Key Account Management. Konzeption, Einsatzfelder und Entwicklungslinien


Diplomarbeit, 2003

95 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung: Modernes Key Account Management als Herausforderung für erfolgsorientierte Unternehmen

2. Key Account und Key Account Management: Begriffsklärung und Abgrenzung
2.1 Key Account: Der Schüsselkunde
2.2 Key Account Management: Das Schlüsselkundenmanagement

3. Die konzeptionellen Grundlagen des Key Account Management
3.1 Die Entwicklung des KAM in Praxis und Forschung
3.1.1 Die Situation des KAM in der Praxis
3.1.2 Die Situation des KAM in der Forschung
3.2 Zielsetzungen und Nutzenaspekte von KAM
3.2.1 Die Ziele des Key Account Management
3.2.2 Der Nutzen von Key Account Management
3.3 Die drei Dimensionen des Key Account Management
3.3.1 Strategische Dimension: Die langfristige Investition in Geschäftsbeziehungen
3.3.2 Funktionale Dimension: Das Leistungsmanagement für KAs
3.3.3 Organisatorische Dimension: Die Eingliederung des KAM im Unternehmen

4. Entwicklungslinien: Das KAM im Umbruch
4.1 Die KAM-Wirtschaftlichkeitsrechnung
4.2 Neue Formen der organisatorischen Zusammenarbeit im KAM
4.2.1 Multifunktionale KAM-Teams
4.2.2 Unterstützung des KAM durch das Vertriebscontrolling
4.3 SAM – Strategisches Account Management: KAM im Rahmen von CRM
4.3.1 Unterstützung des KAM durch den Einsatz von CRM-Technologien
4.3.2 Das Partnering-Modell als Ausdrucksform eines professionellen Beziehungsmanagements
4.4 Der Einsatz von E-Commerce im modernen KAM
4.4.1 Die Substitution von KAM-Verkaufsprozessen durch EC
4.4.2 Die Unterstützung von KAM-Verkaufsprozessen durch EC
4.5 Global Account Management (GAM): Das KAM der Zukunft
4.5.1 Vom KAM zum Global Account Management
4.5.2 Das Management von Global Accounts
4.5.3 Chancen und Risiken im GAM

5. Praktische Einsatzfelder für das KAM
5.1 CPFR - Ein kooperatives Geschäftsmodell zwischen Henkel und dm
5.2 Der Einsatz von E-Commerce im KAM bei Dell
5.3 Das Global Account Management bei Xerox

6. Zusammenfassung

ANHANG
Anhang 3.1.1.1: Druck auf das traditionelle Vertriebssystem
Anhang 3.1.1.2: Das Auseinanderbrechen des traditionellen Vertriebssystems
Anhang 4.3.2.1: Supply Chain Management (SCM) und Category Management (CM) im Rahmen von ECR
Anhang 4.3.2.2: Das 9-Stufen-Modell des CPFR-Geschäftsmodells
Anhang 4.3: Vom KAM zum Strategischen Account Management
Anhang 4.2.2: Die Instrumente des Vertriebs-Controllers
Anhang 4.4.1: Die Möglichkeiten der Substitution von KAM-Verkaufsprozessen durch E-Commerce

Literaturverzeichnis

Erklärung

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Unterschiedliche Definitionen des "Key Account"-Begriffs in der Literatur

Abbildung 2: Unterschiedliche Definitionen des KAM-Begriffs in der Literatur

Abbildung 3: Von der Kundennähe zu Kundengewinnen.

Abbildung 4: Vier strategische Optionen in der Zusammenarbeit mit Key Accounts

Abbildung 5: Interne und externe Aufgabenbereiche im KAM-Prozess

Abbildung 6: Beispiel für eine Key-Account-Rentabilitätsanalyse

Abbildung 7: Aufgaben multifunktioneller Arbeitsteams.

Abbildung 8: Zusammenarbeit von Key Account Manager und Controller

Abbildung 9: Stufenweise Veränderung der Beziehungen zu den Top-Kunden

Abbildung 10: Der Waren- und Informationsfluss im Kooperationsmodell ECR

Abbildung 11: Subkonzepte und Basisstrategien des ECR-Modells.

Abbildung 12: Das CPFR .

Abbildung 13: Der Workflow im CPFR Pilotprojekt zwischen Henkel und dm

Abbildung 14: Druck auf das traditionelle Vertriebssystem von Kunden und Anbieterseite

Abbildung 15: Das Auseinanderbrechen des traditionellen Vertriebssystems

Abbildung 16: Consumer Driven Supply Chain

Abbildung 17: Stufen vom Produktverkauf bis zur Problemlösung

Abbildung 18: Vertriebscontrollers Steuerrad - Die Instrumente des Vertriebscontrollers

Abbildung 19: Die Substitution von KAM-Prozessen durch EC

1. Einleitung: Modernes Key Account Management als Herausforderung für erfolgsorientierte Unternehmen

Die Idee einer gesonderten Betreuung und Bearbeitung von wichtigen Kunden in Unternehmen ist nicht neu. Im Gegenteil: Das Key Account Management schaut in Deutschland auf eine langjährige Tradition zurück. Bereits Ende der 70er Jahre gelang es Harald Kemna mit seinem Buch „Key Account Management“, das Konzept der speziellen Pflege von Schlüsselkunden in Deutschland zu thematisieren.

Vergegenwärtigt man sich, dass das Prinzip des spezifischen, auf die wichtigsten Kunden zugeschnittenen Managementsystems seit nunmehr zwei Jahrzehnten hinlänglich bekannt sein dürfte, stellt sich berechtigterweise die Frage nach Aktualität und Notwendigkeit einer Arbeit mit vorliegender Thematik. Aufgrund dessen erscheint eine Rechtfertigung des Stellenwertes der heutigen Key-Account-Thematik angebracht: Noch nie zuvor in seiner Geschichte war das Key Account Management solch gravierenden Herausforderungen ausgesetzt wie heute, zu Anfang des 21. Jahrhunderts. Sich stetig verschärfender Wettbewerb, Unternehmenskonzentrationen und die sich daraus ergebende zunehmende Komplexität der Kundenbeziehungen erfordern ein vollständiges Umlenken des unternehmerischen Denkens in qualitative und strategische Bahnen.[1] Sowohl Anbietern als auch Abnehmern ist die Bedeutung einer partnerschaftlichen, auf gegenseitigen Nutzen ausgelegte Zusammenarbeit ins Bewusstsein gerückt.[2] Das Ergebnis sind neu entwickelte Kooperationsmodelle wie ECR (Efficient Consumer Response) und CPFR (Collaborative Planning, Forecasting and Replenishment), die eine effiziente und optimierte Gestaltung der Wertschöpfungskette, ausgerichtet auf die Konsumentenwünsche, ermöglichen.[3]

