Lernen im Zoo mit einem 2. Schuljahr


Examensarbeit, 1997

72 Seiten, Note: 2


Leseprobe


1 Inhaltsverzeichnis

2 Einleitung

3 Lernen im Projekt
3.1 Entstehung der Projektmethode
3.2 Was ist Projektunterricht?
3.3 Entstehungszusammenhang des Projektes

4 Der Zoo als außerschulischer Lernort
4.1 Begründung für Lernorte außerhalb des Klassenzimmers
4.2 Geschichtliche Entwicklung des Zoos
4.3 Der Zoo als außerschulischer Lernort
4.4 Grenzen außerschulischer Lernorte

5 Methoden zur Untersuchung der Klassensituation
5.1 Methode der Befragung: Die Lehrerin Frau Lilienthal
5.2 Methode der Gesprächsrunde: Kreisgespräch
5.3 Methode des Interviewens: Einzelinterview

6 Verlauf des „Projektes Zoo“
6.1 Klassenraumgestaltung
6.2 Anmerkungen zur Lerngruppe
6.3 Lernvoraussetzungen
6.3.1 Individuelle Lernausgangslage ausgewählter Schüler
6.4 Differenzierungsmaßnahmen
6.5 Bezug zu den Rahmenrichtlinien
6.6 Methodische Schwerpunkte
6.7 Geplanter Projektverlauf
6.7.1 Der 1. Tag: Unterrichtsziele - Verlauf - Reflexion
6.7.1.1 Elternbriefe
6.7.2 Der 2. Tag: Unterrichtsziele - Verlauf - Reflexion
6.7.3 Der 3. Tag: Unterrichtsziele - Verlauf - Reflexion
6.7.4 Der 4. Tag: Unterrichtsziele - Verlauf - Reflexion

7 Schluß
7.1 Gesamtreflexion
7.2 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

Anhang

2 Einleitung

Die Idee dieser Examensarbeit mit dem Thema „Lernen im Zoo“ entstand durch eine persönliche Erfahrung, die ich selbst im Zoo gemacht habe. Dazu muß ich noch hinzufügen, daß ich selbst aus der Stadt stamme, d.h. im Umgang mit Tieren und Pflanzen eigentlich nur wenige Erfahrungen in meiner Kindheit sammeln konnte.

Im Rahmen einer Exkursion gingen wir mit dem Fachbereich Biologie der Universität Hannover in den Zoo. Dabei wurden uns zahlreiche Gehege und die unterschiedlichsten Tiere vorgestellt. Teilweise konnten wir mit den Tieren sogar Kontakt in Form von Streicheleien aufnehmen.

Normalerweise bekommt man als Zoobesucher nicht die Möglichkeit, einmal in die Gehege selbst hineinzugehen. In dieser besonderen Situation der Exkursion durften wir in die Gehege zu den Tieren. Hier erwachte meine Neugier besonders, weil ich vorher noch nie die Möglichkeit hatte, so nah an einzelne Tiere heranzukommen. Aus dieser Perspektive hatte ich Zootiere noch nie betrachtet. Außerdem fielen mir sehr viele Einzelheiten der Tiere auf, wie z.B. die Länge eines Rüssels beim Elefanten oder das Rückenmuster der Schildkröten. Diese Dinge waren mir vorher eigentlich gar nicht so aufgefallen und, ehrlich gesagt, hatte ich auch noch gar nicht so sehr darauf geachtet.

An diesem Punkt wurde mir bewußt, wie wenig ich eigentlich über die einzelnen Tiere wußte. Auch hätte ich nicht unbedingt ein Tier mit allen Einzelheiten aus meiner Erinnerung heraus zeichnen können, weil mir die Details gefehlt hätten.

