Die Kastelle von Syrakus, Augusta und Catania


Hausarbeit (Hauptseminar), 1998

23 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Castel Maniace in Syrakus

3. Das Kastell von Augusta

4. Castel Ursino in Catania

5. Zur Frage nach Zweck und Bedeutung der drei Kastelle

6. Zusammenfassung

Die Kastelle von Syrakus, Augusta und Catania

1. Einleitung

Unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Deutschland 1220 begann Friedrich II. damit, sein Südreich mit einem dichten Netz von Bauten zu überziehen. Es handelte sich dabei nicht nur um Wehrbauten, sondern auch um persönliche Rückzugspunkte, sogenannte loca solaciorum, sowie um Paläste in wichtigen Residenzorten wie Lucera oder Foggia.

Die Festigung seiner Herrschaft auf dem italienischen Festland und in Sizilien manifestiert sich gerade in Friedrichs Bautätigkeit besonders deutlich: Auf den Hoftagen von Capua 1220 und von Messina 1221 verkündete er die Gesetze „de novis edificiis deruendis“, die beinhalteten, dass Wehrbauten, die während der Zeit seiner Unmündigkeit und seiner Abwesenheit ohne ausdrückliche Genehmigung von Lehensträgern erbaut worden waren, entweder an ihn selbst zurückgegeben werden müssten oder ohne Nachsicht zerstört werden würden[1]. Bereits diese Gesetze werfen ein Licht darauf, welche Bedeutung herrschaftlichen Gebäuden zugemessen wurde.

Nachdem sich Friedrichs Bautätigkeit zunächst aufs Festland konzentriert hatte, begann er nach der Rückkehr vom Kreuzzug 1228 mit dem Ausbau einer Kastellkette an der Ostküste Siziliens. Bereits seit 1220 bemühte er sich, die uneingeschränkte Gewalt über Sizilien wiederzuerlangen, wie sie König Wilhelm II. bis 1189 innehatte[2] Zu dieser Machtkonzentration kam es jedoch erst in den dreißiger Jahren, als Friedrich sich mit dem Papst zunächst ausgesöhnt hatte, nachdem dessen Truppen während seiner Abwesenheit im Heiligen Land 1228 in Sizilien eingefallen waren. In dieser Zeitspanne entstanden die drei Kastelle von Catania, Augusta und Syrakus. Sie befinden sich alle drei in exponierter Lage zum Meer hin und erheben sich über regelmäßigem, annähernd quadratischem oder zumindest rechteckigem Grundriss, was sie von den vorhergehenden Bauwerken Friedrichs II. abhebt, bei denen zwar Regelmäßigkeit angestrebt, aber nie ganz verwirklicht war. Diese Bauten weisen bereits auf das streng stereometrisch gebildete Castel del Monte hin.

Gemeinsam ist den drei Anlagen leider auch ihr relativ schlechter Erhaltungszustand,- der durch zahlreiche spätere Umbauten, Naturkatastrophen und andere Zwischenfälle bedingt ist-, sowie ihre äußerst stiefmütterliche Behandlung in der Literatur. Dieser Umstand ist sowohl auf den heutigen Baubestand zurückzuführen, der jeden Versuch einer Beschreibung zu einer archäologischen Arbeit werden lässt, als auch auf die erschwerte Zugänglichkeit der Bauwerke: Augusta zum Beispiel diente bis vor kurzem noch als Gefängnis, Castel Maniace liegt im Sicherheitsbereich der Marinebasis von Syrakus und Castel Ursino befindet sich in einem äußerst schlechten Viertel von Catania[3].

So stützt sich diese Arbeit vor allem auf die Untersuchungen Giuseppe Agnellos, der sich Mitte der dreißiger Jahre mit den Bauten beschäftigte - dabei sein Augenmerk aber vor allem auf historische Gegebenheiten und Baubeschreibungen legte - und die meist eher summarisch gehaltenen Abhandlungen der Kastelle in der deutschen Literatur. Hier setzten sich nur wenige Autoren mit der Thematik intensiver auseinander, wie etwa Carl Arnold Willemsen, der die Kastelle in Zusammenhang mit Friedrichs gesamter Bautätigkeit behandelt, oder Renate Wagner-Rieger, die sie im Kontext mit der beginnenden italienischen Gotik betrachtet.

