Gesellschaftsorientierte Marktkommunikation - Gesellschaftspolitische Notwendigkeit oder Widerspruch in sich

Unter besonderer Berücksichtigung konsumorientierter und konsumkritischer Ansätze


Diplomarbeit, 2003

175 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die moderne Konsumgesellschaft
2.1 Der Begriff
2.2 Die Entstehung
2.2.1 Die gesellschaftliche Entwicklung bis zum 20. Jahrhundert
2.2.2 Die Entwicklung zur modernen Konsumgesellschaft im 20. Jahrhundert
2.2.2.1 Der Konsumismus
2.2.2.2 Der Wohlfahrtskapitalismus
2.2.2.3 Der Konsumkapitalismus
2.2.2.4 Die postmaterialistischen Werte
2.3 Die Konsumorientierung und ihre Werte
2.3.1 Die erlebnisorientierte Freizeitgesellschaft
2.3.2 Die hedonistisch/individualistische Gesellschaft
2.3.3 Die Mediengesellschaft
2.3.4 Die Objektgesellschaft
2.3.5 Die an Äußerlichkeiten orientierte Gesellschaft
2.3.6 Die leistungsorientierte Marktgesellschaft

3 Kritik an Werbung und Konsum

4 Die postmaterialistischen Werte der Konsumgesellschaft
4.1 Begriffe
4.1.1 Postmoderne
4.1.2 Postmaterialismus
4.2 Die postmaterialistische Orientierung
4.3 Auswirkungen auf das Konsumverhalten

5 Die Rolle der Unternehmen in der post-materialistischen Konsumgesellschaft
5.1 Forderungen nach einer gesellschaftsorientierten Unternemensführung
5.1.1 Wirtschaft und Nachhaltigkeit
5.1.2 Verantwortung als Leitmodell
5.1.3 Auswirkungen auf das Marketing

6 Marktkommunikation für eine postmaterialistische Konsumgesellschaft
6.1 Wechselwirkung zwischen Werbung und Gesellschaft
6.2 Vertrauen als Zielvorgabe für den Marktkommunikations- prozess
6.3 Eine Neuorientierung der Marktkommunikation
6.3.1 Gesellschaftsorientiertes Marketing
6.3.1.1 Marktkommunikation anstelle von Werbung
6.3.1.2 Das Konzept der „gesellschaftsorientierten Markt- kommunikation“
6.3.2 Die unternehmerischen Werte als Basis gesellschafts- orientierter Marktkommunikation

7 Umsetzungsbeispiele gesellschaftsorientierter Marktkommunikation
7.1 The Body Shop
7.1.1 Das Unternehmen
7.1.2 Die Marktkommunikation
7.2 Benetton
7.2.1 Das Unternehmen
7.2.2 Die Marktkommunikation
7.3 Volkswagen AG Deutschland
7.3.1 Das Unternehmen
7.3.2 Die Marktkommunikation
7.4 Die Marke Persil
7.4.1 Das Unternehmen Henkel
7.4.2 Die Marktkommunikation für Persil
7.5 Römerquelle
7.5.1 Das Unternehmen
7.5.2 Die Marktkommunikation für die Mehrwegflasche

8 Die Analyse
8.1 Aus Sicht der Kommunikationswissenschaft
8.2 Aus Sicht der Kulturanthropologie
8.3 Aus Sicht der Marktwirtschaft
8.4 Aus Sicht der Konsumgesellschaft
8.5 Der souveräne Konsument

9 Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildungen

Lebenslauf

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 The Body Shop: against testing animals

Abbildung 2 The Body Shop: Danke für den Traum

Abbildung 3 The Body Shop: Alex Elliot

Abbildung 4 The Body Shop: farmers

Abbildung 5 The Body Shop: fair trade

Abbildung 6 The Body Shop: 3 billion women

Abbildung 7 The Body Shop: Selbstvertrauen

Abbildung 8 The Body Shop: Act your age

Abbildung 9 Benetton: schwarzes/weißes Kind

Abbildung 10 Benetton: Palästinenser/Israeli

Abbildung 11 Benetton: Priester küsst Nonne

Abbildung 12 Benetton: HIV

Abbildung 13 Benetton: Homosexualität

Abbildung 14 Benetton: Krieg

Abbildung 15 Benetton: Umweltverschmutzung

Abbildung 16 Benetton: Hunger

Abbildung 17 Benetton: Todeskandidat

Abbildung 18 Benetton: Freiwillige

Abbildung 19 Volkswagen: Vorurteile

Abbildung 20 Persil: Zitronengeld/Rabenschwarz

Abbildung 21 Persil: Man(n) hat Persil

Abbildung 22 Persil: Echt stark!

Abbildung 23 – 31 Römerquelle Mehrwegflasche

Abbildung 32 Kampagne gegen Triumph

1 Einleitung

Werbung, als das Kommunikationsinstrument des Marketings, untersteht mit dieser Ausrichtung vor allem ökonomischen Zielen. Die Zielvorgabe der werbetreibenden Unternehmen an ihre Werbung lautet deshalb mehrheitlich: „Werbung muss verkaufen“.

„Schafft die Werbung ab“ (siehe S. 44) fordern hingegen konsum­kritische Stimmen, die damit gleichzeitig ihrem Unmut gegenüber der Konsumgesellschaft Ausdruck verleihen. Kritik an Werbung ist allerdings kein neues Phänomen, vielmehr ist sie so alt wie die erste massenmedial verbreitete Wirtschaftswerbung selbst.[1]

Der Erfolg der Bücher von Beigbeder („ Neununddreißigneunzig[2] ), Klein („ No Logo[3] ) oder Werner/Weiss („ Schwarzbuch Markenfirmen[4] ) zeugt von der nach wie vor existenten Skepsis gegenüber ausschließlicher Konsumorientierung einerseits und der kritischen Haltung gegenüber global agierenden Unternehmen und deren eindimensionaler Gewinnorientierung andererseits.

Damit stehen Unternehmen in immer stärkerem Maß im kritischen Blickpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit. Denn die westliche Konsum- und Marktgesellschaft zeichnet sich gegenwärtig nicht mehr nur durch die Werte der reinen Konsumgesellschaft wie Individualismus, Hedonismus, Erlebnis- und Leistungsorientierung bzw. Ausrichtung an Statussymbolen aus.

Es finden sich unter dem Begriff der postmaterialistischen Wertorientierung Sehnsüchte, die über diese materielle Orientierung hinausweisen. Sie suchen das Authentische, Wahre, Echte und Nachhaltige und sprechen sich gegen die reine Profit- und Leistungsorientierung aus (siehe
S. 50). Etzioni bezeichnet die postmoderne Gesellschaft deshalb als eine „ Gesellschaft im Übergang “, die sich angesichts dieses für ihn tief greifenden Strukturwandels in einer „ Orientierungskrise[5] befindet. Bosshart spricht von der „ Postmoderne des Konsums[6].

