Okkultismus und Spiritismus in Gustav Meyrinks "Der Golem"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Einleitung

2. Biografisches zu Gustav Meyrink

3. Der Golem
3.1 Die Kabbalistische Heilslehre
3.1.1 Der Baum der Sefirot
3.1.2 Personenkonstellationen im Roman
3.1.3 Seelenwanderung
3.2 Die Symbolik der Tarock-Karten
3.3 Das Doppelgänger-Motiv

4. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

<<Der Golem>> ist Gustav Meyrinks erster Roman. In der Biografie von Frans Smit aus dem Jahr 1988 wird deutlich, wie sehr Meyrinks Erfahrungen und Interessen diesen Roman geprägt haben und wie lange er für dessen Fertigstellung benötigt hat.[1]

Verschiedene Einflüsse aus dem okkulten und spirituellen Bereich spiegeln sich in der Handlung wieder. Als Einstieg sollen deshalb zunächst einige biografische Fakten über Meyrink zusammengetragen werden, bevor die okkulten und spirituellen Einflüsse, die alle auf umfangreiche persönliche Erfahrungen und Auseinandersetzungen Meyrinks mit diesem Bereich basieren, genauer betrachtet werden sollen. Eine erschöpfende Betrachtung der einzelnen Themen, wie z.B. der Kabbalistischen Heilslehre, ist hierbei natürlich auf Grund des Umfangs der Arbeit nicht zu leisten. Vielmehr soll das Zusammenspiel unterschiedlicher esoterischer Elemente untersucht werden.

Bei der Auswahl der okkulten Elemente, die untersucht werden sollen, habe ich mich für diejenigen entschieden, die sich durch den gesamten Roman ziehen: Die Seelenwanderung der Kabbalistischen Heilslehre, die Symbolik der Tarock-Karten sowie das Doppelgängermotiv. Es soll gezeigt werden, wie Meyrink diese Elemente miteinander verknüpft hat und wie sie den gesamten Rahmen und Inhalt des Romans prägen.

Von großer Bedeutung sind auch die verschiedenen Personengruppen im Roman, denen daher auch besonderes Augenmerk gelten soll.

2. Biographisches

Gustav Meyrink wurde am 19. Januar 1868 in Wien als Gustav Meyer geboren. Erst sehr viel später änderte er seinen Nachnamen in Meyrink, den Namen der Vorfahren seiner Mutter. Diese Namensänderung war zum einen „der Ausdruck und die Besiegelung einer ungewöhnlich dramatischen Veränderung“[2] sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht, zum anderen erschien ihm der Name auch „exklusiver“[3].

Frans Smit beschreibt Meyrink in seiner Biografie als einen exaltierten, provokanten, aber auch sehr sensiblen Menschen. Etliche Ereignisse im Leben des Autors spiegeln diese Attribute wieder. So galt er in Prag, wo er lange Zeit lebte, als „Bürgerschreck“[4] und „soignierter Bohemien“[5], weil er sich „auf jede mögliche Weise gegen alles und jeden abzusetzen versuchte“[6]. Als logische Konsequenz erscheint da auch seine bereits erwähnte Namensänderung.

Doch auch seine sensible Seite äußerte sich. Seine beruflichen Rückschläge im geschäftlichen Bereich, die auch eine, wenn auch im Nachhinein nicht haltbare, Anklage wegen Betruges mit sich brachten, und auch eine unglückliche, weil unerwiderte Liebe mögen zu seinem Selbstmordversuch im Jahre 1891 geführt haben.

An gesellschaftliche Konventionen fühlte sich Meyrink nicht sonderlich gebunden. Sein gesteigertes Interesse galt dem Okkulten und Spirituellen, das ihn in all seinen Formen stark beschäftigte. Angefangen bei Yoga bis hin zu Experimenten mit verschiedenen Drogen wie Haschisch und Opium versuchte Meyrink stets, seinen Bewusstseinshorizont zu erweitern. Seine Experimente hielt er in verschiedenen Aufzeichnungen fest.

Smit stellt in diesem Zusammenhang klar, dass Meyrink „niemals von Voreingenommenheit und okkulter Geheimnistuerei ausging“[7], sondern stets empirisch vorging. Alles musste demnach ausprobiert werden, erst danach „tastete er das Erlebte gedanklich ab“[8]. Die somit gewonnenen Erkenntnisse flossen in seine Schriften ein und bildeten, besonders in seinen Romanen, einen großen Schwerpunkt der Handlung.

Doch auch religiöse Motive fanden Eingang in sein Werk, allem voran die kabbalistische Heilslehre des Judentums und der Buddhismus, zu dem der als Christ getaufte Meyrink 1927 konvertierte.

Sein erster Roman, <<Der Golem>> beschäftigte Meyrink über einen langen Zeitraum. Smit beruft sich auf Quellen, nach denen Meyrink bereits 1907 mit der Arbeit an diesem Roman begann, erschienen ist er letztlich 1915.[9] Die beiden nächsten Romane <<Das grüne Gesicht>> und <<Walpurgisnacht>> folgten 1916/17, <<Der weiße Dominikaner>> 1921 und zuletzt <<Der Engel vom westlichen Fenster>> 1927.

