Selbstversicherung über Captives - eine Frage der Regulierung?


Diplomarbeit, 2005

60 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Risiken und deren Handhabung
2.1. Relevanz des Risikomanagements
2.2. Risikomanagementformen und -instrumente
2.3. Selbstversicherung versus Risikotransfer

3. Captives: Rechtliche Formen
3.1. Single-Parent Captives
3.2. Multi-Parent Captives
3.3. Rent-a-Captive und Protected Cell Companies

4. Gesetzliche Regulierungsgrundlagen
4.1. Bindungswirkungen und Flexibilität
4.1.1. Captive-Standorte
4.1.2. Organisatorisches Element
4.2 Steuern und finanzielle Auswirkungen
4.2.1. Steuern und Rechnungslegung
4.2.2. Voraussetzungen und Effekte steuerlicher Abzugsfähigkeit von Prämien
4.3. Zugang zum Rückversicherungsmarkt
4.3.1. Gründe für die Rückversicherung
4.3.2. Formen der Rückversicherung
4.3.3. Vertragsgestaltung

5. Zusammenfassende Diskussion der Motivation von Captive-Gründungen

Literaturverzeichnis

1. Problemstellung

Selbstversicherung als eine alternative Form der Versicherung hat in den letzten Jahrzehnten an Anerkennung gewonnen. Im Speziellen greifen dabei Unternehmen auf Nutzung von Captives, deren Gründungswelle in den 70er Jahren ihren Gipfel erreicht hat. Unter einer Captive versteht man Versicherungen, die in der Regel von einzelnen Unternehmen oder Unternehmensgruppen zwecks eigener Risikovorsorge gegründet werden. Heutzutage zählt man zirka 5000 Captive-Versicherungsunternehmen, die für Versicherungszwecke ihrer Muttergesellschaften an ausgewählten Orten der Welt genutzt werden.

Das Captive-Phänomen beschäftigt Fachleute seit mehreren Jahrzehnten. Insbesondere in den 1970er und -80er Jahren sind zahlreiche Fachartikel erschienen, die ihre Forschungsschwerpunkte vor allem den Leitmotiven der Captive-Gründungen gewidmet haben. Demnach hat man dabei zum Beispiel auf die verbesserten Risikomanagementpraktiken hingewiesen, die durch zentralisierte und maßgeschneiderte Versicherungslösungen realisierbar sind. Ferner fällt unter diese Kategorie die Möglichkeit der Partizipation des Versicherten an Gewinnen der Captive-Gesellschaft. Darüber hinaus führen die Forschungsergebnisse den direkten Zugang zum Rückversicherungsmarkt, steuerliche Vergünstigungen sowie Informationsasymmetrien auf dem Markt als Beweggründe für Captive-Gründungen auf.[1]

Die Motivation für diese Arbeit besteht darin, das Regulierungsumfeld der Captives als Grundlage für Leitmotive der Captive-Führung zu analysieren. Es soll damit aufgezeigt werden, mit welchen Bindungen Captives in ausgewählten Geschäftsbereichen konfrontiert sind und inwieweit diese legalen Rahmenbedingungen die Motivation von Captive-Gründungen beeinflussen.

Die weiteren Kapitel sind wie folgt strukturiert: das nächste Kapitel geht auf Relevanz und Formen des Risikomanagements im Unternehmen ein. Darauf folgt im Kapitel 3 die Erörterung rechtlicher Captive-Formen. Weiterführend beschäftigt sich das Kapitel 4 mit Regulierungsgrundlagen, denen Captives gegenüber stehen. Anschließend setzt sich das Kapitel 5 mit dem Ableiten der Motivationsansätze für Captive-Gründungen auseinander, die sich aus den vorliegenden Erkenntnissen erarbeiten lassen.

2. Risiken und deren Handhabung

Dieser Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, warum Risikomanagement im Unternehmen eine so wichtige Rolle spielt. Im Hinblick auf die Erörterung der Relevanz risikobewusster Unternehmensführung werden diverse Konzepte für den Umgang mit Risiken dargelegt. Darauf folgend setzt sich das Kapitel anschließend mit den Konstrukten des Risikotransfers über den traditionellen Versicherungsmarkt und die Selbstversicherung auseinander.