Des weiteren eröffnet das mittlerweile umfangreiche Spektrum an Informations- und Internetttechnologien ungeahnte Möglichkeiten im Hinblick auf ein modernes, kundenbedürfnisorientiertes Management. Technologien des CRM (Customer Relationship Management) können zu einer vollkommen integrativen Informationssammlung, -auswertung und -bereitstellung in Bezug auf jeden speziellen Key Account genutzt werden.[4] Die anschließenden Verkaufsprozesse im Key Account Management können durch Ausgestaltungsoptionen des E-Commerce in bedeutendem Maße unterstützt, wenn nicht sogar gänzlich ersetzt werden.[5]

Ein zusätzlicher Trend, der das Key Account Management heute beeinflusst, sind neue sich herauskristallisierende Formen der Zusammenarbeit, die sowohl bereichsinterner, wie die Bildung von KAM-Teams, als auch bereichsübergreifender Natur, in Form eines Zusammenspiels von Key Account Management und Vertriebs-Controlling, sein können.[6]

An letzter Stelle schließlich soll der unaufhaltsame Marsch der Unternehmen in die Globalisierung genannt werden. Allein durch diese Entwicklung eröffnet sich jedem Unternehmen in Bezug auf seine global operierenden Schlüsselkunden eine Vielzahl von Chancen aber auch nicht zu unterschätzender Risiken, welche es gilt, mit einem geeigneten Global Account Management zu nutzen bzw. auszuräumen.[7]

Im Hinblick auf die aufgeführten vielschichtigen Herausforderungen und Entwicklungen im Key Account Management heute behält das Thema Aktualität und Spannung. Genau auf jenem sich vollziehenden Umbruch liegt auch das Hauptaugenmerk der Ausführungen in der vorliegenden Arbeit: Nach einem ersten Teil, der einen umfassenden Überblick über die allgemeine Entwicklung, Konzeption und Zielsetzung des Key Account Management liefert, schließt sich eine vergleichende, zukunftsgerichtete Betrachtung im zweiten Abschnitt an. Hier werden im Detail die gegenwärtigen sowie künftigen Entwicklungslinien des Key Account Management strukturiert dargestellt, wobei Unterschiede als auch Gemeinsamkeiten zur der bisherigen, in der Vergangenheit praktizierten Form des Schlüsselkundenmanagements aufgezeigt werden. In einem letzten Kapitel schließlich soll eine Auswahl an Praxisbeispielen dem Leser den Einsatz einiger moderner Key-Account-Management-Ansätze veranschaulichen helfen.

2. Key Account und Key Account Management: Begriffsklärung und Abgrenzung

Um eine einheitliche Interpretation der in der Arbeit verwandten Begrifflichkeiten sicherzustellen und außerdem die Grundvoraussetzungen für ein Verständnis der Thematik zu schaffen, sollen in diesem Abschnitt die tragenden Begriffe ‚Key Account’ und ‚Key Account Management’ erläutert werden. Dabei werden unterschiedliche Definitionen aus der Literatur benannt, wobei am Ende eine Festlegung auf diejenige Begriffsbestimmung vorgenommen wird, die sich am ehesten als Grundlage für ein treffendes Verständnis der Arbeit eignet.

2.1 Key Account: Der Schüsselkunde

In der Literatur finden sich vielfältige und teilweise ganz unterschiedliche Definitionen zum Begriff des Key Account. Bevor eine Tabelle zusammenfassend die unterschiedlichen Begriffsbestimmungen darstellt, soll im Vorfeld eine klare Übersetzung des Begriffs aus dem Englischen gegeben werden: „Account“ ist das englische Wort für „Konto“.[8] Da Unternehmen die Umsätze mit ihren Kunden als Konten führen, ist der Begriff „Account“ bzw. „Konto“ mit dem Begriff für den Kunden selbst gleichzusetzen. „Key“ bedeutet im Englischen Schlüssel, woraus sich die logische Übersetzung „Schlüsselkunde“ aus dem Wort „Key Account“ ergibt. Diese Bezeichnung versinnbildlicht die besondere Bedeutung des Kunden als „Schlüssel zum Unternehmungserfolg“[9].

Nachstehende Tabelle liefert einen Überblick über die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs ‚Key Account’ in der Literatur:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Unterschiedliche Definitionen des "Key Account"-Begriffs in der Literatur

Bei Betrachtung der unterschiedlichen Definitionen fällt auf, dass sich das Verständnis des Schlüsselkundenbegriffs über den Zeitraum der letzten 25 Jahre beträchtlich geändert hat. Während Kemna in seinem Werk aus dem Jahr 1979 noch eine reine Betrachtung der Konsumgüterindustrie vornimmt und dabei lediglich die Höhe des kundenspezifischen Abnahmepotenzials als entscheidendes Differenzierungskriterium für Key Accounts benennt, führen die Autoren der darauffolgenden Jahre zunehmend übergreifendere und branchenneutralere Definitionen an. Der strategische Gesichtspunkt, d.h. die langfristige Bedeutung des Key Account für das Unternehmen, rückt als Unterscheidungsmerkmal für Schlüsselkunden erst in den Definitionen der jüngsten Literatur ins Blickfeld.

