Heinrich Scheidemann


Seminararbeit, 2005

23 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Biografie

2. Werke
a. Choralfantasie
b. Magnifikate
c. Praeambeln
d. Mottentenkolorierung

3. Quellen für die Werke Scheidemanns
a. Der Wolfenbütteler Tabulatur.Autograph von Heinrich Scheidemann !?

4. Scheidemann und die norddeutsche Orgelschule

5. Anhang

6. Literaturverzeichnis

7. Eidesstattliche Erklärung

1. Biografie

Heinrich Scheidemann wurde um 1596 in Wöhrden (Süderdithmarschen) als Sohn des Organisten David Scheidemann geboren. Das Organistenamt seines Vaters an St. Katharinen seit 1604 in Hamburg ermöglichte Heinrich Scheidemann zwischen 1611 und 1614 ein Studium bei J.P.Sweelinck in Amsterdam. Ein Kanon vom 15. November 1614 zu Ehren Scheidemanns von Sweelinck beweist, dass der Unterricht in diesem Jahr abgeschlossen war. „Zum Abschied mag Scheidemann von seinem Lehrer den Kanon erhalten haben.“[1] In den 20er Jahren, spätestens 1629, übernahm er die Stelle seines Vaters als Organist an St. Katharinen und blieb in diesem Amt bis zu seinem Tod. Das erste Mal erscheint Scheidemann am 27. September 1631 in den Rechnungsbüchern. Unter diesem Datum steht die Notiz: „Heinrich Scheidemann, dem Organisten, weil ihm in seiner Krankheit viel auf Apotheker und Doktoren gegangen, verEhrt 6 .“[2] Daraus lässt sich schließen, dass Scheidemann 1630 oder 1631 von einer schweren Krankheit heimgesucht worden ist.

1633 übernahm Heinrich Scheidemann auch noch die Aufgabe des Kirchenschreibers an St. Katharinen. „Den Amtseid als solchen legte er nach dem Bestallungsbuch am 10. Juli 1633 ab.“[3]

Scheidemann war ein bekannter Orgelprüfer seiner Zeit und nahm so zum Beispiel 1627 die Gottfried-Fritzsche- Orgel in der Braunschweiger Ulricikirche ab. 1634 erlangte er das Hamburger Bürgerrecht und heiratete am 1. Juni die hamburgische Arzttochter Maria Bokel. Der Ehe entsprossen neun Kinder. Die Taufen der 5 Knaben und 4 Mädchen wurden in den Taufregistern vermerkt:

„18. Februar1635: Elisabeth

16. August 1636: Henrich

5. Oktober 1637: Catharina

29. September 1639: Margaretha Maria

20. Juni 1642: Julius Johan

4. April 1644: Anna Margaretha

21. Dezember 1646: Johan Henrich

24. Oktober 1649: Daniel David

8. Juli 1652: David“[4]

Aus dem Erscheinen des Namens „David“ darf man wohl schließen, dass jener David Scheidemann, der Herausgeber des „Hamburger Melodeyen-Buch“ von 1604, Vater von Heinrich Scheidemann war.[5]

Heinrich Scheidemann starb 1663 in Hamburg an den Folgen der Pest.[6]

Ein anschauliches Bild seiner Persönlichkeit gibt Johann Mattheson: „Scheidemann war freundlich und leutselig, ging mit jederman frei und fröhlich um und machte nichts sonderliches aus sich selber. Sein Spielen war eben der Art, hurtig mit der Faust, munter und aufgeräumt, in der Komposition wohl gegründet, doch nur mehrenteils so weit, als sich die Orgel erstreckte.“[7]

Heinrich Scheidemann war eine zentrale Persönlichkeit des Hamburger Musiklebens und wirkte auch als Lehrer. Als sein bedeutendster Schüler gilt Johann Adam Reincken, der auch die Nachfolge von Heinrich Scheidemann als Organist und Kirchenschreiber an St. Katharinen antrat. Ein weiterer Schüler, den Scheidemann im Orgelspiel unterrichtete, war Werner Fabricius. Die Lehrzeit muss etwa um 1650 anzusetzen sein. Fabricius war später Organist an St. Nikolai in Leipzig und dadurch mit Heinrich Schütz sehr gut befreundet. Noch ein Schüler war Matthias Weckmann, der zuvor von Giovanni Gabrieli im Singen unterrichtet wurde. Seine Lehrzeit bei Scheidemann muss zwischen 1635 und 1637 gewesen sein.