2.1. Relevanz des Risikomanagements

Der Begriff Risiko bezeichnet das Spektrum möglicher Ausprägungen einer Zufallsvariable, dessen Stärke proportional zum Varianzmaß zum Ausdruck kommt.[2] Unternehmen sind, je nach Märkten, auf denen sie tätig sind, mit diversen Risiken konfrontiert. Global agierende Unternehmen stehen zum Beispiel Währungsrisiken und Marktrisiken gegenüber. Je nach Branche entstehen außerdem spezifische Risikofaktoren. Für Mineralölkonzerne gilt beispielweise die Gefahr der Explosivität des Rohstoffes beim Transport. Diese Risikofaktoren beeinflussen die Unternehmensführung in hohem Maße. Welche Wirkungen üben nun diese Risiken auf die Unternehmenspolitik aus?

In der klassischen Welt von „Modigliani and Miller“ spielt das Management von Risiken keine Rolle.[3] Der Aussage zugrunde liegende Annahmen führen zu der Behauptung, dass, falls ein Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät, ihm auf dem Markt Refinanzierungsmöglichkeiten ex-post zur Verfügung stehen. Das Besondere dabei ist die Tatsache, dass die Refinanzierung ex-post keine negativen Einflüsse auf den Wert dieses Unternehmens nehmen kann. In diesem Kontext ist eine kostenaufwändige Vorsorge in Form von Risikomanagement für das Unternehmen nicht rational. Die auf diese Weise implizierte Irrelevanz von Kapitalstruktur erlaubt dem Untenehmen gleichfalls, Investitionsprojekte mit negativem Kapitalwert durchzuführen oder auch Bewältigung entstandener Engpässe, zum Beispiel aufgrund der Dividendenausschüttung, jede Zeit mit neu aufgenommenen Eigenkapital- bzw. Fremdkapitalmitteln zu realisieren.

Eine kritische Betrachtung der bereits erwähnten Annahmen für das Modell von Modigliani und Miller soll die Konstellationen aufzeigen, in denen die Gültigkeit der Irrelevanz von Kapitalstrukturzusammensetzung verworfen werden kann.[4] Anders formuliert bedeutet dies, dass Risikomanagement für Unternehmen ex-ante sehr wohl vom Belang ist.

Ausgehend von einem perfekten und vollständigen Kapitalmarkt, der sich im Wesentlichen durch die Abwesenheit von Transaktionskosten, Steuern und asymmetrischen Informationen zwischen den Marktteilnehmern auszeichnet, können die Investoren ihre Risiken selbst verwalten bzw., gemäß ihrer Risikonutzenfunktion, angestrebte Risikoprofile aufstellen. Die Implikation dieses Sachverhaltes für das Unternehmen ist, dass internes Risikomanagement keinen Mehrwert schafft, denn die Risikoverwaltung hat einen Kapitalmarktwert von Null.[5] Hebt man jedoch die unrealistischen Annahmen bezüglich eines perfekten und vollständigen Marktes auf, entstehen im Unternehmen ohne Risikomanagement Effekte, die in erheblichem Maße aufwändige Auswirkungen auf die Investitions- und Finanzpolitik haben können.[6] Was macht nun diese Effekte aus?

