Ansätze für eine urbane Kreislaufführung


Ausarbeitung, 2005

127 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Stadtentwicklungstendenzen – Die Rolle der Freiraumplanung

III. Stadtschrumpfungsprozesse
A. Ursachen, Ausmaß und Folgen von Schrumpfungsprozessen
B. Metropolregion Berlin
C. Zukünftige Bevölkerungsentwicklung
1. Geburtenhäufigkeit
2. Lebenserwartung
3. Auswirkungen auf die Alterstruktur
4. Migration
5. Bevölkerungsprognosen für Gesamt-Berlin
6. Differenzierte Entwicklung in den Teilräumen der Metropolregion Berlin
7. Bevölkerungsprognosen für die Berliner Bezirke

IV. Gründe für ein verändertes Handeln
A. Ökologische Aspekte
B. Ökonomische Aspekte
C. Soziale Aspekte
D. Genossenschaften – eine alte Idee neu entdeckt
1. Geschichte und Fakten
2. Unterschied von Genossenschaft und der Rechtsform Kapitalgesellschaft
3. Wohnungsgenossenschaften
4. Was bedeuten Altschulden?
5. Eigentumsorientierte Wohnungsgenossenschaften
6. Vermietungsgenossenschaften
7. Wohnungsgenossenschaften in Marzahn
8. Probleme und Potentiale der Wohnungsgenossenschaften

V. Ansätze für eine urbane Kreislaufschließung
A. Übergeordnetes Leitbild – Das Landschaftsprogramm von Berlin
B. Leitbild
C. Das Planungsgebiet
D. Das Modell-Gebäude
E. Die Wohnungsbauserie WBS
F. Energiekonzept
1. Problemstellung
2. Erneuerbare Energieträger und Energiesysteme
3. Das Energiekonzept
G. Wasserkonzept
1. Problemstellung
2. Anforderungen an das Wasserkonzept
3. Die Grauwasserbehandlung - Wasserreinigung und Nutzstoffrückgewinnung
4. Die Gelbwasserbehandlung
5. Die Braunwasserbehandlung
H. Die Freiraumgestaltung
1. Pflanzbereich Dach
2. Fassade
3. Freiflächen

VI. Fazit und Ausblick

Abkürzungen

Literaturangaben

Internetquellen

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Anhänge

I. Einleitung

Der vorliegende Bericht ist zusammen mit dem Entwurf das Ergebnis eines einsemestrigen selbstbestimmten Hauptstudienprojektes des Studienganges Landschaftsplanung an der Technischen Universität Berlin im Wintersemester 2004/2005. Betreut wurde das Projekt von Sandra Huning vom Institut für Soziologie am Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung an der Technischen Universität Berlin. Des weiteren sei darauf verwiesen, dass das Ergebnis dieses Projektes Anlass für die Internetseite wasserblock.de gegeben hat.

Beweggründe für das Projektthema sind einerseits in den derzeit stattfindenden Nachhaltigkeitsdebatten zu finden. Die Notwendigkeiten und Lösungswege für eine nachhaltige Entwicklung sind oft zu kurz gedacht und stehen oftmals im Widerspruch zu derzeitigen Ansätzen in der Stadtentwicklung und –Politik und in Vorstellungen über heutige Großstädte. Definitionen und Erklärungen für Nachhaltigkeit in gesellschaftlichen oder sozialen Bereichen werden selten im naturwissenschaftlichen/ökologischen Zusammenhang betrachtet. 'Echte' Nachhaltigkeit findet sich nur in intakten Prozessen der Natur und sollte als Basis und Vorbild für alle anderen gesellschaftlichen Bereiche betrachtet werden.

Andererseits zeigen die Diskussionen um Stadtschrumpfungsprozesse, dass Großstädte in der heutigen Ausprägung nicht nachhaltig existieren können, denn diese sind geprägt durch offene Systeme der Ver- und Entsorgung und durch Trennung von Produzieren und Konsumieren. Der vorliegende Bericht versucht, Nachhaltigkeit aus naturwissenschaftlicher Sicht zu definieren und diese auf heutige ökologische, ökonomische und soziale Prozesse zu übertragen. Nachhaltigkeitsdefizite in diesen Bereichen sollen aufgedeckt werden und die Konsequenzen für das Leben in (Groß-)Städten gezeigt werden. An einem Beispiel - das Planungsgebiet in Marzahn-Nord - sollen Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung, aufbauend auf einer urbanen Kreislaufführung, vorgestellt werden.

Aristoteles bezeichnete die Stadt als den Ort, an dem der Mensch sein Wesen, die Vielfalt seiner Anlagen und Vermögen am besten entfalten kann. Sozusagen ist die Stadt das natürliche Biotop des Menschen (Wenzel 2002). Heutige (Groß-)Städte sind gekennzeichnet durch eine große Zahl an Menschen, Gebäuden, Autos sowie an weit reichenden Verkehrs-, Versorgungs- und Entsorgungsnetzen. Schon in diesem Definitionsversuch zeigt sich, wie ineffektiv und abhängig Städte der Gegenwart sind, und wie wenig diese mit der ursprünglichen Funktion und Form von (antiken bzw. europäischen) Stadtgründungen gemein haben. Die Menschen gründeten freiwillig Siedlungen und Städte, denn es war effizienter und sicherer, gemeinschaftlich Flächen zu bewirtschaften. Antike Städte waren autonome, unabhängige Stadtstaaten mit zentralem, kollektivem Markt- und Handelsplatz, Verwaltungs- und Verteidigungszentren, sowie Landbesitz. Lage und Größe der Städte wurden bestimmt durch die Ver- und Entsorgbarkeit sowie Transportmöglichkeiten, geregelt durch erneuerbare Energieträger (Ripl 2001).

Der Zugang zu nicht erneuerbaren Energieträgern hob diese Beschränkungen auf. Städte wuchsen und wucherten, und eine massive Landflucht setzte ein. Um Existieren zu können, plünderte die Stadt dem (Um-)Land das Wasser, die Mineralstoffe und Nährstoffe. Der lokale Wasserhaushalt und das Kühlsystem sind heute in den Städten und umliegenden intensiv genutzten landwirtschaftlichen Produktionsflächen stark und nachhaltig beschädigt (ebd.).

Billige und scheinbar grenzenlose Transportmöglichkeiten, basierend auf fossilen Energieträgern und Rohstoffen schaffen einen globalen Markt. Dies führt zur Öffnung sowohl von wirtschaftlichen als auch von Stoffkreisläufen. Das heißt, es kommt zu einer Entkopplung von Produktion und Konsumtion sowie von Wohnen und Arbeiten. Des Weiteren werden wichtige Nutzstoffe aus Abfällen nicht mehr am Ort ihrer Entstehung wiederverwendet, sondern unter Einsatz fossiler Energieträger an anderer Stelle wieder neu produziert.

Durch zunehmende Transporte und Verbrennungsprozesse in den Städten kommt es zu einem massivem Ausstoß von so genannten Feinstäuben. Die derzeit neu entfachte Diskussion um Staubemissionsminderung sieht ihren Lösungsansatz in einer Verkehrseinschränkung und einer Stadtmaut. Doch können durch einen autofreien Tag im Monat bzw. einer Gebührenerhebung Staubemissionen kaum gemindert werden. Vegetationsflächen sowie Regenwasser und hygienisiertes Grauwasser könnten zur Kühlung und Emissionsminderung in der Stadt herangezogen werden. Hierfür weist die Stadt erhebliche Flächenpotentiale auf, z.B. Mittelstreifen, Häuserwände, Stadtbrachen etc.