Das Thema Zoo beinhaltet aber auch einige kritische Punkte, die ich im Rahmen meiner Examensarbeit mit meiner Klasse untersuchen wollte. Dazu gehört zum Beispiel, ein Problembewußtsein für die Lebensbedingungen der Tiere zu entwickeln. Auch die artgerechte Tierhaltung ist ein Thema, wenn man sich mit dem Zoo auseinandersetzen möchte.

Ein weiterer wichtiger Punkt war für mich, das Verhältnis der Kinder zu den Tieren zu untersuchen. Einige Fragen, die sich bei mir in diesem Zusammenhang stellten, waren folgende: Wieviel Erfahrung haben Kinder in diesem Alter mit Tieren? Haben sie selbst welche zu Hause? Wie schätzen Kinder die Lebensbedingungen von Zootieren ein?

Um das Thema Zoo in der Schule zu bearbeiten, mußte ich auch einige methodische Überlegungen anstellen. Dazu gehörte die Überlegung, mit welcher Unterrichtsform ich das Thema verwirklichen wollte. Meine Kenntnis über Projekte aus dem „Allgemeinen Schulpraktikum“ wollte ich nutzen, um eigene Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln.

Aus den Vorerfahrungen und o.g. Fragestellungen heraus ergaben sich für mich einige grundsätzliche Ziele, die mich bewogen haben, dieses Thema mit meiner Studienklasse durchzuführen und in meiner Examensarbeit zu bearbeiten:

- Das Interesse der Kinder an Tieren und deren Lebensumständen soll geweckt werden.
- Durch erfahrungs- und handlungsorientiertes Lernen sollen die Schüler ihre eigenen Erfahrungen einbringen, verarbeiten und erweitern können.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in einem projekthaften Umgang mit der Thematik auseinandersetzen.
- Die Schülerinnen und Schüler sollen die Möglichkeit haben, ihr soziales Verhalten zu trainieren und zu verbessern, indem sie angehalten werden, gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten.
- Ein Zoobuch soll den Projektverlauf dokumentieren und zur Ergebnissicherung beitragen.

Allerdings hatte ich auch einige Vorbehalte, auf die ich im Rahmen dieser Arbeit achten wollte:

- Sind meine Ansprüche den Kindern gegenüber gerechtfertigt?
- Ist die Einheit zu schwer?
- Ist die Einheit zu leicht?
- Wird das Projekt „Lernen im Zoo“ den Kindern Spaß machen?
- Läßt sich ein Problembewußtsein für die Vor- und Nachteile des Zoos erzeugen?
- Läßt sich die Thematik innerhalb dieser Examensarbeit bewältigen?

3 Lernen im Projekt

3.1 Entstehung der Projektmethode

Die Anfänge der Projektmethode reichen bis ins frühe 18. Jahrhundert zurück. Damals beschäftigten sich Architekturstudenten in Paris in einem projekthaften Umgang selbständig mit größeren Bauvorhaben. Die Professoren versuchten, durch diese Methode Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Die Studenten mußten mit dieser Aufgabe ihr eigenständiges Handeln beweisen. „Von der Académie d´Architecture verbreitete sich die Idee der Projektarbeit ... Anfang des 19. Jahrhunderts in ganz Europa.“[1] Bald entwickelte sich diese Idee zum festen Bestandteil von Abschlußprüfungen, wie etwa 1854 in Zürich, wo es „im Gründungsstatut der Eidgenössischen Technischen Hochschule“ hieß: „...der Bewerber muß (Anm. d. Verf.) ein Projekt nach einem festgesetzten Programme, mit den ihm angewiesenen Hilfsmitteln und in der vorgeschriebenen Zeit befriedigend ausarbeiten.“[2]

Mitte des 19. Jahrhunderts gelangte die Projektidee in die USA. Dort wurde sie auch von den damaligen Hochschulen auf die Schulen übertragen. In dieser Zeit führte „Calvin M. Woodward von der Washington University in St. Louis die „Projektarbeit““[3] ein. Innerhalb der Manual Training School, die Woodward 1879 gründete, mußten die Schüler am Ende jedes Schuljahres ein eigenes Werkstück selbst herstellen.