Die Aufnahme des Fremdkapitals im Falle finanzieller Schwierigkeiten im Unternehmen impliziert das noch höhere Leverage. Die Kosten einer potenziellen Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens, die in der Literatur unter dem Begriff direkte und indirekte Insolvenzkosten aufgeführt ist, steigen.[7] Aufzerrung der Kapitalstruktur des Unternehmens führt dazu, dass Unternehmenseigner, also die Eigenkapitalgeber, sich dadurch mit teuren Fremdkapitalmitteln konfrontiert sehen. Die Gläubiger antizipieren die Mehrkosten, die im Falle einer Zahlungsunfähigkeit auf sie zukommen können und reagieren mit dem entsprechenden Prämienaufschlag für zusätzlich entstandene Risiken, was sich z.B. in fallenden Bondpreisen niederschlägt. Nicht zuletzt bedeutet das auch, dass der Firmenwert auf dem Markt entsprechend nach unten korrigiert wird und das Unternehmen auf teuere Kreditlinien mit diversen Auflagen angewiesen ist.[8] Eine ex-ante Risikobetreibung im Unternehmen kann der Gefahr einer Insolvenz und somit steigenden Fremdkapitalkosten vorbeugen, sowie negative Effekte in Form von z.B. Unterlassung sonst profitabler Investitionsentscheidungen deutlich senken.

Asymmetrische Informationen, die in der Praxis nicht nur auf dem Kapitalmarkt allgegenwärtig sind, stellen eine weitere Grundlage für den Bedarf an Risikomanagement. In diesem Zusammenhang lassen sich verschiedene Interessengruppen identifizieren, für die Anreiz- und Informationsprobleme zu suboptimalen Lösungen führen können. Beispielhaft sind dabei zwei Interessengruppen eines Unternehmens: die Eigen- und Fremdkapitalgeber.

Die Auszahlungsfunktion der Eigenkapitalgeber lässt sich am anschaulichsten mit einer Call-Option auf den Unternehmenswert darstellen. Da der Wert einer Call-Option mit steigender Volatilität des zugrunde liegenden Basisobjektes steigt, haben die Eigner Anreize, das Investitionsrisiko durch Projekte mit einem positiven aber auch negativen Kapitalwert zu erhöhen.[9] Die auf diese Weise erzeugte Volatilität des Unternehmenswertes lässt die Eigner im Erfolgsfall profitieren und bei einem Misserfolg die Fremdkapitalgeber für ausfallende Kapitaleinnahmen aufkommen. Der Vermögenstransfer, der in diesem Fall de facto zwischen zwei Interessengruppen stattfindet, wird als „Risk - Shifting“ bezeichnet.[10] Die Antizipation dieses Verhaltens liefert die Erklärung, warum Fremdkapitalgeber einen zusätzlichen Kostenaufschlag für die zur Verfügung gestellte Finanzmittel fordern. Eine Anwendung zweckmäßiger Risikomanagementinstrumente kann dazu beitragen, die Missverhältnisse in Form steigender Zinsen, aber auch weitere Anreiz- und Informationsprobleme, auf die an der Stelle nicht näher eingegangen wird, zu beseitigen.

Während die bereits aufgeführten Ausführungen sich auf die wechselseitigen Interessen zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern beziehen, liefert die steuerliche Signifikanz einen weiteren triftigen Grund für das Risikomanagement. Eine konvexe Steuerfunktion kann gegebenenfalls bei volatileren Zahlungsströmen zu einer höheren erwarteten Steuerlast führen.[11] Im Allgemeinen können steuerliche Erleichterungen durch die Verrechnung eines profitablen und unprofitablen Jahreseinkommens erreicht werden. Ein Hedging der Cashflows kann aber nicht nur steuerliche Vorteile für das betroffene Unternehmen bedeuten, sondern auch andere Diskrepanzen, wie zum Beispiel die Gefahr einer Überschuldung, vermindern.[12]

Die Relevanz der Risikomanagementpraktiken für ein Unternehmen kann unter diversen Aspekten analysiert werden. Im Rahmen dieser Betrachtung wurde lediglich auf die Bausteine der klassischen Beispiele hingewiesen. Jedoch ist es an dieser Stelle unerlässlich, einen weiteren Ausgangspunkt für das Risikomanagement zu betonen. Mehr und mehr rückt die Gesetzgebung in den Mittelpunkt, indem Unternehmen je nach ihrer Marktpositionierung unterschiedlichen Risikomanagementgrundsätzen verpflichtet werden. Das Betreiben des Risikomanagements stellt somit nicht nur eine freiwillige und essentielle Entscheidung seitens der Unternehmen dar, mit dem Zweck mögliche Diskrepanzen auf dem Markt und im Unternehmen zu handhaben bzw. in einem unsicheren Umfeld den Unternehmenswert zu steigern. Es ist darüber hinaus zu einer unabdingbaren Voraussetzung im regulatorischen Sinne geworden.