So wie die Stadt als natürliches Biotop des Menschen bezeichnet werden kann, so könnte analog dazu der Wohnraum, das Haus, als 'biologische Zelle' – also als kleinste lebens- und vermehrungsfähige Einheit (Brockhaus) - betrachtet werden. Denn der eigentliche, unmittelbare Lebensraum des Menschen, der Ort an dem er sich die meiste Zeit aufhält und alle lebenswichtigen Funktionen ausübt, ist wohl der Wohnraum im Haus. Unabhängig von unterschiedlichsten Bedürfnissen und Ansprüchen an Wohnraum und deren Gestaltung und unabhängig von gesellschaftlichen und sozialen Erfordernissen ist das Vorhandensein von Wasser und Wärme für den Menschen lebensnotwendig. Zudem ist beispielsweise das Vorhandensein von Badewanne und Wassertoilette ein Indikator für Lebensqualität und –Standard (ebd.). Der derzeitige, aus ökologischer Sicht kaum effiziente und kaum nachhaltige Umgang mit Wasser und Energie sowie steigende Preise für Trinkwasser, Abwasser und für Wärme und Strom machen deutlich, dass eine entsprechende Versorgung mit diesen lebensnotwendigen Elementen keineswegs dauerhaft gesichert und selbstverständlich ist.

In der Diskussion um Stadtschrumpfungsprozesse sollte also generell die Funktion bzw. das Funktionieren von Städten in der heutigen Form sowie deren Verhältnis zum Umland überdacht werden. Eine Stadt kann nicht nachhaltig existieren, solange sie auf Kosten des Umlandes oder anderer externer Flächen lebt. Der Umgang mit Frei-Räumen in Stadt und Land sowie deren Nutzung und Gestaltung muss in Zukunft noch stärker die Funktionalität der landschafts- und klimaprägenden Faktoren Wasser und Boden und der darin zirkulierenden Nutzstoffe in den Mittelpunkt stellen.

Ziel unserer Arbeit ist es, innerhalb der Stadt unabhängige, selbständige Ver- und Entsorgungsstrukturen zu schaffen, um die notwendige Versorgung mit Wasser und Energie zu gewährleisten und somit für den Menschen einen dauerhaften, sicheren Lebensraum zu schaffen. Hauptaugenmerk liegt in einer Wiederverwendung und Kreislaufführung vorhandener Nutzstoffe innerhalb urbaner Ver- und Entsorgungswege. Dabei soll auf der Fläche ein eigener Brauchwasserkreislauf entstehen, das im Haushalt entstehende Brauchwasser soll mittels verschiedener Reinigungsstadien durch eine geeignete Pflanzenauswahl gesäubert und wieder ins Haus zurückgeführt und genutzt werden. Der Weg und der Kreislauf des Wassers und hinsichtlich der Inhaltsstoffe verschiedenen Funktionen des Wassers sollen in einer entsprechenden Freiraumgestaltung dargestellt werden. Dadurch soll sichtbar und bewusst gemacht werden, das eine kurzgeschlossene Kreislaufführung von Wasser und auch von Energie sinnvoll, notwendig und möglich ist, und dass dieser eher ingenieurstechnische Aspekt durchaus mit ästhetischen Komponente von Wasser und Pflanzen in der Freiflächengestaltung verknüpft werden kann.

Untersuchungs- und Planungsgebiet ist ein Gebäudekomplex in einem Marzahner Wohngebiet des Stadt-Umbau-Ost-Quartiers Marzahn Nord.

Janine Kahra

II. Stadtentwicklungstendenzen – Die Rolle der Freiraumplanung

Im Zuge fortschreitender Stadtschrumpfungsprozesse müssen neue Lebens- und Überlebensstrategien für Städte und deren Umfelder gefunden werden. Dabei gilt es, alle am Stadtentwicklungsprozess beteiligten Akteure konzeptionell zu vereinigen, und deren Beiträge auf eine nachhaltige Stadtentwicklung zu überprüfen. Wichtig und für die Zukunft entscheidend erscheint dabei, ein dynamisches gesamtstädtisches Stadtgefüge zu schaffen. Da Bevölkerungsschwund unumkehrbar und nur schwer vorhersagbar ist, müssen Stadtumbaukonzepte flexibel sein; was heute angeraten ist, kann schon morgen wieder überholt sein.

Als Schlagworte zur Situationsbeschreibung momentaner Planungsrichtgrößen gelten in den Ländern, Städten und Gemeinden Punkte wie Verarmung, Suburbanisierung, Geburtenrückgang bei gleichzeitig ansteigender Lebenserwartung in den Industrienationen sowie eine Bedürfnis- und Werteverschiebung von Nutzergruppen. Auch vor Deutschland und seiner Hauptstadt kommen in nicht ferner Zukunft eine Vielzahl von neuen städtebaulichen Aufgaben zu. Hierbei werden neben den zu erwähnenden globalen auch rein „Berlinspezifische“ Entwicklungen auf die Stadtpolitik wirken. Speziell die Stadtkleinstrukturen, die Bezirke und ihre Quartiere, rücken in den Mittelpunkt der Betrachtung. Deren Entwicklung und Stärkung bilden die Grundlage einer nachhaltigen Stadtpolitik. Das bedeutet, es müssen neue Identitäten gefunden werden. Ein sich andeutendes Suchergebnis können ein Ausbilden und Initiieren neuer Lebens- und Zusammenlebensformen sein.

Berliner Stadtplanungsprogramme wie das „Planwerk Innenstadt“ führen zur Stärkung der historischen und einer neu definierten Innenstadt, schwächen jedoch die aus der Umsetzung hervorgehenden neuen Innenstadtanrainer, da eine architektonische Stadtausgliederung erfolgt. Somit müssen Bezirke die heute noch als zentral günstig gelegen gelten, hinsichtlich ihrer späteren, stadtpolitischen Bedeutung überprüft werden.

Der Freiraumplanung wird in den bestehenden Stadtplanwerken eine begleitende Rolle auf dem Weg hin zur Realisierung einer traditionellen europäischen Stadt eingeräumt. „Ziel ist es, in der Innenstadt unterschiedliche Freiräume von hohem Gebrauchswert zu schaffen“ (Giseke 2001).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Planwerk Innenstadt (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung)

Grundbausteine des öffentlichen Freiraums sind klar formulierte Orte, wie der Stadtplatz, der Gartenplatz oder der Stadtpark (ebd.). Das Land Berlin verfährt somit nach der Maßgabe "Innenentwicklung vor Außenentwicklung". Hierbei wird die Innenstadt als Wohnort gestärkt, die Stadträume werden insgesamt höher verdichtet und es werden zusätzliche Wohnungen geschaffen (SenStadt 2002). Dieser Planungsansatz und die Rückführung zum historischen Stadtantlitz Berlins gelten somit für den neu entstehenden Stadtkern.

Als überregionales Plan- und Planentwicklungswerk für die Wohnquartiere außerhalb der historischen Berliner Innenstadt, vornehmlich die Wohnsiedlungen des Entstehungszeitraumes 60er bis 80er Jahre u.a. im Berliner Ostteil, kann das Förderprogramm Stadtumbau Ost angesehen werden. (BMVBW 2002)

Darin stehen:

die Reduzierung des Angebotsüberhangs an Wohnraum

die Aufwertung der vom Rückbau betroffenen Viertel und

die Stärkung des innerstädtischen Altbaus sowie der erhaltenswerten Stadtquartiere

im Mittelpunkt (ebd.).

Genauer heißt es darin weiter: „Im Rahmen der Aufwertung von Stadtquartieren können z.B. Anpassungen der städtischen Infrastruktur, Verbesserungen des Wohnumfeldes, Aufwertungen des vorhandenen Gebäudebestandes sowie sonstige Bau- und Ordnungsmaßnahmen zur Unterstützung des Stadtumbaus gefördert werden“ (ebd.). Mit der Verbesserung der Wohnumfelder wird das Wirken der Freiraumplanung angesprochen.

Als ein weiteres und staatlich gefördertes Programm gilt „Die soziale Stadt“. In seinen Leitmotiven heißt es: „Um der sozialen und räumlichen Polarisierung in den Städten entgegen zu wirken, haben Bund und Länder 1999 gemeinsam das bundesweite Programm Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf - die soziale Stadt auf den Weg gebracht. Das Programm ist ein Stadterneuerungsprogramm, das einen integrativen und damit neuen Ansatz verfolgt.“ (www.bmvbw.de/Soziale-Stadt) All diese Programme wirken direkt und aktuell auf Berlin. Sie können mehr oder weniger wirksame Hilfsmittel auf dem Weg zu neuen Stadtentwicklungen sein.