Deshalb hätte sich auch Werbung in der Meinung von Rust auf die veränderten Werteausprägungen innerhalb der postmaterialistischen Konsumgesellschaft einzustellen.[7] Doch die Werbewirtschaft sieht sich im alltäglichen Arbeitsprozess aufgrund ihrer ökonomischen, rein konsum-
orientierten Ausrichtung noch immer vorrangig mit mehrheitlich verkaufs-
orientierten Zielsetzungen konfrontiert. Noch immer ist erfolgreiche Werbung in der Wirtschaft vor allem jene, die eine Marktanteilserhöhung, eine Umsatzsteigerung zur Folge hat. Obwohl die Marketingtheorie schon seit längerem auf eine Neuorientierung der unternehmerischen Aufgabe hinweist (siehe S. 75) und Institutionen [ in Österreich beispielsweise wie die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer, d. Verf.] vermehrt Veranstaltungen zum Thema Ethik und Wirtschaft, Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung abhalten (siehe S. 61/62).

Trotzdem gibt es Unternehmen, die mit der Ausrichtung ihrer Marktkommunikation auf die geänderte gesellschaftliche Werteausrichtung reagiert haben. Sie zeigen in ihrer werblichen Botschaft ihre gesellschaftliche Verantwortung, in dem sie jene immateriellen Werte kommunizieren, die ihnen als Unternehmen wichtig sind und die gleichzeitig für die Gesellschaft einen hohen Stellenwert einnehmen.

Mit ihrer Marktkommunikation preisen sie nicht mehr nur direkt ihre Waren und Produkte an, sondern sie dokumentieren ihre ganz bestimmte gesellschaftspolitische Ausrichtung und Verantwortung.

Kann eine Marktkommunikation, die nicht nur die Profitabilität des Unternehmens, sondern auch seine soziale Kompetenz und seine gesellschaftliche Verantwortung dokumentiert, ein neuer Ansatz für Markt­kommuni-kation im Rahmen einer postmaterialistisch orientierten Konsum-gesellschaft sein? Kann ein gesellschaftsorientierter Ansatz der Marktkommunikation als ein Bindeglied zwischen der reinen Konsum­orientierung und der Konsumkritik angesehen werden? Oder wird er an der ökonomischen Ausrichtung der Wirtschaft scheitern? Schafft es eine gesellschaftlich ausgerichtete Marktkommunikation, das Glaubwürdigkeitsdefizit, das der Werbung anlastet[8], wieder zu reduzieren und darauf aufbauend eine Vertrauensbasis zwischen den Unternehmen und ihren KonsumentInnen herzustellen?

Für diese Neuausrichtung der Werbung wird der Begriff der „gesellschafts­orientierten Marktkommunikation“ abgeleitet und definiert. Es wird in diesem Zusammenhang das Zusammenspiel der Werte innerhalb der Gesellschaft, die sich daraus ergebenden Forderungen an die Unternehmen und die Antwort der Unternehmen in Form ihrer Werbung untersucht. Für das Konzept der „gesellschaftsorientierten Marktkommunikation“ ist die gesellschaftliche Ausprägung wesentlich. Deshalb zeigt Kapitel 2 in groben Zügen die Entwicklung der westlichen Konsumgesellschaft und definiert ihre Wertorientierungen.

Es wird sich zeigen, dass die derzeitige Konsumgesellschaft eine sehr komplexe und heterogene ist, sodass die gewählten Ausprägungen beispielhaft für die unterschiedlichsten Wertorientierungen stehen, aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben.

Kapitel 3 zeigt kritischen Stimmen, die sich von der Kritik an Werbung zu einer Gesellschaftskritik ausgeweitet haben.

Kapitel 4 dokumentiert die Entwicklung von der reinen Konsumgesellschaft in Richtung einer postmaterialistisch orientierten Gesellschaft, Kapitel 5 beantwortet die Frage, was die veränderten Werteausprägungen für Unternehmen und ihr Marketing bedeuten.

Zur Auswertung der Informationen wird mit Sekundärliteratur gearbeitet.

Kapitel 6 erarbeitet das Konzept der „gesellschaftsorientierten Marktkommunikation“ als einen Ansatz für eine Neuorientierung der Marktkommunikation im Rahmen einer postmaterialistisch orientierten Konsum­gesellschaft, Kapitel 7 analysiert werbliche Umsetzungen als Beispiel für diesen Ansatz. Es wird das Feld der Unternehmen auf jene Unternehmen eingegrenzt, die am Konsumgütermarkt tätig sind. Damit wird Werbung im ökonomischen Kontext betrachtet, also Werbung mit dem Ziel, KonsumentInnen anzusprechen, bestimmte Güter oder Dienstleistungen zu wählen, zu präferieren und dafür bestimmte Preise zu bezahlen.

Für die Analyse wurden fünf Unternehmen der Konsumgüterbranche ausgewählt, die mit gesellschaftsorientierten Marktkommunikations-Kam­pagnen am Markt präsent sind. Zwei von ihnen, The Body Shop und
Benetton, stehen stellvertretend für global agierende Unternehmen. Sie setzen seit knapp 20 Jahren weltweit ihre Marktkommunikations-Kampagnen in gleicher Art und Weise um und stehen innerhalb dieser Zeit für sehr stark eigentümergeführte Unternehmen.

Mit VW wurde ein deutsches Unternehmen gewählt, das eben­­­falls ein
global agierendes Unternehmen ist, jedoch nicht mehr eigen­tümer­­geführt, sondern es stellt ein Beispiel für ein internationales Kapitalunternehmen dar. Als österreichische Beispiele wurden der Spot „Mehrwegflasche“ von Römerquelle sowie Umsetzungen der Marke Persil gewählt. Bei Römerquelle fällt der Markenname mit dem Unternehmensnamen zusammen, wobei der Unternehmensname in keinerlei Bezug zum Namen der Eigentümerfamilie steht. Persil steht für eine langjährig am österreichischen Markt präsente Marke eines deutschen Unternehmens mit österreichischer Niederlassung, ohne dass bei der Markenkommunika­tion ein Bezug zu den deutschen Eigentümern hergestellt wird.

