7. Eigene Szenarien und Prognosen

8. Schlussbetrachtung

9. Literaturverzeichnis

Abkürzungsvereichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Fragestellung und Zielsetzung

In den deutschen Ballungszentren sind in den letzten Dekaden durch Immobiliengesell-schaften und Eigennutzer viele Büroflächen errichtet worden.

Der hohe Mittelzufluß bei den Immobilienfonds, das Aufkommen von „neuen“ Anlage-Vehikeln in Immobilien, aber auch die Corporate Real Estate Management-Strategie und die Gewerbeflächenplanung seitens der öffentlichen Hand, führen zu immer großvolumigeren Investitionen in Bürobauten oder Immobilienensemble (bspw. AIRRAIL-Projekt, Frankfurter Welle, Messestadt Riem).

Auch Projektentwickler können einzelne Projekte nicht mehr alleine „stemmen“, sondern müssen Kooperationen, strategische Partnerschaften oder Beteiligungen eingehen oder sich das Kapital durch den Gang an die Börse beschaffen.

Gleichzeitig kommt es durch die Konzentration auf das Kerngeschäft, den steigenden Kapitalbedarf, den Rückgang von branchenspezifischen Flächennutzungen[1] und der damit verbundenen Vermarktung der ehemals im Bestand gehaltenen und jetzt nicht mehr betriebsnotwendigen Liegenschaften[2], zu einem Angebotsdruck von Gebäuden und Grundstücken. Beispielhaft stehen dafür die innerstädtischen Bahnareale (wie Europaviertel Frankfurt, „Mannheim 21“, Bad Homburg Güterbahnhof Süd etc.[3] ) der Deutschen Bahn AG, die Vermarktung von ehemals geschlossenen Gebieten wie Industrieparks und Industrieareale (bspw. Brauereigelände[4], Industriepark Höchst und die Siemensareale „Isar-West“[5] in München oder „343 West“ in Frankfurt am Main) oder die Planungen „Hafen City Hamburg“ oder das Projekt „Düsseldorf Airport City“[6].

Da sich Bürobauten mit hohen Investitionsvolumina nur langfristig rechnen[7] und auch das geplante Flächenangebot in den deutschen Agglomerationen sehr groß ist, stellt sich die Frage wie zukunftsfähig die deutschen Metropolen im Hinblick auf wirtschaftliche und politische Veränderungen sind und welche Entwicklungsrichtung die größten Bürostandorte einschlagen werden.

Ziel dieser Arbeit ist es Faktoren aufzuzeigen, die für die Entwicklung der größten deutschen Bürostandorte, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft von Bedeutung sind und anhand von Trendfortschreibungen Tendenzen in der Entwicklung der Standorte zu erken-nen.

1.2. Methodik und Aufbau der Arbeit

Als Forschungsquellen dienten Primär- und Sekundärquellen. Neben der Literaturanalyse waren die Daten des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung, der Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft Hessen, der Gessta, des Landesarbeitsamtes Hessen und Büromarktberichte von Beratungsunternehmen eine wichtige Arbeitsgrundlage.

Die Datenlage ist im Bereich der Büroimmobilien und der Bürobeschäftigten nicht befriedigend. Nicht nur das es an einer Gesamtübersicht der Bürobeschäftigten aufgeteilt auf alle Städte mangelt, sondern die nicht kongruenten (z.B. Umstellung von Wz 73 auf Wz93) und z.T. sogar fehlerhaften Statistiken machen es unmöglich die Zahlen auf die eigenen Untersuchungsräume anzuwenden.

Die Arbeit besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil werden Faktoren aufgezeigt, die einen großen Einfluss auf die Verteilung von Bürobetrieben bzw. auf die Entwicklung von Bürostandorten haben. Im Mittelteil wird die Entwicklung der Bürostandorte in Deutschland untersucht und die wichtigsten Bürostandorte ausgewählt. Diese Untersuchungsregionen werden kurz dargestellt.

Im letzten Teil werden die Szenarien von Bundesamt für Bauwesen und Raumforschung, Deutsche Bank Research, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, empirica / Bayerische Landesbank und Prognos aufgezeigt, die zum Teil (BBR; Prognos) die Grund-lage für die folgenden eigenen Trendfortschreibungen und Standortbewertungen bilden.

2. Theoretischer Rahmen

2.1. Die Analyse des Städtesystems

Zur Erklärung der großräumigen Verteilung von Bürobetrieben ist nach meiner Ansicht die Analyse des Städtesystems das geeignetste Mittel. Die Städtesystemforschung zeigt nach de Lange, dass die zentrale Bedeutung und die Funktion einer Stadt die Größe des Bürosektors beeinflusst.

Die Einwohnerzahl einer Stadtregion ist kein ausschlaggebender Faktor für die Bedeutung innerhalb des Städtesystems, sondern die metropolitanen Funktionen, die ein Zentrum „für andere Zentren“ ausübt (vgl. Blotevogel, Bobek 280ff., Krätke 1997).

Die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges für eine Stadt, Agglomeration oder Region ist demgemäß nicht einfach aus der Anzahl der Beschäftigten herzuleiten, sondern sie gründet sich vor allem darauf, ob und in welchem Maße ein Wirtschaftszweig ursprüngliches Einkommen aus auswärtigen oder inneren Quellen aufzubringen vermag. Die Hilfsgewerbe und die Wirtschaftszweige mit subsidiärem Charakter beschäftigen zwar meist eine sehr große Zahl von Personen, sind jedoch in ihren Existenzgrundlagen durchaus von den unmittelbares Einkommen schaffenden Hauptgewerbezweigen abhängig. Die Aktivität nach außen ist daher eines der wichtigsten Merkmale für die Bedeutung eines Wirtschaftszweiges “ (von Borries 1969 : 53)

Diese metropolitanen Funktionen sind der Kernbereich einer Stadtregion. Von diesem Segment gehen Primärimpulse aus, die bei intensiver Verflechtung mit der Region als motorischer Bereich dieser Region ein überdurchschnittliches Wachstum bescheren. Dieser Kern bzw. das hochbezahlte Segment ist in allen Steuerungszentralen beinahe gleichgroß (vgl. Ritter). Bobek schätzt den Anteil dieses Segments in den deutschen Großstädten 1939 auf etwa 10% der Gesamtbeschäftigung und auch nach Krüger sind heutzutage zwei Drittel der Beschäftigten in Agglomerationen in Wirtschaftszweigen tätig, die bezüglich der Nachfrage stark in der Region eingebunden sind. Baasner, Möller & Langwald haben versucht, den schwer zu erfassenden Kern- und den Mantelbereich, auf Unternehmenstypen zu übertragen. Diese Darstellungsart ist statistisch nur schwer nachzuvollziehen, aber zum Verständnis sehr fruchtbar (siehe Abb.1).