Für die weitere Ausführung und das Verständnis der Arbeit möchte sich der Verfasser auf die Definition von Capon stützen:

„Wir definieren einen Key Account grundsätzlich als jede Organisation, die von strategischer Bedeutung für das Unternehmen ist.[18]

(Hervorhebung durch den Verfasser)

Auf der einen Seite besticht die Definition durch Kürze und Prägnanz, während sie auf der anderen Seite alle anderen aufgeführten Begriffsbestimmungen inhaltlich abdeckt. Denn setzt man diese Definition eines Schlüsselkunden voraus, so impliziert der Verlust eines solchen Kunden oder auch die Unfähigkeit, als Unternehmen einen solchen langfristig an sich zu binden, gleichzeitig eine erhebliche Auswirkung auf die gesamte Unternehmung. In diesem Sinne erscheint offensichtlich, dass ein Unternehmen sich den Verlust eines auf diese Weise definierten Key Accounts nicht ohne Weiteres leisten kann. Im Gegensatz zu Kemna erlaubt Capon außerdem mit seiner Begriffsbestimmung eine Definition des Key Accounts, die für jede Branche, von der Konsumgüter- über die Investitionsgüter- bis hin zur Dienstleistungsbranche, Gültigkeit besitzt. Letztendlich überzeugt die von Capon ausgewählte Definition durch die Betonung der strategischen Bedeutung, die der Kunde für ein Unternehmen haben muss, um als Key Account einen besonderen Stellenwert genießen zu dürfen. Dieser wesentliche Gesichtspunkt, nämlich die nicht nur einseitig vergangenheitsorientierte Betrachtung von Ergebnissen, sondern auch die Einbeziehung der zukünftigen Potenziale bei der Kundendifferenzierung, ist von herausragender Bedeutung und darf in keiner Key Account-Definition außer Acht gelassen werden.[19]

Für den Begriff des Key Account wird in der Literatur des öfteren die Abkürzung KA verwandt, auf die der Verfasser in seiner Arbeit ebenfalls zurückgreifen wird.

2.2 Key Account Management: Das Schlüsselkundenmanagement

Ähnlich der Begriffsbestimmung des ‚Key Account’ bietet die Literatur eine Fülle von Definitionen hinsichtlich des Begriffs ‚Key Account Management’, abgekürzt KAM:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Unterschiedliche Definitionen des KAM-Begriffs in der Literatur

Bei Durchsicht der relevanten Literatur erstaunt, welch unterschiedliche Betrachtungsmöglichkeiten sich für das KAM ergeben.[34] Entsprechend ihres individuellen Blickwinkels auf die Thematik liefern die Autoren Definitionen, die teilweise stark untereinander differieren.

Dennoch ist es möglich, die Vielfalt der Definitionen in einem strukturellen Rahmen zu ordnen und damit gleichzeitig die Diversität der Begriffsbestimmungen zu erklären. Eine genauere inhaltliche Analyse der Definitionen macht deutlich, dass der Großteil der Autoren jeweils einen bestimmten Aspekt des KAM aufgegriffen und in seine Begriffsbestimmung einfließen lassen hat. So richten beispielsweise Diller, Senn, Yip/Madsen, Gruber/Garbe/Homburg und Sidow ihre Definitionen auf die organisatorische Dimension des KAM aus, wohingegen Barrett und Belz/Zupancic KAM als Form und Ausdruck einer Unternehmensstrategie beschreiben. Weiterhin besteht die Möglichkeit, das KAM in funktionaler Hinsicht zu beleuchten, wie es von Bald, Amesberger und Küng/Schillig/Toscano vorgenommen wird. Schließlich finden sich vereinzelt auch Definitionen, welche sämtliche drei Ebenen des KAM zusammenfassen und somit ein vollständiges Bild des Gegenstandes liefern.[35] Entsprechend ganzheitlich definieren Fiesser/Fiesser, Jensen, Wicher und Zupancic den Begriff des KAM.

Der Verfasser möchte für seine nachfolgenden Ausführungen die Begriffsbestimmung Zupancics zugrundelegen:

„Key Account Management (KAM) bedeutet die systematische Auswahl, Analyse und Bearbeitung der strategisch wichtigsten Kunden eines Unternehmens.“[36]

(Hervorhebung durch den Verfasser)

Indem Zupancic in seiner Definition auf die systematische Auswahl der KAs eingeht, verweist er auf die strategische Eigenheit des KAM. Durch die Benennung der Analyse- und Bearbeitungstätigkeit als Bestandteile von KAM gibt er hingegen dessen funktionale Ebene wieder. So gelingt es ihm, in einem einzigen Satz beide Kernelemente des KAM zu verknüpfen. Auch wenn die Definition Zupancics nicht ausdrücklich das dritte Element, nämlich das KAM als Organisationsform, erwähnt, so schließt sie dieses dennoch indirekt mit ein. Das wird besonders mit Chandlers These „Structure follows strategy.“[37] deutlich: Die KAM-Organisation lässt sich als logische Konsequenz einer strategischen Ausrichtung des Unternehmens auf seine Schlüsselkunden ableiten. Eine explizite Erwähnung des organisatorischen Dimension erübrigt sich damit.

Ferner entspricht die Definition Zupancics der inhaltlichen Gewichtung der Arbeit, in der vor allem strategische und funktionale Aspekte im Mittelpunkt der Ausführungen stehen.

3. Die konzeptionellen Grundlagen des Key Account Management

3.1 Die Entwicklung des KAM in Praxis und Forschung

Nach Bestimmung der zentralen Begriffe der Arbeit im vorangegangen Kapitel soll in diesem Abschnitt die Entwicklung des KAM bis heute aufgezeigt werden. Um eine Übersichtlichkeit der Betrachtungen zu gewährleisten, wird dabei eine Unterscheidung zwischen Entwicklungen in der Praxis und Entwicklungen in der Forschung vorgenommen.

3.1.1 Die Situation des KAM in der Praxis

Verfolgt man das KAM bis zu seinen frühesten Anfängen zurück, so findet man dessen Ursprung in der Investitionsgüterindustrie.[38] Die Komplexität der Produkte sowie die Notwendigkeit zur Bereitstellung maßgeschneiderter Problemlösungen für die Kunden haben hier bereits früh ein spezielles Kundenmanagement auf Basis enger Zusammenarbeit erfordert.[39] In der Konsumgüterindustrie setzte sich das Konzept des KAM erst später durch, als der durch Konzentration, Zentralisierung der Entscheidungsprozesse und andere Faktoren eingeleiteten überlegenen Marktmacht der Handelspartner angemessen entgegengesetzt werden sollte.[40] So verweist Kemna bereits in dem ersten deutschsprachigen Buch über KAM auf die Notwendigkeit eines handelsorientierten Marketing als Ergänzung zum Consumer Marketing der Industrie.[41] Als Pionierunternehmen der Konsumgüterindustrie, die bereits zu Beginn der 70er Jahre KAM einführten, gelten die Henkel AG sowie Master Foods.[42] Deren Beispiel folgten einige Jahre später eine Reihe anderer Markenartikelindustrien.