Zur Analyse der angebots- und nachfrageseitigen Veränderungen werden in Kapitel 8 daher neben den Erkenntnissen der Kommunikationswissenschaft auch die Erkenntnisse aus den Nachbardisziplinen wie Wirtschafts-wissenschaft, Soziologie, Philosophie und der Kulturanthropologie herangezogen. Im Rahmen der kommunikationswissenschaftlichen Analyse wird mit der Agenda-Setting-Hypothese sowie mit dem Uses-and-Gratifications-Approach gearbeitet. Die Analyse diskutiert sowohl Argumente, die sich für eine Neuorientierung der Marktkommunikation in Richtung einer Gesellschaftsorientierung vorbringen lassen als auch jene, die sich dagegen aussprechen.

2 Die moderne Konsumgesellschaft

Unsere gegenwärtige westliche Konsumgesellschaft mit ihren Verhaltensmustern und Wertausprägungen basiert auf Entwicklungen, deren Wurzeln sich weit in die vergangenen Jahrhunderte zurückverfolgen lassen. Um Werbung als Kommunikationsform dieser Konsumgesellschaft genauer analysieren zu können, wird die Entwicklung der gesellschaftlichen Ausprägungen im Folgenden kurz dargestellt.

2.1 Der Begriff

Hillmann definiert in seinem Wörterbuch der Soziologie Konsumgesellschaft wie folgt:

„Konsumgesellschaft, Konsumkultur, soz.-u.kulturkrit. akzentuierte Begriffe zur Charakterisierung der mod., industriell hochentwickelten Wohlstandsgesellschaft, in der sich zentrale verhaltensbestimmende Wertorientierungen, Anspruchshaltungen u. Strebungen in erster Linie auf den Erwerb, Ge- u. Verbrauch von Gütern u. Dienstleistungen richten.“ [9]

Für W. König ist eine Konsumgesellschaft eine Gesellschaft, in der „ die Mehrheit der Bevölkerung an neuartigen Formen des Konsums teilhatte, wie industriell hergestellten Lebensmitteln, modischer Massenkonfektion, Haushaltstechnik, dem Automobil, Radio und Plattenspielern.“[10] Dementsprechend sieht er die Konsumgesellschaft erst im 20. Jahrhundert, und zwar in den USA seit der Zwischenkriegszeit und in der Bundesrepublik Deutschland seit 1960.[11]

Bosshart spricht von einer Konsumgesellschaft, wenn eine Gesellschaft ihre menschlichen Wünsche und Bedürfnisse zum größten Teil über den Konsum definiert und ihn fast vollständig über den Geldmechanismus abwickelt.[12]

2.2 Die Entstehung

2.2.1 Die gesellschaftliche Entwicklung bis zum 20. Jahrhundert

Nach Capra haben sich die Weltanschauung und das Wertesystem, die die Grundlagen unserer heutigen Kultur bilden, in ihren wesentlichen Umrissen im 16. und 17. Jahrhundert ausgeprägt. „ Zwischen 1500 und 1700 veränderte sich auf bemerkenswerte Weise sowohl die Art, wie die Menschen die Welt beschrieben, als auch ihre gesamte Denkweise.“[13] Vor 1500 lebten die Menschen in kleinen, zusammenhängenden Gemeinschaften und erlebten die Natur als organische Beziehung: „ Charakterisiert durch die wechselseitige Abhängigkeit der spirituellen und materiellen Phänomene und die Unterordnung der Bedürfnisse des Einzelnen unter die der Gemeinschaft.“[14]

Die kleinste soziale Gesellschaft in der westlichen Kultur des 16. Jahrhunderts waren die Gruppe, die Zunft, der Stamm oder die Stadt.[15] Sehr viel davon, was die Menschen brauchten, erzeugten sie selbst. Der Konsum war an eine definierte Bedarfslage gekoppelt und bedeutete im Wesentlichen Existenzsicherung.[16] Zusätzlich wurde der Konsum überwiegend durch Tradition, Bräuche, Normen sowie Religion bestimmt.[17]

Diese mittelalterliche Weltanschauung änderte sich im 16. und 17. Jahrhundert. Das neue Bild von der Welt als Maschine löste die Vorstellung von einem organischen, lebenden und geistigen Universum ab. Die Natur wurde mathematisch beschrieben, man orientierte sich an der analytischen Denkmethode, die Weltmaschine wurde zur beherrschenden Metapher der modernen Zeit. Aufgrund dieser Dominanz der Rolle der Naturwissenschaft, die diese Wandlungen in Gang brachte, werden das 16. und 17. Jahrhundert als das Zeitalter der „Wissenschaftlichen Revolution“ bezeichnet[18]: „ Mit der Wissenschaftlichen Revolution und der Aufklärung wurden kritischer Verstand, empirische Erfahrung und Indivi­dualismus zu den beherrschenden Werten. Gleichzeitig erfolgte eine säkulare und materialistische Neuorientierung, die zur Produktion weltlicher Güter und zur Manipulationsmentalität des Industriezeitalters führte.“[19]

Damit liegt die wesentliche Änderung aber nicht nur in der Entwicklung der Technik, der Naturwissenschaften, sondern in der damit einhergehenden Veränderung des Menschen selbst: Der mittelalterliche Mensch sah sich als Glied einer sozialen und religiösen Gemeinschaft. Nur in Verbindung mit dieser Gemeinschaft empfand er sein eigenes Ich.[20] Dieses enge Gemeinschaftsgefüge löste sich mit Beginn der Neuzeit allmählich auf: Nicht mehr die Gemeinschaft stand im Mittelpunkt, sondern der Mensch selbst wurde zur kleinsten, sozialen Einheit.[21] Das westliche Ideal wurde der
autonome Mensch, „... der, der über sich selbst bestimmt, Freiheit erlangen könne[22]. Diese Wende zur Freizügigkeit ging einher mit dem Zerbrechen der religiösen Autorität in der Mitte des 19. Jahrhunderts.[23]

Mit diesem „» neuen Menschen «“ wuchs der Wunsch, die Natur zu beherrschen und aus sich selbst das Bestmögliche zu machen, sich unter Missachtung der alten Traditionen zu einem ganz neuen Menschen zu formen.[24] Es entwickelte sich aus einer gemeinschafts- und traditions-­­
orientierten Gesellschaft der moderne Individualismus, der bis heute in der westlichen Konsumgesellschaft eine sehr zentrale Stelle einnimmt.

Die damit einhergehende individuelle Lebensorientierung war der Wegbereiter des modernen Konsumverhaltens im 18. Jahrhundert. Das Volk, das noch im 16. Jahrhundert dem Konsum der Aristokratie nur zuschauen konnte, war vom 18. Jahrhundert an selbst in der Lage, an der neuen Konsumwelt teilzunehmen. Der Zugang wurde durch höhere Einkommen, erweiterte Produktangebote und dem Wegfall rechtlicher Konsumbeschränkungen ermöglicht . [25]

Ein größerer Anteil der Bevölkerung als in jeder Gesellschaft vorher hatte nun die Fähigkeit, sich am Kaufen von Konsumgütern zu erfreuen und genoss die Erfahrung, materiellen Besitz zu erwerben. Neben dieser Fähigkeit zeichnen insbesondere veränderte Einstellungen und Werthaltungen der Menschen für diese Nachfragesteigerung verantwortlich.[26] Stihler verweist in diesem Zusammenhang auf McKendrick, der von einem in diesem Ausmaß nie zuvor da gewesenen „ Willen zu konsumieren[27] spricht.

