Komposita im Spracherwerb


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Vorläufer

3. Komposita- Ein Überblick

4. Komposition im Spracherwerb
4.1. Frühe Komposition und ihre Vorläufer
4.2. Späte Komposition

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung :

„Das Wort Neudeutsch ist nicht mit dem gleichnamigen Grünkohl zu verwechseln, obgleich ja beide aus der Zusammensetzung eines Adjektivs und eines Substantivs zu einem neuen Hauptwort und Begriff entstanden sind. Dieses Neudeutsch ist etwas ganz Furchtbares.[1]

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Phänomen der Komposition und deren Vorläufern.

Die Komposition ist wohl die unterhaltsamste und eingängigste Art der Wortbildung, da aus zwei (oder auch mehreren) selbstständigen Wörtern ein neues Wort entsteht. Es handelt sich um die Zusammensetzungen gleicher oder unterschiedlicher Kategorien. Zweigliedrige Komposita wie Haustür sind ebenso denkbar wie solche, die aus drei oder mehr Elementen bestehen, wie Luftkissenschiff oder Bundesausbildungsförderungsgesetz.

Deshalb mag Kurt Tucholsky mit seinem oben genannten Zitat „richtig liegen“, da es sich bei der Entstehung von Komposita um einen produktiven Wortbildungsprozess handelt, bei dem die Vielfalt an kompositionellen Bildungen nicht aufzuhalten ist.[2]

Diese kurze einleitende Darstellung der Thematik möchte ich in Punkt 3 meiner Arbeit vertiefend und aus wissenschaftlicher Sicht darstellen und erläutern.

Bevor ich mich jedoch der Beschreibung von Komposita widme, möchte ich mich zunächst mit ihren Vorläufern und deren Bedeutung für den Spracherwerb, in Punkt 2 meiner Arbeit, befassen.

Punkt 4 soll den Schwerpunkt meiner Arbeit bilden. Hier soll die Thematik „Compoundings“ im Kontext von Prozessen, die innerhalb des Spracherwerbs ablaufen, dargestellt werden. Dies möchte ich exemplarisch an Hand von Tilmanns (Sohn Annette Hohenbergers) Kompositaerschließung aufzeigen und darstellen, wie er Komposita als Vorläufer für komplexere Strukturen verwendet. Die Grundlage hierfür bildet das Kapitel „ precursors: Composition“ aus der Dissertation Annette Hohenbergers: Functional categories in language acquisition (Tübingen 2002).

Ich möchte anmerken, dass meine Ausführungen zwar auf der Arbeit Annette Hohenbergers basieren, sie jedoch meine eignen Interpretationen enthalten, welche aufgrund des Mangels an umfassenderen Kenntnissen über den „gesamten Hintergrund der Thematik“ fehlerhaft und bestreitbar sein können.

2. Vorläufer

Zunächst möchte ich eine Definition über Vorläufer von Paul van Geert wiedergeben:

„ (…) a species is a precursor to another species, if there exists a takeover relationship between both. The second species takes over the domain of application and resources of the first, precursor species, and eventually extends this domain. Second, the takeover should not be a contingent one: The emergence of the second species taking over the function of the precursor should depend on the presence and properties of the precursor. This is, the precursor is conditional on the emergence of the successor.“[3]

Diese Definition sagt aus, dass in dynamischen Systemen neue Formen zunächst als Vorläufer realisiert werden, die dann von Nachfolgern verdrängt werden, deren Form jedoch noch nicht vollständig ausgebildet ist. In diesem Zusammenhang geht man davon aus, dass neue Formen nicht alle auf einmal in ihrer zielkonformen Erscheinung auftreten, sondern dass diese Resultat eines Entwicklungsprozesses sind. Innerhalb der Vorläuferrelation muss also beispielsweise A ein bestimmtes Niveau erreicht haben, bevor B beginnen kann zu „wachsen.“

Annette Hohenberger unterscheidet in diesem Zusammenhang homologe und heterologe Vorläufer.

Bei homologen Vorläufern sind Vorläufer und Nachfolger von gleicher Art, wobei die Form anfangs noch nicht vollständig konkretisiert wird, z.B. ein und dasselbe Individuum als Kind bis zur Entwicklung als Erwachsener. Erst durch den Prozess seiner eigenen Entwicklung wird der Vorläufer durch den Nachfolger abgelöst.

Dieses Phänomen ist bei der Koordinierung ohne bzw. mit Konjunktion zu beobachten.

Bsp.:[4] (a) Koordination ohne eine Konjunktion:

A:[5] das passt zusammen: gelb und rot

T:[6] d εp ot (gelb rot) T (1; 08, 15)

Hier bindet Tilman die Adjektive gelb und rot ohne eine Konjunktion dazwischen aneinander. Ca. 3 Monate später kann er zwei Nomen durch eine Konjunktion verbinden.

(b) Koordination mit einer Konjunktion:

T: tata (→panther) et tiga (→ tiger) T (1 ; 11, 17)

Bei heterologen Vorläufern sind Vorläufer und Nachfolger nicht von derselben Art. Sie besetzen lediglich dieselbe Umgebung, z.B. zwei verschiedene Individuen: Bruder und Schwester Verhältnis.