3.1.1.1 Das traditionelle Vertriebssystem

Das Vertriebssystem, wie es lange Jahre in der Vergangenheit bestand, ist gekennzeichnet durch eine hierarchische Organisationsstruktur.[43] Zumeist wird eine regionale Ausrichtung der Verkaufsorganisation vorgenommen, in der ein nationaler Vertriebsmanager unterschiedlichen Bezirksleitern übergeordnet ist, unter deren Weisungsbefugnis wiederum eine Vielzahl von Vertretern stehen.[44] Die Gliederung der unternehmerischen Vertriebstätigkeit wird nach Regionen, Produkten, Marktsegmenten oder Absatzkanalstufen vorgenommen und unter den Gesichtspunkten von Kosten und Effektivität im Unternehmen analysiert.[45]

Viele Zulieferunternehmen, die in der Vergangenheit auf diese Methoden zur Außendienststeuerung zurückgriffen, waren durchaus erfolgreich.[46] Dennoch machen einschneidende Veränderungen im Wettbewerbsumfeld der Unternehmen ein Loslösen von gebiets-, produkt- und branchenorientiertem Denken zwingend notwendig:[47] Die zunehmende Globalisierung, die Privatisierung bisher staatlich geführter Unternehmen, der rasante technische Fortschritt sowie die wachsende Bedeutung des Shareholder Value als unternehmerischer Erfolgsindikator lassen auf Anbieterseite eine sich zunehmend verschärfende Wettbewerb ssituation entstehen. Zusätzlichen Kostendruck verursachen die im Verhältnis zum Umsatz überproportional steigenden Vertriebskosten, welche unter anderem auch aus der Betreuung unrentabler Kunden resultieren. Die Abnehmerseite ist geprägt durch starke Konzentration sprozesse, die viele Zulieferer in ein Abhängigkeitsverhältnis zu wenigen mächtigen Kunden geraten lassen. Durch die Zentralisierung von Einkaufsentscheidungen und die Substitution eines einzelnen Entscheidungsträgers im Einkauf durch multifunktionale und hochqualifizierte Buying-Center -Teams wird der gesamte Beschaffungsprozess beim Kunden vereinheitlicht und professionalisiert. Letztendlich neigen große Kunden vermehrt dazu, für den Aufbau langfristiger und intensiver Beziehungen die Zahl ihrer Zulieferer nach strengen Kriterien auf einige wenige zu reduzieren.

3.1.1.2 Das KAM als modernes Vertriebssystem

Die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Faktoren der Anbieter- und Kundendynamik führen ein Auseinanderbrechen der althergebrachten Vertriebsstrukturen herbei.[48] Ergebnis dieses Veränderungsprozesses ist die Entstehung einer neuen Form des Vertriebssystems: Das KAM als ein „Spiegelbild einer teilweise gravierenden Veränderung der Markt- und Machtstrukturen“[49]. Den Strukturveränderungen auf Kundenseite muss mit einer entsprechenden Anpassung auf organisatorischer Ebene des Zulieferers begegnet werden.[50] Dies gelingt lediglich durch ein Ablösen der traditionell nach regionalen Kriterien ausgerichteten Vertriebsorganisation, welche sich bei fortschreitender Entscheidungszentralisierung des Handels als unzeitgemäß sowie wenig wettbewerbstauglich erweist.[51] Darüber hinaus erkennen immer mehr Unternehmen die herausragende strategische Bedeutung einer kleinen Gruppe von Kunden, die dem Unternehmen sowohl zum gegenwärtigen Zeitpunkt als auch in Zukunft einen enormen Teil seiner Umsätze und Gewinne einbringt.[52] Logische Konsequenz dieses neu entstandenen Bewusstseins ist die Einrichtung einer differenzierten Kundenbearbeitung:[53] Kunden, die für das Unternehmen langfristig einen hohen Vermögenswert darstellen, erfahren durch das Management eine besonders aufmerksame, ihrem Stellenwert angemessene Betreuung. Statt einer gleichmäßigen Aufteilung der Mittel und Aufwendungen im Unternehmen auf alle Kunden, gilt es, eine Zuteilung auf die Kunden entsprechend ihrer Wertigkeit vorzunehmen, um eine Optimierung des Einsatzes der knappen Ressourcen zu gewährleisten.[54] In der Realität zeigt sich jedoch in vielen Unternehmen ein völlig anderes Bild: Obwohl lediglich 35% der Kunden rentabel sind, fallen 50% - 60% des Marketingbudgets der Gruppe Kunden zu, die unrentabel ist bzw. langfristig negative Deckungsbeiträge liefert.[55]

3.1.2 Die Situation des KAM in der Forschung

Die ersten Forschungsarbeiten zum Thema KAM stammen aus den USA, wo das Schlüsselkundenkonzept seinen Ursprung im ‚Industrial Marketing’, dem US-amerikanischen Industriegütermarketing, hat.[56] Bereits in den fünfziger Jahren entstand der Begriff „National Account Management“, der mittlerweile jedoch aufgrund der umgreifenden Internationalisierungstendenzen großer Kunden vermehrt durch den Begriff des KAM ersetzt wird.[57] Erst fünfzehn Jahre später fand das KAM Erwähnung in der europäischen und deutschsprachigen Literatur.[58] Dabei standen im Mittelpunkt der Betrachtungen überwiegend Anwendungsfelder des KAM im Konsumgüterbereich, was auf dessen ausgeprägte dynamische Entwicklung während der 70er Jahre zurückzuführen ist.[59] Anfang der neunziger Jahre schließlich findet die KAM-Thematik auch Eingang in die deutschsprachige Literatur für Investitionsgütermarketing. Dennoch gibt es bis heute nur eine vergleichsweise geringe Anzahl von Untersuchungen zum KAM im Investitionsgüterbereich.

Bei Durchsicht der relevanten Literatur fällt die Vielschichtigkeit der KAM-Thematik ins Auge: Jeder Autor setzt unterschiedliche thematische Schwerpunkte, die sich in Aktivitäten des KAM, Akteure des KAM und interne Zusammenarbeit des KAM mit anderen Unternehmensbereichen zusammenfassen lassen.[60] Eine integrative und umfassende Betrachtung des Themas findet selten statt.