Von den Werken, die in Italien anlässlich des 800. Jahrestages der Geburt Friedrichs II. entstanden, konnte hier nur eines berücksichtigt werden, da diese nur äußerst begrenzt verfügbar sind. Es handelt sich hierbei um den Katalog zur Ausstellung 1995 in Palermo „Federico e la Sicilia - dalla terra alla corona“.

Die Kastelle sollen auf dieser Grundlage in ihrer chronologischen Reihenfolge behandelt werden, um dann den Versuch zu machen, aus ihrer Erscheinungsform weitere Schlüsse zu ziehen.

2. Castel Maniace in Syrakus

Castel Maniace[4] befindet sich an der Spitze der kleinen Halbinsel Ortygia, die der Stadt Syrakus vorgelagert ist. Diese Lage bedingt es, dass das Kastell auf dem steil abfallenden Felsen auf drei Seiten von Wasser umgeben ist. Der staufische Bau war ursprünglich durch seinen tiefen Wassergraben, der mittels einer Zugbrücke überquert werden konnte, vom Festland getrennt.

Der Name des Kastells rührt irrtümlich von einem Vorgängerbau her, der von einem griechisch-byzantinischen Feldherrn namens Georgios Maniakes um 1038 aufgeführt worden war. Von diesem Bau waren jedoch zur Zeit Friedrichs keine Reste mehr vorhanden, es handelt sich bei dem heute sichtbaren Kastell um einen völligen staufischen Neubau[5].

Über die Gründung und den Baubeginn der Anlage gibt es keine zuverlässigen Quellen. Agnello zitiert einen Brief Friedrichs vom November 1239 an seinen praepositus aedificiorum Riccardo da Lentini, der besagt, dass bereits ein erheblicher Teil des Kastells von Syrakus fertiggestellt war. Da es sich um eine umfangreichere Anlage handelt, folgert Agnello, dass der Baubeginn einige Jahre zuvor erfolgt sein muß. In einem guelfischen Aufstand von 1232 sieht Agnello den Grund für die Notwendigkeit, die Kastellkette auszubauen[6].

(In einem anderen Zusammenhang wird es später noch von Wichtigkeit sein, daß Friedrich im gleichen Brief Anweisung gibt, Material so aufzuschütten, dass es „scheint“, als sei die Anlage ausreichend befestigt.)

In der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts wurde der Graben unter spanischer Herrschaft verfüllt und das Gelände um das Kastell und große Teile der gesamten Halbinsel mit Befestigungswerken überbaut. Zu dieser Zeit wurden auch Anbauten an die Kastellmauern selbst hinzugefügt und in den Innenraum Magazine eingebaut.

Durch ein Erdbeben 1693 und eine Pulverexplosion im Nordturm 1704 wurden weite Teile der Anlage stark beschädigt. So erscheint der Bau heute durch Aufschüttungen und Anbauten außen sowie durch die Einbauten und Zerstörungen im Inneren stark verunklärt[7].

Das Kastell erscheint in der Rekonstruktion als regelmäßige Anlage mit quadratischem Grundriss, dessen Seiten je 51 Meter lang sind. An jeder der vier Ecken befindet sich ein aus der Mauer weit hervorspringender, zylindrischer Turm, der sich über einer kegelstumpfförmigen Basis erhebt. Auch der innere Bereich des Kastells war regelmäßig in Form einer Säulenhalle gestaltet. Doch zunächst zur Beschreibung des Außenbaues:

Er erhebt sich über einem geböschten Sockel, der nur noch an wenigen Stellen sichtbar ist, direkt auf dem Felsvorsprung. Die Mauern des Kastells mit einer Stärke von 3,60 m sind noch bis auf 12m ihrer ursprünglichen Höhe erhalten. Dies dürfte in etwa der Höhe der Säulenhalle entsprechen. Bei einer Seitenlänge von 51,0 m entsteht so der Eindruck einer unproportionalen, breiten Gelagertheit, die nicht für den ursprünglichen Zustand gehalten wird. Krönig schätzt die ehemalige Höhe des Gebäudes auf circa 18 m, wobei ein Obergeschoss, für das es keinen sicheren Nachweis gibt, vorausgesetzt werden müsste[8]. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass zumindest ein solches geplant war, da sich in den vier Türmen je eine Wendeltreppe befindet[9]. Wie weit dieses jedoch tatsächlich ausgeführt war, ist nicht bekannt. Aus diesem Grund ist auch nicht mehr zu entscheiden, in welcher Höhe die Türme abschlossen. Agnello setzt ihren oberen Abschluß jedoch bündig mit der Oberkante der Umfassungsmauer an[10].

Das Mauerwerk besteht ganz aus feinen, sorgfältigst zugehauenen Kalksteinblöcken, die fast fugenlos aneinandergesetzt sind. Sie weisen untereinander große Vielfalt auf, was ihre Abmessungen betrifft, wodurch die Masse des Mauergefüges aufgelockert wird. Die Kalksteinblöcke stammen aus Steinbrüchen, die in der Nähe von Syrakus liegen.

Der Symmetrie des Baues entsprach auch die Anordnung der Portale und Fenster: Der Bau ist durch zwei Portale zu betreten. Sie liegen beide auf der Mittelachse des Gebäudes auf der Südost- und der Nordwest-Seite einander genau gegenüber, wobei der prächtigere, und damit sicher der Haupteingang, der nordwestliche, dem Festland zugewandt ist. Die beiden Eingänge wurden jeweils von zwei schmalen, tief in der Wand liegenden Fensteröffnungen flankiert. Dem entsprachen auf der Südwest- und Nordostseite, die über keine Eingänge verfügten, je fünf alternierend größere und kleinere Fenster. Die regelmäßige Anordnung wird nur einmal auf der Südwestseite von einem wesentlich größeren Spitzbogenfenster unterbrochen. Alle übrigen Fensteröffnungen liegen circa 50 cm tief in der Wand: Sie öffnen sich sowohl nach außen als auch nach innen als Rundbogenfenster mit abgeschrägter Sohlbank.

Der massive Charakter des Außenbaus wird auf zwei Seiten des Kastells von architektonischem Schmuck aufgelockert: Er befindet sich am nordwestlichen Portal und an dem großen Fenster der Südwestseite.

Zunächst zum Portal: Der Wappenschmuck über dem Portal stammt aus dem Jahr 1614 und soll bei der Beschreibung nicht mit einbezogen werden. Es handelt sich hier um ein spitzbogiges Säulenportal, das mit polychromem Marmor verkleidet ist, welches die Höhe von 8,08 Metern und eine Breite von 5,33 Metern besaß[11]. In das mehrfach gestufte Gewände sind auf jeder Seite drei monolithische Marmorsäulen eingestellt. Die innersten und äußersten Gewändevorsprünge sind durch angesetzte Blattkapitelle zu einer Art Pilaster bzw. Pfeiler umgestaltet. Hinter dem ersten Gewändevorsprung mit Säule befindet sich auf jeder Seite eine tiefe Einkehlung, die von Agnello als Rinne für ein Fallgatter interpretiert wird.

Ein mehrfach profiliertes Gesims liegt auf den Kapitellen auf und vermittelt zu den Archivolten: Diese sind im vorderen Bereich zunächst gekehlt bzw. wulstförmig, dahinter steigen zart ornamentierte Akanthusblätter auf, die dem Bogen einen inneren Abschluss verleihen. Abgesehen von diesem Blattschmuck sind alle Archivolten aus Steinen in wechselnden Farben zusammengefügt. Agnello rekonstruiert für das Portal einen Architrav aus Granit, dessen Existenz durch Vertiefungen in der Bogenlaibung bezeugt ist[12].

