Das Stereotypen-Repertoire bei Goebbels


Seminararbeit, 2002

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einstimmende Worte durch die Autorin

2. Topos, Klischee und Stereotyp – eine enge Verwandtschaft
2.1 Topos
2.2 Klischee
2.3 Stereotyp

3. Das Stereotyp bei Goebbels
3.1 Beispiele für Stereotypen
3.1.1 Die Juden
3.1.2 Die Deutschen
3.2 Wieso Stereotyp und nicht Topos oder Klischee?

4. Abschließende Worte – in a nutshell

5. Bibliographie

1. Einstimmende Worte durch die Autorin

Vielleicht wird dereinst [...] von Joseph Goebbels nicht mehr im Bewusstsein der Nachwelt bleiben als sein zur Denunziations-Stereotype gewordener Name, mit dem in Zusammenhang gebracht [...] heute der politische Gegner gern, obschon gewöhnlich nicht gerade übermäßig passend und geistreich, diffamiert zu werden pflegt.

(Heiber 1972: 11)

Das Stereotyp. Woher kommt es? Was beschreibt es? Wo wird es verwendet? Was hat Goebbels damit zu tun? Mit diesen und ähnlichen Fragen wird sich meine Arbeit befassen.

Doch bevor ich zum Herzstück der Abhandlung schreite, sei die Gliederung und die Wahl meiner Inhalte kurz erläutert:

Zunächst werde ich mit einem theoretischen Teil beginnen, um die notwendigsten Grundlagen zu schaffen. Hier gilt es herauszuarbeiten, was sich hinter den Begriffen Topos, Klischee und Stereotyp verbirgt.

Der Topos spielt insofern eine wichtige Rolle im Kontext des Stereotyps, da er der Urvater von Stereotyp, Klischee, Gemeinplatz, locus (communis), commonplace und vieler Anderer ist. Er soll Antwort liefern auf die Frage Woher kommt das Stereotyp? .

Das Klischee hingegen habe ich aus dem Grunde gewählt, da es dem Stereotyp sehr ähnlich ist und gleiche Entwicklungsstufen durchlaufen hat. Angesichts der Parallelitäten von Klischee und Stereotyp muss man sich fragen, was die beiden unterscheidet und wie man sie auseinanderhalten kann. Um hierauf an späterer Stelle eine Antwort geben zu können, soll zunächst der Begriff des Klischees gesondert betrachtet werden.

Dies wird also das zweite Kapitel beinhalten: Es befasst sich mit dem Topos, dem Klischee und dem Stereotyp – und probiert sie möglichst unabhängig voneinander zu charakterisieren.

Im Folgenden werde ich dann das Analysematerial verwenden, um anhand von Beispielen zu veranschaulichen, wie Stereotypen in der Praxis benutzt werden.

Als Analysekorpus habe ich Joseph Goebbels Reden sowie Schriften gewählt, da sie repräsentativ für nationalsozialistische Propaganda sind und der Nationalsozialismus geradezu überquillt vor Generalisierungen, Verschönigungen, Herabsetzungen – Stereotypen.

Dem Leser bleibt es währenddessen selbst überlassen, über die ungeheuere Macht dieser Stilmittel und Goebbels Beweggründe nachzudenken. Ich werde mich jedenfalls auf die sprachwissenschaftliche Analyse der rhetorischen Mittel konzentrieren und allenfalls kurze Abstecher in die Psychologie und Sozialwissenschaft machen.

Sind alle Stereotypen ausführlich erläutert, kommt es zur zentralen Frage meiner Abhandlung:

Wieso spricht man in diesem Kontext von Stereotypen?

Wieso wäre die Bezeichnung als Topoi oder Klischees hier unangebracht?

Diese Fragen zielen darauf ab, die drei Begriffe voneinander abzugrenzen. Am Ende der Arbeit soll klar sein, was den Topos vom Stereotyp unterscheidet und wo der Unterschied zwischen dem Klischee und dem Stereotyp liegt. Dem Leser soll es hiernach möglich sein, jederzeit einen Topos, einen Stereotyp oder ein Klischee zu erkennen und klar differenzieren zu können, mit welchem Phänomen er es jeweils zu tun hat.

Hierbei werde ich mich immer wieder auf den theoretischen Teil am Anfang der Arbeit beziehen und ihn mit Beispielen aus dem Analysematerial und theoretischen Ergänzungen verknüpfen.

Das letzte Kapitel wird die Arbeit abrunden, indem es noch einmal auf die zentrale Fragestellung zurückkommt und Ergebnisse formuliert.