Abbildung 1: Aufteilung der „Kern- und Mantelbeschäftigten“ auf Unternehmenstypen

nach Baasner, Möller & Langwald

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle : Stadt Frankfurt am Main 2003 : 41

Das Wachstum einer Stadtregion findet nach Ritter im Mantelbereich statt. Dieser Mantelbereich ist untrennbar mit dem Kern verflochten. Städte, die keine Steuerungsfunktionen besitzen, werden als Trafos bezeichnet. Sie dienen nur zur Weitergabe von Funktionen an das Hinterland im Unterschied zu den Steuerungszentralen, die Ritter als Generatoren bezeichnet.

Zur Identifizierung von Steuerungszentralen bzw. Global Cities wird die Anzahl von Unternehmenszentralen und bedeutender Niederlassungen herangezogen oder die Zahl der Beschäftigten im hochrangigen Dienstleistungssektor im Verhältnis zur Stadtgröße gesetzt. Der Bedeutungsüberschuss, der rein rechnerisch über die Versorgung des eigenen Verdichtungsraumes hinausreicht, dient der interregionalen oder internationalen Versorgung[8] (vgl. Blotevogel).

Abb. 2: Kapitalverflechtungen der Berliner Abb. 3: Entwicklungsschema der

Großunternehmen mit Unternehmens- Größenstruktur des deutschen

standorten in Städten der BRD 1997 Zentrensystems

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle : Krätke 1999a : 73 Quelle : Blotevogel 1983: 173

Unter der Prämisse, dass eine Stadtregion, die einen überregionalen Bedeutungsüberschuss besitzt, auch ein bedeutender Bürostandort ist, müssen theoretische Überlegungen zur Hierarchie der Städte berücksichtigt werden.

2.1.1. Die Rang-Größe-Regel (RGR)

Das wohl geläufigste Verfahren zur Städtesystemanalyse ist die Siedlungsgrößenverteilung gemäß der Rang-Größe-Regel (Vgl. Blotevogel, Blotevogel & Möller, Carlberg; Karsch, Nuhn 1981). Die Städte werden der Größe nach, bezogen auf den jeweiligen Zentralitätswert, in absteigender Reihenfolge angeordnet, so daß eine linksschiefe Verteilung der Punkte, die Rang-Größe-Ketten, entsteht (siehe Abb. 3. und 4.). Dass sich die Städte in einer Region regelmäßig anordnen, darüber ist sich die Fachwelt einig, nur die Ursachen oder die Aussagekraft des RGR-Modells sind umstritten.

Die Rang-Größe-Regel (RGR) zeigt eine Regelhaftigkeit aus der Empirie, sie ist aber keine ausformulierte Theorie. Sie lässt deshalb viele unterschiedliche Erklärungsansätze zu, vor allem stimmt die RGR u.a. mit den Theorien von Christaller überein[9].

Die RGR sagt aus, dass die Bevölkerungszahl einer gegebenen Stadt ermittelt werden kann, wenn man die Einwohnerzahl der größten Stadt durch den Rang der gegebenen Stadt dividiert[10]. Berry hat in den sechziger Jahren 38 Länder untersucht und herausgefunden, dass alle nationalen Städtesysteme eine lognormale[11] Verteilung aufweisen. Diese Verteilung nannte Berry Weltverteilung, sie ist gleichbedeutend mit der Rang-Größe-Regel.

Die RGR ist das Ergebnis des Wirkens einer großen Zahl von Kräften über eine längere Zeitdauer. Ein konvexer Kurvenverlauf bedeutet eine relativ schwache Dominanz der größten Stadt über die nachfolgenden Städte (siehe Abb. 3). Das Gegenteil zeigt die sog. Primatverteilung, in der alle Funktion in einer Stadt konzentriert sind und starke vertikale Beziehungen zu den restlichen Städten bestehen. Primatverteilungen finden sich in Entwicklungsländer bzw. ehemaligen Kolonien und in den ehemaligen „Mutterländern“, deren Hauptstädte ein größeres „Hinterland“ hatten und natürlich auch in zentralistisch organisierten Nationen. Stufen in der Rang-Größe Kette deuten auf ein Nebeneinander von selbstständigen Städten hin. Wenn im Zeitverlauf die Steigung zunimmt, wachsen die größeren Städte schneller als die kleineren Städte.

Abbildung 4: Zusammenhang von Siedlungsgrößenverteilung und Raumstruktur

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Blotevogel & Möller 1992:120

Verallgemeinerungen und zu schematisches Vorgehen bei der Analyse der RGR-Siedlungsgrößenverteilung führen zu widersprüchlichen Aussagen. Der Stimmigkeitsgrad ist dann am ehesten gegeben, wenn für die Verteilung ein möglichst heterogenes Faktoren-bündel gegeben ist. Interpretationen des Kurvenverlaufs sind nicht isoliert, sondern nur im Kontextzusammenhang möglich.

Ettlinger & Archer wendeten die Rang-Größe-Regel auf die hundert weltgrößten Städte im Betrachtungszeitraum von 1900 bis 1980 an. Neben vielen Positionswechsel[12] zeigt die Verteilung einen zunehmend konvexen Verlauf. Nach Ansicht der Autoren kommt der konvexe Kurvenverlauf auf Grund folgender Faktoren zustande:

- Abnehmende britische Welthegemonie bei gleichzeitiger Entwicklung einer multizentrischen Welt, deren Städte um Macht, Kapital und hochrangige Funktionen konkurrieren.
- Ökonomische Aktivitäten sind durch das mobiler werdende Kapital weltweit verteilt. Der Aufstieg einzelner Städte ist exogenen Kräften zuzuschreiben (z.B. New York – Houston).
- Der Zusammenhang zwischen Rang und Bevölkerung gilt nicht mehr in dem Maße wie es früher postuliert wurde (Bedeutung von metropolitanen Funktionen und von Migrationsbewegungen).