Vor allem die Mode war von zentraler Bedeutung. War im Mittelalter anhand der genauen Bekleidungsvorschriften die persönliche Stellung innerhalb der Gesellschaft genau doku­mentiert[28], spielten jetzt die Dienstboten bei der Verbreitung der Mode eine große Rolle: sie imitierten die aristokratische Mode.[29] Die Aristokratie versuchte den schwindenden Abstand wiederherzustellen, indem sie sich ihrerseits einem Mode-Konsum hingab, der dadurch von einem schnellen Wandel geprägt war.[30] Damit ergab sich eine Konsumspirale, die durch den technologischen Fortschritt noch verstärkt wurde. Es kam zur industriellen Revolution, die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert voll einsetzte.[31]

Diese industrielle Revolution sollte sich nach Büchli für die Menschheit als weltweite Umgestalterin der bisherigen Lebensverhältnisse und Anschauungen herausstellen. Es bahnte sich Schritt für Schritt eine bestimmte Technik an, Waren zu produzieren und Arbeit zu organisieren.[32] Damit kam es zur Entwicklung und zum Einsatz von neuen Marketing-Instru­menten: Neue Absatzmethoden wie Produkt- und Preisdifferenzierung, Modepuppen und -magazine sowie „ Erlebnisorientierung[33] in den Kaufhäusern legten den Grundstein für die weitere Entwicklung der Konsumkultur im 20. Jahrhundert.[34] Diese Erlebnisorientierung ist ebenfalls nach wie vor ein Wert unserer heutigen modernen Konsumgesellschaft (siehe Kapitel 2.3.1).

Es entstand eine Marktgesellschaft mit regelrechter Pflicht zum
Konsum:

„Im Konsum manifestiert sich die Verheißung der Industriegesellschaft, nämlich die Befreiung von sozialen Kontrollen und von Rücksicht auf andere und auf die Natur. Für die Loslösung aus traditionellen sozialen Zusammenhängen werden jedoch Ersatzbindungen gesucht. Hierfür bieten sich Konsumgüter an, denn sie vermitteln Zeichen und bringen soziale Identität zum Ausdruck.“[35]

Auf die Bedeutung der Konsumgüter und ihre Zeichenvermittlung wird noch unter Kapitel 2.3.4 genauer eingegangen.

2.2.2 Die Entwicklung zur modernen Konsumgesellschaft im
20. Jahrhundert

2.2.2.1 Der Konsumismus

In den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts begannen die Massenproduktion und der hoch entwickelte Konsum das Leben der Menschen aus der Mittelschicht zu ändern.

Schön langsam setzten sich die Forderungen durch, die für Frank unter dem Begriff des „ Konsumismus[36] laufen. Der Konsumismus steht für eine Revolution gegen die Älteren, gegen Wertvorstellungen, die sich nur an Arbeit und Produktion orientieren:

„Er lehnt sich gegen die Selbstbeschränkung und Unterdrückung der puritanischen Tradition auf und betont stattdessen das Vergnügen und die Befriedigung. Er kann auf Sparsamkeit und Beständigkeit verzichten und hebt dafür Mode und Schnelllebigkeit vor. Er zieht die Jugend dem Alter vor, den Wandel der Tradition, das Neue dem Alten, und seit den Sechzigerjahren auch das Angesagte dem Spießigen.“[37]

Das Aufkommen dieser Werte ist in Amerika spätestens seit den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu bemerken.[38] Nach einiger Verzögerung haben sie sich in Europa ebenfalls durchgesetzt.

Somit haben sich die Motive hinter dem Konsumverhalten seit dem
18. Jahrhundert verändert. Nicht mehr der Wunsch nach sozialem Aufstieg und Prestige, sondern das Streben nach Genuss und emotionalen Erlebnissen stehen im 20. Jahrhundert im Vordergrund des Konsumverhaltens.[39] Wobei die heutige moderne westliche Konsumgesellschaft sowohl die Motive des 18. Jahrhunderts als auch jene des beginnenden
20. Jahrhunderts in sich vereint (siehe Kapitel 4).

Für das Aufzeigen der weiteren Entwicklungsgeschichte des Konsums im 20. Jahrhundert wurde die Einteilung von Bosshart herangezogen: Für Bosshart sind drei Phasen in der Entwicklung des Konsums in der modernen Gesellschaft zu beobachten:

1. die Phase des Wohlfahrtskonsums im Wohlfahrtskapitalismus
2. die Phase des Konsumkapitalismus
3. die Phase des postmodernen Kapitalismus[40]

2.2.2.2 Der Wohlfahrtskapitalismus

Mit der Ausbildung des Wohlfahrtsstaates entstand der so genannte Wohlfahrtskapitalismus, der bis in die 50er Jahre hinein andauerte. Werte sollten langfristig gefestigt werden, durch eine Anhäufung an Werten sollte eine langfristige Wertsteigerung aufgebaut werden. Bosshart spricht in diesem Zusammenhang von dem „ Akkumulationsmodell von Werten[41]. Es wurden Opfer gebracht, Entbehrungen hingenommen und die Bedürfnisbefriedigung wurde aufgeschoben. Der Konsum wurde als Lohn für die Arbeit gesehen.[42]

In den USA wurde laut Bell zu diesem Zeitpunkt die Tugend der Leistung hervorgehoben, eine Tugend, die als „ Arbeiten und sein Glück machen[43] definiert wurde. Der Mensch hatte seinen Charakter mit der Qualität der Arbeit zu beweisen.[44]

In den 50er Jahren waren diese Vorstellungen von Leistung zwar auch noch vorhanden, allerdings wurde Leistung bereits mit „Status und Geschmack“ neu definiert. Es zählte nicht mehr, wie man arbeitete, sondern wie man das Geld ausgeben und daran Spaß haben könnte. Die amerikanische Kultur der 50er Jahre war überwiegend hedonistisch geworden und hatte sich dem Spiel, dem Spaß und dem Vergnügen zugewandt.[45] Laut Bell wurde der Massenkonsum durch die Revolutionen in der Technologie und durch drei soziale Innovationen ermöglicht: „ durch die Massenproduktion am Fließband, (...); durch die Entwicklung des Marketings, (...); und durch die Popularisierung von Ratenzahlungen,...“[46] Zu dem Zeitpunkt, zu dem Massenkonsum und hoher Lebensstandard als legitimes Ziel der Wirtschaftsordnung angesehen wurde, stellte sich die Gesellschaft auf Wandel und Hinnahme von kulturellem Wandel ein.[47]Verkauf wurde zur auffälligsten Tätigkeit im gegenwärtigen Amerika. Im Gegensatz zur Sparsamkeit proklamiert der Verkauf die Verschwendung, im Gegensatz zur Askese den verschwenderischen Aufwand.“[48]