In der Realität zeigen sich jedoch eine Vielzahl an Defiziten auf der Suche nach grundlegenden und ganzheitlichen Wohn- und Quartierskonzepten unter Einbeziehung der Freiraumplanung. Erwähnt hierbei sei das Jury- Resümee des „Stadtumbau Ost“ Wettbewerbs 2002 von Prof. Dr. Dorothea Fischer-Leonhardt. So heißt es dort, dass die „wenigsten der Wettbewerbsteilnehmer ein grundlegendes und ganzheitliches Konzept zum Umgang mit dem zukünftigen Freiraumpotenzial innerhalb der Stadtentwicklungskonzeption vorlegten“ (D. Fischer-Leonhardt 2002).

Gefragt ist demnach eine gleichsam von (Wohnungs-)Wirtschaft, Kommunen, Planern, Architekten und Landschaftsarchitekten, Politik und Wissenschaft getragene Qualitätsoffensive für die Zukunft des Wohnens in der Stadt – und damit für die Überlebensfähigkeit der Stadt als lebendiges Gemeinwesen (Schmidt 2004).

Ferner wächst nach den ersten Auswertungen der gelieferten Ergebnisse zu laufenden Bundeswettbewerben die Ansicht, dass „urbane Strategien nur im Zusammenspiel von Wirtschaft und Verwaltung sowie unter aktiver Einbindung der Bürgerinnen und Bürger zum Erfolg führen können“ (ebd.).

Hier sei auf das vom Wettbewerb Stadtumbau Ost mit einem Hauptpreis prämierte Stadtentwicklungskonzept Gräfenhainichen in Sachsen Anhalt verwiesen. Bei dessen Erstellung wurde mit dem so genannten Charrette-Verfahren gearbeitet. Dieses Verfahren beinhaltet eine Beteiligung aller zuständigen Fachplaner (einschl. Landschaftsarchitekten), betroffenen Bürger, sowie der verantwortlichen Verwaltungen und Kommunalpolitiker (www.charrette.de). So fand bei dem Planungsprozess eine Woche öffentlicher Planung 2002 statt. In der Gräfenhainichener Stadtkapelle erarbeiteten Experten aus verschiedenen Planungsdisziplinen zusammen mit interessierten Bürgern ein Konzept für die Zukunft der Stadt. Durch eine frühe Beteiligung der politischen Akteure kam es noch während des Verfahrens zu nötigen Stadtratsbeschlüssen. Unter dem Motto „Gräfenhainichen - Stadt mit neuer Energie“ wurde u.a. ein auf Geothermie setzendes Energieversorgungssystem erarbeitet.

Der Bund deutscher Landschaftsarchitekten stellt in seinen Leitmotiven zur Thematik Stadtentwicklung und Freiraumplanung, die Bedeutung und den Einfluss der FreiraumplanerInnen heraus. In folgenden Punkten werden die Positionen u.a. zusammengefasst und nötige Veränderungsforderungen formuliert:

Freiraum schafft Stadtraum.

Stadtumbau ist interdisziplinär, setzt die Beteiligung von Landschaftsarchitekten voraus.

Stadtumbau braucht visionäre Freiraumkonzepte.

Stadtumbau muss in Kooperation mit Akteuren und Betroffenen erfolgen.

Schnelle Umsetzung der Projekte zählt.

Stadtumbaukonzepte und Landschaftspläne müssen finanziell gefördert werden.

Die Steuergesetzgebung muss auf Belange des Stadtumbaus abgestellt werden (Gehrcke 2002).

Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass eine Definition und Einordnung der Bedeutung der Freiraum-/Landschaftsplanung innerhalb der Stadtplanung nur in einer veränderten Planungsgewichtung und einer generellen Neugewichtung des Miteinander aller Planenden definiert werden kann. Die Freiraum-/Landschaftsplanung muss neue Stadtidentitäten mitentwickeln. Sie kann dies, indem u.a. das Wissen über die Funktionalität der Landschaft wieder in den Mittelpunkt der Stadtentwicklung rückt. Dieses Projekt will mit Hilfe eines gewählten Untersuchungsgebietes Möglichkeiten einer neuen, veränderten Stadtwirtschaft aufdecken.

Thomas Weichert

III. Stadtschrumpfungsprozesse

A. Ursachen, Ausmaß und Folgen von Schrumpfungsprozessen

Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Der Zuwachs der Weltbevölkerung um 33 % bis zum Jahre 2030 wird vor allem durch das Wachstum der städtischen Bevölkerung in den so genannten Entwicklungsländern in Afrika und Asien verursacht. Doch jenseits dieser Boom-Towns und Megacities vollzieht sich eine andere Entwicklung. Überall auf der Welt, ausgelöst von vielfältigen Faktoren, beispielsweise Deindustrialisierung, Postsozialismus oder Bevölkerungsrückgang schrumpfen Städte. Der Schwerpunkt dieser Entwicklung liegt in den westlichen Industrieländern, allen voran in den USA, Großbritannien, Deutschland und Italien (Rieniets 2004).

Trotz ihrer weltweiten Erscheinung - laut „Atlas der Schrumpfenden Städte“ war zwischen 1990 und 2000 jede vierte Stadt auf der Welt eine schrumpfende Stadt (Rieniets et al.) - so sind sie doch in ihrer Ausprägung und ihren Ausmaßen sehr differenziert und vielschichtig. In betroffenen Städten gibt es neben Regionen, in denen das wirtschaftliche Wachstum schrumpft bzw. stagniert, ebenso Regionen in denen das wirtschaftliche Wachstum stabil ist oder steigt.

Doch was bedeutet Schrumpfen? In erster Linie meint es rückläufige wirtschaftliche wie demografische Entwicklungen in Städten oder Regionen. In der Beschreibung solcher Prozesse mit dem Begriff des „Schrumpfens“ zeigt sich dessen negative Auslegung und Bedeutung sowie oftmals die Beschränkung auf wirtschaftliche Bereiche: wirtschaftliches Wachstum allein ist erstrebenswert und hat Priorität. Sobald die wirtschaftliche Leistung einer Region nicht mehr steigt, schrumpft sie und wird zu einer Problemregion erklärt.

Doch problematisch ist oftmals nicht das fehlende wirtschaftliche Wachstum, also der Verlust von Regionen als wirtschaftlich bedeutsamer Standort, sondern deren Folgeprozesse. Altindustrielle Regionen, wie beispielsweise das Ruhrgebiet, das Saarland und weite Teile der ehemaligen DDR, haben ihre Bedeutung als wirtschaftlich dynamische Regionen an stärker technologie- und dienstleistungsorientierte Wirtschaftsräume wie Rhein-Main, Rhein-Neckar, München oder Hamburg abgegeben (BMVBW 2004). Durch die Aufgabe und Verlagerung von wirtschaftlichen und Industriestandorten gehen wichtige (wohnungsnahe) Arbeitsplätze verloren. Die Menschen wandern ab, den Arbeitsplätzen sozusagen hinterher.

Ein weiteres Problem des Abwanderns ist neben Wohnungsleerstand in einem Rückgang der Kaufkraft zu sehen, was zu einer Abwanderung von Investoren und Betrieben führt. Folgen dieses Trends sind leerstehende Läden und Produktionsflächen. In manchen Orten ist bereits eine Ausdünnung der Infrastruktur sowie der sozialen und medizinischen Versorgung zu beobachten. Es werden zunehmend Schulen, Kitas und Kultureinrichtungen geschlossen oder die öffentliche Verkehrsanbindung eingeschränkt, Mangelnde Wohnqualität, Imageschäden und Identitäts- und Funktionsverluste für die betroffenen Städte oder Quartiere sind vorprogrammiert und führen zu weiterer Abwanderung. Diese Negativspirale kann bis zum „Ausbluten“ ganzer Regionen führen.

Neben dieser großräumigen Binnen-Wanderung vollzieht sich seit Jahrzehnten ein kleinräumiger Wanderungsprozess, die zunehmende Suburbanisierung. Mit den Bewohnern, vor allem junge Familien, wandern auch gewerbliche und Dienstleistungsarbeitsplätze in die Peripherie der Städte ab. Als Beispiel seien hier die peripheren Einfamilienhaussiedlungen in den USA oder in Berlin die nach der Wende entstandenen peripheren Eigenheimsiedlungen in Karow - Nord.