2.1.2. Das Global-City-Konzept

Durch die zunehmende Inter- und Transnationalisierung der Unternehmen und des Kapitals entwickelten US-amerikanische Forscher in den 70er und 80er Jahren des 20.Jahrhunderts ein Konzept zur Beschreibung der Hierarchiebildung im internationalen Städtesystem. Diese Weltstadthypothese bzw. der Global-City-Ansatz beschreibt den Aufstieg einzelner Metropolen auf Grund ihrer Steuerungs- und Kontrollfunktionen im weltweiten Städte-netzwerk. Demnach waren diese Orte gekennzeichnet durch:

- Häufung von Headquaters bedeutender Unternehmen oder bedeutender Nieder-lassungen
- Bedeutender Finanzplatz
- Standort von unternehmensorientierten Dienstleistungsunternehmen
- wichtiger Verkehrsknotenpunkt
- Sitz internationaler und staatlicher Institutionen.

Es wurden zahlreiche World-Cities Ranglisten erstellt[13]. Diese zeigten, dass es nur drei echte World Cities gibt, nämlich London und mit Abstand New York und Tokio.

Ende der 1980er Jahre begann dann v.a. Sassen die Weltstädte zu untersuchen und erstellte das Global-City-Konzept. Dieses Global-City-Konzept passt sehr gut zu den Ergebnissen, die Pred in den 1970er Jahren erarbeitet hatte. Sassen untersuchte Anfangs New York und London und übertrug die Ergebnisse dann auf die idealtypische Global City[14]. Ein Hauptaugenmerk bei Sassen ist die interne Spaltung der Global City, die aber für diese Arbeit unrelevant ist.

Der Verfasser möchte aufzeigen, dass im Unterschied zum World-City-Ansatz, die Global- City ein (und nicht der) Knotenpunkt im weltweiten Wirtschaftsnetz ist (vgl. Danielzyk & Oßenbrügge; Chase-Dunn & Jorgenson; Grabher; Meyer S.196ff.; Sassen; Pred).

Da ein funktionstüchtiges Netz mehr als drei Knoten haben sollte, beschreibt der Global-City-Ansatz keine Spitzengruppe von einzelnen Städten, sondern die steigende Zahl von netzwerkartig miteinander verbundenen Orten, die über eine Steuerungskapazität verfügen. Das heißt, diese Stadtregionen können entweder spezialisierte Produktions- und Steuerungsfunktionen ausüben oder eine „Gateway“-Funktion innehaben oder auch Sitz bedeutsamer Institutionen sein (vgl. BBR 2002).

Die Vernetzung und Bündelung von Aktivitäten führt zu Ballungen von Entscheidungs-, Steuerungs- und Servicefunktionen an Standorten, die dafür neben der großräumigen Lage eine hochwertige Infrastruktur aufweisen müssen (z.B. „Datenautobahnen“, sichere Stromversorgung, internationaler Flughafen, Zugang zum Schienenschnellverkehr). Ein weiterer wichtiger Faktor, der der Weltstadthypothese widerspricht, ist der Zugang und die Nähe zu räumlich gebundenem Wissen, sog. „tacit knowledge“[15].

Die Zahl der Global Cities steigt somit, im Gegensatz zur Weltstadthypothese, in der sich alles auf wenige Metropolen konzentriert, tendenziell an, wenngleich einige Orte die nicht über eine Grundausstattung (Telekommunikation, Managementfunktion, Rechtsberatung, advanced producer services, Verkehrsknotenpunkt) verfügen, aus dem Netz herausfallen.

Steuerungs- und Kontrollkapazität bezieht sich nicht nur auf die Zahl der Unternehmens-zentralen, sondern in erster Linie auf einen leistungsfähigen Dienstleistungskomplex. London gilt seit den „Big Bangs“ während der Thatcher Regierung als der wichtigste Finanzplatz weltweit, beherbergt in Relation aber wenige Unternehmenszentralen und Headquaters des Finanzsektors. In den letzten Jahrzehnten sind alle bedeutenden Investmentbanken[16] von ausländischen Firmen übernommen worden (vgl. Bördlein; Gaebe 1988; Grabher; Taylor[17] ; Sassen).

2.1.3. Funktionsspezialisierung

Neben der Bereitstellung von Dienstleistungen für das Umland nehmen Städte auch spezifische Aufgaben für Bereiche anderer Städte und Regionen wahr. In einem Siedlungssystem erbringen einzelne Siedlungen bestimmte Leistungen für andere Siedlungen und das Siedlungssystem bildet einen arbeitsteiligen Verbund. Die Funktions-spezialisierung von Städten und Regionen entsteht durch die überproportionale Kon-zentration einzelner Funktionen /Sektoren an einem Standort und durch das funktionale Standortmuster der Mehrbetriebsunternehmen. Nach Blotevogel gibt es drei Grund-strukturen von Städtesystemen:

- Städtesysteme ohne Funktionsspezialisierung. Städte versorgen nur im Umland und unterhalten keine Beziehungen zu anderen Städten.
- Städtesysteme mit einer sektoralen Funktionsspezialisierung. Die Funktionen sind unterschiedlich lokalisiert. Die Siedlungen sind komplementär und arbeitsteilig miteinander verbunden.
- Hierarchische Funktionsspezialisierung : Funktionale Über- und Unterordnung.
In Deutschland gibt es die sektorale Funktionsspezialisierung, da die Metropolenfunktion auf mehrere Städte verteilt ist. Zwischen diesen führenden Zentren gibt es horizontale Interaktionen, während in hierarchischen Städtesystemen Abhängigkeitsverhältnisse bestehen (vertikale Interaktionen).

Das deutsche Städtesystem der sektoralen Funktionsspezialisierung ist auf ein leistungs-fähiges Verkehrsnetz angewiesen, das die horizontalen Interaktionen und die Verflech-tungen ermöglicht und intensiviert (vgl. Heyer; Meyer 190ff.; Möller, H.).

Die Funktionsspezialisierung zeigt sich nicht nur auf der Branchenebene (z.B. Bankenplatz Frankfurt am Main, Versicherungsstandorte Köln, München), sondern noch deutlicher innerhalb der Branchen und Wirtschaftszweige bspw. in der Softwarebranche, im Messe-wesen (vgl. Möller,H. S.118) oder wie nachfolgend gezeigt, innerhalb der Medien-wirtschaft.