Während die Notwendigkeit, Risiken zu managen, einleuchtend scheinen mag, stellt sich eine selbstverständliche Frage nach Formen und Mitteln, die für Risikomanagementpraktiken angewendet werden können.

2.2. Risikomanagementformen und -instrumente

Grundsätzlich kann man Risiken vermeiden, reduzieren, akzeptieren oder transferieren. Das Umfeld, in dem das Management im Unternehmen seine Investitionsentscheidungen trifft, ist für das Umgehen mit Risikofaktoren entscheidend. Es werden dabei vor allem Intertendenzen solcher Faktoren wie z.B. Kapitalstruktur und Verlustereignisse, Investitionspolitik und Finanzkrisen unter die Lupe genommen[13]. Heutzutage stehen dem Unternehmen nicht nur der traditionelle Versicherungsmarkt, sondern auch verstärkt alternative Mechanismen des Risikotransfers zur Verfügung. Komplementär wird die Risikovorsorge auch in hohem Maße unternehmensintern betrieben. Im Speziellen findet eine verstärkte Modellierung von Risikokonzepten einen umfassenden Ansatz[14].

Während der traditionelle Versicherungsmarkt einen Risikotransfer in vielen Fällen ermöglicht, verbirgt er auch Ineffizienzen oder kann unter Umständen völlig versagen.[15] Das spiegelt sich zum Beispiel dadurch wieder, dass asymmetrische Informationsverteilung auf dem Markt Signalwirkungen in Form von Selbstbeteiligungen seitens des Versicherten hervorruft. Alternativ findet Risikomanagementnachfrage für spezifische Risiken unter Umständen kein Angebot. Der alternative Markt bietet eine breite Palette an maßgeschneiderten Lösungen für komplexe Risikomanagementanforderungen von Unternehmen. Durch den Einsatz von Risikotransfer- bzw. Risikofinanzierungsinstrumenten werden Risiken je nach Bedarf strukturiert und gesteuert. So können Garantien und Commited Capital Konzepte dazu beitragen, dass asymmetrische Informationsverteilung und im Speziellen die Risk-Shifting-Problematik gemildert werden. Die Anwendung von Verbriefungs- und Tranchierungskonzepten vermögen ihrerseits unter anderem eine Optimierung der Kapitalstruktur des Unternehmens zu schaffen. Durch die Restrukturierung kann folglich die Gefahr steigender Insolvenzkosten abgewendet werden. Verstärkt tritt aber auch der Einsatz von Kapitalmarktprodukten im Risikomanagement insbesondere im Bereich derivativer Instrumente ans Licht. So können Unternehmen durch entsprechende Finanzkontrakte auch Marktrisiken steuern.

Alternative Mechanismen des Risikotransfers schlagen sich aber nicht nur in neuen Produkten nieder, sondern kommen auch in Form alternativer Träger zum Vorschein.[16] Unternehmen können somit auf neue moderne Risikofinanzierungsformen zugreifen, zu denen unter anderem Risk Retention Groups, Selbstversicherungspools und Captives zählen. Angesichts der Vielfalt und Komplexität von Risiken ist das Verständnis von zwei wichtigen Basisprinzipien im Risikomanagement entscheidend, nämlich welche Risiken durch alternative Mechanismen bzw. Selbstfinanzierung und welche durch den traditionellen Versicherungstransfer zu handhaben sind. Der nächste Abschnitt setzt sich demnach mit dieser Frage auseinander.