Innerstädtische Kennzeichen von Schrumpfungs- und Suburbanisierungsprozessen sind Baulücken und leerstehende Gebäude, Brachflächen, Verkehrs- und soziale Infrastrukturen in der Stadt, die nicht mehr gebraucht werden. Wobei urbane Brachflächen und aufgegebene Infrastrukturstandorte vor allem im Innenstadtbereich ihre Ursachen nicht nur in derzeitigen Schrumpfungsprozessen haben und nicht zwangsläufig Problemfelder darstellen. In Berlin beispielsweise wurden und werden schon seit vielen Jahren Gasanstalten, Schlachthöfe, Exerzierfelder oder Bahnbrachen umgenutzt (Giseke 2001).

Doch trotz brachliegender Flächen und nicht mehr benötigter Industrie- und Infrastrukturstandorte steigt der Flächenverbrauch im Umland und in den ländlichen Kreisen, vor allem für Siedlungseinrichtungen kontinuierlich an. Während 1960 auf einen Einwohner nur 16 qm Wohnfläche entfielen, sind es heute 40 qm. Ein verändertes Freizeitverhalten und neue Wohn- und Bauformen führten zu einer steigenden Flächeninanspruchnahme, denn sie galten und gelten als Indikator für Wohlstand und für die Befreiung aus beengten Wohn- und Lebensverhältnissen. Dazu gehört der Wunsch nach Eigenheimen, größerem Wohnraum oder Zweitwohnungen. Gefördert wurde dieser Trend zusätzlich durch die Eigenheimzulage und die Entfernungspauschale. Allerdings haben auch die Wirtschaft und die öffentlichen Einrichtungen ihren Flächenbedarf aufgrund von flächenintensiveren Produktionstechniken und Warenverteilung zugenommen.

Auch führen Schrumpfungs- und Suburbanisierungsprozesse nicht zur Entlastung kommunaler Kassen. Im Gegenteil: trotz sinkender Einnahmen für die Kommunen werden sich die Kosten für die Infrastruktur sogar erhöhen. Dazu gehören die Unterhaltungskosten für zunehmende Verkehrswege, Ver- und Entsorgungsnetze, bspw. Wasserversorgungsnetze, aber auch der sozialen Infrastruktur, wie Schulen und Krankenhäuser, die längst nicht mehr ausgelastet sind. Leerstand treibt Wohnungsunternehmen in Liquiditätsschwierigkeiten und nötige Sanierungsmaßnahmen werden unterlassen.

Aufgrund der differenzierten Ausprägungen und Auswirkungen solcher Folgeprozesse lassen sich trotz genauester Prognosen schwerlich zukünftige Entwicklungen für betroffene oder noch nicht betroffene Regionen ableiten und auf Regionen, die ähnliche Ausgangsbedingungen aufweisen, übertragen. Im Anschluss soll deshalb die Situation in der Metropolregion Berlin erläutert werden, da sich einerseits unser Planungsgebiet dort befindet, sie andererseits keine typische sogenannte Schrumpfende Stadt ist, des weiteren es aber auch hier Quartiere mit einer negativen Entwicklung und entsprechendem Handlungsbedarf gibt.

B. Metropolregion Berlin

Will man Wachstums- und Schrumpfungsprozesse von Städten untersuchen und mit anderen vergleichen, so sollte man nicht die einzelne Stadt betrachten, sondern „städtische Agglomerationsräume, die sich aus mehreren dominierenden Kernstädten und einem suburbanen, teilweise verstädterten Umland zusammensetzen“ (SenStadt 2002).

Die Metropolregion Berlin - der Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin sowie sein suburbanes Umland - unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von anderen deutschen und europäischen Metropolregionen, aufgrund ihrer Hauptstadt-Funktion, ihrer historischen Funktion als ehemalige Residenzstadt, dann als geteilte Stadt, und nicht zuletzt ist Berlin die größte deutsche und eine der größten Metropole Europas. Ebenso wird sich laut dem Berliner Senat „Berlins Wissens- und Dienstleistungsfunktion verfestigen“ (ebd.), was Auswirkungen auf die Stadt haben könnte. Nachfolgende Stichpunkte nennen die bisherige Entwicklung, die Prognosen für die Stadt beeinflussen könnten.

80 % der Gesamtbevölkerung der Metropolregion leben in den Kernstädten Berlin und Brandenburg. (Zum Vergleich: In den westdeutschen Metropolregionen leben nur noch 20 bis 60 % in den Kernstädten.)

Deutschland erfuhr Anfang der 90er eine Zuwanderungswelle, von der die Region Berlin kaum profitierte. Erst Ende der 90er hatte der Berliner Raum bundesüberdurchschnittliche Zuwachsraten zu verzeichnen, jedoch immer noch weitaus weniger als in west- und süddeutschen Verdichtungsräumen.

Berlin hat innerhalb der Metropolregion die meisten Zuzüge aus dem Ausland und den übrigen Bundesländern, jedoch kommen die meisten Zuzüge im Umland aus Berlin (ebd.).

In Bezug auf Wanderungsprozesse nimmt die Metropole Berlin für die Transformationsländer eine besondere Rolle ein. Das Zuwanderungsverhalten des letzten Jahrzehnts war geprägt durch die europaweite Ost-West-Wanderung infolge der Zusammenbrüche der sozialistischen Staatssysteme und durch Zuwanderungen aus dem ehemaligen Jugoslawien.

Diese Ereignisse können jedoch nur unzureichende Prognosen für eine zukünftige Entwicklung, insbesondere für Berlin geben. Einerseits wird durch die räumliche Nähe Polens zu Berlin ein hoher Zuwanderungsanteil infolge der EU-Osterweiterung erwartet.

Vom DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) wurde in empirischen Analysen jedoch ein anderes Ergebnis prognostiziert: Die seit 1990 beobachtete Zuwanderung aus den neuen EU-Beitrittsländern erfolgte nicht aus räumlicher Nähe zum Zielgebiet, sonder aufgrund des Arbeitsplatzangebotes. Das DIW vermutet, dass die Höhe der künftigen Zuwanderungszahlen demnach durch Arbeitsplatzangebote bestimmt wird.

In Bezug auf das Wanderungsverhalten spielt Berlin eine besondere Rolle. Berlin wird öfter als Zielgebiet gewählt als andere Großstädte - unabhängig von der räumlichen Nähe und einem evtl. Arbeitsplatzangebot. Mehr als ein Drittel aller Zuzüge 2003 nach Berlin waren ausländische Personen. In den einzelnen Berliner Stadtbezirken sind jedoch stark differenzierte Ausländeranteile zu beobachten: zwischen 27,3 % in Mitte und 3,3 % in Treptow - Köpenick für das Jahr 2003.

Problematisch bei solchen Statistiken und ohnehin unsicheren Prognosen sind die unzureichenden qualitativen Aussagen über den Ausländeranteil an der Bevölkerung sowie am (innerstädtischen) Wanderungsverhalten. Sie geben selten Auskunft darüber, aus welchen Ländern diese ausländischen Personen stammen. Ausländische Personen unterscheiden sich je nach Herkunftsregion und -land sehr stark hinsichtlich ihrer religiösen, sprachlichen und/oder kulturellen Lebensweise und ihrer Integrationsfähigkeit und -bereitschaft. Des weiteren wächst die Zahl der Ausländer, die in Berlin aufgrund ihrer Hauptstadtfunktion, ihrer Wissenschafts- und Dienstleistungsfunktion als Studenten, Diplomanden oder Wissenschaftler tätig sein werden und somit nicht in das weitverbreitete Migrationsbild hinein passen (ebd.).

C. Zukünftige Bevölkerungsentwicklung

Die Bevölkerungsentwicklung eines Landes bzw. einer Stadt beinhaltet sowohl Aussagen über Geburten- und Sterberate, bzw. Lebenserwartung als auch deren Wanderungsverhalten. Grundlage der Untersuchung über eine zukünftige Bevölkerungsentwicklung bildet die Studie der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, sowie die 10. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung für die Bevölkerung Deutschlands 2002 bis 2050 vom Statistischen Bundesamt Deutschland. Angaben über die Geburten- und Sterberaten wurden nur für Deutschland getroffen, können jedoch weitestgehend auf Berlin übertragen werden (ebd.).