2. Topos, Klischee und Stereotyp – eine enge Verwandtschaft

Man könnte sagen, sie sind nahe Verwandte. Der Topos, das Klischee und das Stereotyp. Zumindest haben sie einen gemeinsamen Ursprung und der liegt in der antiken Argumentationslehre von Aristoteles, der den Topos in seiner ursprünglichen Bedeutung etablierte. Erst viele Jahre später entwickelten sich daraus die modernen Begriffe Klischee und Stereotype. Ich betrachte nun im Folgenden jeden Begriff für sich, während ich im zweiten Teil der Arbeit auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu sprechen komme.

2.1 Topos

Topos ist griechisch und bedeutet soviel wie Ort. Im Lateinischen heißt Ort auch locus. Dem locus- oder locus communis-Begriff begegnet man bei den römischen Rednern Cicero und Quintilian. Der locus (communis) wird in der Literatur oft als Synonym für den Topos verwendet.

Was steckt nun hinter dem Begriff des Topos? „Als Topoi bezeichnet Aristoteles diejenigen [...] Gesetzmäßigkeiten, die [...] methodische Konstruktion von Argumenten zur Erreichung vorgegebener Argumentationsziele ermöglichen“ (Ritter/Gründer 1998: Bd.10). Topoi sind also Anleitungen, Regeln, zur Aufstellung von Argumentationsketten. Sie helfen dabei, einen überzeugenden Beweis für eine These zu finden. Anders ausgedrückt: Es ist die Aufgabe das Topos, „[...] Prämissen aufzufinden, die für eine gegebene Konklusion einschlägig sind [...]“ (Rapp 2000: 22).

Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass der Topos nicht ein Argument selbst meint. Der Topos ist kein Argument! Zumindest nicht bei Aristoteles: „[Aristoteles] bringt [...] klar zum Ausdruck, dass [...] der Topos nicht selbst [...] ein Argument ist, sondern dass der Redner mit Hilfe des Topos seine Argumentation [...] konstruieren soll“ (Ritter/Gründer 1998: 1266). Oft begegnet einem auch die Bezeichnung des Topos als Instrument: „Der >Topos< [...] verweist vor allem auf den instrumentellen Charakter jedes sachlich allgemein verwendbaren Argumentationsgesichtspunktes [...]“ (Bornscheuer 1976: 30).

Anschaulicher noch ist das Bild eines Rasters von Leerformen: Die Topoi bilden ein Raster, eine Schablone. Nun nimmt man den Gegenstand seiner geplanten Rede und lässt ihn über dieses Schema ‚gleiten’. Was herauskommt, sind mögliche Ideen für Argumente. Und zwar eine Idee pro Feld, was der Gegenstand durchlaufen hat. Diese Ideen wiederum bilden einen Fundus an Prämissen, von denen die einen eher, die anderen weniger brauchbar sind. In der Praxis kann dies so aussehen, dass man ein Thema entlang folgender Fragen, Plätze, abgeht: wer? was? wo? warum? wie? usw. (Bsp. siehe Barthes 1988: 68).

Die Bezeichnung Leerform betont auch hier, dass der Topos alleine noch keine eigenständige Einheit bildet. Er ist ein „[...] Korpus an sich sinnentleerter Formen, die [...] am Sinn mitwirken“ (Barthes 1988: 67). Er ist nur ein Mittel zum Zweck, jedoch nicht der Zweck selber.

Ein weiterer Aspekt bei der Betrachtung des Topos ist der Allgemeinheitsgrad. So wird von den Topoi gefordert, dass sie „[...] für die verschiedensten Fälle anwendbar, [...] zu beliebiger Entwicklung und Abwandlung geeignet [sind]“ (Mertner 1956: 23). Sie beziehen sich also niemals nur auf einen Anwendungsfall, sondern sind in vielen Bereichen einsetzbar. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass es Topoi gibt, die in allen drei Redegattungen (Gerichtsrede, Lobrede und Beratungsrede) verwendet werden können. Es kann aber auch heißen, dass sie nicht fachspezifisch, sondern übergreifend für sämtliche Wissensbereiche (Physics, Law, Politics) gültig sind. Oder aber es ist derart aufzufassen, dass ein Topos zugleich dem Verteidiger, wie auch dem Ankläger dienen kann und in diesem Sinne allgemeingültig ist. Da Aristoteles gemäß des Unschärfeprinzips eine exakte Definition des Topos-Begriffs vermieden hat, haben wir heute freien Interpretations-Spielraum.