Obwohl in der aktuellen Literatur bereits häufiger der auf strategische Partnerschaft ausgerichtete Aspekt des KAM thematisiert wird, besteht der Bedarf nach einer eingehenderen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit diesem Thema: „There is very little research on the management of salespeople in a partnering role.“[61]

3.2 Zielsetzungen und Nutzenaspekte von KAM

3.2.1 Die Ziele des Key Account Management

Die Zielsetzung des KAM lässt sich aus den Gründen für seine Entstehung ableiten.[62] Sämtliche Unterziele können in drei strategische Oberziele zusammengefasst werden, die für das Management von KAs wegweisend sind:[63]

- Kundennähe und Kundenbindung

Auf Grundlage einer kundennahen Unternehmensphilosophie sollen frühzeitig individuelle Bedürfnisse des Kunden erfasst und durch maßgeschneiderte Problemlösungspakete befriedigt werden. Mit diesem speziell auf das Kundenunternehmen zugeschnittenen Leistungsangebot gelingt es, gezielt Geschäftsprozesse des KAs zu verbessern und diesen in seiner Zielerreichung zu unterstützen.[64] Die Folge ist eine erhöhte Kundenzufriedenheit auf Seiten des Abnehmers und eine damit einhergehende Stabilisierung der Geschäftsbeziehung. Dies wiederum führt auf lange Sicht zur Entwicklung einer soliden Vertrauensbasis, welche die Grundlage für eine langfristige Kundenbindung und einen letztendlich höheren Kundengewinn bildet.[65] Folgende Abbildung soll die Zusammenhänge noch einmal verdeutlichen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Von der Kundennähe zu Kundengewinnen in Anlehnung an Quelle: Senn/Belz 1994, S. 46

- Erschließung von Synergien

Durch die enge Abstimmung der Wertschöpfungsaktivitäten auf Abnehmer- und Zuliefererseite werden einzigartige Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz geschaffen: Gemeinsame Entwicklungsprojekte können helfen, auf beiden Seiten die Produktqualität zu erhöhen und Kosten einzusparen.[66] Weiterhin ermöglichen vertikale Kooperationen eine effizientere Gestaltung der Marketingaktivitäten beim Endkunden. In erster Linie ist es wichtig, sich bestehender Synergien zwischen dem eigenen Unternehmen und dem KA bewusst zu machen, um jene dann in einem zweiten Schritt zu einer Win-Win-Beziehung, einer für beide Partner vorteilhaften Verbindung, auszubauen.[67]

- Senkung der Transaktionskosten

Im KAM werden sämtliche Aktivitäten mit einem KA gebündelt und kanalisiert.[68] Auf diese Weise wird die innerbetriebliche Koordination erheblich verbessert und gleichzeitig im Unternehmen eine größere Transparenz über den Stand der Beziehung zum Schlüsselkunden geschaffen.[69] Kostenintensive Parallelbesuche bei Kunden, aufwendige Informationsrecherchen, sowie hohe Logistikkosten lassen sich damit häufig vermeiden bzw. reduzieren und sind nur einige der möglichen Ansatzpunkte für Transaktionskostensenkungspotenziale im Rahmen des KAM.[70]

3.2.2 Der Nutzen von Key Account Management

Der Nutzen von KAM-Programmen ist vielfältig und mit Vorteilen sowohl für den Zulieferer als auch für den KA verbunden[71]:

- Vorteile für den Zulieferer

Der intensivierte Informationsaustausch zwischen Zulieferer und KA führt zu einer grundlegenden Verbesserung des Verständnisses für die Ziele und Bedürfnisse des Schlüsselkunden.[72] Dieses wiederum kann optimal in der Erarbeitung individuell zugeschnittener Leistungsangebote eingesetzt werden. Ferner wird durch die enge Verknüpfung von Aktivitäten und Kontakten zwischen den einzelnen Mitarbeitern beider Unternehmen eine Bindung geschaffen, die nur schwer von der Konkurrenz durchbrochen werden kann:[73] Die Wechselkosten des KA steigen mit der Intensität der Verzahnung beider Wertschöpfungsketten. Die Devise „one voice to the customer” ermöglicht ein einheitliches und geschlossenes Auftreten des Unternehmens gegenüber seinem KA.[74] Die Abwicklung von Interaktionen vollzieht sich dadurch schneller und effizienter. Letztendlich hat KAM auch einen positiven Effekt auf die Gesamtorganisation des Unternehmens: „Another benefit is the impact on business planning. Salespeople at major accounts are often the first in the organization to recognize emerging marketing problems and opportunities.”[75] In Summe können durch den Zulieferer beträchtliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen durch ein größeres Geschäftsvolumen auf Basis langjähriger Verträge, eine nachfrageorientierte Produktion sowie eine sinnvolle Rationalisierung von Beschaffung und Lieferung realisiert werden.[76]

- Vorteile für den Key Account

Eine verbesserte Kommunikation, eine Beschleunigung der Entscheidungsprozesse und somit eine Erleichterung der gesamten Geschäftsabläufe beim KA ist durch die Zuordnung eines einzelnen verantwortlichen Ansprechpartners, des KA-Managers, gewährleistet.[77] Durch die enge Beziehung zwischen Zulieferer und KA können sowohl niedrigere Kosten bei der Produktbeschaffung als auch eine allgemeine Wertsteigerung im Unternehmen durch fruchtbare Synergieeffekte realisiert werden. Auf lange Frist ausgelegte Beziehungen beinhalten eine gegenseitige Einflussnahme auf die Geschäftsprozesse des Partners, wodurch in Zusammenarbeit eine beiderseitige Verbesserung der Marktposition erreicht werden kann.[78] Letztendlich profitiert der KA auch indirekt aus einem professionellen KAM, zum Beispiel durch die Inanspruchnahme unterschiedlichster Supportleistungen durch den Zulieferer (Unterstützung beim Webauftritt, kostenlose Weiterbildungsseminare etc.). Entscheidend ist es, den KAs die konkreten positiven Auswirkungen des Programms deutlich zu vermitteln, um einer eigenständigen Entwicklung deren Erwartungshaltung vorzubeugen.[79]

3.3 Die drei Dimensionen des Key Account Management

Obwohl Jensen und Belz/Müllner/Zupancic in ihrer Arbeit geringe Abweichungen vornehmen bzw. die Dimensionen modifizieren, unterscheidet doch der überwiegende Teil der Autoren drei unterschiedliche Anspruchsebenen des KAM:[80] Die strategische, die funktionale und die organisatorische Dimension.