Erst 20 Jahre später hielt langsam der Werkunterricht und damit auch parallel der Projektunterricht Einzug in die amerikanische Grundschule. „Von John Deweys pragmatischer Erziehungsphilosophie entwickelte Charles R. Richards... um 1900 ein Konzept, das dem Prinzip der Kindgemäßheit und „natürlichen Erziehung“ verpflichtet war.“[4]

Richards verstand diese Methode der „natürlichen Erziehung“ in der Hinsicht, daß sie „den höchsten Grad absichtsvoller Selbsttätigkeit erregt, indem sie direkt an das Leben und die Interessen des Kindes appelliert.“[5] Mit dieser Definition wurde der Ansatz von Woodward durch Richards neu erklärt. Richards stellte die Projektmethode in die Mitte des Werkunterrichts. Seine Ziele bestanden vor allem aus der „Selbstentfaltung“ und dem „sozialen Lernen.“ Damit lag die Ausgestaltung der Projekte weitgehend in der Hand der Schüler. Allerdings hielt Richards nicht sehr viel von der grenzenlosen Freiheit und von „kindbestimmtem Handeln“, wie es bei Knoll nachzulesen ist. „Selbstentfaltung bedeutet nicht, daß man den Schüler uneingeschränkt seinen Launen und Phantasien überlassen soll[Es] bedeutet auch nicht, daß der Schüler ganz allein und detailliert Plan und Ausführung entwickeln muß. Man würde zuviel von der unausgebildeten Urteilsfähigkeit kleiner Kinder erwarten.“[6] Weiter meint Richards, daß die Kinder, bevor sie sich mit Details auseinandersetzen, erst einmal ganzheitlich an eine Aufgabe herangehen. Erst dann wäre es möglich, sich einer Teilaufgabe mit ganzer Kraft zu widmen. In dieser Zeit sind Projekte, wie „Indianer“ oder „das Leben von Robinson Crusoe“[7], als bekannte Themen fächerübergreifend in amerikanischen Grundschulen behandelt worden.

In der damaligen Zeit bestanden Projekte aber meistens eher aus Gruppenarbeiten an kleinen Modellen. So wurden z.B. Tempel aus kleinen Lehmziegeln geformt und einzelne Häuser in kleinem Maßstab von den Schülern hergestellt. Die Fähigkeiten, die die Schüler dazu brauchten, erwarben sie bei dem Projekt selbst. Das bedeutet, daß die Gruppenarbeit in das Projekt integriert wurde.

„Der Lehrgang war also nicht - wie bei Woodward - dem Projekt vorgeschaltet, vielmehr war er in die Projektarbeit integriert.“[8] Im Jahre 1910 kamen erstmals auch die Lehrer akademischer Fächer in Berührung mit der Projektmethode. Diese Methode schien als „progressive Erziehung“[9] Einzug in die Pädagogik zu halten. So verglichen die Psychologen den Lernprozeß der Kinder nicht mehr mit dem Mästen von Tieren. Sie verstanden den Lernprozeß vielmehr als eine Methode, die durch eigene Erfahrung und selbständiges Handeln erworben werden mußte. Eine neue Definition zur allgemeinen Anwendbarkeit hatte sich der Teamkollege von Dewey zum Ziel gesetzt. William H. Kilpatrick entwickelte in seinem Aufsatz „The Projekt Method“ im Jahre 1918 folgende drei wichtigen Punkte:

1. Er erklärte „das Projekt zur einzig legitimen und demokratischen Unterrichtsmethode.“
2. Kilpatrick „definierte es subjektiv als herzhaftes absichtsvolles Tun“.
3. Er entwickelte „eine Projekttypologie, die alle Tätigkeiten des menschlichen Lebens umfaßte und das Nähen eines Kleides ebenso einschloß wie das Lösen mathematischer Aufgaben, das Lernen französischer Vokabeln und das Anhören einer Schallplatte.“[10]