Abb. 5: Standortquotient der Medienwirtschaft für neun deutsche Medienstandorte Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ettlich 2003 : 191[18]

Die Medienwirtschaft ist in Deutschland räumlich stark spezialisiert und in Agglomerations-räumen konzentriert. Gemäß der funktionalen Spezialisierung des Städtesystems haben sich die einzelnen Mediensektoren an speziellen Standorten entwickelt und bedienen von dort das übrige Bundesgebiet. Der Mediensektor Rundfunk ist in Köln konzentriert, der Mediensektor Filmwirtschaft in München, der Mediensektor Multimedia in Stuttgart und der Mediensektor Werbung in Düsseldorf. Ähnliche Spezialisierungsmuster zeigen auch andere Wirtschaftsbereiche. Die Multimediabranche ist bezüglich der Werbung in Düsseldorf konzentriert, bezüglich des Verlagswesens in Hamburg und im Raum Frankfurt am Main ist die auf den Finanzbereich spezialisierte Multimediawirtschaft stark vertreten (vgl. DIW; Ettlich).

2.3. Die regionale Wirtschaftsstruktur

Nach der neoklassischen Wachstumstheorie hängt die regionale Entwicklung von externen Einflüssen ab. Es wird vom gesamtwirtschaftlichen Wachstum einer Branche auf das regionale Branchenwachstum geschlossen. Empirische Untersuchungen zeigen dagegen, daß die Branchenentwicklung in einer Region nicht an das Gesamtwachstum der Branche gekoppelt ist (vgl. Bade; Meyer Everhart Siebe et.al.). Die traditionellen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien blenden das endogene Potential aus und können die Agglomerationseffekte nicht erklären.

In den 80er und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts fanden die spezifischen Entwicklungs-pfade einzelner Regionen wieder verstärkt das Interesse und es entstanden die ersten „Cluster“-Konzepte[19]. Auf diese Ansätze soll hier nicht weiter eingegangen werden.

Grundsätzlich ist die regionale Wirtschaftsstruktur von großer Bedeutung für die regionale Entwicklung (vgl. Almus Egeln Engel; Heuer; Spehl). Probleme bereitet aber die Operrationalisierbarkeit der Daten.. Man muß, um die regionale Wirtschaftsstruktur zu „entdecken“, spezifische Besonderheiten der Region berücksichtigen und die Wirtschaftszweigdaten weit herunterbrechen. Ferner müssen branchenübergreifende Zusammenhänge, Verflechtungen und schließlich Produktionscluster identifiziert werden, wie dies Koschatzky, Krätke, Krüger, Läpple et.al. tun, um die Teilökonomien eines Verdichtungsraumes herauszufiltern.

Die regionale Wirtschaftsstruktur und Spezialisierung prägt das endogene Potential. Dies kann sich, wie die zwei Seiten einer Medaille, positiv und negativ auf die langfristige Entwicklung auswirken. Im negativen Sinn spricht man von den „Lock-in“ Effekten, wenn ein bedeutender Sektor oder eine bedeutende Industrie keine neuen Industrien aufkommen läßt. Bekannte Beispiele sind das Ruhrgebiet, wo die Ruhrkonzerne keine anderen Unternehmen zuließen, die Kommunalpolitik auf die Grosskonzerne ausgerichtet war (und nach wie vor ist) und es auch aus einfachen Platzgründen nicht möglich war, neue Unternehmen und Unternehmensgründungen anzusiedeln (vgl. Mertins et.al.) sowie die alten Wirtschaftsräume im Nordosten der USA (vgl. Holloway & Wheeler). Die Gefahr wird auch bei zu einseitig ausgerichteten, im Augenblick vielleicht noch erfolgreichen Regionen gesehen.

Im Allgemeinen wird ein zu hoher Spezialisierungsgrad einer regionalen Wirtschaft als nachteilig angesehen. Das bedeutet es sollten mehrere „Cluster“ einen Beitrag zur Wett-bewerbsfähigkeit einer Metropolenregion leisten. Weitere Variablen der Wirtschaftstruktur sind die Zahl der Erwerbsfähigen und -tätigen, die durchschnittliche Betriebsgröße, der branchenspezifische Beschäftigtenanteil der Sektoren (v.a. des verarbeitenden Gewerbes), die Zahl der Neugründungen, die Zahl autonomer oder abhängiger Unternehmen etc. (vgl. Almus Egeln Engel; Bröker & Peschel; Heuer).

Die Betriebsgrößenstruktur einer Region sollte weder von Grossunternehmen dominiert noch kleinbetrieblich strukturiert sein. Der Unterschied zwischen erfolgreicheren und stagnierenden Regionen liegt vor allem in der regional unterschiedlichen Gründungsrate von Unternehmen. Die Zahl der Unternehmungsschließungen ist über das Bundesgebiet relativ gleichverteilt und konstant, aber es zeigt sich, dass „s chrumpfende Unternehmen eher Großunternehmen und expandierende Unternehmen eher Kleinbetriebe...“ (Braun 1995 : 18 ) sind.

Kleine und mittelgroße Unternehmen schaffen die meisten Arbeitsplätze, allerdings ist die Lebensdauer kürzer und die Sterberate höher. Konzerne sind wiederum bedeutende Auftraggeber und nur regionale Cluster einer bestimmten Größe und mit überregionaler Reichweite sind in der Lage als motorische Einheiten Primärimpulse für die Region zu entwickeln, die diese Region von der überregionalen (bundesweiten) Entwicklung unabhängiger macht. Außerdem können Grossunternehmen einen positiven Einfluss auf die Gründungsrate haben, durch Spin-off, Outsourcing und Ausgründung (vgl. Bade 2003; Braun; Motzkus).

2.1.2 Agglomerationseffekte

Die ökonomische Entwicklung der Ballungsräume beruht auf Agglomerationseffekten. Die meisten Bürobetriebe sind auf die Nähe gleicher oder unterschiedlicher Branchen und auf das Vorhandensein eines qualifizierten Arbeitsmarktes angewiesen. Die Agglomerations-vorteile wirken zentralisierend. Man unterscheidet zwischen Kostensenkungen für ein Unternehmen durch allgemeine Verstädterung (Urbanisationsvorteile) und Vorteile, die ein Unternehmen durch die Ballung von Firmen und Mitbewerber der gleichen Branche an einem bestimmten Standort hat (Lokalisationsvorteile).