1. Geburtenhäufigkeit

Die Geburtenhäufigkeit wird mit der Geburtenziffer quantifiziert, diese ist ein Maß für die Anzahl der Kinder pro Frau von ihrem 15. bis 45. Lebensjahr. In Deutschland bleibt in den kommenden Jahren die Geburtenziffer weiterhin auf einem niedrigen Niveau von 1,4 Kindern pro Frau. Um die gegenwärtige Bevölkerung konstant zu halten, müssten pro Elternpaar etwa 2,1 Kinder geboren werden. Das derzeitige Geburtenverhalten führt daher langfristig zu alternder Bevölkerung sowie einer geringeren Bevölkerungszahl. Im internationalen Vergleich gehört Deutschland neben Japan und der Schweiz zu den Ländern mit der geringsten Geburtenhäufigkeit (ebd.).

2. Lebenserwartung

In Deutschland ist derzeit insgesamt eine längere Lebensdauer der Menschen zu beobachten. Die Lebensdauer wird als durchschnittliche Lebenserwartung dargestellt und zeigt, wie viele Lebensjahre ein neugeborenes Kind unter Beibehaltung des derzeitigen Sterberisikos zu erwarten hat. Durch Fortschritte im Gesundheitswesen, durch eine gesündere Ernährung, verbesserte Wohnsituationen und Arbeitsbedingungen sowie durch gestiegenen materiellen Wohlstand in Deutschland ist in den letzten hundert Jahren das Sterblichkeitsrisiko in allen Altersgruppen erheblich gesunken. 2001 lag die Lebenserwartung eines neugeborenen Jungen bei 74,8 Jahren, bei einem Mädchen bei 80,8 Jahren. Sofern sich die oben erwähnten einflussnehmenden Faktoren nicht ändern bzw. unerwartete Ereignisse wie Kriege, Epidemien etc. eintreten, wird sich die Lebenserwartung bei den Jungen für die nächsten 15 Jahre um etwa 2 bis 3,5 Jahre erhöhen, bei den Mädchen um etwa 3 bis 4 Jahre.

Für Personen, die bereits ein bestimmtes Lebensalter erreicht haben, wird die Anzahl der weiteren Lebensjahre - in der Regel ab dem 60. Lebensjahr - als die ferne Lebenserwartung bezeichnet. In Deutschland hat derzeit ein 60-jähriger Mann eine ferne Lebenserwartung von etwa 19 Jahren, eine 60-jährige Frau von etwa 23 Jahren (ebd.).

3. Auswirkungen auf die Alterstruktur

Die oben beschriebene Entwicklung der Geburtenhäufigkeit und Lebenserwartung in Deutschland vollzog und vollzieht sich in Berlin in ähnlichem Maße und kann Auswirkungen auf die Altersstruktur der Stadt haben.

Der schon seit einigen Jahren beobachtete Alterungsprozess setzt sich fort: 2002 waren in Berlin 57 % der Bevölkerung jünger als 45 Jahre, 2020 werden es nur noch etwa 50 % sein. Das Durchschnittsalter der Berliner erhöht sich von derzeit 41 auf 43,6 Jahre. Dadurch wird sich die Anzahl der Rentenbezieher erhöhen und die Rentenbezugsdauer wird sich verlängern. Auch die Altersstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung wird sich verändern: Die Zahl der 18 bis 65-jährigen wird sich um 5 % verringern. Speziell die Altersgruppe der 18 bis 25-jährigen wird um 17 % sinken, und die der 25 bis 45-jährigen um 9,7 %. Einzig die Zahl der älteren Bewerbstätigen - 45 bis 65-jährige - wird um etwa 5 % steigen. Die Altersgruppe der ab 65-jährigen wird sich bis 2020 um etwa ein Drittel erhöhen von derzeit 16 % auf 21 %. Am deutlichsten spürt man die Bevölkerungsalterung in der Altersgruppe ab 75 Jahre. Ihr Anteil wird um 53 % von derzeit 6,6 % auf 10,1 % ansteigen (ebd.).

4. Migration

Für das Jahr 2003 wurden etwa 120.000 Zuzüge nach Berlin verzeichnet, darunter ca. 45.000 Ausländer. Die Zahl der Fortzüge und deren Ausländeranteil ist etwas geringer, wodurch Berlin ein positives, dennoch äußerst geringes Wanderungssaldo von etwa 500 Personen aufzuweisen hatte. Die Zuwanderung kann den Alterungsprozess in Berlin keineswegs aufhalten, lediglich geringfügig verlangsamen. Die Zahl der Wanderungen innerhalb Berlins sind mit etwa 400.000 Personen weitaus höher (ebd.).

5. Bevölkerungsprognosen für Gesamt-Berlin

Nach der Deutschen Wiedervereinigung erlebte Berlin zunächst eine Phase kräftiger Bevölkerungszuwächse, die ab 1994 — u.a. in Folge der Geburteneinbrüche im Ostteil der Stadt und der Suburbanisierung — in zunehmende Verluste umschlugen. Erst mit der verstärkten Zuwanderung aus dem übrigen Bundesgebiet („Hauptstadteffekt“) bei rückläufiger Umland-Abwanderung, aber auch infolge zeitweilig sehr niedriger Gestorbenenzahlen sind ab 2001 wieder leichte Gewinne zu verzeichnen. Die Tendenz der leichten Bevölkerungszunahme hält zunächst an und geht dann über in zunehmende Bevölkerungsverluste. Der Beginn der Bevölkerungsverluste wird zwischen 2007 und 2017 und die Veränderung der Bevölkerungszahl im Prognosezeitraum 2002 bis 2020 wird zwischen - 3,2 % bis + 2,9 % liegen (ebd.).

6. Differenzierte Entwicklung in den Teilräumen der Metropolregion Berlin

In der inneren Stadt (Raum innerhalb des S-Bahnringes) mit dem Citybereich, geprägt durch Altbauwohnquartiere, Zentralität, Nähe zum Regierungsviertel und historischem Kern, gibt es einen geringen Bevölkerungszuwachs, der sich jedoch auf die Innenstadt (City) konzentriert. Die Altersstruktur entwickelt sich ähnlich der Gesamtregion: während die Zahl der Jahrgänge bis 45 leicht zurückgehen wird, nimmt die Zahl der 45 bis 75-jährigen prozentual leicht zu. Allerdings wird der Anteil der ab 75-jährigen prozentual sehr stark zu nehmen (etwa 1/3).

Im Westteil der Außenstadt ist in allen Altersgruppen im erwerbsfähigen Alter ein leichter Bevölkerungsrückgang, bei den 65 bis 75-jährigen ein leichter Zuwachs und bei den ab 75-jährigen ein starker Zuwachs zu verzeichnen.

Der Ostteil der Außenstadt (ohne die östlichen Großsiedlungen) ist geprägt durch Stadterweiterungen von Karo-Nord, Französisch-Buchholz und Altglienicke und Einzelhausgebieten. Diese Entwicklung in diesen Stadtteilen führte zu leichten Wachstums- bzw. Verdichtungstendenzen. Auch wird für die Zahl der Kinder im Vorschulalter ein leichter Anstieg prognostiziert. Die Zahl der 65- bis 75-jährigen wird leicht sinken, jedoch die der ab 75-jährigen enorm wachsen. Trotz der guten statistischen Werte ist dieser Stadtteil von Schrumpfungstendenzen, d.h. Bevölkerungsrückgang bzw. Wegzug und damit einhergehend mangelnder Identität, betroffen.