Kilpatrick zielte damit auf die Psychologie des Kindes ab, wobei er meinte, „das Kind mußte frei entscheiden können, was es tun wollte.“[11] In dem Maße, wie ein Kind sich in seiner Freiheit für ein Produkt seiner Wahl entscheidet, würde sich auch der entsprechende Lern-erfolg einstellen, da die Motivation an dieser Stelle das Lernen beeinflußt. Ellsworth Collins beschrieb damals Kilpatricks „Typhusprojekt“, das üblicherweise zur Anschauung herangezogen wird. Bei diesem Projekt handelte es sich um eine Klassensituation, in der zwei Mitschülerinnen an Typhus erkrankt waren. Elf Schüler aus der 3. und 4. Klasse beschlossen, zusammen ein Projekt durchzuführen, in dem sie sich mit Infektionskrankheiten beschäftigen wollten. Weiterhin wollten sie sich speziell mit Typhus auseinandersetzen und das Virus in allen Einzelheiten untersuchen. Angeblich wurden die beiden Mitschüler dank der Hilfe ihrer Klassenkameraden wieder geheilt. Die Schüler arbeiteten so professionell, daß die Gemeinde, in der sie lebten, nie wieder vom Typhus heimgesucht wurde.

„Aus anderen Quellen wissen wir, daß die Erkrankung der Mädchen eine reine Erfindung und das Projekt ein sorgfältig geplanter Unterricht war.“[12]

Bei diesem Experiment plante der Lehrer die Stunde in jeder Einzelheit. Er überlegte sich vorher außerdem, welche Themen er ansprechen und welche Aktivitäten er von den Schülern durchführen lassen wollte. Damit gewährleistete er, daß die Klasse über Typhus Bescheid wußte, denn er plante selbst die Fragen, die er den Schülern stellte. „Von einem Unterricht, der „frei und selbstbestimmt“ verlief und das Projektkonzept von Kilpatrick idealtypisch verwirklichte, kann keine Rede sein.“[13]

Am Anfang der zwanziger Jahre weitete sich der Widerstand gegen Kilpatricks Definition vom Projektbegriff aus. Auch Dewey war gegen diesen Projektbegriff, und später distanzierte Kilpatrick sich sogar selbst von seinem Konzept, so daß „der weite Projektbegriff bald seine Bedeutung verlor.“[14]

Später gestand der Schüler von Dewey, Kilpatrick, ein, daß er damals „einen „Fehler“ gemacht hatte, als er ... seine Vorstellung vom kindzentrierten Unterricht mit dem Projektbegriff verband.“[15] Lediglich das „konstruktive Projekt“[16] im engeren Sinne überstand diese Zeit und ist noch heute gültig.

Der Gedanke des Projektunterrichts in der Grundschule ist leider immer noch nicht so alltäglich, wie man es sich wünschen würde. In den 70er Jahren begannen die Gesamtschulen verstärkt, alternative Unterrichtsmethoden zu praktizieren. In der Grundschule wurden vielfach standardisierte „Projektwochen aus dem Sekundarbereich übernommen“[17], wie Hänsel in ihrem Buch anschaulich beschreibt. Diese „Standardformen“ der Projektwochen wurden meistens als „Schulveranstaltungen durchgeführt“ und kreisten um ein bestimmtes Themengebiet. In ihrem Buch beschreibt Hänsel weiter, „müssen Lehrerinnen und Lehrer nicht auf bessere Bedingungen warten“, wenn sie einen Projektunterricht durchführen wollen. Anfang der 80er Jahre begann der Projektunterricht als "Projektwoche", und damit besonderes Ereignis, Einzug in die Grundschule zu halten. „Wie hoch der Preis an Kraft und Zeit ist, den sie zahlen müssen, lassen die Projektberichte nur erahnen.“[18] Dies ist wahrscheinlich auch ein Grund dafür, daß die Projektmethode sich noch nicht als Routineeinrichtung in der Grundschule etabliert hat.