In Europa ging der in materiellen Gütern messbare Fortschritt langsamer voran, noch weit bis in die 50er Jahre hinein herrschte eine starke Sparpolitik – und kein beliebiges Konsumieren.[49]

Die Aufgabe der Werbung im Europa der Nachkriegsjahre lag für Bolz darin, die offenen, klar definierten Bedürfnisse zu befriedigen.[50] Werbung stand somit unter dem Aspekt „ Befriedige mich[51].

2.2.2.3 Der Konsumkapitalismus

Mit Beginn der 60er Jahre zielt auch die Entwicklung in Europa auf raschen Konsum, auf einen raschen Werte-Verzehr hin ab. Der Konsumkapitalismus steht für eine Wegwerfgesellschaft, es sind keine dauerhaften Werte mehr gewünscht. Denn diese stellen, so Bosshart, eine zu große Reibungsfläche für eine voll entwickelte Konsumgesellschaft dar[52]: „ Nur die schnelle Wertezerstörung und der schnelle Verbrauch oder wenigstens die schnelle Umwertung ist kompatibel mit dieser Gesellschaftsformation.[53] Das bedeutet: Während bis in die 50er Jahre die Anhäufung von Werten das vorherrschende Gesellschaftsmodell war, setzt sich nun, mit dem Konsumkapitalismus, auch das Konsumieren von Werten durch. Horx setzt ebenfalls mit den 60er Jahren die „ erste Blüte der Konsumgesellschaft[54] an.

Die Zeitspanne dieses Konsumkapitalismus dauert für Bosshart bis in die frühen 90er Jahre, den Höhepunkt sieht er allerdings in der zweiten Hälfte der 80er Jahre[55], diese Zeitspanne der 80er Jahre bis zum Ende der Dekade definiert er als die „ reine[n] Form“ des Konsumismus: „ Alle Hemmschwellen konnten abgelegt werden; nichts war mehr tabu.“[56] Das, das eben noch als neueste Errungenschaft beschrieben worden ist, ist im nächsten Moment bereits veraltert.[57] So sieht für ihn das neue Konsummodell aus.

Dieses Konsummodell zeichnet sich für Kotler und Bliemel durch einen starken Trend zur Selbsterfüllung aus. Diese Selbsterfüllung zeigt sich im Streben nach Lustgewinn durch Spaß, in der Flucht aus dem Alltag aber auch durch therapeutische oder religiöse Zusammenkünfte. Kotler und Bliemel verweisen auf zahlreiche Sozialforscher[58], die in der Abwertung von Pflicht- und Akzeptanzwerten sowie in der Aufwertung von Selbstentfaltungswerten den markantesten Wertewandlungsschub der letzten Jahrzehnte sehen . [59]

Stihler verweist in diesem Zusammenhang auf die zunehmend sachlichere und funktionalere Umwelt des Menschen und sieht diese Entwicklung ausschlaggebend für ein Streben nach sinnlicher und emotionaler Stimulierung. Konsum wird als Ausgleich gesehen, er übernimmt die emotionalen Erlebnisse in Form von Ersatzhandlungen. Die Arbeit, in den 50er Jahren noch ein zentraler Wert, hat sich mittlerweile lediglich zu einem Mittel zur Realisierung der vielfältigen Freizeit- und Konsuminteressen entwickelt.[60] Unterstützt wird diese Entwicklung, so Capra, von der Industrie, ...“die Menschen zu stetiger Steigerung ihres Konsums nutzloser Dinge ermuntert...“[61]. Diese scheinbare Unersättlichkeit ist, laut Bartelt, gemein­sam mit der Konsumgesellschaft entstanden, sie ist ihr Motor und gleichzeitig ihr Resultat.[62]

Für Bolz zeigt sich der Übergang von der Wohlfahrtsgesellschaft zu einer reinen Konsumgesellschaft darin, dass zuerst der Kunde die Waren sucht und der Markt den Kunden informiert. Mit der Befriedigung der Bedürfnisse auf Dauer suchen die Waren ihre Kunden. Dazu muss der Markt verführen.[63] Die Aufforderung an die Werbung zu dieser Zeit lautet für Bolz damit: „ Verführe mich[64].

2.2.2.4 Die postmaterialistischen Werte

Diese Phase sieht Bosshart seit Mitte der 90er Jahre in voller Entfaltung.[65] Er spricht davon, dass der postmoderne Kapitalismus das reine Konsummodell „ infiltriert und unterwandert[66].

Vor allem seit der Ölkrise in den 70er Jahren wurde Kritik an der starken, an Wachstum orientierten Konsumgesellschaft laut. Erstmals dachte man über die Endlichkeit der natürlichen Ressourcen nach. Die Entwicklung sei an dieser Stelle nur chronologisch erwähnt und wird in Kapitel 4 ausführlich behandelt.

2.3 Die Konsumorientierung und ihre Werte

Die nachstehende Auflistung einiger ausgewählter Wertmodelle ist keine umfassende Gesellschaftsbeschreibung der Konsumgesellschaft, sondern steht stellvertretend für eine Reihe an gleichzeitig zu beobachtenden Wertmodellen, die alle im Rahmen der Konsumorientierung koexistieren. Die Variationsbreite zeigt, dass sich die gesellschaftliche Wirklichkeit nicht auf eine einzige Beschreibungsform eingrenzen lässt. An dieser Stelle werden jene Werte beschrieben, die in einer grundlegend konsumorientierten Gesellschaft beobachtet werden können und mit der Aufgabenstellung dieser Arbeit in Zusammenhang stehen.