Extreme Veränderungen bzgl. der Bevölkerungs- und Alterstruktur und Entwicklung weisen die peripheren Großsiedlungen am östlichen Stadtrand - Hohenschönhausen, Hellersdorf und Marzahn – auf. Diese Stadtrandsiedlungen wurden in den 70er als „Neue Städte“ aufgrund von Wohnungsmangel auf unbebauten Stadtgütern und Rieselfeldern komplett neu angelegt. Sie sind geprägt von einer „Homogenität“ in Bauweise, Standard und Wohnumfeld, wodurch viele Quartiere zunehmend an Attraktivität verloren. Des weiteren führten der Mangel an wohnnahen Arbeitsplätzen, veränderte Wohnansprüche und ein Wohnungsüberangebot zu einem massiven Wohnungsleerstand infolge einer starken Bevölkerungsabwanderung. Seit etwa zehn Jahren verloren die Ostberliner Großsiedlungen ein Viertel ihrer Bewohner. Der Bevölkerungsverlust wird sich hier in verlangsamter Form fortsetzen, und wird sich am Ende des Prognosezeitraumes gegenüber 1991 um mehr als ein Drittel verringert haben. Gleichzeitig vollzieht sich eine extreme Alterung: Sämtliche Altersgruppen unter 65 Jahre nehmen massiv ab, während die Zahl der 65-75-jährigen um 55 % und die der über 75-jährigen sogar um 131 % wächst (ebd.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Teilräume der Metropolregion Berlin (SenStadt 2002)

7. Bevölkerungsprognosen für die Berliner Bezirke

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Bevölkerungsprognosen für die Berliner Stadtbezirke (ebd.)

Die Entwicklung von Bevölkerungszahl und -struktur wird in den Berliner Stadtbezirken sehr unterschiedlich verlaufen. In drei Bezirken steigt die Bevölkerungszahl an, in den anderen neun sinkt sie. Besonders drastisch ist der Rückgang in Marzahn-Hellersdorf mit -7,4 Prozent. Der größte Zuwachs bis 2020 wird für den Bezirk Pankow mit +3,4 % erwartet. Im Bezirk Marzahn-Hellerdorf werden, wie bereits in der Darstellung der Teilraum-Entwicklung deutlich wurde, differenzierte und z.T. gegenläufige Entwicklungstendenzen in den einzelnen Ortsteilen stehen. So prognostiziert man den Großsiedlungen im Norden des Bezirks anhaltende Verluste, und den durch Einzelhaus-Bebauung geprägten Nachverdichtungsbereichen im Süden des Bezirks weitere Bevölkerungszunahmen.

Janine Kahra

IV. Gründe für ein verändertes Handeln

A. Ökologische Aspekte

Die ökologische Notwendigkeit einer nachhaltigen Lebensweise ergibt sich aus der begrenzten Stabilität unserer uns umgebenen Umwelt. Der Gedanke der Nachhaltigkeit, d.h. das Schaffen der Möglichkeit auch auf kleinsten Räumen für stetes Wiederkehren von ökologischen Abläufen zu sorgen, muss jedem tagtäglich bewusst sein. Unser Weltbild und der Zustand unserer Gesellschaftsorganisation ist ein geschichtlich gewachsener Prozess, wobei die Frage nach deren Richtigkeit und damit auch nach dem Grad der Nachhaltigkeit weiterhin offen bleibt. Es gilt in der Zukunft, die Lehren und Erkenntnisse aus den Fehlern der Vergangenheit endlich tatkräftig aufzugreifen und eine Veränderung in den Ansätzen unserer Umweltbetrachtungen zu vollziehen.

Nicht zuletzt eine in den letzten Jahrzehnten ins Rollen gekommene gesamtgesellschaftliche Nachhaltigkeitsdiskussion (substainable developement) drückt die ökologische Engpasssituation der Gesellschaftssysteme dieser Erde aus. Diesen konventionellen Nachhaltigkeitsdiskussionen mangelt es jedoch an einem Bezug zum physischen Ökosystem. Zusammenhänge zwischen landschaftlichen und gesellschaftlichen Stoffströmen werden nicht erkannt. Zudem werden Ökosysteme nur sektoral und nicht funktional und integrativ betrachtet (Ripl & Wolter 2002).

Wirkliche Nachhaltigkeit ist in natürlichen Systemen zu suchen: Ökosysteme tendieren zu einer Selbstoptimierung, d.h. sie streben nach Dauerhaftigkeit, Effektivität und Stabilität aufgrund von Raum- und Zeitlimitierung (Begrenztheit an Stoffen bzw. an Licht). Die Anzahl an Tieren und Pflanzen auf einer Fläche werden bestimmt und begrenzt durch ihren effizienten Umgang mit vorhandenen Ressourcen. Deshalb werden Wasser und (Nähr-) Stoffe in geschlossenen Kreisprozessen geführt.

Die Nachhaltigkeit natürlicher Systeme sollte also als Vor- und Leitbild für eine (gesellschaftliche) nachhaltige Entwicklung dienen. Denn nur eine funktionierende Landschaft bildet die Grundlage jeder menschlichen Entwicklung. Diskussionen zur Beschreibung von Nachhaltigkeit müssen und können allein auf den Ebenen der Stoffbilanzen von Landschaftsräumen geführt werden, von Nachhaltigkeit kann und darf nur gesprochen werden, wenn eine Ausgeglichenheit auf den Stoffkonten vorliegt. Diese Konten weisen jedoch ein merkliches Defizit auf. Nutzstoffentnahmen stehen einer ungenügenden Stoffrückführung gegenüber. Die Landschaft wird ausgelaugt, d.h. ihr werden die lebenswichtigen Stoffe entzogen, um sie anschließend kurzzeitig zu schonen und sie erneut auf einen nächsten Auslaugungsprozess vorzubereiten. Anthropogene Eingriffe führen zu einer Trockenlegung und dadurch mangelnden Verdunstungsleistung und Erwärmung von Landschaften.

Das Ergebnis einer solchen Bewirtschaftungsweise zeigt sich allerorts. Klimatische Veränderungen finden in Daseinsformen von Dürreperioden und sintflutartigen Regenfällen, milden Wintern und heißen Sommern ihr Erscheinen. Unsere Umwelt gerät Zusehens in großer Räumlichkeit durcheinander. Doch diese großräumige Störung findet ihre Wurzeln in einer kleinsträumigen Störung der dort stattfindenden Stoffflüsse.

Thomas Weichert

B. Ökonomische Aspekte

Die Notwendigkeit eines Umdenkens und eines veränderten Wirtschaftens muss und wird in naher Zukunft alle Bereiche der Gesellschaft erreichen. Gerade solch komplexe Wirtschaftseinheiten, wie die der Wohnungswirtschaft bekommen Veränderungen auf vielfältige Art und Weise zu spüren.

Die aktuelle gesellschaftliche und wirtschaftliche Grundstruktur basiert auf langen, globalen bzw. zentralen Erzeugungs- und Produktionsketten. Die Wohnungswirtschaft baut ihren Nachhalt ebenso auf den Pfeilern einer zentralen Fremdabhängigkeit auf. Dies bezieht sich auf die Entsorgungs- und Versorgungssysteme von Gebäudekomplexen, beispielsweise die Energieversorgung, die Abfallentsorgung oder die Abwasserreinigung.

Sich verändernde globale Weltmarksituationen finden in dem Grundgerüst der kommunalen Wohnraumwirtschaft eine gravierende Wiederspiegelung, ob bei den von einem starken Staat abhängigen Mietern oder den vom Markt abhängigen und wohnraumstellenden Vermietern. Mit Nachhaltigkeit im eigentlichen Sinne hat dies wenig zu tun. Es gilt, gleichermaßen für die Eigentümer/Verwalter u./o. Nutzer, in naher Zukunft nach neuen Kopplungs- und kleinräumigeren Rückführungsketten zu suchen. Nur dann lassen sich Wohnräume nachhaltig bewirtschaften und ein weiteres Ausbluten von Stadtsubstanz vermeiden.

Will man den thematischen Handlungs- und Bewusstseinsstand in Deutschland beschreiben, kommt man um eine Deutung des Einflussrahmens bestehender Staatssysteme nicht herum. Der institutionelle Rahmen auf kommunaler Ebene ist für die Lösung der anstehenden Probleme vielfach ungeeignet (BBR.bund.de). Angesichts der Dimension der Schrumpfung greifen klassische Nachnutzungsoptionen im Sinne der Kreislaufwirtschaft nicht mehr. Ebenso fehlen Instrumentarien, um der Flächeninanspruchnahme – durch gewerbliche Nutzungen und Eigenheimbau zu begegnen.

