An Empire of Liberty? Eine Betrachtung des Imperialismus als Strategie US-amerikanischer Außenpolitik


Hausarbeit, 2004

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das außenpolitische Selbstverständnis der USA

3. Die Empire-Debatte seit Ende des Kalten Krieges

4. Kernelemente der Gesamtstrategie George W. Bushs
4.1 Sicherheit
4.2 Wohlfahrt
4.3 Herrschaft

5. Fazit

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis
A: Monographien und Editionen
B: Aufsätze
C: Quellen

1. Einleitung

Der Begriff des Imperialismus bezeichnet sowohl die spezielle Ausprägung des Kolonialismus, die der weltgeschichtlichen Phase von 1880-1914 ihren Namen gab, als auch eine staatlicherseits betriebene Politik der Machtausdehnung jenseits des eigenen Territoriums (Heinrich 2003: 279). Die sich darauf beziehende Theoriebildung zum Begriff des Imperialismus, für die vor allem John A. Hobson (1902), Rosa Luxemburg (1923), Karl Kautsky (1914), und Wladimir I. Lenin (1981) stehen, soll an dieser Stelle nicht näher untersucht werden. Ziel der vorliegenden Arbeit ist vielmehr eine Analyse der US-amerikanischen Außenpolitik und ihrer theoretischen Fundierung, wie sie sich aus dem Blickwinkel der Akteure und ihrem intellektuellen Umfeld darstellt. Insbesondere bei der Betrachtung der jüngeren Vergangenheit stellt sich dabei die Frage, ob angesichts sich zunehmend lauter Gehör verschaffender (Zivil-)Gesellschaften und um ihre Funktionsfähigkeit bangender Staaten (Hoffmann 2003: 173 f.) der Begriff des Imperialismus heute überhaupt noch hinreichend aussagekräftig ist.

Ausgehend von der Hypothese, dass die USA über eine lange und andauernde Tradition des Imperialismus verfügen, welche sich in ihrer Ausprägung von allen anderen bekannten Typen imperialistischer Politik unterscheidet, soll zunächst die Historie des amerikanischen Imperialismus im Kontext des außenpolitischen Selbstverständnisse der USA beleuchtet werden. Es schließt sich eine systematische Wiedergabe der Empire Debatte an, die sich in den Vereingten Staaten nach dem Ende des Kalten Krieges, also seit Beginn der 1990er Jahre, entwickelt hat. Nach diesen theoretischen Erörterungen soll die aktuelle US-Außenpolitik der ersten Administration George W. Bush (2001-2004) mit Blick auf imperialistische Ausrichtungen untersucht werden, wobei die drei klassischen politologischen Dimensionen Sicherheit, Wohlfahrt und Herrschaft den Rahmen der Analyse bilden. Die Arbeit schließt mit einem Fazit, in dem Theorie und Empirie miteinander verknüpft werden.

Vor Beginn der eigentlichen Untersuchung, muss zunächst eine Operationalisierung des für die Arbeit zentralen Begriffs des „Imperiums“ vorgenommen werden.[1] Dabei sind in der Literatur vier zentrale Merkmale ersichtlich, die ein politisches Gemeinwesen als „imperial“ qualifizieren:

(1) Ein Imperium beansprucht für sich selbst eine uneingeschränkte Handlungsfreiheit bzw. Souveränität, sowohl in der Gestaltung seiner inneren Ordnung, als auch im Umgang mit seiner Umwelt. Deutlich wurde dies etwa in der ersten neuzeitlichen Verwendung des englischen Begriffs „empire“. Der Ausspruch Heinrichs VIII: „The realm of England is an Empire“ war Ausdruck der Emanzipation seines Königreiches vom Einfluss des Papstes (Johnson 2003a).
(2) Ausgehend von der Basis des eigenen, bereits oben als souverän gekennzeichneten Staatsgebilde übt ein Imperium Kontrolle über auswärtige (Wirtschafts-)Räume aus und greift damit in die Handlungsautonomie anderer Völker ein (Heinrich 2003: 279). So entsteht auf der internationalen Ebene de facto eine hierarchische Ordnung, welche dem seit dem Westfälischen Frieden von 1648 bestehenden und durch die Charta der Vereinten Nationen (1945: Art. 2.1) bestätigten Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten zuwider läuft.[2] Für unsere Zwecke ist es zunächst unerheblich, ob sich die genannte Kontrolle über auswärtige Räume in Form formeller und direkter Herrschaftsausübung oder eher indirekt und informell vollzieht.
(3) Das dritte Kriterium, das ein Imperium erfüllen muss, bezieht sich auf die Rechtfertigung, welche für den oben dargelegten Zustand der Hierarchie und der Einflussnahme auf andere Staaten vorgebracht wird. Imperien nehmen für sich in Anspruch, Repräsentant und Verbreiter der Zivilisation schlechthin zu sein (Mill 1891). Diesen Überlegenheitsgedanken verwenden Sie, um einen qualitativen Unterschied zwischen sich und anderen politischen Einheiten zu konstruieren, wobei zusätzlich zur zivilisatorischen Argumentation unter Umständen auch religiöse Aspekte und die Behauptung des „Auserwählt-Seins“ ins Feld geführt werden.
(4) Dass der Status eines Imperiums nicht nur Vergünstigungen sondern auch Pflichten und Verantwortung für einen Staat mit sich bringt, macht das vierte und letzte der hier verwendeten Kriterien deutlich. Es besteht in der Verpflichtung, eine Reihe von internationalen öffentlichen Gütern bereit zu stellen (Boot 2003: 63). Das Konzept des „öffentlichen Gutes“ ist der Ökonomie entlehnt und beschreibt Güter, von denen gleichzeitig beliebig viele Konsumenten profitieren können, ohne dass das betreffende Gut dadurch abgenutzt, verbraucht oder sonstwie gemindert wird. Es besteht folglich keine Rivalität im Konsum. Desweiteren sind öffentliche Güter dadurch gekennzeichnet, dass niemand von ihrem Konsum ausgeschlossen werden kann, wenn sie einmal bereitgestellt wurden. Wenn beide Eigenschaften zusammentreffen, bewirkt dies eine Fehlfunktion des Preisbildungsmechanismus am Markt, da ein potentieller Produzent in der Regel nicht auf zahlungsbereite Nachfrager trifft (Mankiw 2001: 246 f.). Wer würde schließlich für ein Gut zahlen, das er ebensogut kostenlos „mitnutzen“ kann, wenn andere es bereitstellen? Ein Ausweg aus dieser Situation kann die Übernahme der Verantwortung für die Bereitstellung von Gütern wie Sicherheit oder eines internationalen Ordnungsrahmen durch einen Hegemon[3] bzw. ein Imperium sein. Dieser kann sich anschließend um eine (zwangsweise) Umlage seiner Kosten auf die untergeordneten Staaten bemühen, so dass er in der Regel nicht vollständig für diese Kosten aufkommen muss.

Sofern alle vier genannten Kriterien erfüllt sind, wird im Rahmen diese Arbeit vom Vorhandensein eines Imperiums gesprochen. Ob dies im Falle der Vereinigten Staaten in der Vergangenheit zutraf bzw. heute zutrifft, soll im Folgenden untersucht werden.

2. Das außenpolitische Selbstverständnis der USA

Bevor die aktuelle Empire-Diskussion in den Vereinigten Staaten von Amerika nachgezeichnet und analysiert werden kann, empfiehlt es sich, die historische Dimension des amerikanischen Imperialismus zu betrachten. Dies ermöglicht es, die Besonderheiten der heutigen Debatte klarer zu erkennen und die jüngsten Entwicklungen in der US-Außenpolitik in den Kontext der historischen Ereignisse einzuordnen. Dem dient der sich anschließende Blick auf das außenpolitische Selbstverständnis der USA.