Meyrink stirbt kurz nach dem Selbstmord seines Sohnes Harro am 4. Dezember 1932 in Starnberg.

3. Der Golem

Die Sage um den Prager Rabbi Löw, der ein Wesen aus Lehm erschuf, das durch einen Zettel im Mund mit der Aufschrift Gott ist wahr lebendig wurde, bildet nicht den Mittelpunkt von Gustav Meyrinks Roman.

Zwar spielt auch diese Legende eine gewisse Rolle, wenn der Puppenspieler Zwakh, ein Freund der Hauptfigur Athanasius Pernath, sie seinen Freunden erzählt. Die eigentliche Bedeutung des Golems in diesem Roman liegt jedoch auf einer anderen Ebene. Bella Jansen sieht in ihm den „Geist des Judentums, der immer wieder zu festgesetzten Zeiten erscheint und mit sich alles, was nicht sterben kann, für einen Augenblick aufleben lässt“[10]. Damit bezieht sie sich auf Zwakhs Erzählung der Legende im Roman. Florian F. Marzin erkennt in diesen Dingen „die verborgenen Jugenderinnerungen Pernaths, der (…) bereit ist, sich mit seinem Unterbewusstsein auseinanderzusetzen“[11].

Die Bindung des Golem an seine Umgebung ist aber bei Meyrink weniger eine „sagenhaft historische“ als vielmehr eine „atmosphärische“[12]. Er erscheint nicht einer größeren Gruppe von Menschen, sondern lediglich der Hauptfigur Athanasius Pernath, dessen geistige Entwicklung im Sinne der kabbalistischen Heilslehre, die im nächsten Abschnitt genauer untersucht werden soll, das zentrale Thema des Romans bildet. In diesem Sinne stellt er die „Verkörperung des Innenlebens eines jeden Menschen [dar], die Seele, welche als Doppelgänger erscheint, so bald der Mensch sich seiner selbst bewusst wird“[13]. Dieser Weg der Selbsterkenntnis wird auch im Roman explizit erwähnt. Der weise Shemajah Hillel erläutert Pernath den Weg, den er zu gehen hat:

Die Menschen gehen keinen Weg, weder den des Lebens noch den des Todes. Sie treiben daher wie Spreu im Sturm. Im Talmud steht: <Ehe Gott die Welt schuf, hielt er den Wesen einen Spiegel vor; darin sahen sie die geistigen Leiden das Daseins und die Wonnen, die daraus folgten. Da nahmen die einen die Leiden auf sich. Die anderen aber weigerten sich, und diese strich Gott aus dem Buche der Lebenden.> Du aber gehst einen Weg und hast ihn aus freiem Willen beschritten – wenn du es jetzt auch selbst nicht mehr weißt: du bist berufen von dir selbst. Gräm dich nicht: allmählich, wenn das Wissen kommt, kommt auch die Erinnerung. Wissen und Erinnerung sind dasselbe.[14]

Dass der Weg, den Pernath zu gehen hat, sich ihm erst im Laufe der Geschichte offenbart, er ihn aber „unbewusst, intuitiv“[15] geht, ist für Bella Jansen eine Besonderheit in Meyrinks erstem Roman, die ihn von seinen Nachfolgern unterscheidet, in denen sich dieser Weg erst erkämpft werden muss.[16]

Dieser Weg der Selbsterkenntnis und der damit verbundenen Wanderung der Seele auf eine höhere Ebene ist ein wesentlicher Bestandteil der kabbalistischen Heilslehre des Judentums.

[...]


[1] Smit, Frans: Gustav Meyrink. München/Wien 1988 (nachfolgend zitiert als

Smit)

[2] Smit, S. 62

[3] Smit, S. 62

[4] Smit, S. 23

[5] Smit, S. 22

[6] Smit, S. 19

[7] Smit, S. 51

[8] Smit, S. 51

[9] vgl. Smit, S. 110f.

[10] Jansen, Bella: Über den Okkultismus in Gustav Meyrinks Roman Der Golem. In: Neophilologus, 7. Jg. 1922, Vol. 7, S. 20 (nachfolgend zitiert als Jansen)

[11] Marzin, Florian F.: Okkultismus und Phantastik in den Romanen Gustav Meyrinks. Essen 1986, S. 48 (nachfolgend zitiert als Marzin)

[12] Mayer, Sigrid: Golem – Die literarische Rezeption eines Stoffes. Bern/Frankfurt a.M. 1975, S. 198 (nachfolgend zitiert als Mayer)

[13] Jansen, S. 20

[14] Meyrink, Gustav: Der Golem. München 1972, S. 81 (nachfolgend zitiert als Golem)

[15] Jansen, S. 23

[16] vgl. Jansen, S. 23

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Okkultismus und Spiritismus in Gustav Meyrinks "Der Golem"
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltung
Seminar: Posthumane Menschenbilder in Literatur und Film
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V40815
ISBN (eBook)
9783638392426
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Okkultismus, Spiritismus, Gustav, Meyrinks, Golem, Seminar, Posthumane, Menschenbilder, Literatur, Film
Arbeit zitieren
Michael Müllers (Autor:in), 2004, Okkultismus und Spiritismus in Gustav Meyrinks "Der Golem", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40815

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