Urbanisationsvorteile

Kostensenkungen und Gewinnsteigerungen ergeben sich in Agglomerationen durch einen größeren Absatzmarkt, durch das Vorhandensein von spezialisierten Anbietern, durch die leistungsfähigere Infrastruktur und durch einen größeren Arbeitskräftepool. Die Informationsdichte und höhere Kontaktintensität führt wiederum zu einer höheren Umschlagshäufigkeit. Die Agglomerationen bieten zudem höherrangige Bildungsstätten und kulturelle Einrichtungen.

Lokalisationsvorteile

Für ein Unternehmen entstehen Kostensenkungen auf Grund der Nähe zu anderen Unternehmen gleicher oder verwandter Branchen. Dadurch gibt es eine spezialisiertere, auf den Wirtschaftszweig zugeschnittene Infrastruktur.

Nach Porter bilden sich industrielle Schwerpunkte häufig durch Gruppierungen von ähnlichen Anbietern. Diese Gruppierung nennt Porter (industrielle) räumliche Cluster. Diese sind definiert durch den wechselseitigen Austausch von Technologie, Qualifikationen und Marktinformationen. Das Vorhandensein von räumlichen Clustern weist auf Standort-bindungen hin, die auch im Zeitalter der Globalisierung (Informationstechnologie, Kapitalmobilität, niedrige Transportkosten) nicht beliebig verschoben werden können.

Zur Ballung von Produzenten gleichartiger Güter in bestimmten Regionen kommt es auf Grund von Externalitäten. Spillovers und spin-offs lassen eine besondere standort-gebundene Industriekultur entstehen. Diese besteht aus einer spezialisierten Arbeiterschaft, einer Diffundierung technischen Wissens durch „face-to-face“-Begegnungskontakte, durch Ausgründungen und den Aufbau einer spezifischen Infrastruktur. Die zunehmende Spezialisierung von Firmen führt zu einer größeren Abhängigkeit von größeren Märkten mit komplexer, unterstützender Zuliefererindustrie ( vgl. Möller; Pred).

Agglomerationsnachteile

Agglomerationsnachteile wirken dezentralisierend (sog. push-Faktor). Ab einer gewissen Anzahl von Unternehmen in einer Standortgemeinschaft kommt es zwangsläufig zu negativen Begleiterscheinungen, die hauptsächlich auf die Flächenverknappung zurückzu-führen sind. Die Flächenverknappung hat folgende Auswirkungen:

- steigende Flächenpreise,
- fehlende Expansionsflächen in Verbindung mit dem Auftreten von
- organisatorischen und logistischen Problemen[20] (sog. negative interne Agglomerationseffekte).
- intraregionale Standortverlagerungen und
- fehlende Ansiedlungsmöglichkeiten für Neugründungen[21].

Eine Beschaffungskonkurrenz besteht zwischen den Unternehmen v.a. in der Rekrutierung von Arbeitskräften, sowohl bei hoch- als auch bei geringqualifizierten Arbeitskräften. Diese Konkurrenznachfrage nach einfach qualifizierten Arbeitskräften zeigte sich früher sehr stark im Ruhrgebiet und in Berlin.

Für den Siemens-Konzern wurde es Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts immer schwieriger, im Berliner Raum neue Arbeitskräfte zu rekrutieren “ (Yamamoto 1997:67).

Die hohen Wachstumsraten in der Nachkriegszeit verlangte die Ausschöpfung aller Ressourcen, mit der Folge der Dekonzentration der Produktion in Deutschland und auch in den skandinavischen Ländern (vgl. Peschel). Die Ressourcenknappheit an Arbeitskräften, Infrastruktur und Grundstücken galten damals als „... negativ wirkende Lokalisations- und Urbanisierungseffekte...“ (Peschel 1984 : 44)

Weitere negative Agglomerationseffekte sind z.B. Verkehrsstauungen durch hohes Verkehrsaufkommen und die Wohnungsknappheit mit der Folge hoher Mieten.

Nach Ansicht des Verfassers ist der Vorteil einer spezialisierten Region (Finanzplatz, Autostadt, Bergbaustadt etc.) gleichzeitig ein Risikofaktor für die weitere regionale Entwicklung, wenn die Abhängigkeit von einer Branche oder von einigen Unternehmen gross ist (vgl. Butzin 166ff.; Möller & Tassinopoulus; Peschel).

2.4. Bürobetrieb, Büroarbeit und Bürostandort : Entwicklung und Standortverhalten von Bürobetrieben

2.4.1. Die sektorale Entwicklung der Wirtschaft

Bereits im 17. Jahrhundert beschrieb William Petty den Übergang von der Agrar- zur Dienst-leistungsgesellschaft. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten Fisher (1939), Clark (1940) und Fourastie (1949) ein Konzept zur Unterteilung der Volkswirtschaft in drei Sektoren. Diese „grobe“ Gliederung in einen primären, sekundären und tertiären Sektor hat sich weitgehend durchgesetzt. Andere Autoren wie Gottmann, Abler & Adams[22] differenzierten die Sektoren noch weiter auf in einen quartären und quintären Sektor (hoch-rangige Kontroll- und Leitungsfunktionen).

Die Drei-Sektoren Hypothese beschreibt das Grundmuster des sektoralen Strukturwandels in den Industrieländern aus modernisierungstheoretischer Sicht. Demnach kommt es im Zeitverlauf, infolge des technischen Fortschritts zu Produktivitätssteigerungen und zur Frei-setzung von Arbeitskräften und zum Wandel von der Agrargesellschaft über die Industrie-gesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft. Dieser Prozeß ist in vielen OECD Ländern, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung, beobachtet worden. In diesen Ländern hat der Anteil der Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung zugenommen (vgl. Ambrosius; Klodt Maurer Schimmelpfennig).