2.3.1 Die erlebnisorientierte Freizeitgesellschaft

Mit Ende der 90er Jahre wird Freizeit nicht nur als Entspannungsfreizeit immer wichtiger, sondern als Zeit zur Selbstverwirklichung.[67]

Arbeit steht nicht mehr im Mittelpunkt des Lebens, sie gilt nicht mehr als der eigentliche Sinn des Lebens. Die Freizeit wird insofern zum Selbstzweck, „... dass sie einen eigenen Wert bekommt[68]. Der Beruf wird häufig mit Unlust und Leistungszwang verbunden und steht damit im Gegensatz zu Spaß und Lebensgenuss. Doch die berufliche Tätigkeit, die gleichzeitig Verdienst und Spaß bringt, ist schwer zu finden. In dem Studienergebnis kommt zum Ausdruck, dass diese Kombination von vielen gar nicht gesucht wird: „ Spaß und Genuss gehören in die Freizeit.“[69]

Diese Freizeitgesellschaft ist gleichzeitig eine Erlebnisgesellschaft: Die Suche und die Sucht nach dem Erlebnis kann in der Mehrzahl der Fälle nur in der Freizeit befriedigt werden.[70] Dabei scheint es selbstverständlich geworden zu sein, positive Aufregung, bis an die Grenze gehende Erfahrungen, spannungsgeladene Abwechslung und Thrill zu erleben. Ein vergleichsweise monoton empfundener Alltag wird verlassen, er wird mit Erleb­nissen kompensiert, die es zu kaufen gibt.[71]

Die zunehmende Erlebnisorientierung haben Kroeber-Riel und Weinberg unter Berufung auf weitere Sozialforscher als den grundlegenden Wertewandel angesehen.[72]

Weinberg und Gröppel verstehen unter Erlebnisorientierung im Konsum „ ...ein Bedürfnis nach sensualer Anregung [zu verstehen], welches sich in der Suche nach emotional gefärbten Konsumerlebnissen niederschlägt.“[73] Erlebnis bzw. Erlebniswert bedeutet, dass die Verbraucher die angebotenen Produkte immer weniger wegen ihres funktionalen Nutzens, sondern immer mehr wegen ihres immateriellen, z.B. symbolischen Nutzens kaufen.[74] Dieser Konsum fordert Emotionalität, so Bosshart.[75] Der Konsument erwartet stressfreies Shoppen und Convenience: „ Was uns das wirkliche Leben immer mehr versagt, muß uns auf der Produktebene wiedergegeben werden.“[76]

Auch noch 1999 sehen Kroeber-Riel und Weinberg den erlebnisorien-tierten Mensch im Vormarsch. Dieser Mensch repräsentiert eine „ Spezies der Zukunft, die sich emotional verwirklichen will[77]. Der Mensch lebt nicht mehr primär für die Zukunft. Er lebt in der Gegenwart und drückt in dieser seine Individualität aus.[78] Kollmann spricht in diesem Zusammenhang von der „ Marke Ich[79], die auch in der Freizeit produziert wird.

Das Thema Freizeit der österreichischen Jugendlichen wurde 1999 im Zuge einer Medienkonsum-Studie von Luger und Starka analysiert. Sie zeigen auf, dass diese Jugendlichen ein Mehr an Freizeit im Vergleich zu den Generationen davor haben. Damit steht die Wichtigkeit der Freizeit in einem direkten Verhältnis zur Verfügbarkeit. Diese Mehrzeit an Freizeit soll nach den Vorstellungen der Jugendlichen, so wie das Leben an sich, möglichst viel Spaß bereiten, ereignisreich und lustvoll sein: „ Freizeit wurde zur Sinnkategorie und Fun zu einer weitverbreiteten Lebenseinstellung unter Jugendlichen.“[80] Die Jugendlichen leben nicht für die Arbeit. Die Freizeit bekommt eine zunehmende identitäts- und sinnstiftenden Dimension.[81]

In dieser Freizeit spielen die Kulturindustrie, hier vor allem Film, Fernsehen, Musik sowie der Warenkonsum, insbesondere in den Bereichen der Mode, des Sports und des Tourismus, eine dominierende Rolle für die Jugendlichen, da sie einen großen Teil deren Freizeit bestimmen.[82] Das Freizeitverhalten hängt damit in den weitaus meisten Fällen sehr intensiv mit dem Konsum zusammen.[83]

Eine im Jahr 2000 durchgeführte Studie vom Linzer Institut market bestätigte noch diese Wertorientierung. In einer Analyse von Erziehungsgrundsätzen zeigt sich, dass Freiheits- und Entfaltungswerte [ definiert an den Kriterien Selbstverwirklichung, Genuss, Erlebnis, d. Verf.] massiv an Bedeutung gewonnen haben und gleichzeitig Verpflichtungswerte abgebaut wurden. Tugenden wie Sparsamkeit, Bescheidenheit und Freundlichkeit würden bröckeln.[84]

Dies bestätigen auch noch Studienergebnisse, die das Institut für Demoskopie Allensbach zeitgleich mit dem B.A.T. Institut im Jänner 2001 durchgeführt haben. B.A.T. zitiert die Ergebnisse des Allensbacher Instituts [mit Quellenverweis Allensbacher Berichte Nr. 5, 2001, S. 2. [85] , d. Verf.], welches in diesem Zusammenhang von einem „ tiefgehenden Wertewandel[86] spricht: Soziale Motive wie Nächstenliebe und gesellschaftliche Verantwortung hätten in den letzten Jahren deutlich an Attraktivität verloren. Opaschowski weist darauf hin, dass in den früheren Jahren nicht so eindeutig ausgesprochen wurde, dass der Sinn des Lebens ausschließlich im Lebensgenuss liegt.[87]

Opaschowski, Freizeitforscher von British American Tobacco, resümiert zu diesem Zeitpunkt, dass anstelle der vorausgesagten Informationsgesellschaft die Zukunft eher einer Infotainment-Gesellschaft gehören wird, die auf Information nicht verzichten kann und auf Entertainment nicht verzichten will: „ Das ganze Leben wird zum Event – so will es der Zeitgeist des 21. Jahrhunderts.“[88]

Diese Werteorientierung hat sich noch im Jahr 2001 deutlich geändert, zeigen die weiteren Freizeitstudien von Opaschowski. An dieser Stelle erfolgt ein Verweis auf Seite 48.