Die Rolle, in welcher Amerika sich selbst im internationalen System sieht, ist tief verwurzelt in der Zeit und in den Umständen seiner Staatsgründung. Zu dem Zeitpunkt, als die 13 britischen Kolonien an der Ostküste Nordamerikas ihre Unabhängkeit von der englischen Krone erklärten (4. Juli 1776), befanden sie sich bereits in Krieg mit dem Britischen Empire. Gesichert war die Unabhängigkeit erst sieben Jahre später, als die Kampfhandlungen mit französischer Unterstützung beendet und der Versailler Friedensvertrag mit England geschlossen werden konnte (Wehler 1984: 36-52). Die Vereinigten Staaten von Amerika, zu denen sich die siegreichen ehemaligen Kolonien 1788 zusammenschlossen, erlangten ihre Freiheit folglich durch die Konfrontation mit der vorherrschenden Weltmacht jener Zeit. Es ist dieser Zusammenhang, der viele Autoren von einer starken Ablehnung des Konzepts eines Imperiums im amerikanischen Volk ausgehen lässt (z.B. Bacevich 2003: Introduction). Der Begriff Empire jedoch war in Amerika zunächst alles andere als diskreditiert. So sprach der erste US-Präsident, George Washington, ganz selbstverständlich vom „rising American Empire“ und Thomas Jefferson formulierte seine Vorstellung von einem „empire of liberty“, also einem Reich der Freiheit (Johnson 2003).

Die außenpolitische Rolle, in welcher sich die USA im Laufe ihrer Geschichte sahen, oszillierte – stark vereinfacht dargestellt – zwischen einem passiven und einem aktiven Konzept. Die passive Rolle bediente sich eines Bildes, das bereits 1630 vom ersten Gouverneur von Massachussetts, John Winthrop in Anlehnung an ein Bibelzitat[4] gebraucht wurde:

For wee must Consider that wee shall be as a Citty upon a Hill, the eies of all people are uppon us. (Winthrop 1630)

Die so beschriebene „neue Welt” Amerikas nimmt hier die Funktion eines leuchtenden Vorbildes ein, an dem sich die Völker der Erde ausrichten und ihm nacheifern sollen. Dieses Bild, wie auch der Rest von Winthrops Erörterungen, enthält hingegen keine Aufforderung zur aktiven oder gar gewaltsamen Verbreitung der christlichen Tugenden, für welche Amerika stehen soll. Ganz anders stellt sich das zweite historische Rollenverständnis der USA dar. Es entwickelte sich in dem Maße, in dem Amerika seine eigene Unabhängigkeit gefestigt und seine Macht ausgebaut hatte. Ihm zufolge sei Amerika als „crusader state“ (dt. Kreuzfahrerstaat) zu verstehen, der seine Ideale von Freiheit und Demokratie hinaus in der Welt tragen müsse (Chace 2003: 121). Aus den beiden genannten Grundströmungen entwickelte sich im Laufe der Zeit ein differenzierteres Tableau von vier außenpolitischen Selbstbildern Amerikas, von denen jedes mit dem Namen einer bedeutenden Figur der amerikanischen Geschichte verknüft werden kann. Das im Folgenden kurz vorgestellte Raster wurde von Walter Russell Mead (2002) aufgestellt. Er assoziiert die passive „Leuchtturm“-Position in ihrer Reinform mit der Person Präsident Thomas Jeffersons, der das höchste Ziel in der Bewahrung der Freiheit im eigenen Land sah und verstrickende Allianzen mit und Bindungen an fremde (europäische) Mächte wann immer möglich vermeiden wollte (Ebda: 309). Die offensive Verbreitung der Werte Amerikas, welche der aktiven crusader -Position entspricht, wird auf den Präsidenten Woodrow Wilson (1913-21) zurückgeführt, während in der Person des unter George Washington dienenden Finanzministers Alexander Hamilton eine Verknüpfung der Förderung wirtschaftlicher Interessen bei gleichzeitiger Wahrung der nationalen Handlungsfähigkeit gesehen wird. Die vierte, oft übersehene Richtung wird schließlich von Präsident Andrew Jackson (1829-37) repräsentiert, dessen Konzept eine klare Konzentration auf die physische Sicherheit Amerikas vorsah. Dies bedeutete, dass Amerika nicht „nach Streit suchen“ sollten, jede Herausforderung bzw. Angriff jedoch mit größter Entschlossenheit zurückschlagen sollten. Die Position Jacksons kann insofern als eine Art Krisenmodus betrachtet werden, mit dessen Hilfe in Zeiten großer Gefahr grundlegende Änderungen in der amerikanischen Außenpolitik durchgesetzt werden können.