3.2 Was ist Projektunterricht?

Auf die Frage: „Wie führe ich Projektunterricht durch?“ könnte man nach Hänsel eine ganz klare Auskunft geben: „Einfach ausprobieren!“. Wenn man sich aber mit Projektunterricht näher beschäftigt, wird man feststellen, daß es unterschiedliche Auffassungen dazu gibt.

Von „Planvollem Handeln aus ganzem Herzen“ und „vorausgeworfenem Wagnis“[19] ist in der Literatur die Rede. Dagmar Hänsel kommt zu der Meinung, „daß die aktuelle pädagogische Auseinandersetzung mit dem Projektunterricht in eine Sackgasse geraten ist.“[20] Diese Ansicht unterstreicht sie durch die Meinung, daß es in den letzten Jahren keine neuen wertvollen Hinweise auf eine Weiterentwicklung des Projektgedankens gegeben hat. Die Grundidee, deren Weiterentwicklung sie bezweifelt, geht von der Darstellung John Deweys aus, was Projektunterricht nun wirklich ist.

Dewey definierte das Projekt als eine Methode unter vielen. Damit ein Projekt als erzieherisch galt, mußte es seiner Meinung nach vier Kriterien erfüllen:

1. „Das Projekt muß das „Interesse“ der Schüler finden, d.h. es muß auf ihre Bedürfnisse und Erfahrungen eingehen.
2. Das Projekt muß etwas „Wertvolles im Leben selbst“ darstellen, d.h. es muß auch vom Standpunkt der Erwachsenen aus wichtig und nützlich sein.
3. Das Projekt muß „komplex“ angelegt sein, d.h. es darf sich nicht mit „bloßer Handfertigkeit“ begnügen, es muß auch und vor allem „theoretisches Wissen“ vermitteln.
4. Das Projekt muß „Kontinuität“ besitzen, d.h. es muß gewisse Zeit andauern und auf natürliche Weise ins nächste Thema übergehen, so daß sich der Erfahrungshorizont der Schüler fortschreitend erweitert.[21]

Mit dieser Definition wandte sich Dewey gegen die Definition seines Schülers Kilpatrick. Wie es zu dieser Entwicklung kam, möchte ich im Abschnitt 3.1 etwas näher darstellen.

Doch zunächst möchte ich mich kurz mit einer Auswahl anderer Definitionen vom Projektunterricht auseinandersetzen.

In der Literatur zum Thema finden sich zwei unterschiedliche Stränge, die auf verschiedene Weise versuchen, sich dem Begriff „Projekt“ zu nähern . „Zum einen werden dort Merkmalkataloge aufgestellt, zum anderen werden spezifische Komponenten herausgearbeitet.“[22]

1. Strang: Merkmalkataloge

Flechsig, Gudjons u.a. versuchten, möglichst umfassende Kataloge zu erstellen, die den Begriff des Projektunterrichts beschreiben sollten. Meist entstanden aber nur Auflistungen, die sich voneinander sehr unterschieden. „Die Merkmale, die in den Katalogen aufgelistet werden, sind aber nicht nur inhaltlich disparat, untereinander beziehungslos und in ihrer Zahl beliebig. Viele Merkmale können auch als Ziele und wünschbare Prinzipien jedes Unterrichts angesehen werden.“[23] Hänsel versucht dem Leser zu verdeutlichen, daß die Unterschiede nur dann klar hervortreten, wenn sie vom normalen Unterricht zu unterscheiden sind. „Soziales Lernen“, „Situationsbezug“ und „Gesellschaftliche Praxisrelevanz“[24] sind z.B. einige Begriffe, die im normalen Unterricht auch Verwirklichung finden können. Dabei müssen aber, nach den entwickelten Auffassungen, alle aufgezählten Merkmale verwirklicht werden, da sonst keine Rede vom Projektunterricht sein darf. Hier entsteht nach der Meinung Hänsels ein weiteres „Dilemma.“ „Bezeichnen sie ihren Unterricht aber als „projekt orientierten Unterricht“, dann sind sie aus dem Dilemma heraus, denn irgendeinem der genannten Merkmale wird sich ihr Unterricht schon irgendwie annähern.“[25] Damit wird auch die Schwierigkeit der Definition mit dem ersten Strang sichtbar.