Ferner gilt es, zur Entwicklung nachhaltiger und damit gleichmeinend selbstlebend fähiger Kleinststadtstrukturen über bestehende staatliche Steuerungen in Form von Subventionszahlungen nachzudenken. Begünstigungen und Benachteiligungen, resultierend aus Eigenheimförderung, Wohnungsbauförderung, Ausgestaltung des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes oder auch Pendlerpauschale, führen zu Rahmenbedingungen, die vor dem Hintergrund des demographischen Wandels in vielerlei Hinsicht eine nachhaltige Stadtentwicklung behindern (ebd.). Ein aktuelles Beispiel liefert hier das Land Berlin. Dieses muss den sozialen Wohnungsbau nach Ablauf einer 15-jährigen Förderung nicht für weitere 15 Jahre subventionieren (OVG 2004).

Es bleibt festzuhalten, dass derzeitige staatliche Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Entwicklung wenig geeignet sind. Durch die sich verstärkende ökonomische Zwangslage und staatlichen Abhängigkeit der Kommunen und Gemeinden sollten neue geeignete Kommunikationsverfahren, die alle am Erneuerungsprozess beteiligten Akteure mit einbeziehen, gesucht und in den Mittelpunkt gestellt werden.

Für die Entwicklung und das Erreichen nachhaltiger Stadtstrukturen sollten zukünftig statt sektoraler Optimierung einzelner Aspekte eine Gleichwertigkeit ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange sowohl in der Politik als auch in der Forschung stärkere Berücksichtigung finden. Ergänzend dazu müssen die hierin gewonnenen Erkenntnisse schnellstmögliche Weiterleitung an die Nutzer und ein rasches Umsetzen auf den verschiedenen Planungsebenen finden.

Die Notwendigkeit der Kombination von kleinsträumiger Kreislaufwirtschaft innerhalb bereits bestehender oder im Entstehen begriffener Stadtstrukturen soll als Chance für die Wohnungswirtschaft und deren Nutzer verstanden werden. Nur über diese Verbindung lassen sich ökonomische Engpässe mittelfristig umgehen und eine wohnungswirtschaftliche Nachhaltigkeit entwickeln.

Thomas Weichert

C. Soziale Aspekte

Nachhaltigkeit beinhaltet neben der ökologischen und ökonomischen ebenso eine soziale Dimension. Die menschliche Gesellschaft (allen voran in den westlichen Industrienationen) lebt in vielfacher Hinsicht verantwortungslos und auf Kosten Anderer und vor allem auf Kosten nachfolgender Generationen.

Dies äußert sich in einem veränderten Freizeit- und Konsumverhalten, veränderten Wohn- und Lebensformen sowie veränderten Wertvorstellungen. Dies hat nicht nur schwerwiegende Folgen auf unsere natürliche Umwelt, sondern ebenso auf die soziale Lebenswelt der menschlichen Gesellschaft. Ursachen dieses Verhaltens sind oftmals in veränderten Wertvorstellungen und Wertmaßstäben, gekennzeichnet durch Schnelllebigkeit und Individualismus, zu finden.

Auch Lebensqualität und Lebensstandard sind oftmals diesen Wertvorstellungen unterlegen und werden gemessen durch wirtschaftliches/ökonomisches Wachstum und Wohlstand an materiellen Gütern (Stagl 2000). Dies spiegelt sich auch in dem Wunsch nach immer größerem Wohnraum, nach Zweitwohnungen, Wochenendgrundstücken oder Einfamilienhäusern wieder. Des weiteren hat die Zahl an Ein- und Zwei-Personen-Haushalten sowie auch die Zahl der Binnenwanderung, sprich das Umziehen innerhalb einer Stadt, enorm zugenommen. Dieses Wohnverhalten wird gesellschaftlich und wirtschaftlich etabliert, da es ökonomisch rentabler ist, als dauerhafte Wohnsitze oder Mehr-Personen-Haushalte.

Neben der ohnehin schon bestehenden Diskrepanz von Arm und Reich ist ein zunehmendes Missverhältnis auf dem Arbeitsmarkt zu verzeichnen, gekennzeichnet durch hohe Beschäftigungslosigkeit einerseits und hohe Überstundenzahlen auf der Seite der Beschäftigten. Ebenso besteht ein Missverhältnis zwischen dem Konsumieren und Produzieren. D.h., es wird nicht dort produziert, wo konsumiert wird, Wirtschaftsstandorte werden verlagert und wichtige wohnungsnahe Arbeitsplätze gehen verloren.

Dass der Alterungsprozess in der Gesellschaft eher als Problem, denn als Chance angesehen wird, liegt zum Teil auch an falschen Wertvorstellungen. Denn das gesellschaftliche Bewusstsein unterliegt einem “Jugendkult“. Altern oder alt sein wird allzu oft gleichgesetzt mit Krankheit, Hässlichkeit, eingeschränkter Mobilität und eingeschränkten Wahrnehmungen und Interessen. Trotzdem man die Bevölkerungsgruppe der Alten zunehmend für die Werbebranche entdeckt hat, ist die gesellschaftliche Akzeptanz doch äußerst unzureichend (Druyen 2003). Die Schaffung von alten- und altersgerechten Senioren-Residenzen entspricht zwar scheinbar ihren Interessen und Wünschen (oftmals aber auch den Wünschen anderer Mitglieder der Gesellschaft), ist aber zu kurz gedacht. Denn durch Abgrenzung und fehlende Integration in das gesamtgesellschaftliche Leben werden diese Bedürfnisse, also das „unter sich sein“, eher noch gefestigt.

Die Bewohner eines (Mehrfamilien-)Hauses, vor allem in Großsiedlungen, oftmals geprägt durch Anonymität, fehlende Hilfsbereitschaft und ohne familiären Bezug, fühlen sich in der heutigen Zeit selten als Gemeinschaft. Greift man die Analogie zur Biologie bzw. Natur erneut auf, so findet in einem Wohnhaus also kaum eine „Vergemeinschaftung“ statt und das Zusammenleben der Menschen ist selten dauerhaft und tiefgreifend.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das gesellschaftliche Bewusstsein, Wertvorstellungen und Lebensformen ebenso wie bei ökologischen Prozessen erhebliche Nachhaltigkeitsdefizite aufweisen und dadurch die Bevölkerung nicht nur quantitativ, auch qualitativ schrumpft. Das Ziel einer quantitativen wie qualitativen menschlichen “Arterhaltung“ über Generationen muss es sein, Bedingungen zu schaffen, unter denen alle Gesellschaftsmitglieder gleichberechtigt, ökonomisch unabhängig, dauerhaft und in gemeinsamer/gemeinschaftlicher Verantwortung leben können.

Janine Kahra

D. Genossenschaften – eine alte Idee neu entdeckt

1. Geschichte und Fakten

Die Definition des Begriffes Genossenschaft ergibt sich aus den Worten Genoz (altdeutsch) - etwas zusammen tun – und dem Begriff Schaft - etwas schaffen (www.vrbank-suedpfalz.de).

Vor rund 150 Jahren entwickelten sich Genossenschaften als Rechtsform zur Stärkung kleiner Unternehmen, um auf dem Markt besser bestehen zu können. Dies gilt sowohl für Konsumenten als auch für Produzenten. Die Grundausrichtung liegt dabei in den Punkten der

Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung. Den rechtlichen Rahmen bildet das bereits 1889 entstandene, mittlerweile jedoch laufend an die wirtschaftlichen Gegebenheiten angepasste Genossenschaftsgesetz (GenG).

Das Gesetz regelt in zehn Abschnitten die wichtigsten Voraussetzungen für die Genossenschaftsgründung, deren Organe (vor allem Aufsichtsrat, Vorstand und Mitglieder bzw. Vertreterversammlung) interne und externe Rechtsverhältnisse, insbesondere Haftungsfragen, das Ausscheiden alter und die eventuelle Aufnahme neuer "Genossen“ sowie die Modalitäten einer erforderlichen Auflösung der Gemeinschaft (www.akademie.de).