Bei Collin Clark wird die Volkswirtschaft folgendermaßen sektoral abgegrenzt:

- primärer Sektor Land- ,Forstwirtschaft, Fischerei
- sekundärer Sektor Industrie, Bergbau, Bau, Versorgung
- tertiärer Sektor restliche Wirtschaftszweige

Der tertiäre Sektor bzw. der Dienstleistungssektor bildet das Residuum. Die Clark-Abgrenzung ist die Grundlage für die Statistiken des statistischen Bundesamtes (StBa). Der Dienstleistungssektor umfaßt nach der StBa-Klassifikation die Wirtschaftsbereiche:

- Handel und Gastgewerbe,
- Verkehr und Nachrichtenübermittlung,
- Kredit und Versicherungsgewerbe,
- Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung bewegl. Sachen,
- Erbringung von Dienstleistungen überwiegend für Unternehmen,
- Gebietskörperschaften und Sozialversicherung,
- Erziehung und Unterricht,
- Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen und
- sonstige öffentliche und persönliche Dienstleistungen

Im Gegensatz zu Fourastie bleibt der Inhalt der Sektoren bei Clark im Zeitverlauf konstant[23]. Bei Fourastie kommt es zu wirtschaftlichen Strukturveränderungen durch den andauernden Abgleich mit der Realität, da die Sektoren durch den technischen Fortschritt gekennzeichnet werden[24]. Der technische Fortschritt und die Rationalisierung führen zum sinkenden Arbeitskräftebedarf im primären und sekundären Sektor und zu einem produktivitätsschwachen, arbeitsintensiven tertiären Sektor. Da es auch im Dienstleistungs-bereich zur Automatisierung, zum Stellenabbau und zum technischen Fortschritt gekommen ist, müßte dieser Bereich im Konzept von Fourastie dem sekundären Sektor zugerechnet werden (vgl. FEH; Heyer; de Lange).

Bis in die 1980er Jahre lag Deutschland hinsichtlich seines Tertiärisierungsgrades deutlich hinter den Vereinigten Staaten. Die günstigen Wechselkurse des Bretton-Woods-Systems führten zu einem Anpassungsstau bei industrieorientierten Dienstleistungen. Durch die Frei-gabe der Wechselkurse kam es zum verstärkten Strukturwandel in Form eines starken Anstiegs des Dienstleistungssektors (vgl. Klodt Maurer Schimmelpfennig).

Der sektorale Strukturwandel resultierte aus der Veränderung in der Vorleistungs- bzw. Zwischennachfrage und nicht aus der Änderung der Endnachfrage. Im produzierenden Sektor ging der Anteil der intrasektoralen Vorleistungen zugunsten des Vorleistungsbezuges aus dem tertiären Sektor zurück. Innerhalb des tertiären Sektors stieg die Arbeitsteilung an und es erhöhten sich die intrasektoralen Vorleistungen (vgl. Di Iorio; Klodt Maurer Schimmelpfennig; Meyer Ewerhart Siebe; Schmitt).

Der größte Zuwachs im Dienstleistungsbereich fand im Bereich der unternehmensnahen Dienste statt. Die Untersuchung von Di Iorio identifizierte als Wachstumsträger im tertiären Sektor die Unternehmen der Wirtschaftsabteilung 7. In dieser sind von 1970-1987 prozentual gewachsen:

- der Bereich Verkehr und Nachrichtenübermittlung um 70%,
- das Kredit- und Versicherungsgewerbe um 72%,
- der Handel um 97%
- und die Dienstleistungen für Unternehmen um 179%!

Innerhalb des letztgenannten Bereichs waren wiederum die Unterabteilungen 78 und 79 die expansivsten:

- Technische Beratung und Planung,
- Werbung,
- Datenverarbeitung,
- Gebäudereinigung[25],
- Unternehmensberatung und
- Grundstücks- und Wohnungswesen

Im Strukturwandel bzw. im Übergang vom Fordismus zum Post-Fordismus spielen die unter-nehmensorientierten Dienstleister eine zentrale Rolle. Mit dem Wegfall des fordistischen, vertikal aufgebauten Unternehmens, das viele Tätigkeiten „in house“ ausführte oder eine Verbundwirtschaft betrieb und mit der Änderung der Nachfrage bzw. mit dem zunehmenden Wettbewerbsdruck, nahm die Bedeutung der unternehmensorientierten Dienstleister sehr stark zu (z.B. Werbung, Marketing, spezialisierte Beratung bei kurzen Produktzyklen)[26].

Diese Dienste, die der Produktion vor-, zwischen- oder nachgelagert sind, sind über die Wirtschaftszweige gestreut und deshalb definitorisch schwer zu fassen. Weitere Bezeichnungen bzw. definitorische Verfeinerungen sind:

- produktionsorientierte Dienstleister (vgl. Schmitt)
- wissensintensive Dienstleister (vgl. Schamp; Dathe; Schmid)
- höherwertige unternehmensorientierte Dienstleister (vgl. Neuhoff)
- ungebundene Dienstleistungen
- unternehmensnahe Dienste
- Produktionsdienste (vgl. Sassen 1995)
- Produzentendienste (vgl. Ambrosius)
- b2b-services (vgl. Stille)
- intermediate Services
- sekundäre Dienstleistungen (vgl. Sedlacek)

Sinn dieser Definition besonders für diese Arbeit ist, dass diese unternehmensorientierten Dienstleistungen (FuE, Organisation, Management, Beraten) sich hinsichtlich des Wachstums, der Standortentwicklung und der Nachfrageart von den restlichen Diensten (haushaltsbezogene Dienste, öffentliche Dienstleistungen, Kultur und Wissenschaft) unterscheiden (vgl. Almus Egeln Engel). Diese restlichen Dienste bezeichnen wir als konsumorientierte Dienstleistungen[27].

Die konsumorientierten Dienstleistungen zeichnen sich überwiegend durch einen lokalen Absatzmarkt aus und gelten als weniger konjunkturempfindlich[28] als unternehmensbezogene Dienstleister.

Unternehmensorientierte Dienstleistungstätigkeiten setzen im Allgemeinen eine höhere Ausbildung voraus und sind den Bürotätigkeiten gleichzusetzen (vgl. Gad; Dach; Neuhoff).

Die haushaltsnahen Dienstleistungen „folgen der Bevölkerung“ und die unternehmensnahen Dienstleister suchen die Nähe zu Produktionskomplexen und zur Industrie und damit zu Verdichtungsräumen[29] (vgl. Di Iorio; Heine; Schickhoff; Sedlacek et al.).

2.4.2. Die Bedeutung des sekundären Sektors für den Bürostandort

Die Bürobeschäftigten, Dienstleister und der tertiäre Sektor werden im Alltag häufig gleich-gesetzt. Tatsächlich arbeiten im sekundären Sektor sehr viele Bürobeschäftigte (vgl. Olbrich). Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:

- Von den 1.900 Beschäftigten des Aschaffenburger Automobilzulieferers Takata-Petri (Lenkräder und Airbags) arbeiten 900 Bürobeschäftigte im Bereich Verwaltung, FuE etc.