Zur Verdeutlichung, ein Beispiel aus Aristoteles Rhetorik: Der Topos des Mehr und Weniger. Er beruht auf dem Prinzip wenn nicht einmal x, dann erst recht nicht y. Wenden wir dies auf die Gerichtsrede an, so könnte eine mögliche Argumentation so aussehen: ‚wenn der Angeklagte noch nicht einmal einer Fliege was zu leide tun kann, wie kann er dann seine Frau geschlagen haben?’ Eine derartige Art der Beweisführung ist natürlich auch in vielen anderen Reden wiederzufinden – auch außerhalb der Gerichtsrede.

Abschließend bleibt festzuhalten, dass der Topos auf einer höheren, abstrakteren, Ebene als das Argument selbst liegt. Er ist eine formale, nicht inhaltliche, Methode zur Argumentationsfindung mit einem hohen Grad an Allgemeingültigkeit. Für den weiteren Verlauf der Arbeit ist es wichtig, diesen Aspekt nicht zu vergessen.

2.2 Klischee

Das Wort cliché kommt aus dem Französischen und war ursprünglich die Bezeichnung für einen vorgefertigten Druckstock.

In Bezug auf Sprache, ist das Klischee ein „viel gebrauchter und daher nichts sagender Ausdruck, [eine] abgegriffene Vorstellung oder Redensart“ (wissen.de 2002). So versteht man unter Klischees Floskeln, wie: Sehr geehrte Damen und Herren... wir sind heute zusammengekommen/haben uns heute versammelt um... zu danken... Wir benutzen diese „[...] vorgeprägte[n, abgegriffenen] Wendungen [...]“ (Wenzel 1978: 34), ohne uns jedes Mal ihrer Bedeutung bewusst zu sein. Sie werden ausgesprochen „[...] ohne individueller[r] Überzeugung“ – sie sind „überindividuell“ (Wenzel 1978: 34).

Notwendige Bedingung für das Klischee: Es muss schon einige Male geschrieben, ausgesprochen, gebraucht worden sein: Erst „[...] durch die Häufigkeit ihres Gebrauchs [wird die Äußerung zum Klischee]“ (Wenzel 1978: 34). Eine einmalig verwendete Äußerung kann also niemals schon zum Zeitpunkt der ersten Verwendung ein Klischee sein.

Zur Anwendbarkeit des Klischees sei gesagt, dass ihr „[...] Objektbereich [...] nicht auf eine soziale Gruppe oder deren Mitglieder eingeschränkt, sondern [...] unbegrenzt [ist]“ (Wenzel 1978: 34). Klischees verfolgen uns also in allen Lebenslagen und können auf einen beliebigen Gegenstand, eine beliebige Person gerichtet sein.

Nun, da die Beschaffenheit und die Anwendungsbereiche des Klischees dargelegt sind, bleibt noch die Frage, wie sich die Verwandtschaft von Topos und Klischee erklären lässt. Anscheinend haben wir es mit einer Sinnverschiebung zu tun: Die Methode hat sich im Laufe der Epochen zu etwas Inhaltlichem entwickelt. Wie kam es dazu?

Der Grund liegt darin, dass der Topos teilweise falsch, andersartig interpretiert und entgegen Aristoteles ursprünglichen Vorstellungen verwendet wurde. So waren die Sophisten dafür berühmt, dass sie Kataloge häufig gebrauchter Argumentationen aufstellten, diese Topoi nannten und sie ihre Schüler auswendig lernen ließen (vgl. Barthes 1988: 69). Der Topos war hier nichts weiter als ein Redestück, das in ein und demselben Wortlaut immer wieder in verschiedenen Reden auftauchte. Der so ausgelegte Topos wurde auch erst durch wiederholte Anwendung zum Selbigen, ebenso wie das Klischee. Außerdem wurden diese Topoi häufig verwendet, ohne, dass sich die Redner derer Inhalte unbedingt bewusst gewesen wäre – dasselbe Phänomen wie beim ‚überindividuellen’ Klischee.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Stereotypen-Repertoire bei Goebbels
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen
Veranstaltung
Proseminar Stereotypen
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V39312
ISBN (eBook)
9783638381178
Dateigröße
561 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stereotypen-Repertoire, Goebbels, Proseminar, Stereotypen
Arbeit zitieren
M.A. Emily Nestler (Autor:in), 2002, Das Stereotypen-Repertoire bei Goebbels, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39312

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