3.3.1 Strategische Dimension: Die langfristige Investition in Geschäftsbeziehungen

Die strategische Ebene beinhaltet die allgemeine Entscheidung des Unternehmens für eine Ausrichtung auf seine wichtigsten Kunden in allen Funktionsbereichen.[81] Sie kann daher auch als Konzept des vertikalen Marketing schlechthin verstanden werden. Im Vordergrund stehen hier die Festlegung von Art und Ausprägung des KAM sowie die Auswahl einer strategischen Option, auf Grundlage dessen die Zusammenarbeit mit den KAs gestaltet werden soll. Abhängig vom Integrations- und Synergiepotential des Anbieters auf der einen Seite und des KA auf der anderen Seite lassen sich grundsätzlich vier unterschiedliche Methoden der Zusammenarbeit mit Schlüsselkunden unterscheiden:[82]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Vier strategische Optionen in der Zusammenarbeit mit Key Accounts Quelle: Senn 1996, S. 47

In Feld I ist eine geringe Integration von Anbieter und KA gegeben. Im Vordergrund stehen hier Einzeloptimierungen und damit zusammenhängend Vereinbarungen kurz- oder mittelfristiger Natur.[83] Frühwarnung ist hier der Nutzen, den der Zulieferer aus seiner Beziehung zum KA schöpft:[84] Dieser fungiert als „Antenne im Markt“[85], über welche Trends und neue Geschäftschancen bzw. -risiken frühzeitig aufgespürt werden können. Ebenso erhält das Unternehmen in dieser Form von Beziehung wichtige Hinweise auf Bestrebungen zu mehr Integration bei ausgewählten Kunden.

In Feld II bestehen interne Synergiepotentiale.[86] Das Zulieferunternehmen strebt eine Ausweitung des Geschäftsvolumens mit seinen KAs an, indem es sein Leistungsangebot geschäftsbereichsübergreifend steuert und auf diese Weise ein Cross Selling erreicht. Wichtig ist hier die Funktion des KAM als eine Art „Informationsdrehscheibe“[87], die einen raschen Zugriff auf entscheidungsrelevante Kundendaten durch alle Unternehmenseinheiten sicherstellt.

Die in Feld III dargestellte Beziehung der Partnerschaft basiert auf der Erkenntnis des KA, dass eine einheitliche Koordination sämtlicher Beschaffungsaktivitäten und eine Inanspruchnahme der Kernkompetenzen des Zulieferers in hohem Maße gewinnbringend ist.[88] Im Rahmen einer langfristig ausgelegten vertikalen Gemeinschaft werden gegenseitige Leistungen vereinbart, wobei der Anbieter durch seine problemgerechte Unterstützung einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg seines Kunden leistet.

Feld IV schließlich beschreibt eine Beziehung, in der beide Partner die Vorteile einer engen gemeinschaftlichen Zusammenarbeit erkennen und sich deshalb zu einer Strategischen Allianz zusammenschließen. Ziel ist der Aufbau von beiderseitigen Wettbewerbsvorteilen. Sehr treffend legt Demling sein Verständnis einer solchen Beziehung dar: „Unter Allianz verstehen wir die auf Vertrauen aufgebaute Zusammenarbeit mit den Kunden, in der gemeinsam zukunftsorientierte Problemlösungen entwickelt werden und in der beide Partner (...) wichtige Produktivitätssteigerungen realisieren, und zwar durch (…) beste Kenntnisse der gegenseitigen Stärken und Schwächen.“[89]

Ein weiterer wichtiger Punkt, der im Rahmen der strategischen Überlegungen nicht außer Acht gelassen werden sollte, sind die für tragfähige Beziehungen mit KAs notwendigen Voraussetzungen:

- Konzentration der Kräfte auf Schlüsselkunden

Der Erfolg eines Unternehmens hängt häufig davon ab, wie gut es ihm - ohne die jeweiligen Risiken zu vernachlässigen - gelingt, seine begrenzten Ressourcen auf den Teil der Kunden auszurichten, der über eine herausragende strategische Bedeutung für die Unternehmung verfügt.[90] Dabei gilt es, die gesamte Kundenbasis sowohl nach quantitativen (Kundendeckungsbeitrag, Profitabilität des Kunden u.a.) als auch nach qualitativen Kriterien (Wirkung als Referenzkunde einer Branche, Kooperationsbereitschaft u.a.) zu analysieren.[91] Wichtig ist, dass in die Analyse nicht nur Vergangenheitsdaten des Kunden einfließen, sondern auch zukünftige Potentiale eine angemessene Berücksichtigung finden.[92] Optimalerweise greift man bei der Kundenanalyse auf ein Scoringmodell zurück, welche eine Bewertung jedes Kunden nach vielfältigen Kriterien ermöglicht und gleichzeitig eine unterschiedliche Gewichtung derer zulässt. Ergebnis ist eine Art Kunden-Ranking, aus welchem klar hervorgeht, welche Kunden durch ihre Bedeutung eine priorisierte Bearbeitung erfordern sowie welche Kunden dagegen nur ein geringes Entwicklungspotenzial aufweisen. Aufgrund des raschen und stetigen Wandels des Marktes dürfen die gewonnen Ergebnisse jedoch niemals als dauerhaft angesehen werden, sondern sind vielmehr kontinuierlich in Frage zu stellen und regelmäßig zu aktualisieren.[93]

- Bereitschaft der Kunden zur Zusammenarbeit

Ein noch so ausgefeiltes KAM-Konzept nutzt wenig, wenn dem KA die Bereitschaft bzw. Überzeugung zu einer Zusammenarbeit fehlt.[94] Entsprechend ist auch der Aufwand, den das Unternehmen bei seiner Kundenbearbeitung betreibt, an der Integrationsbereitschaft des einzelnen Kunden festzumachen.[95] Das Resultat sind die weiter oben in diesem Kapitel beschriebenen unterschiedlichen Strategieoptionen, auf die das Unternehmen bei seinem differenzierten Beziehungsmanagement zurückgreifen kann.