2. Strang: Stufen

Um sich der Definition Projektunterricht zu nähern, geht es bei dieser Betrachtungsweise vielmehr um die Projektmethode, die Frey, auf der Grundlage von Dewey, in umfassender Weise darzustellen versuchte. Sein Stufenplan versucht einen Ablauf wiederzugeben, der in seiner Idealform den Projektunterricht beschreibt. Dieser Idealtypus besteht aus sieben Komponenten, die einen Projektablauf widerspiegeln sollen. Sollte eine dieser Komponenten entfallen, spricht Frey vom „projektartigen Lernen.“ Hier sind nun die sieben Stufen zur Definition des Projektunterrichts, deren voller Ablauf „in der Praxis als möglich gedacht wird:

1. Projektinitiative
2. Auseinandersetzung mit der Projektinitiative (Projektskizze)
3. Gemeinsame Entwicklung des Betätigungsgebietes (Projektplan)
4. Projektdurchführung
5. Beendigung des Projekts
6. Fixpunkte
7. Metainteraktionen“[26]

Diese Komponenten stellen einen Projektablauf dar, d.h. das stufenweise Durchlaufen der einzelnen Phasen. Damit erhält die Methode einen wichtigen Stellenwert im Projektunterricht. Bei Freys Theorie steht also das „Wie“ an erster Stelle. „Die Inhalte und Institutionen werden damit der Methode nachgeordnet, wo sie ihr doch vorgeordnet sein müßten.“[27]

Einige der Definitionen von Projektunterricht gehen sicherlich auf die grundsätzlichen Überlegungen von Dewey zurück. Dabei umfaßt, im Gegensatz zu Frey, Deweys „Projektmethode“[28] drei Momente, deren Bedeutung ich kurz erläutern möchte:

1. „Das Ziel menschlicher Entwicklung
2. Die Methode zur Verwirklichung des Ziels
3. Die Konkretisierung dieses Ziel - Methoden - Zusammenhangs im Unterricht der Schule.“[29]

zu 1) Hierbei versteht Dewey die Wechselbeziehung zwischen dem Menschen und der Welt. Dabei steht das handelnde Tun in Beziehung mit der daraus entstehenden Erfahrung. „Durch Erfahrung lernen heißt das, was wir den Dingen tun, und das, was wir von ihnen erleiden ... in Verbindung bringen.“[30]

zu 2) Die Verwirklichung des Ziels entsteht nach Meinung Deweys aus der Tatsache, daß die „denkende Erfahrung“[31] gleichsam das Ziel und die Methode ist. Damit geht Deweys Erziehungsphilosophie von der „Untrennbarkeit von Erkennen und Handeln“[32] aus.

zu 3) Dewey unterscheidet dabei fünf Punkte, die gleichsam wiederum die Stufen der Methode darstellen:
1. „Der Schüler muß eine wirkliche und für den Erwerb von Erfahrung geeignete Sachlage vor sich haben.
2. In dieser Sachlage muß ihm stets ein echtes Problem erwachsen.
3. Er muß das notwendige Wissen besitzen und die notwendigen Beobachtungen anstellen, um das Problem zu behandeln.
4. Er muß mögliche Lösungen für das Problem entwickeln.
5. Er muß Möglichkeit und Gelegenheit haben, seine Gedanken durch praktische Anwendung zu erproben, um ihren persönlichen Sinn und ihre soziale Bedeutung herauszufinden.“[33]