2.3.2 Die hedonistisch/individualistische Gesellschaft

Der Beginn der individuellen Lebensorientierung als Wegbereiter des modernen Konsumverhaltens geht bis in das 18. Jahrhundert zurück (siehe S. 12). Durch die beschriebenen gesellschaftlichen Entwicklungen und die Veränderungen der Werte entstand ein Konsument, der sich durch seinen gestiegenen Wohlstand, seine höheren Ansprüche und durch seine höhere Sinnesverwöhntheit auszeichnet. An erster Stelle seiner Ziele steht die Selbstverwirklichung, die insbesondere durch Kaufen und Konsum erreicht werden soll.[89]

Auch für Inglehart geht es heute nicht mehr ums Überleben, sondern um das individuelle Wohlergehen.[90] Die starke Konzentration auf die eigene Persönlichkeit und die intensive Suche nach der eigenen Identität hat vor allem in der Jugendforschung in den letzten Jahren immer wieder für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Freizeitstudie des Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen von 1999, durchgeführt vom Öster­reichischen Institut für Jugendforschung, bestätigt diesen Trend:

„Was bei diesen Daten deutlich wird, ist die größere Individualisierung auch im Jugendalter. Nicht nur in gesellschaftlichen und politischen Themen kann man den Trend zu einem verstärkten Indivi­dualismus erkennen, sondern auch in der Bedeutung der verschiedenen Freizeitaktivitäten.“[91]

Die beiden nachstehend zitierten Untersuchungen weisen ebenfalls auf einen hohen Grad von Selbstzentriertheit hin: Fessel-GfK erhebt 2001 im Zuge der Jugend-Online-Studie: „ Fun, Freiheit und Aufstieg sind (...) weniger häufig ‚sehr‘ wichtig, vielleicht, weil diese Dinge als selbstverständlich betrachtet werden: Für 54 % ist zwar viel Freiheit ‚sehr‘ wichtig, Abwechslung, Abenteuer und Freiheit aber nur für die Hälfte der Befragten, Karriere für 39 % und Geld für 34 %. Bei aller Wichtigkeit der anderen, das ICH ist noch wichtiger.“[92]

Die Shell-Jugendstudie 2002 zeigt auf, dass es mittlerweile sogar gerechtfertigt erscheint, den Sozialcharakter der Mehrheit der Jugendlichen als „ Egotaktiker[93] zu bezeichnen:

„Egotaktikerinnen und Egotaktiker fragen die soziale Umwelt ständig sensibel nach Informationen darüber ab, wo sie selbst in ihrer persönlichen Entwicklung stehen. (...) Zur egotaktischen Grundein-stellung gehört ein Schuss Opportunismus ebenso wie eine Portion Bequemlichkeit, eine abwartende, sondierende Haltung ebenso wie die Fähigkeit, im richtigen Moment bei einer sich bietenden Gelegenheit zuzugreifen.“[94]

Diese Konzentration auf die eigene Persönlichkeit ist für Karmasin H. und Karmasin M. nachvollziehbar. Sie führen diese Wertorientierung auf die Marktgesellschaft zurück, denn die individualistisch ausgeprägte Kultur „ funktioniert offensichtlich nach dem Modell des Marktes[95]. Der Markt als soziale Institution setzt ganz bestimmte Werte und Prinzipien voraus, die für das Funktionieren dieser Marktgesellschaft gegeben sein müssen: „ Ein Markt lässt sich nicht denken ohne das Zulassen des Motivs des eigenen Nutzens des Menschen als Konsument. Er ist per Definition eigennützig.“[96] Die Marktteilnehmer können durch ihre individuelle Leistung nach oben kommen und ihren individuellen Nutzen maximieren.[97]

Diese Nutzenmaximierung findet sich schon bei Adam Smith: „ Das entscheidende Motiv oder die Haupttriebfeder für die Bildung von Wohlstand in einem Land ist das Streben des einzelnen nach Verbesserung seiner ökonomischen Lage und seines sozialen Rangs.[98] Für Smith handelt es sich jedoch um einen „...geläuterten, aufgeklärten und einem sozialen und rechtlichen Regeln unterworfenen Egoismus.“[99]

Liessmann unterscheidet zwischen einer Marktgesellschaft und einer Konsumgesellschaft. Für ihn sind das zwei unterschiedliche Dinge. Er teilt die Meinung, dass Gesellschaften Idealvorstellungen davon entwickeln, wie sie sich die Welt deuten. Für Liessmann sind das Konsumieren und die Konsumenten, unabhängig von Märkten, zu einem entscheidenden Paradigma geworden, das alle Bereiche umfasst. Er beobachtet, dass Menschen nur mehr konsumieren wollen. Das ist für ihn keine Frage des Marktes oder der Ökonomie, sondern der kulturellen Selbstdeutung des Menschen.[100]

Die Betonung der hedonistisch-narzisstischen Werte, die Betonung der Individualität, des Widerstandes gegen jeden Fremdzwang zeichnen für Karmasin H. die moderne Konsumgesellschaft aus:

„Das völlig Neue an dieser Entwicklung ist, daß nahezu alle früheren Werte in irgendeiner Form an der Idee des Sozialen, der Gesellschaft, der Öffentlichkeit, der Relationen zu anderen Personen orientiert waren, während jetzt die Ansprüche des Individuums als autonomer Person, als von jeder Fremdbestimmung losgelöster Person als legitim betrachtet werden...“[101]

Diese Form des Konsums hat mit Spaß, mit Genuss, mit Lebensfreude zu tun. Für die extremste Form dieser Ausprägung existiert der Begriff des „ Konsumäffchens[102]: Dabei wird der Konsument als primär emotional ansprechbares Wesen gesehen, das sich triebgesteuert, verspielt verhält, das nach hedonistischen Prinzipien reagiert.[103] Bell sah 1967 den Hedonismus als die kulturelle Rechtfertigung des Kapitalismus an: „ Das Vergnügen als Lebensstil.[104] Auch für Bosshart ist der Hedonismus die moderne Ethik der Konsumgesellschaft.[105] Damit ist der Konsum „... eine bestimmte Vorstellung von Glück und Lust, die das Handeln antreibt.“[106]

Opaschowski veröffentlicht noch im Jahr 2001, dass das „ Spaßprinzip als Lebenselixier[107], d.h. als Ausdruck von Motivation, Begeisterung und Lebensfreude, in Zukunft immer wichtiger werden wird.[108]

2.3.3 Die Mediengesellschaft

Nach einem deutlichen Schub bei der Güterausstattung der Haushalte, beginnend in Mitteleuropa mit den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, war es ab den späten 80er Jahren vor allem die neue Kommunikationstechnik [ damit sind neue Informations- und Kommunikations­technologien gemeint, d. Verf.], die in die Haushalte Einzug hielt: Personalcomputer, Telekommunikation, insbesondere Funktelephonie und
Internet. Professionelle Techniken, und das waren Computer, Funktelephon und Internet, sind aus dem Berufsarbeitsbereich in den Konsumbereich hineingeschoben worden. Der Schritt zur medialen Gesellschaft war getan.[109]

Die „ zunehmende Nutzung der Medien, das gesellschaftliche Miteinander und die steigende Mobilität[110] bestimmen die aktuellen Veränderungen im Freizeitverhalten der ÖsterreicherInnen, so Zellmann im Freizeitmonitor 2001. Der Medienkonsum liegt bei den am häufigsten ausgeübten, regelmäßigen Freizeitaktivitäten – neben Familie und Freunde – an erster Stelle.[111]