Die vier vorgestellten außenpolitschen Schulen bilden nach Mead noch heute gewissermaßen die Ecken eines Vierecks, dessen Form je nach der aktuellen Stärke jeder Position variiere. Mit den einleitend aufgestellten Kriterien zur Charakterisierung eines Imperiums harmonieren nur zwei der soeben dargelegten Denkschulen: Wilsonianer betonen eine auf moralischer Überlegenheit beruhende Sendungsidee und rechtfertigen damit eine extraterritoriale Herrschaftsausübung, während Hamiltonianer mit Blick auf die eigenen nationalen (Handels-) Interessen eine internationalistische US-Außenpolitik einfordern. Beide Ansätze lassen sich in der weltpolitischen Epoche des klassischen Imperialismus in den Außenbeziehungen Amerikas wiederfinden, zumal Präsident Wilsons Amtszeit mit dem Ersten Weltkrieg auch dessen Endphase umfasst. Jedoch lassen sich schon zuvor und vor allem unter der Präsidentschaft Theodore Roosevelts (1901-1909) Elemente einer imperialistischen Außenpolitik feststellen. Hierzu gehörte etwa die bereits 1898 erfolgte Annexion der Philippinen sowie der von Roosevelt formulierte Haltung einer konditionierten Souveränität für die Staaten Lateinamerikas. Er bestand darauf:

[T]hat the right of such independence can not be separated from the responsibility of making good use of it. (Theodore Roosevelt, zitiert bei Daalder/Lindsay 2003: 5)

Auch das Element der moralischen Sendung lässt sich in dieser Phase aufspüren, wobei die vermutlich eindringlichste Formulierung hier von Woodrow Wilson stammt:

Wenn Männer zu den Waffen greifen, um anderen Menschen zu befreien, dann besitzt der Krieg einen geweihten und geheiligten Charakter. Ich werde solange nicht ‚Frieden’ rufen, wie es Sünde und Ungerechtigkeit auf der Welt gibt. (Woodrow Wilson, zitiert bei: Williams 1979: 423)

Nach diesem kurzen Exkurs zum außenpolitischen Selbstverständnis der USA und der geschichtlichen Dimension des amerikanischen Imperialismus schließt sich die Darstellung der jüngsten Empire-Debatte an, die sich vor allem im Verlauf der 1990er Jahre entsponnen hat.

[...]


[1] Der lateinisch-stämmige Begriff „Imperium“ wird im Folgenden synonym mit dem englischen Ausdruck „empire“ verwendet.

[2] Sollte es jemals gelingen, ein solches hierarchisches Prinzip auf globaler Ebene zu errichten, wäre damit auch der Neorealismus nach Kenneth N. Waltz (1979) als einflussreichste Theorie der politologischen Teildisziplin „Internationale Beziehungen“ obsolet geworden, denn eine ihrer wesentlichen Grundannahmen ist die Existenz einer anarchischen Struktur des internationalen Systems.

[3] Das Konzept der „Hegemonie“ ist v.a. durch die Anerkennung der Vorherrschaft eines übermächtigen Staates durch die ihm untergeordneten politischen Einheiten gekennzeichnet.

[4] Die Aussage, auf die Winthrop sich bezieht, stammt aus der Bergpredigt Jesu und lautet: „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen. (Matthäus 5, 14-16)

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
An Empire of Liberty? Eine Betrachtung des Imperialismus als Strategie US-amerikanischer Außenpolitik
Hochschule
Universität Trier  (FB III - Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Imperialismustheorie
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
26
Katalognummer
V41740
ISBN (eBook)
9783638399456
ISBN (Buch)
9783638656245
Dateigröße
650 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Empire, Liberty, Eine, Betrachtung, Imperialismus, Strategie, US-amerikanischer, Außenpolitik, Imperialismustheorie
Arbeit zitieren
René Fritsch (Autor:in), 2004, An Empire of Liberty? Eine Betrachtung des Imperialismus als Strategie US-amerikanischer Außenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/41740

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