- Die Asta Medica AG ließ 1996 ein neues Bürogebäude errichten in dem die Dienst-leistungsfunktionen (Abteilungen): Produktionssteuerung, Lager- und Transport-wesen, Materialwirtschaft, Qualitätssicherung, Umweltschutz, Arbeitssicherheit, Betriebsrat, Standortleitung (für ein entfernt liegendes Werk), Personalabteilung, Verwaltung, Kostenrechnung, Rechnungsprüfung, Anlagenbuchhaltung, Einkauf und die EDV untergebracht waren.

Die Abbildung 6 zeigt, daß bereits 1950 die Industrie und der Handwerksbereich ein bedeutender Arbeitgeber für Bürobeschäftigte war. Typische Arbeitsbereiche waren Verkauf und Einkauf, Rechnungswesen, Auftragsabwicklung, Personalwesen, Fertigungsleitung.

Abbildung 6: Kaufleute & Schreibkräfte in der BRD 1950 nach Wirtschaftsbereichen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BÖHRS 1960 : 14

Die Industrie fragt vor- und nachgelagerte Dienstleistungen wie Logistik, Finanzierung, Marketing usw. nach. Intelligente Dienstleistungen machen das warenproduzierende Gewerbe wettbewerbsfähiger (vgl. Ellger; Grabher; Reisert S.; Schamp 1986; Schmitt).

Die Wirtschaftsnetze zwischen Dienstleistern und Industrie / verarbeitendes Gewerbe bilden in vielen Regionen einen untrennbaren Zusammenhang (siehe Abb. 7.). Diese räumlich konzentrierten Teilökonomien bzw. Cluster können nicht ohne die materielle Produktion existieren, wo immer diese dann tatsächlich stattfindet.

Und letzten Endes sind auch die modernsten Informationsindustrien mit einer Produktion verbunden – also einem Komplex von Arbeitern, Maschinen und Gebäuden, die ortsgebundener sind, als das herkömmliche Bild einer Informationswirtschaft vermuten lässt “ (Sassen 2000b:11).

Abb. 7: Das Cluster der Immobilienwirtschaft in der Region Hamburg[30]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Krüger 2004 : 6

Die heutige Dienstleistungsökonomie ist eine Folge sich ausdifferenzierender und immer komplexer werdender Produktions- und Güteraustauschnetze. Diese Netze führen auf Grund des steigenden Informationsaustausches und des Kontroll- und Steuerungsbedarfs zum Anstieg von Dienstleistungsaktivitäten und zur „Tertiärisierung der Industrie“. Der Dienstleistungsgehalt von Industrieprodukten ist dementsprechend in den letzten Dekaden stark gestiegen. Dies ist Folge einer erfolgreichen Modernisierung bzw. des Strukturwandels der Industrie (vgl. Ambrosius; Dybe; Grabher; Klodt Maurer Schimmelpfennig; Schamp 86; Schmitt).

Erfolge im Warenexport sind indirekt auch Zeichen für die Leistungsfähigkeit Deutschlands als Dienstleistungsstandort “ (Stille 2000 : 9).

Die Industrie ist nicht nur ein Nachfrager, sondern auch ein Produzent von Dienstleistungen. Ein Beispiel dafür ist die Wayss & Freytag AG. Das Bauunternehmen bietet seit den 1960er Jahren Leistungen als „Consulting Engineer“ an, insbesondere die Planung von Kraft-werken, Industrie- und Hafenanlagen (Wayss & Freytag S.22).

Tab. 1: Bürobeschäftigte in Industriebetrieben in Hessen 1983

Industriebetriebe Bürobeschäftigte

Hoechst AG, Verwaltung und Vertrieb 15.100 (Stand 1971)

Siemens Zweigniederlassung Ffm, 3.000

Kraftwerk Union AG, Offenbach Kaiserlei 2.508

Hauptverwaltung Degussa AG 1.895

VDO Adolf Schindling AG, Schwalbach 1.537

Wella AG, Darmstadt 1.483

Buderus Wetzlar 1.082

AEG Zentralverwaltung, Ffm[31] 888

Messer Griesheim „Hochhaus“ Ffm 450

Bosch-Siemens Hausgeräte, Verkaufsbüro Ffm 429

Honeywell GmbH, Offenbach 428

Kali + Salz Hauptverwaltung, Kassel 403

Ferrero OHG, Ffm Hauptverwaltung 217

Quelle: Gessta

Fehlt die materielle Produktion, dann fehlt auch die Nachfrage nach produktionsorientierten Dienstleistungen. Da die Dienstleistungen nicht auf Vorrat produziert werden, sind die unternehmensorientierten Dienstleister in besonderem Maße von einer „kritischen Masse“ an Industrieunternehmen oder besser von einem „kritischen Industrialisierungsgrad“ im Absatzgebiet angewiesen. Durch die bedeutende Rolle der Vorleistungsbeziehungen zwischen und innerhalb der Sektoren hängen Beschäftigungserfolge im Dienstleistungs-sektor von der Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Industrie ab (vgl. Di Iorio; Frerich & Pötzsch; Krätke 1995, Meyer Everhart Siebe; Schmitt; Zinn).

Während die Industrie überwiegend großräumige Absatzverflechtungen aufweist, ist für den Dienstleistungssektor die regionale Nachfrage sehr bedeutend[32] (vgl. Bröker & Peschel; von Einem). Unternehmsbezogene Dienstleister fassen in Regionen mit einer strukturschwachen Industrie schwerer Fuß (vgl. Dybe; Gatzweiler Maretzke; Schackmann-Fallis 1986). Nach der Folgebereichshypothese hängt die regionale Entwicklung des tertiären Sektors weitgehend von der Entwicklung des sekundären Sektors ab (Vgl. Bröker & Peschel; Frerich & Pötzsch; Schmitt). Wie oben gezeigt, spielen die Vorleistungsbeziehungen zwischen den Sektoren eine bedeutende Rolle.

[...]


[1] Vgl. Berge

[2] Bspw. Bundesvermögen, Deutsche Bank AG, Deutsche Telekom AG, Heidelberger Zement AG, Metro Konzern, Salamander AG

[3] siehe z.B. die Planungen der aurelis GmbH im Internet unter www. aurelis-real-estate. de

[4] z.B. die Planung zur Umnutzung des Henninger Areals in Frankfurt am Main oder der Verkauf des drei Hektar großen Hamburger Brauereiareals „Bavaria-St.Pauli“ von der Holsten AG an die Quantum Immobilien AG, die dort u.a. 85.000 m² BGF an Büro- und Hotelflächen bauen will.