An der Vielzahl der genannten Definitionen läßt sich meiner Meinung nach die Schwierigkeit erkennen, den Projektunterricht auf eine einfache und einheitliche Formel zu bringen. Auf mein „Zooprojekt“ treffen die dargestellten Thesen, meiner Meinung nach, an manchen Stellen im Ansatz zu, an anderen Stellen wiederum überhaupt nicht. Da in meinem Unterrichtsvorhaben verschiedene Aspekte aus den unterschiedlichen Definitionen Berücksichtigung finden, möchte ich meinen Unterricht innerhalb der Arbeit als projekthaften Umgang mit dem Thema bezeichnen. Auf jeden Fall würde ich meinen Unterricht charakterisieren als „planvolles Handeln aus ganzem Herzen, das in einer sozialen Umgebung stattfindet.“[34]

3.3 Entstehungszusammenhang des Projektes

"Projektwochen stellen in der Grundschule noch ein Wagnis und Abenteuer für Lehrer und Schüler dar.“[35]

Von diesem Zitat geleitet, fühlte ich mich ermutigt, mich im Rahmen meiner Examensarbeit mit dem Thema „Lernen im Zoo mit einem 2. Schuljahr“ in einem projekthaften Umgang zu beschäftigen.

Gerade in der Grundschule ist der Umgang mit Projektunterricht schwieriger zu gestalten, weil hier "die Grenzen zwischen Projekt-unterricht und übrigem Unterricht fließender sind.“[36]

Dem eigenen kritischen Einwand, daß "Projekte, die an die besondere Bedingung eines Versuchs gebunden sind, nicht übertragbar seien"[37] , stellt Hänsel die Tatsache entgegen, daß der Projektunterricht auf jeden Fall auch in die Regelgrundschule übertragbar sei. Sie begründet es damit, da in Regelschulen auch besondere Bedingungen herrschen, diese aber "jedoch von den Lehrerinnen und Lehrern selbst hergestellt worden"[38] sind. Es kommt also immer darauf an, was man aus der eigenen Situation heraus leistet, damit "Kooperationszusammenhänge"[39] entstehen und sich bei Bedarf auch weiterentwickeln können.

Solche Zusammenhänge müssen notwendigerweise nicht nur aus Grundschullehrerinnen und -lehrern bestehen, die untereinander kooperieren. Vielmehr sollten sie auch mit Sonderschullehrern, Referendaren, Lehrerstudenten und Dozenten einen Kooperationszusammenhang bilden.

Im Folgenden möchte ich kurz deutlich machen, von welchen Einflußfaktoren der Ablauf meines Projektes „Lernen im Zoo“ bestimmt wurde. Sie ergeben sich teilweise aus dem Aufsatz von Mühlhausen und meinen eigenen Vorstellungen von projekthaftem Unterricht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Die Einflußfaktoren auf das Projekts „Lernen im Zoo“

Mühlhausens Einflußfaktoren auf ein Projekt möchte ich kurz vorstellen und durch meine eigenen Vorstellungen ergänzen.

1. Eine Mitplanung des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler soll zu einer möglichst entspannten Arbeitsatmosphäre führen. Im Zuge dieser Mitbestimmung soll auch die Auswertung mit den Schülern gemeinsam stattfinden.
2. Durch die Wahl des außerschulischen Lernortes Zoo ist eine leichtere Problemorientierung denkbar. Hier können Probleme vor Ort erkannt und besprochen werden. Möglicherweise bekommen die Kinder dadurch auch einen besseren Bezug zum Unterrichtsgegenstand.
3. Innerhalb meiner Unterrichtseinheit möchte ich mit untypischen Lernformen experimentieren, wie z.B. mit dem handlungsorientierten Unterricht, den ich in einem vorherigen Praktikum kennengelernt habe.
4. Die Gruppenarbeit begünsigt eine veränderte Lehrer-Schülerrolle.
5. Als Ergebnissicherung und sinnvolles Gesamtziel dieser Arbeit stelle ich mir ein Zoobuch vor, das zusammen mit den Kindern entstehen soll. Dieses Buch könnte der Klasse auch in Zukunft zur Verfügung stehen und bei Bedarf ergänzt oder bearbeitet werden.