2.3. Selbstversicherung versus Risikotransfer

Sowohl Selbstversicherung als auch Risikotransfer stellen Formen der ex-ante Risikovorsorge dar. Welche dieser Formen herangezogen wird, hängt im Wesentlichen von den Implikationen ab, die risikobehaftete Ereignisse auf das Unternehmen haben können. Der Verschuldungsgrad des Unternehmens kann dabei die Risikotragfähigkeit aufzeigen.[17] Ein niedriger Verschuldungsgrad kann dem Unternehmen den Verzicht auf Versicherung ermöglichen. Im Falle eines Verlustes wird sich das Unternehmen durch Fremdkapitalaufnahme ohne steigende Insolvenzkosten refinanzieren können. Ein hoher Verschuldungsgrad hingegen würde die Refinanzierung durch Fremdkapital erschweren und den Bedarf an Risikovorsorge ex-ante hervorheben. Dabei kommt es auf die prognostizierte Schadenshöhe an. Zwar können Risiken mit beträchtlichen negativen Konsequenzen unter Umständen selbstversichert werden, diese Wahl erfordert allerdings, je nach Marktaufstellung des Unternehmens, zum Beispiel eine Bildung interner Unternehmensfonds, umfangreiche Cashreserven oder Deckung mit teuren Eigenkapitalmitteln. Gegeben, dass es sich dabei um versicherbare Risiken handelt, stellt der traditionelle Versicherungsabschluss an dieser Stelle in der Regel eine bevorzugte kostengünstigere Alternative dar. Dadurch wird nicht nur der Verlustfall abgesichert, sondern auch Insolvenzkosten niedrig gehalten.[18]

In diesem Kontext lassen sich Anforderungen für die Wahl zu Gunsten von Selbstversicherung herauskristallisieren. Zum einen ist eine größere Anzahl unkorrelierter Risiken gefragt, denn eine kettenartige Anhäufung der Verlustereignisse kann die vorhandene Deckung deutlich übersteigen. Zum anderen muss das Unternehmen finanziell im Stande sein, neben erwarteten auch unerwartete Risiken zu decken.[19] Eine Wahl zu Gunsten von Selbstversicherung lässt sich auch dadurch begründen, dass das Unternehmen möglicherweise korporative Vorteile bei der Beurteilung der Risiken hat. Auf diese Weise werden nicht nur Versicherungsprämien gespart, die sich durch die Agency-Kosten oder ein mangelndes Angebot verteuern wurden, sondern auch ein unternehmensinternes Risikobewusstsein entwickelt.[20] Daraus realisiert eine Zentralisierung interner Risikoüberwachung, die Vorteile in Form von zum Beispiel besserer Überwachung, sinkenden Verlusten und reduzierten Prämien mit sich bringt.[21]

Eine Gegenüberstellung beider Formen der Risikovorsorge lässt sich unter diversen Blickwinkeln betrachten. Ein wichtiger Anhaltspunkt ist dabei die steuerliche Behandlung der gewählten Alternative. So sind zum Beispiel die Aufwendungen beim Eingehen eines traditionellen Versicherungsabschlusses steuerlich abzugsfähig. Im Gegensatz dazu finden bei einer Reservenbildung für Selbstversicherungszwecke keine steuerlichen Entlastungen statt.[22] Aber auch die im Verlustfall zur Verfügung stehenden Finanzmittel werden vom Gesetzgeber steuerlich zu Gunsten des Risikotransfers über den traditionellen Versicherungsmarkt entschieden. So kann der Versicherter von einer Differenz zwischen der ausgezahlten Versicherungsleistung und dem niedrigen Buchwert des versicherten Gegenstandes profitieren.[23]

Je nach Ort setzt die Gesetzgebung somit unterschiedlich starke Impulse, die das Verhalten der Unternehmen im Risikomanagementbereich beeinflussen. Diese Schranken kommen nicht nur hinsichtlich der steuerlichen Aspekte zum Vorschein. Beispielhaft ist dabei die Umsetzung des Versicherungsschutzes für die Mitarbeiter in den USA. Während diese Art der Risikovorsorge seitens der Unternehmen auch durch Selbstversicherung gewährleistet werden kann, ist dies mit aufwändigen regulatorischen Auflagen verbunden.[24] Die Mehrkosten, die dadurch entstehen, können die Wahl zu Ungunsten der Selbstversicherung einschlägig beeinflussen.