[5] Planung sieht 590.000 m² für Büronutzung vor. Hinzu kommen noch Flächen für die Nutzung Hotel, Wohnen, Parkhäuser.

[6] mit 230.000 m² BGF zur überwiegenden Büronutzung

[7] Das Anlagevehikel der geschlossenen Immobiliefonds rechnet teilweise in Zeiträumen von 30 Jahren und mit einem dann zu erzielenden einen Wiederverkaufswert.

[8] Abbildung 2 zeigt, den Bedeutungsüberschuss am Beispiel einer Stadt. Bis auf wenige Ausnahmen haben die einzelnen westdt. Städte im direkten Vergleich mit Berlin einen Bedeutungsschuss.

[9] In der ZOK (Zentrale-Orte-Konzept) gilt, dass die Stadtgröße expotentiell zur Rangzahl wächst. Das gilt auch für die RGR mit einer Steigung von –1.

[10] Die Einwohnerzahl einer Stadt ist ihrem Rang umgekehrt proportional

[11] Auf doppellogarithmischen Papier bildet sich diese Verteilung (Rang-Größe-Regel) als Gerade mit einer Steigung von –1 ab. Bei völlig gleichmäßiger Zersiedlung ist die Steigung null und bei vollständiger Ballung an einem Ort minus unendlich.

[12] London rutschte von Rang 1 (1900) auf Rang 16 (1980) ab, während Mexico City von Position 60 (1900) auf den ersten Rang aufstieg.

[13] Siehe beispielhaft die Auflistung bei Blotevogel 1998 : 29

[14] Zur Kritik an der Übertragbarkeit siehe Häußermann & Roost und Hamnet in Blotevogel. Die Ent-wicklung einer Stadt zur Global City ist weder mit einer sozialen Polarisierung verbunden, noch lassen sich die Befunde aus New York auf andere Global Cities wie bspw. die Randstad übertragen.

[15] räumlich gebundenes, nicht transferierbares Wissen (vgl.Bathelt/Glückler; Grabher; Hohn et.al.).

[16] bspw. Morgan Grenfell, Kleinwort Benson, Schroders Investment

[17] in Krätke 2004

[18] Der Standortquotient am Beispiel Köln sagt aus, dass der Beschäftigtenanteil der Medienwirtschaft um das 4,8fache über dem Bundesdurchschnitt liegt.

[19] Läpple; Porter und die Netzwerk und Milieuansätze vgl. Sternberg, Storper, Krätke

[20] Beispiel Mannesmann Arcor 2000: Das Unternehmen war in Eschborn-Süd so stark expandiert und auf mehrere Häuser verteilt, dass für die z.T. täglich stattfindenden „Abteilungsmeetings“ bis zu 1 Stunde Fußmarsch nötig war.

[21] Das zeigt sich besonders extrem im Ruhrgebiet (vgl. Mertins et al.). Siehe auch das Beispiel des Wetzlarer Clusters der optischen Industrie. Das Gründungsunternehmen wollte sich eigentlich im 19. Jahrhundert in Mainz oder Frankfurt am Main niederlassen (vgl. Moßig)

[22] in de Lange 1989 und Stiglbauer. Der quartäre Sektor umfaßt alle Tätigkeiten die durch die Verwendung von Papier als Arbeitsmaterial gekennzeichnet sind. Der tertiäre Sektor wird bei Gottmann hauptsächlich durch den Einzel- und Großhandel geprägt.

[23] Clark unterscheidet die Sektoren hinsichtlich der Produktionsbedingungen: materielle und immaterielle Güterproduktion (sek. + tert.S.) und im primären Sektor gelten die natürlichen Gegebenheiten.

[24] primärer Sektor: mittelmäßiger Fortschritt, sekundärer Sektor: starker technischer Fortschritt, tertiärer Sektor: geringer oder kein Fortschritt

[25] keine typischen Büronutzer, jedoch deutet ihr Wachstum auch ein Büroflächenwachstum an.

[26] Ambrosius zählt zu den Produzentendienste u.a. Banken, Versicherungen, Rechts-, Unternehmensberatung, Werbung, Finanz- und Absatzdienstleistung (Marketing, Franchise, Leasing).

[27] Die Nachfrage nach konsumorientierten Dienstleistungen durch privaten Haushalte stagniert seit Jahrzehnten auf dem gleichen Niveau (vgl. von Frieling / Jacobs; Schmitt)

[28] Was zu beweisen wäre! Auch die haushaltsorientierten Dienstleistungen leiden sehr stark unter der derzeitigen Rezession.

[29] Siehe Kapitel 3.

[30] Sozialversicherungspflichtig (svp) Beschäftigte 1998-2002

[31] In Nicht-Produktionsstätten (Vertriebs- und Verkaufsniederlassungen, technische Verwaltungen, Zentralwerkstätten,... ...Forschungsinstitut in Frankfurt am Main) sind in Hessen 3.837 Beschäftigte tätig (HLT 1983:32)

[32] von Einem geht von einem 1-Stunden-Radius aus, innerhalb dessen sich ein lebensfähiger industrieller Kern befinden muss, damit sich unternehmensnahe Dienstleistungen entwickeln können. Die Untersuchung von Di Iorio zeigt auf, daß die Industrie der größte Auftraggeber im Untersuchungsraum ist und daß die Dienstleister sehr stark regional ausgerichtet sind. Nur der Bereich Datenverarbeitung ist auch überregional ausgerichtet. Was wiederum daran liegen kann, daß im Untersuchungsgebiet Böblingen/Sindelfingen die deutschen Hauptniederlassungen von IBM und HP sind.

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Grossräumige Entwicklungstendenzen der deutschen Bürostandorte
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (Institut für Kulturgeographie, Stadt- und Regionalforschung)
Veranstaltung
Forschungsseminar
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
100
Katalognummer
V54332
ISBN (eBook)
9783638495660
ISBN (Buch)
9783656816263
Dateigröße
3899 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit beschreibt die grossräumige Entwicklung der deutschen Bürostandorte. (z.Teil. noch alte Rechtschreibung)
Schlagworte
Grossräumige, Entwicklungstendenzen, Bürostandorte, Forschungsseminar
Arbeit zitieren
René Koch (Autor:in), 2004, Grossräumige Entwicklungstendenzen der deutschen Bürostandorte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/54332

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