4 Der Zoo als außerschulischer Lernort

4.1 Begründung für Lernorte außerhalb des Klassenzimmers

Die Veränderungen der heutigen Zeit und die damit verbundenen anderen Lebensumstände von Kindern führen auch zu einem veränderten Lernverhalten. Ein verantwortungsvoller Umgang mit der Umwelt kann meiner Ansicht nach nur dann erlernt werden, wenn man entsprechende „Primärerfahrungen“[40] machen kann. Der Erfahrungsspielraum der Kinder hat sich im Laufe der Zeit sehr verändert. Sicherlich gibt es Unterschiede in einzelnen Familien und Schichten der damaligen und heutigen Zeit. Gewisse Grundzüge der Darstellungen dürften aber im wesentlichen dieselben sein. Dazu möchte ich die unterschiedlichen Lernerfahrungen durch einige kurze Beispiele aus der Geschichte verdeutlichen:

Kindheitserfahrungen

1789

„Im Sommer sprang ich in der Wiese und an den Bächen herum, riß Kräuter und Blumen ab, und machte Sträuße wie Besen; dann durch alles Gebüsch, den Vögeln nach, kletterte auf Bäume, und suchte Nester. ... War ich dann müd´, so setzt´ ich mich an die Sonne, und schnitzte zuerst Hagstecken, dann Vögel, und zuletzt gar Kühe. ... Im Winter wältzt´ich mich im Schnee herum, und rutschte .. auf dem blossen Hintern, die Gähen hinunter. Das trieb ich dann alles so, wie´s die Jahrszeit mitbrachte.“[41]

[...]


[1] Knoll, M.,: Wie sie entstand: die Projektmethode, Grundschule 1995, H. 7-8, S. 12

[2] ebenda

[3] ebenda

[4] Knoll, a.a.O., S. 12

[5] ebenda

[6] ebenda

[7] ebenda

[8] Knoll, a.a.O., S. 13

[9] ebenda

[10] ebenda

[11] ebenda

[12] Knoll, a.a.O., S. 13

[13] ebenda

[14] ebenda

[15] ebenda

[16] Knoll, a.a.O., S. 13

[17] Hänsel, D., (Hrsg.): Das Projektbuch Grundschule, Weinheim/Basel 1995, S. 10

[18] ebenda

[19] ebenda, S. 16

[20] Hänsel, D., a.a.O., S. 16

[21] Knoll, M., a.a.O., S. 13

[22] Hänsel, a.a.O., S. 17

[23] ebenda, S. 18

[24] ebenda

[25] ebenda, S. 19

[26] Hänsel, a.a.O., S. 20

[27] ebenda, S. 21

[28] ebenda

[29] ebenda, S 21 f

[30] Hänsel, a.a.O., S. 22

[31] ebenda, S. 26

[32] ebenda

[33] ebenda, S. 27

[34] Mühlhausen, U.: Die Projektwoche, Grundschule 1993, H. 4, S. 54

[35] Hänsel, a.a.O., S. 10

[36] ebenda

[37] ebenda

[38] ebenda

[39] ebenda

[40] Burk, K.: Lernorte außerhalb des Klassenzimmers I; Frankfurt a.M. 1994, S. 5

[41] ebenda

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Lernen im Zoo mit einem 2. Schuljahr
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (FB Erziehungswissenschaften)
Note
2
Autor
Jahr
1997
Seiten
72
Katalognummer
V39775
ISBN (eBook)
9783638384636
ISBN (Buch)
9783638706056
Dateigröße
942 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernen, Schuljahr
Arbeit zitieren
Maiko Kahler (Autor:in), 1997, Lernen im Zoo mit einem 2. Schuljahr, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39775

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