Mit vielen Personen des kulturellen Lebens war Scheidemann freundschaftlich verbunden, so etwa mit seinen Organistenkollegen Jacob und Johannes Praetorius, dem Stadtkantor Thomas Selle der die Kirchenmusiken leitete, dem Violinist Johann Schop und dem Pastor und Liederdichter Johann Rist.[8] Mit diesen Musikern hatte Scheidemann zwar in erster Linie beruflich zu tun, das freundschaftliche Verhältnis entstand dennoch durch ein gemeinschaftliches Treffen im Hause von Johann Rist. Die Organisten und Kantoren versammelten sich dort und kamen sich näher, da sie für die geistlichen Liedersammlungen von Rist die Melodien komponierten.

2. Werke

Scheidemanns Nachlass (ungefähr 80 Werke sind bis jetzt bekannt) umfasst, abgesehen von einigen Cembalokompositionen und einigen Sammlungen schlichter Continuolieder, hauptsächlich Orgelwerke.

„Scheidemanns Orgelschaffen war bis zur Entdeckung des umfangreichen Tabulaturbandes ‚Zellerfeld 1’ im Jahre 1960 durch den Hamburger Musikforscher und Organologen Gustav Fock nur etwa zur Hälfte bekannt.“[9]

Der Schwerpunkt in seinen Werken liegt auf den cantus-firmus-gebundenen Gattungen. Die zentrale Gattung für die norddeutsche Orgelmusik war die Choralfantasie, an deren Herausbildung Scheidemann entscheidenden Einfluss hatte.

a. Choralfantasie

Die Choralfantasie ist die eigentliche Großform der norddeutschen Choralbearbeitung. Jede Choralzeile erfährt in ihr in einem Abschnitt eine größere Anzahl von Durchführungen in den verschiedenen Stimmlagen. Plane und kolorierte c.-f.-Behandlungen, Echomanier und manchmal auch die Ricercartechnik wechseln sich in freier Folge ab. Zugleich werden zwei bzw. drei klanglich kontrastierende Werke in immer wieder wechselnden Kombinationen gegenüber gestellt. Die Choralfantasie ist eine Komposition über einen c.f., also eine Form, die nicht auf den musikalischen Konstruktionen des Chorals beruhen.

Meist hat die Choralfantasie so viele Abschnitte wie der c.f. Zeilen hat, aber die Proportionierung der Teile steht dem Komponisten frei. Der c.f. tritt in allen Abschnitten mehrere Male auf und die Choralmelodie wird zum thematischen Material. Die Orgelbearbeitung ist somit kein verzierter Gesang des Chorals mehr, sondern die Choralmelodie ist thematisches Material, welches verarbeitet wird. „Die c.f. Zeilen treten wechselweise plan und koloriert auf: so ist die Vortragsweise des c.f. nicht mehr Ausdruck einer objektiven oder subjektiven Haltung des Choralsingens, sondern wird eine Frage der musikalischen varietas.“[10] Damit in Verbindung steht der Einsatz der Klangmittel der Orgel, welche nicht mehr der Verdeutlichung des planen oder kolorierten c.f dienen. Sie unterstützen jetzt die Unterstreichung der klanglich kontrastierenden Werke. Klangspielerische Wirkungen, wie z.B. das Echo, wurden der Orgel darüber hinaus abgewonnen.

Dies macht die Choralfantasie für den liturgischen Gebrauch untauglich.

Die Choralfantasie dient demzufolge zunächst der Untermalung der Vesper. Auch rein konzertante Musikaufführungen in Kirchen aus Norddeutschland sind bekannt.