- Engagement des Top-Management

Eine weitere entscheidende Bedingung für ein erfolgreiches KAM ist das Engagement und die uneingeschränkte Unterstützung des KAM-Ansatzes durch die oberste Unternehmensführung.[96] Durch eine angemessene Beteiligung des Top-Management am KAM wird einerseits die Bedeutung, welche die Schlüsselkundenbetreuung im Unternehmen innehat, nach außen signalisiert, andererseits ergeben sich positive und fördernde Effekte innerhalb der unternehmensinternen KAM-Organsiation:[97] „Top management sponsorship and involvement is the most critical indicator of success. They must be willing to commit the resources required in the form of administrative personnel and equipment necessary to orchestrate the program.”[98]

3.3.2 Funktionale Dimension: Das Leistungsmanagement für KAs

Die funktionale Ebene bildet das gesamte Aufgabenspektrum des KAM ab, welches für eine angemessene Betreuung des KA innerhalb des strategisch festgelegten Rahmens notwendig ist.[99] Die vielfältigen Aufgaben lassen sich entsprechend ihrer Abfolge und gemäß ihrer Ausrichtung (interne oder externe Aufgaben) strukturieren.[100] Dabei ergeben sich, ähnlich der Prozessbereiche im klassischen Management,[101] folgende Ablaufphasen:[102]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Interne und externe Aufgabenbereiche im KAM-Prozess in Anlehnung an Quelle: Rau 1994, S. 101

Aus dem oben dargestellten Aufgabenspektrum des KAM lassen sich jeweils zwei Tätigkeiten zu einem Aufgabenpaar zusammenfassen. So entstehen vier wesentliche Leistungsbereiche:[103]

1. Analyse und Information

Um dem KA maßgeschneiderte Problemlösungen entsprechend seiner vorhandenen Bedürfnisse anbieten zu können, ist es unabdingbar, im Vorfeld umfassend Informationen über Unternehmensziele, Geschäftsgrundsätze, Entscheidungsstrukturen, Markt und Wettbewerbssituation des Kunden einzuholen.[104] Des weiteren ist für ein realistisches Abbild der Beziehungsqualität eine in regelmäßigen Abständen durchgeführte Kundenzufriedenheitsmessung notwendig.[105] Nach zweckmäßiger Aufbereitung der so gesammelten Informationen werden diese anschließend über das KAM als „Informationsdrehscheibe“ allen am Geschäftsprozess beteiligten Unternehmensbereichen zur Verfügung gestellt.[106]

2. Planung und Kontrolle

In der Planungsphase gilt es, kundenindividuelle Verkaufsförderungsaktionen, zugeschnittene Problemlösungspakete und kundenspezifische Marketingkonzepte zu erarbeiten, um eine Differenzierung der Leistung und damit den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen sicherzustellen.[107] Für eine Übersicht über die Erfolgsauswirkungen müssen die geplanten Aktivitäten beim KA regelmäßig durch Hinzuziehen quantitativer Kriterien wie Umsatz und Deckungsbeiträge oder qualitativer Kriterien wie Kundenzufriedenheits-Kennzahlen kontrolliert werden.[108] Sinnvoll ist es, die gesamten Analyseergebnisse, die daraus abgeleiteten Strategien und Maßnahmen pro KA sowie die Kontrollergebnisse in einem sog. KA-Plan zu dokumentieren.[109]

3. Verkauf und Beratung

Beratung und Verkauf sind weitere wichtige Bestandteile des KAM-Prozesses. Hierzu zählen Aktivitäten wie die Kontaktaufnahme zum KA, die Bildung von Vertrauen zu wichtigen Entscheidungsträgern im Einkauf des Kunden, die kontinuierliche Beziehungspflege, die Vereinbarung von Konditionen und letztendlich die eigentliche Durchführung der Verkaufsverhandlungen.[110] Auch die Beratungsfunktion des KAM ist nicht zu unterschätzen, denn KAs fordern vermehrt einen jederzeit verfügbaren Ansprechpartner, welcher sowohl mit ihrem Markt als auch mit ihren unternehmerischen Gegebenheiten bestens vertraut ist und ihnen seine Unterstützung bei der Lösung spezifischer Probleme anbietet.[111]

4. Koordination und Integration

Von der Umsetzung dieses Leistungsbereiches hängt der gesamte langfristige Erfolg einer KA-Beziehung ab. Einerseits müssen die einzelnen am Prozess beteiligten Unternehmensbereiche in ihren Aktivitäten so koordiniert werden, dass dem Schlüsselkunden zum richtigen Zeitpunkt die richtige Leistung in der richtigen Form bereitgestellt werden kann.[112] Auf der anderen Seite gilt es, durch Integration der Leistungskette für den Kunden (Bedürfnis – Lösung – Erfolg) ein kontinuierliches Weiterfließen derer sicherzustellen und somit niemals die Perspektive des Kunden aus den Augen zu verlieren.

3.3.3 Organisatorische Dimension: Die Eingliederung des KAM im Unternehmen

Da KAM als Organisation für die vielmehr strategisch geprägten Fragestellungen der Arbeit weniger von Bedeutung ist, wird dieser Abschnitt nur kurz und überblickartig abgehandelt.

Die organisatorische Verankerung des KAM kann entweder institutionell durch die Bündelung der Aufgaben in einer eigens dafür eingerichteten Stelle oder funktionell durch Erweiterung des Aufgabenbereiches einer bereits bestehenden Stelle um KAM-Aufgaben erfolgen.[113] Ist die Entscheidung für eine institutionelle Form der Verankerung im Unternehmen gefallen, so bieten sich grundsätzlich drei unterschiedliche Organisationsformen an:[114]

[...]


[1] Vgl. Pälike 1998, S. 3

[2] Vgl. Zupancic 2002a, S. 23

[3] Vgl. Fiesser/Fiesser 2000, S. 5

[4] Vgl. Hippner/Wilde 2002, S.6

[5] Vgl. Storp 2001, S. 185

[6] Vgl. Fiesser/Esser 1998, S.46

[7] Vgl. Lockau/Barth 1998, S. 82

[8] Vgl. hierzu und im folgenden Sidow 2002, S. 13

[9] Senn/Belz 1994, S. 1

[10] Kemna 1979, S. 25

[11] Senn/Belz 1994 S. 10

[12] Diller 1995, S. 1365

[13] Müllner 2002, S. 11

[14] Zupancic 2001, S. 6

[15] Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 50

[16] Rapp/Storbacka/Kaario 2002, S.13

[17] Capon 2003, S. 66

[18] Capon 2003, S. 66

[19] Vgl. Zupancic 2002b, S. 24

[20] Barrett 1986, S. 64

[21] Diller 1993a, S. 8

[22] Bald 1996, S. 6

[23] Senn 1996, S. 1

[24] Yip/Madsen 1996, S. 24

[25] Fiesser/Fiesser 2000, S. 2

[26] Gruner/Garbe/Homburg 1997, S. 238

[27] Jensen 2001, S. 56

[28] Amesberger 2002, S. 36

[29] Belz/Zupancic 2002c, S. 26

[30] Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 11

[31] Sidow 2002, S. 13

[32] Wicher 2002, S. 321

[33] Zupancic 2002a, S. 23

[34] Vgl. Jensen 2001, S. 56 und Sidow 2002, S. 14

[35] Vgl. Jensen 2001, S. 56

[36] Zupancic 2002a, S. 23

[37] Chandler 1962

[38] Vgl. Rieker 1993, S. 355 ff

[39] Vgl. Diller 1993b, S. 50; Storp 2001; S. 4

[40] Vgl. Kuß/Dehr 1988, S. 610 ff; Rumler 1990, S. 263; Diller/Gaitanides 1989, S. 589; Köhler/Tebbe/Uebele 1983, S. 10