Selbstversicherung kann vielerlei Formen annehmen. So kann ein Unternehmen im Rahmen der Selbstversicherung zum Beispiel auf Selbstversicherungspools oder auch Captives zugreifen. Die letzen werden zwar in der Literatur weitgehend als ein Selbstversicherungstool erfasst, besitzen jedoch im Gegensatz zu den anderen alternativen Mechanismen des Risikotransfers den rechtlichen Status einer Versicherung.[25] An dieser Stelle ist zu betonen, dass die vorliegende Arbeit nicht die Absicht hat, verschiede Versicherungsformen explizit zu vergleichen. Das Ziel besteht in der Analyse von Captives bzw. der Motivation für Captive-Gründungen, ausgehend von ihrem regulatorischen Umfeld. Dabei werden Captives an machen Stellen mit den anderen Versicherungsformen zur besseren Einordnung des eigentlichen Themas verglichen.

Die Anwendung von Captives ist durchaus eines der anspruchsvollen Selbstversicherungswerkzeuge.[26] Das liegt zum einen daran, dass Captives im Gegensatz zu den anderen Selbstversicherungsträgern verpflichtet sind, die Verlustfälle nicht nur abzuwickeln, sondern rechtlich für sie zu haften. Zum anderen findet hier im Kontrast zu einfacher Selbstversicherung ein Risikotransfer statt. Diese Tatsachen führen dazu, dass Captives einer Kapitalisierung bedürfen sowie eine strengere Aufsicht seitens der Behörden hervorrufen. Wie der nachfolgende Überblick aufzeigen soll, kommt die Komplexität unter anderem durch diverse rechtliche landeseigene Regulierungen zu Stande. Bevor man sich jedoch der rechtlichen Materie widmet, ist es an dieser Stelle hilfreich, sich mit den Captive-Grundlagen näher auseinander zu setzen.

3. Captives: Rechtliche Formen

Unter einer Captive-Gesellschaft versteht man ein Rück-/Versicherungsunternehmen, das als Tochtergesellschaft eines Nicht-Versicherungsunternehmens in Form einer Kapitalgesellschaft gegründet wird. Dabei liegt der primäre Hauptzweck solcher firmeneigenen Versicherungsunternehmen in der Übernahme von versicherungstechnischen Risiken aus der Konzernfamilie.[27] Angesichts der Vielseitigkeit dieser Versicherungsunternehmen, wird in diesem Kapitel auf eine detailliertere Betrachtung der am meisten verbreiteten Captive-Formen und deren Bausteine eingegangen.

3.1. Single-Parent Captives

Single-Parent Captive stellt die einfachste Form einer Captive-Formation dar. Die Muttergesellschaft, auch Sponsor genannt, übernimmt dabei die Gründungs- und Verwaltungskosten selbst. Unter anderem wird dabei sicher gestellt, dass das notwendige Kapitalisierungsniveau durch eine interne und externe Kapitalzufuhr, bilanzielle Größen sowie andere zahlreiche gesetzliche Anforderungen in Abhängigkeit vom Niederlassungsort erfüllt ist.

Grundsätzlich unterliegt dabei das Gründungsunternehmen der selben Basisbeziehung zu der Captive, wie es im Falle einer traditionellen Versicherung der Fall ist. Der Versicherte leistet demnach Prämien an die Captive, die im Gegenzug in einem Schadensfall für die entstandenen Verluste aufkommt. Das Besondere dieser Wechselbeziehung ist jedoch die Zugehörigkeit beider Parteien zu einer Konzernfamilie. Deshalb kann eine Captive sowohl durch eine Rückversicherung und externe Manager als auch durch firmeninternes Management geleitet werden.