Die Gründung einer Genossenschaft ist durch die obligatorische Einschaltung eines Genossenschaftsprüfverbandes zwar etwas formalisierter und zeitaufwendiger als bei einer Kapitalgesellschaft - dafür muss jedoch als Voraussetzung kein Mindest-Gründungskapital aufgebracht werden. Die Gründungsanlässe, Zweck und Ziele genossenschaftlich organisierter Unternehmens-Zusammenschlüsse können sehr unterschiedlich sein. Genossenschaften existieren in Handel, Handwerk und Dienstleistungs-Sektor, im Gesundheitswesen, der Landwirtschaft oder der IT-Branche. Ihnen ist gemeinsam, dass genossenschaftliche Kooperationen in den seltensten Fällen als Vorstufe einer Fusion dienen - den beteiligten Unternehmen geht es im Gegenteil ja gerade darum, ihre unternehmerische Freiheit zu erhalten und dem - nur scheinbar unaufhaltsamen - Konzentrations-Prozess etwas entgegen zu setzen (ebd.).

2. Unterschied von Genossenschaft und der Rechtsform Kapitalgesellschaft

Analog zu einem Verein sind mindestens 7 Gründungs-Mitglieder erforderlich (das können auch natürliche Personen sein).

Sowohl während der Gründung als auch im späteren Betrieb unterliegt die Genossenschaft einer - im Vergleich zu Kapitalgesellschaften recht weitgehenden obligatorischen Prüfpflicht durch einen speziellen regionalen oder Branchen-Prüfverband, dem die Genossenschaft angehören muss. (Genossenschaftsverband)

Eine Gründung ist nur auf Grundlage eines ausgefeilten schriftlichen Geschäftsplans möglich.

Wie bei einer GmbH, einer AG oder einem Verein üblich, werden die im Gesetz vorgegebenen Rahmenbedingungen in einer Satzung ("Statut") um die speziellen Belange der jeweiligen Kooperative ergänzt und konkretisiert.

3. Wohnungsgenossenschaften

In Deutschland gibt es 2000 Wohnungsgenossenschaften, diese verfügen über 2,2 Millionen Wohnungen. In diesen leben 3,3 Millionen Menschen, dies entspricht einem Anteil von etwa 11 % aller Mietwohnungen in Deutschland (Ring der Wohnungsgenossenschaften 2003) In Westdeutschland beträgt der Anteil an Wohnungsgenossenschaften 1.199 mit 1.213.000 Mio. Wohnungen; 1,84 Mio. Mitglieder haben dabei 1,9 Mrd. Genossenschaftsanteile eingezahlt. In Ostdeutschland gibt es

792 Wohnungsgenossenschaften mit etwa 1 Million Wohnungen. Dabei haben 1,03 Mio. Mitglieder 1,3 Mrd. Genossenschaftsanteile eingezahlt (GdW) „Leerstand, Abwanderung, Preisverfall ... die Wohnungswirtschaft des Ostens steckt in der Krise. Ein Problem, das bisher in erster Linie Vermieter, Wohnungsunternehmen und Städteplaner beschäftigt hat...“ (MDR 2004).

Doch jetzt erreicht die Krise auch die "kleinen Leute" - die Mitglieder der rund 750 Wohnungsgenossenschaften in den neuen Bundesländern: „...

Jede fünfte ostdeutsche Wohnungsgenossenschaft wird in den kommenden Jahren Zahlungsunfähigkeit anmelden müssen“ (mdr.de 2004). Als ein verantwortlicher Grund werden dafür die Altschuldenbelastungen der ostdeutschen Wohnungsunternehmen herangezogen.

4. Was bedeuten Altschulden?

Um die Problematik der Altschulden zu verstehen, hier ein Auszug aus dem Altschuldenhilfe Gesetz, §3. Altverbindlichkeiten: „Altverbindlichkeiten sind die Verpflichtungen der in § 2 Abs. 1 bezeichneten Wohnungsunternehmen und privaten Vermieter aus Krediten für Wohnungen, deren höchstzulässiger Mietzins sich aus § 11 Abs. 2 und 3 des Miethöhegesetzes ergibt und bei denen die Kredite:

(1) bis zum 30. Juni 1990 auf Grund von Rechtsvorschriften der Deutschen Demokratischen Republik für Wohnzwecke im Rahmen des volkseigenen und genossenschaftlichen Wohnungsbaus sowie zur Schaffung und Erhaltung oder Verbesserung von privatem Wohnraum in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet gewährt worden sind oder

(2) von Wohnungsunternehmen zur Finanzierung der vor dem 3. Oktober 1990 begonnenen Mietwohnungsbauvorhaben nach dem 30. Juni 1990 in dem in Artikel 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet aufgenommen worden sind.“

Zu den Altverbindlichkeiten gehören auch die den Wohnungsunternehmen bis zum 31. Dezember 1993 gestundeten Zinsen und Bürgschaftsgebühren.

5. Eigentumsorientierte Wohnungsgenossenschaften

Hinsichtlich ihrer Eigentums- bzw. Vermietungsorientierung gibt es zwei unterschiedliche Typen von Wohnungsgenossenschaften:

Eigentumsorientierte Wohnungsgenossenschaften dienen der Umwandlung der Wohnungen in Einzeleigentum, d.h., dass den Mitgliedern das Recht eingeräumt wird, die von ihnen genutzte Wohnung als Einzeleigentum zu kaufen, wenn die Mehrheit der Genossen im betreffenden Haus dem zustimmt. Die eigentumsorientierte Genossenschaft kann sich auf diese Weise selbst in Einzeleigentümer auflösen.

1999 bis 2000 wurden nach “Richtlinien zur Förderung eigentumsorientierter Genossenschaften in Berlin“ die Aus- und Neugründung eigentumsorientierter Wohnungsgenossenschaften in Form von zinslosen Darlehen gefördert. Weil die Genossenschaftsförderung des Landes Berlin und die Eigenheimzulage des Bundes nur bei eigentumsorientierten Genossenschaften ausgezahlt wird, haben sich viele neu gegründete Genossenschaften so organisiert. (MieterMagazin 2002)

6. Vermietungsgenossenschaften

Diese Art von Genossenschaften erwerben oder stellen Wohnraum her und überlassen diesen aufgrund eines Miet- oder Nutzungsvertrages den Mitgliedern zum Gebrauch. Mitglieder einer Genossenschaft zahlen eine Einlage und erwerben somit einen Anteil am Gemeinschaftseigentum. Er zahlt zudem ein monatliches Nutzungsentgelt, das der üblichen Miete entspricht. Als Gegenleistung für die Einlage erhält er ein lebenslanges, vererbbares Dauerwohnrecht. Bei einem Austritt wird der Genossenschaftsanteil zurückerstattet. Mitglieder können die Geschäftspolitik der Genossenschaft demokratisch mitbestimmen. Jedes Genossenschaftsmitglied hat eine Stimme in der Generalversammlung, dem höchsten Entscheidungsgremium. Geführt werden die Geschäfte vom Genossenschaftsvorstand, der von einem mehrköpfigen Aufsichtsrat kontrolliert wird. Zweck der Genossenschaft ist nicht die Erzielung von Gewinnen, sondern die Bewirtschaftung der Wohnungen beziehungsweise der Bau oder Kauf von neuen Genossenschaftswohnungen. Eventuelle Überschüsse werden anteilig an die Genossen ausgezahlt. (MieterMagazin 11/02) Vermietungsgenossenschaften sind (im Gegensatz zu eigentumsorientierten Wohnungsgenossenschaften) von der Körperschaftssteuer befreit und zudem steuerlich begünstigt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 127 Seiten

Details

Titel
Ansätze für eine urbane Kreislaufführung
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Fakultät Architektur, Umwelt und Gesellschaft)
Note
1
Autoren
Jahr
2005
Seiten
127
Katalognummer
V46538
ISBN (eBook)
9783638437097
Dateigröße
2798 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Abschlussarbeit eines einsemestrigen Hauptstudienprojektes des Studienganges Landschaftsplanung (Dipl.). Schwerpunktthemen: Abwasserproblematik und -Behandlung, Erneuerbare Energien, Nachwachsende Rohstoffe
Schlagworte
Ansätze, Kreislaufführung
Arbeit zitieren
Janine Kahra (Autor:in)Lieselotte Schachner (Autor:in)Thomas Weichert (Autor:in)Robert Sadlowski (Autor:in)Jean-Francois Bricout (Autor:in), 2005, Ansätze für eine urbane Kreislaufführung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46538

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