[41] Vgl. Kemna 1979, S. 21 ff

[42] Vgl. im folgenden Diller 1989, S. 213

[43] Vgl. Capon 2003, S. 20

[44] Vgl. Diller 1989, S. 213; Capon 2003, S. 20

[45] Vgl. hierzu und im folgenden Capon 2003, S. 20 f

[46] Vgl. Capon 2003, S. 21

[47] Vgl. Reichwald/Bastian/Lohse 1999, S. 8

[48] Vgl. Capon 2003, S. 36

[49] Sidow 2002, S. 24 f

[50] Vgl. Fiesser/Fiesser 2000, S. 4

[51] Gaitanides/Westphal/Wiegels 1991, S. 16

[52] Rapp/Storbacka/Kaario 2002, S. 14; Capon 2003, S. 36

[53] Vgl. hierzu und im folgenden Capon 2003, S. 36

[54] Vgl. Biesel 2002, S. 22

[55] Vgl. Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 31 f

[56] Vgl. Senn 1996, S. 13 f

[57] Vgl. Jensen 2001, S. 3

[58] Vgl. Senn 1996, S. 17

[59] Vgl. hierzu und im folgenden Senn 1996, S. 11 ff

[60] Vgl. hierzu und im folgenden Jensen 2001, S. 3

[61] Weitz/Bradford 1999, S. 248

[62] Vgl. Sidow 2002, S. 43

[63] Vgl. im folgenden Diller 1993a, S. 9 f

[64] Vgl. auch Rapp/Storbacka/Kaario 2002, S. 15

[65] Vgl. auch Storp 2001, S. 40

[66] Vgl. hierzu und im folgenden Kleinaltenkamp 1997, S. 254-258

[67] Vgl. Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 26

[68] Vgl. Fiesser/Fiesser 2000, S. 5

[69] Vgl. Senn 1996, S. 39

[70] Vgl. Storp 2001, S. 41 f

[71] Vgl. Capon 2003, S. 42

[72] Vgl. hierzu und im folgenden Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 50

[73] Vgl. hierzu und im folgenden Preß 1997, S. 80

[74] Vgl. hierzu und im folgenden Belz/Zupancic 2002b, S. 23

[75] Cespedes 1993, S. 47

[76] Vgl. Capon 2003, S. 42 f

[77] Vgl. hierzu und im folgenden Capon 2003, S. 48 f

[78] Vgl. auch Bickelmann 2001, S. 46

[79] Vgl. Sidow 2002, S. 48; Capon 2003, S. 48

[80] Vgl. hierzu und im folgenden Jensen 2001, S. 57; Belz/Müllner/Zupancic 2002, S. 5; Kemna 1990, S. 30; Diller 1993a, S. 10-14; Rieker 1993, S. 358 f

[81] Vgl. hierzu und im folgenden Senn/Belz 1994, S. 13

[82] Vgl. Senn 1996, S. 46; Belz/Müllner/Zupancic 2002, S. 7

[83] Vgl. Senn 1996, S. 47; Rapp/Storbacka/Kaario 2002, S. 67

[84] Vgl. hierzu und im folgenden Senn/Belz 1994, S. 55

[85] Senn/Belz 1994, S. 55

[86] Vgl. hierzu und im folgenden Senn 1996, S. 48

[87] Senn/Belz 1994, S. 56

[88] Vgl. hierzu und im folgenden Senn 1996, S. 49-53

[89] Demling 1992, S. 59

[90] Vgl. Senn 1996, S. 42

[91] Vgl. Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 54; Biesel 2002, S. 47

[92] Vgl. hierzu und im folgenden Zupancic 2002b, S. 24

[93] Vgl. Capon 2003, S. 88

[94] Vgl. Senn/Belz 1994, S. 19

[95] Vgl. Senn 1996, S. 45 f

[96] Vgl. Belz/Senn 1995, S. 52

[97] Vgl. Jensen 2001, S. 77

[98] Napolitano 1997, S. 5

[99] Vgl. Storp 2001, S. 47

[100] Vgl. Senn/Belz 1994, S. 37

[101] Vgl. Link 1996, S. 6

[102] Rau 1994, S. 100; Ebert/Lauer 1988, S. 57; Rieker 1993, S. 364

[103] Vgl. Senn/Belz 1994, S. 37 f

[104] Vgl. Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 64

[105] Vgl. Senn 1996, S. 60

[106] Diller 1989, S. 214

[107] Vgl. hierzu und im folgenden Senn/Belz 1994, S. 39

[108] Vgl.auch Sidow 2002, S. 187-189; Rieker 1995, S. 210; Diller 1995, S. 1371

[109] Vgl. Küng/Schillig/Toscano 2002, S. 178; Capon 2003, S. 322

[110] Vgl. Bald 1996, S. 92-96; Biesel 2002, S. 273-307; Senn/Belz 1994, S. 39

[111] Vgl. hierzu und im folgenden Senn 1996, S. 61 f

[112] Vgl. auch Senn/Belz 1994, S. 40

[113] Vgl. Diller 1993a, S. 12

[114] Vgl. Diller 1995, S. 1372-1373; Rieker 1995, S. 164-176

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Key Account Management. Konzeption, Einsatzfelder und Entwicklungslinien
Hochschule
Universität Kassel
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
95
Katalognummer
V43478
ISBN (eBook)
9783638412575
ISBN (Buch)
9783638707015
Dateigröße
1320 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Account, Management, Konzeption, Einsatzfelder, Entwicklungslinien
Arbeit zitieren
Stefanie Szabo (Autor:in), 2003, Key Account Management. Konzeption, Einsatzfelder und Entwicklungslinien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43478

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