Während heterologe Vorläufer sich mehr wie "Brüder und Schwestern" benehmen, bezeichnen homologe Vorläufer die gleiche Einzelperson, einmal als "Kind" und einmal als "Erwachsenen.“ Das „Kind“ muss als Individuum noch heranwachsen.

Wie van Geert betont, können heterologe Vorläufer für den Nachfolger unterstützend dadurch sein, dass sie "den Weg" für ihn pflastern bzw. ebnen, beide nebeneinander existieren, bis schließlich der „Stärkere“ die Nachfolgerposition einnimmt. In diesem Fall ist der Vorläufer-Effekt positiv. Andererseits kann der Vorläufer-Effekt negativ sein, d.h. konkurrierend, wenn der Vorläufer den Nachfolger unterdrückt (→interference hysteresis effect).

Die Rolle der Vorläufer ist in der Linguistik stets bestätigt worden. So kann der zweite Teil der „Slobinschen Grundregel“, dass "neue Formen“ zunächst alte Funktionen ausdrücken und neue Funktionen zuerst durch „alte Formen“ ausgedrückt werden", als Vorläufer Nachfolger-Verhältnis gedeutet werden.[7] Alte Formen sind die Vorläufer der neuen Formen dadurch, dass sie auch teils die „echte Funktion“ der neuen Formen ausdrücken.

Dieses Nebeneinander von Vorläufer- und Nachfolgerformen in ihren Variationen ist charakteristisch für die liminale Phase. Hier kann die Übernahme des Nachfolgers vom Vorläufer auf unterschiedlichen Arten erfolgen.

3. Komposita- Ein Überblick

Bußmann definiert die Komposition folgendermaßen:

[Auch: Zusammensetzung]. Neben → Derivation (auch: Ableitung)

wichtigster Vorgang der → Wortbildung: Verbindung von zwei oder mehreren sonst frei vorkommenden Morphemen oder Morphemfolgen (= Wörtern) zu einem →Kompositum, wobei in der Regel das letzte Glied sowohl die Wortart als auch die Flexionsklasse bestimmt. [...] Die Produktivität des K.-vorgangs ist von Sprache zu Sprache unterschiedlich stark ausgeprägt (vgl. die Abnehmende Häufigkeit der K. im Dt., Engl., Frz., im Lat. kommt K. kaum vor) und wird von der Kategorie des Vorder- und Hinterglieds beeinflusst.[8]

Diese Definition besagt, dass die Komposition eine Zusammensetzung von mindestens zwei freien Morphemen ist, also von kleinsten bedeutungstragenden

Elementen der Sprache, die in syntaktischen Strukturen alleine vorkommen können. Komposita entstehen aus Verbindungen von Wortstämmen. Der Prozess der Komposition ist ein produktiver Wortbildungsprozess, es gibt somit eine Vielzahl kompositionell gebildeter Wörter. Die deutsche Sprache ist reich an Komposita, im Englischen sind schon deutlich weniger Komposita vorhanden; die Franzosen und Spanier sind diesbezüglich noch schlechter bestückt und im Latein kommen Komposita schließlich so gut wie gar nicht vor. Tendenziell sind jedoch Komposita sowohl im Englischen und Deutschen, als auch im Französischen und Spanischen produktiv, besonders in den Wissenschaftssprachen. Im Französischen sind beispielsweise Kompositionen mit hyper - (hypermarché) und anti - (antifascisme) sehr produktiv.

[...]


[1] Peter Panter (1918) in: Keller, J., Leuninger, H.(1993): Grammatische Strukturen und Arbeitsprozesse. Ein Arbeitsbuch, a.a.O. S.65.

[2] vgl.: ebd. S. 65.

[3] vgl.: Geert, P. van (1993): A Dynamical Systems Model of Cognitive Grow: Competition and Support Under Limited Resource Conditions, in: Hohenberger, A. (2002): Functional categories in language acquisition. S. 230.

[4] Alle Beispiele sind aus der Dissertation Annette Hohenbergers, a.a.O., übernommen.

[5] Abkürzung für Annette

[6] Abkürzung für Tilmann

[7] vgl.: Hohenberger (2002) S.232.

[8] Bußmann, H.(1990): Lexikon der Sprachwissenschaft. a.a.O. S. 400f.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Komposita im Spracherwerb
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Funktionale Kategorien und Spracherwerb
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
17
Katalognummer
V39557
ISBN (eBook)
9783638382922
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit geht der Frage zur Stellung und Bedeutung von Komposita für den Erstpracherwerb nach. Außerdem stellt die Arbeit die besondere Funktion von Komposita als Vorläufer für funktionale phrasale Kategorien heraus.
Schlagworte
Komposita, Spracherwerb, Funktionale, Kategorien, Spracherwerb
Arbeit zitieren
Leah Zehkorn (Autor:in), 2004, Komposita im Spracherwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39557

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