Auch zoomorphe Plastik findet sich hier: Auf dem Gesims über den Kapitellen sind auf jeder Seite des Gewändes die Fragmente von je zwei Tierfiguren erhalten, die anhand ihrer Überreste als Greifen bzw. geflügelte Löwen interpretiert werden.

Zu Seiten des Portals sind heute noch zwei flache, rechteckige Nischen (0,62 x 1,41m[13] ) mit Konsolen sichtbar. Auf diesen lagerten ursprünglich zwei hellenistische Bronzewidder, die von hoher künstlerischer Qualität waren. Einer von ihnen ist heute noch im Museo Nazionale von Palermo zu besichtigen.

Das Portal muß in seinem ursprünglichen Zustand mit seiner vielfältigen Marmorverkleidung, dem Farbwechsel der Archivolten und der zoomorphen Plastik einen prächtigen Anblick geboten haben. Hinzu kommen die mächtigen Dimensionen, die diesen Eindruck noch verstärkten.

Agnello rekonstruiert zu diesem Portal außerdem eine Treppe, von der es zwar keinerlei Spuren gibt, die er aber voraussetzt, da das ehemalige Niveau nach seinen Untersuchungen um ein bis zwei Meter tiefer lag als das heutige.

Das einzige weitere durch architektonischen Schmuck ausgezeichnete Bauelement ist das große Spitzbogenfenster auf der Südwestseite mit den enormen Ausmaßen von 6,78 x 4,72m[14]. Dieses ist heute stark beschädigt und verbaut. Es ist jedoch noch erkennbar, dass es in ganz ähnlicher Art gestaltet war wie das Portal[15]: In ein gestuftes Gewände sind pro Seite zwei Säulen eingestellt, die Vorsprünge sind ebenfalls als Pfeiler gestaltet. Auch die Verkleidung mit polychromem Marmor und die Archivolten mit Farbwechsel stimmen mit der Gestaltung des Portals überein.

[...]


[1] Willemsen, C.A.: Die Bauten Friedrichs II. in Süditalien, in: Die Zeit der Staufer, Ausstellungskatalog Stuttgart, 1977, S.143.

[2] Stürner, Wolfgang: Kaiser Friedrich II., Herrschaftskonzeption und politisches Handeln, in: Kunst im Reich Friedrichs II. von Hohenstaufen - Akten des internationalen Kolloquiums, München 1996, S.16.

[3] Knaak, Alexander: Das Kastell von Augusta, in: Kunst im Reich Friedrichs II. von Hohenstaufen, München 1996, S.96.

[4] Geschichte und Forschungsgeschichte bei Cassataro, Siracusa,S.10ff.

[5] Hahn, Hanno/ Renger-Patzsch, Albert: Hohenstaufenburgen in Süditalien, Ingelheim am Rhein 1961, S.27.

[6] Agnello, Giuseppe: L´Architettura Sveva in Sicilia, Rom 1935, S.25.

[7] Hahn, H./ Renger-Patzsch, A.: a.a.O., S.27.

[8] Krönig, Wolfgang: Zur Baukunst der Hohenstaufen in Unteritalien, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte VI, 1937, S.63.

[9] Cassataro, Siracusa, S.29.

[10] Agnello, Giuseppe: a.a.O., S.65.

[11] Cassataro, Siracusa, S.20.

[12] Agnello, Giuseppe: a.a.O., S.56.

[13] Cassataro, Siracusa, S.20.

[14] Cassataro, Siracusa, S.42.

[15] Agnello, Giuseppe: a.a.O., S.64, Abb.32.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Die Kastelle von Syrakus, Augusta und Catania
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Kunstgeschichte)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
1998
Seiten
23
Katalognummer
V49335
ISBN (eBook)
9783638458122
ISBN (Buch)
9783638734868
Dateigröße
481 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kastelle, Syrakus, Augusta, Catania
Arbeit zitieren
Dr. phil. Birgit Wagner (Autor:in), 1998, Die Kastelle von Syrakus, Augusta und Catania, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49335

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