Das aufgeführte Basisprinzip zwischen der Captive und dem Versicherten kann jedoch aufgrund lokaler gesetzlicher Gegebenheiten gegebenenfalls eine andere Gestalt annehmen. So kommt es an ausgewählten Standorten zu einem Versicherungsabschluss über die einheimischen Versicherungsträger, die so genannten „fronting insurer“. Gebührenpflichtig verbindet somit diese juristische Einheit den Sponsor mit der Captive auf der Transaktionsebene und trägt zu einem einheimischen Versicherungsschutz bei. Die Vermittlungsgebühren werden dabei proportional zu der Prämienhöhe bestimmt. De facto kann eine Captive in diesem Fall als ein Rückversicherungsunternehmen gesehen werden.

Die Fähigkeit der Captive, Risiken zu managen, beeinflusst die Gewinne der Muttergesellschaft. Es handelt sich dabei nicht nur um die Notwendigkeit, wirksam für die Verluste des Sponsors aufkommen zu können. Gleichwohl ist das Geschick gefragt, eine gewinnorientierte Captive-Führung zu gewährleisten, denn die Gewinne der Versicherungsgesellschaft werden an den Gründer ausgeschüttet.

Die Fähigkeit der Captive, Gewinne einzufahren, hängt zweifelsohne von vielen Faktoren ab. Sowohl die Verlusthistorie als auch die Prämienhöhen spielen dabei eine wichtige Rolle. Fundamental ist jedoch die Fähigkeit, innerhalb der Captive aufgenommene Risiken managen zu können. Ein oft benutztes Instrument dabei ist der Rückversicherungsmarkt, auf dem Captives ihre Risiken an den traditionellen Versicherungsmarkt weiter geben können.[28]

3.2. Multi-Parent Captives

Eine Captive ist als eine selbstständige juristische Einheit zu gründen, zu kapitalisieren und zu führen. Entsprechend wird der Muttergesellschaft das dafür notwendige Kapital entzogen. Die Kosten, die damit verbunden sind, stellen somit eine wesentliche Hürde bei einer Captive-Gründung dar.[29] Eine mögliche Antwort darauf kann eine Multi-Parent Captive sein, die durch Mitglieder der Interessenverbände mit entsprechend anteiligen Eigenkapitalquoten gegründet und geführt wird. Auf diese Weise genießen die Teilnehmer zum einen einen Versicherungsschutz, wie im Falle einer Single-Parent Captive, und schlagen zum anderen einen billigeren Selbstfinanzierungsweg ein.

Multi-Parent Captives können sowohl durch Unternehmen aus einer Branche als auch durch solche aus nicht verwandten Marktsegmenten gegründet werden. Trotz möglicher Divergenz haben die Versicherten eine gemeinsame Orientierung bezüglich der Risikoarten, die durch eine gegebene Multi-Parent Captive versichert werden. Auch auf der Regulierungsebene kann, wie es in den USA der Fall ist, ein entsprechendes Verbot für die Zeichnung nicht verwandter Risiken ausgesprochen werden. Wenn das entsprechende Verbot nicht gesetzlich verankert ist, kann der Captive-Gründer unter Umständen bis zu 100% fremder Risiken zeichnen. De facto wird die Grenze zwischen einer Captive und einem traditionellen Versicherungsgeber in dem Fall unklarer, denn der Versicherungsnehmer leistet keine Kapitalbindung in Form von Haftungsmasse und hat darüber hinaus keinen bzw. nur marginalen Einfluss auf seine eigenen versicherungstechnischen Bedürfnisse.

Während die Gründung einer Multi-Parent Captive für die Sponsoren unter dem Strich kostengünstiger erfolgt, bedarf es in diesem Fall einer umfassenderen Captive-Organisation. Einerseits muss die Captive der Pflicht nachgehen, das umfassende Berichtswesen für mehrere Eigentümer der Gesellschaft zu führen. Andererseits sieht sich die Versicherung mit einer komplexeren Verwaltung diverser Risikoklassen in einem Pool konfrontiert.