Von Scheidemann sind uns drei Choralfantasien erhalten, und zwar zwei dreistimmige für zwei Manuale (Vater unser im Himmelreich II; In dich hab ich gehoffet, Herr I) und eine vierstimmige für zwei Manuale und Pedal (Jesus Christus, unser Heiland I).[11]

Die Choralfantasie Vater unser im Himmelreich zeigt, „wie die Durchführungstechniken der dreistimmigen Choralfantasie aus den verschiedenen Möglichkeiten der Verteilung dreier Stimmen auf zwei Manuale resultieren“.[12] Aus spieltechnischen Gründen tritt das Rückpositiv jeweils in einer der beiden Außenstimmen auf. Die „inneren“ Stimmen werden mit einer Hand auf einem mit Grundstimmen zu registrierenden Manual der Hauptorgel zusammengefasst. Die solistische Rolle des Rückpositivs besteht meist darin, die Choralmelodie vorzutragen oder den planen c.f. zu kontrapunktieren, so dass der dann in der jeweils anderen Außenstimme erklingt. So ergeben sich vier Kombinationen:

Diese Satzart ist die häufigste. Sie bildet den Schluss, der eine c.-f.- Zeile verarbeitet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: W. Breig: Die Orgelwerke von Heinrich Scheidemann, 1967, S. 38/39

Das Springen der Rückpositivstimme vom Bass zum Diskant und umgekehrt macht den besonderen Reiz des Klangbildes aus. Gleichzeitig wechseln die kontinuierlich geführten Stimmen unvermerkt ihre Position im dreistimmigen Satz. Der Klangfarbenkontrast ist zum Bestandteil des Komponierens geworden.

Trotz der großen Vielfalt der Abschnitte zeigt sich eine zusammenfassende Disposition. Die Durchführungen stehen in der Grundtonart und der c.f. stellt den Rahmen dar. Die rhythmische Bewegung steigert sich meist zum Ende eines Abschnittes hin.

Die Aufteilung der insgesamt 6 Abschnitte mit 153 Takten, lässt den ersten Abschnitt mit 40 Takten am Wichtigsten erscheinen. Der Schluss grenzt sich von allen anderen durch die besonders konzentrierte Durchführung ab. Die Akzentuierung der Außenstimmen durch das Rückpositiv steht hier im direkten Verhältnis zu den Außenabschnitten, die der Gesamtform einen festen Rahmen geben.

In der Fantasie „In dich hab ich gehoffet, Herr“ wird als neues Gestaltungsmittel das Echo über dem im Bass liegenden c.f. eingeführt. Hinzu kommt außerdem eine 11taktige, in Passagenwerk des Diskants auslaufende Coda, die den Eingangsteil und den Schluss nochmals verknüpft darstellt.

Der Längste und umfangreichste Satz Scheidemanns ist mit 257 Takten die Fantasie über „Jesus Christus, unser Heiland“. Sie ist die einzige vierstimmige Choralfantasie Scheidemanns die überliefert wurde.

Die Durchführungstechniken lassen sich leicht von denen der dreistimmigen Fantasien herleiten. Die dreistimmigen Sätze werden durch die Ausführungen der Bassstimme auf dem Pedal, das neben dem Rückpositiv für den c.-f.-Vortrag eingesetzt werden kann, verändert.

Auch hier lassen sich wieder 4 Durchführungsweisen herausfiltern:

[...]


[1] M. Seiffert: J.P. Sweelinck und seine direkten deutschen Schüler, 1891, S. 227

[2] M. Seiffert: J.P. Sweelinck und seine direkten deutschen Schüler, 1891, S. 228

[3] ebda.

[4] ebda.

[5] M. Seiffert: J.P. Sweelinck und seine direkten deutschen Schüler, 1891, S. 229

[6] L. Finscher: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil, 2005, S. 590

[7] J. Mattheson: Grundlage einer Ehrenpforte, 1910, S. 329

[8] M. Seiffert: J.P. Sweelinck und seine direkten deutschen Schüler, 1891, S. 230

[9] R. Faber, Ph. Hartmann: Handbuch der Orgelmusik, 2002, S. 21

[10] W. Breig: Die Orgelwerke von Heinrich Scheidemann, 1967, S. 37

[11] W. Breig: Die Orgelwerke von Heinrich Scheidemann, 1967, S. 38

[12] ebda.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Heinrich Scheidemann
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1
Autor
Jahr
2005
Seiten
23
Katalognummer
V48527
ISBN (eBook)
9783638452090
Dateigröße
1772 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heinrich, Scheidemann
Arbeit zitieren
Ulrike Becker (Autor:in), 2005, Heinrich Scheidemann, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48527

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