3.3. Rent-a-Captive und Protected Cell Companies

Kosten, die mit Captive-Gründung, Organisation und Verwaltung zusammen hängen, sind vor allem für mittelgroße Unternehmen sehr oft nicht tragbar. Um die Selbstversicherungslösungen durch Captives auch diesem Marktsegment zugänglich zu machen, wurde das Selbstversicherungskonzept erweitert. Es besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Captive-Leistungen durch Mietverträge. In der Regel wird diese vertraglich festgelegte Leistung von traditionellen Rück-/Versicherungsgebern angeboten und bedarf keiner Eigenkapitalbeteiligung seitens des Versicherten.[30] Das Kernkapital kommt in diesem Fall von dem Betreiber dieser Versicherungseinheit.

Das Rent-a-Captive-Konzept bietet den Kunden die Einrichtung spezieller Depots, durch die Prämien, Anlageerträge sowie Schadenersatzzahlungen erfasst werden. Aufgrund der Nichtexistenz eines Eigentumsverhältnisses zwischen der Versicherung und dem Versicherten bleiben die Ansprüche auf eine Dividendenausschüttung aus. Anders als auf dem traditionellen Versicherungsmarkt hat der Versicherte jedoch einen Anspruch auf die Saldoüberschüsse seines Kontos.

Die Rent-a-Captive-Form erlaubt also dem Kunden mit dem eigenen Mietdepot bei verhältnismäßig niedrigeren Kosten am eigenen Risikoverlauf teilzunehmen. Depots, die akkumuliert nach außen als eine einheitliche Gesellschaft auftreten, haften aber für die Ansprüche Dritter. Gegeben, dass die Kapitalisierung der Captive bei einem ungünstigen Schadenverlauf nicht ausreicht und die Versicherten ihre Nachschusspflichten nicht erfüllen können, bedeutet dies für ein gegebenes Unternehmen finanzielle Verluste.[31] Als Reaktion darauf hat man in den 90er Jahren eine Konzepterweiterung des Rent-a-Captive-Konzepts vorgenommen, indem die so genannten Protected Cell Companies (PCC) auf dem Markt erschienen.

[...]


[1] Vgl. Cross (1988), S. 331

[2] Vgl. Doherty, (2000), S. 17

[3] Vgl. Modigliani and Miller, (1958)

[4] Vgl. Stiglitz (1988), S. 122

[5] Vgl. Doherty, (2000), S. 193

[6] Vgl. Kenneth, (1993), S. 1630ff.

[7] Vgl. Doherty, (2000), S. 204

[8] Vgl. Brokett, Cox and Witt, (1986), S. 243

[9] Vgl. Black and Scholes, (1973)

[10] Vgl. MacMinn, (1987), S. 660

[11] Vgl. Smith and Stulz, (1985), S. 392ff.

[12] Vgl. Graham, (1999), S. 2258ff.

[13] Vgl. Laux, (2005), S. 10

[14] Vgl. Scholes, (2000), S. 18-20

[15] Vgl. Akerlof (1970), S. 489ff.

[16] Vgl. WWW1, S. 3

[17] Vgl. Laux, (2005), S. 14

[18] Vgl. Mayers, (1982), S. 284

[19] Vgl. Brockett, (1986), S. 245

[20] Vgl. Laux, (2005), S. 15

[21] Vgl. Schmit, (1990), S. 459ff

[22] Vgl. Mayers, (1982), S. 289

[23] Vgl. Main, (1983), S. 199

[24] Vgl. Mayers, (1982), S. 292

[25] Vgl. WWW-1, S. 18

[26] Vgl. Schmit, (1990), S. 459

[27] Vgl. Bürer, (2001), S. 14

[28] Vgl. Wöhrmann, (2003), S. 27

[29] Vgl. Bürer, (2001), S. 14

[30] Vgl. Bürer, (2001), S. 14

[31] Vgl. Wöhrmann, (2004), S. 21

Ende der Leseprobe aus 60 Seiten

Details

Titel
Selbstversicherung über Captives - eine Frage der Regulierung?
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
60
Katalognummer
V52583
ISBN (eBook)
9783638482578
ISBN (Buch)
9783638814591
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Selbstversicherung, Captives, Frage, Regulierung
Arbeit zitieren
Michael Margolin (Autor:in), 2005, Selbstversicherung über Captives - eine Frage der Regulierung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52583

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