Das lässt sich mit nachfolgenden Zahlen belegen: Laut Statistik Austria waren im Juni 2002 93 % aller österreichischen Haushalte mit einem Fernsehgerät ausgestattet. Eine Satellitenempfangsanlage stand in 42 % aller Haushalte, Kabelfernsehen wurde von 37 % aller Haushalte empfangen.[112] Die aktuellen Zahlen des Teletest 2002 auf Basis von 1.500 Panelhaushalten weisen eine tägliche Fernsehnutzung von 162 Minuten aus.[113] Im Vergleich dazu spricht Eichmann unter Berufung auf ÖSTAT noch für das Jahr 1992 von einem gesamten durchschnittlichen Medienkonsum [= Print + TV zusammen, d. Verf.] pro Tag in der Freizeit von 125 Minuten.[114] Zellmann registriert ebenfalls eine weiter steigende Fernsehbegeisterung, die in den letzten vier Jahren nach seinen Ergebnissen um vier Prozentpunkte zugelegt hat.[115]

In Bezug auf die Ausstattung mit Computer zeigt Statistik Austria, dass im Juni 2002 1,5 Mio Haushalte in Österreich, das sind 45 % aller Haushalte, mit einem Computer ausgestattet waren. Wobei die Ausstattung mit moderner Informations- und Kommunikationstechnologie stark von der Haushaltsgröße abhängt. Davon nutzten in den Monaten April bis Juni 2002
49 % aller Personen zwischen 16 und 74 Jahren den Computer zumindest einmal. Das sind mehr als 2,9 Mio Menschen. Die Nutzung des Computers ist sehr stark altersabhängig: Während in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen der Anteil der Nutzung bei 77 % liegt, beträgt dieser Anteil in der Altersgruppe der 45- bis 54-Jährigen nur 46 %. Der Computer wird auf dem Arbeitsplatz und in der Freizeit verwendet: 1,8 Mio Menschen verfügen an ihrem Arbeitsplatz über einen Computer; 2,1 Mio Menschen benutzen ihn zu Hause.[116]

Für Zellmann ist damit die „ Generation @“[117] Wirklichkeit geworden: „ Um ein Drittel mehr Menschen (29 %) benutzen ihren PC auch in der Freizeit regelmäßiger als im Durchschnitt der letzten 5 Jahre. Und das Internet hat seine Freizeittauglichkeit im Vergleichszeitraum mehr als verdoppelt: 25 % regelmäßige Freizeitnutzung 2001![118] Das sind Zuwachsraten, die laut Zellmann bei keiner anderen Freizeitaktivität in den letzten Jahrzehnten auch nur annähernd erreicht worden sind.

Damit stellt sich die Frage, ob das Zeitbudget der Menschen beliebig erweiterbar ist. „ Die Quantität des Medienkonsums scheint immerhin auf Kosten der Qualität und des wirklichen Hinsehens und Zuhörens zu erfolgen, “ meint Zellmann. „ Es werden mehr Aktivitäten gleichzeitig in dieselbe Zeiteinheit hineingepackt.[119] Eichmann ist der Meinung, dass sich die Medien in ihrer Nutzung im Laufe der letzten 10 Jahre transformiert haben: Das Fernsehen verliert den Status als Leitmedium der Information und wird zum Leitmedium der Unterhaltung. Die Printmedien bleiben Leitmedien für die Information und die Internetmedien bekommen zunehmend diesen Status.[120] Über die täglich durchschnittliche Nutzungszeit der Printmedien existieren keine genauen Zahlen, jedoch lesen 75 % der
ÖsterreicherInnen ab 14 Jahren zumindest eine Tageszeitung. Magazine werden von 85 % der Bevölkerung gelesen, 16 % lesen sogar 7 Magazine und mehr.[121]

Für die Jugendlichen stellen die Medien Lebensrealität dar, sie haben im Laufe der Zeit gelernt, mit ihnen umzugehen. Eine mediale Totalverweigerung ist aufgrund ihrer Omnipräsenz kaum denkbar. Deshalb sieben sich Jugendliche nach Meinung von Luger und Starka aus dem medialen Angebot das heraus, was für die eigenen Bedürfnisse geeignet und brauchbar erscheint.[122]

Die Bedeutung der Medien wird in den Ergebnissen der Fessel-GfK Studie „Jugend Online 2002“ nach wie vor bestätigt. Fessel-GfK weist auf die ihrer Meinung nach identitätsprägende Wichtigkeit von Musik für die Jugendlichen hin. Die neuen Medien sind bereits als Selbstverständlichkeit in den jugendlichen Alltag integriert, sie formen nicht nur die Lebensge­- staltung, sondern vor allem auch die Kommunikation.[123]

Es besteht kein Zweifel, dass die heutige Gesellschaft, wie auch immer sie definiert wird, von Informations- und Kommunikationsprozessen deutlicher geprägt wird als jede Gesellschaft davor.[124] Den Medien kommt vor allem bei der Kreation von Lebensstilen ein hohes Maß an Bedeutung zu, da sie als Vermittler entsprechender Lebensstil- und Sinnangebote auftreten.[125]

2.3.4 Die Objektgesellschaft

Konsum wurde zu einem Mittel der Differenzierung und zu einem Mittel der Selbstdarstellung. In der modernen, industriellen Gesellschaft, in der persönliche Leistung einen der höchsten Werte darstellt und damit maßgeblich für die Statuszuweisung ist, ist das Demonstrieren von finanzieller Stärke einer Person mit einem demonstrativen Konsumverhalten verbunden.[126] Erstmals macht Veblen durch den Begriff des „ demonstrative[n] Konsum[s|[127] darauf aufmerksam, dass nicht nur einfach konsumiert wird, sondern dass über den Konsum auch dargestellt wird.[128]

Mit Hilfe des demonstrativen Konsums kann soziale Anerkennung gewonnen, können Zugehörigkeit bzw. Abgrenzung gezeigt werden. Aus diesem Grund wird der Bedeutung der Dinge im Rahmen der Konsumgesellschaft so viel Aufmerksamkeit geschenkt.

Mit der Fülle an Waren, im materiellen Überfluss, entwickeln sich laut Horx für breitere Schichten Entfaltungs- und Selbstdarstellungsmöglichkeiten und schließlich „ authentische Individualität[129]. Individualismus ohne äußere Güter, Waren und Produkte, so Horx, wäre eigentlich nur als autistischer Akt denkbar: „ In den Dingen spiegeln wir uns.[130] Diese Zeichen­systeme können nicht lügen, ist Bosshart überzeugt: „ Denn sie senden ihre Symbole, von denen abgelesen werden kann, welches Selbstverständnis das jeweilige Individuum von sich hat.“[131] McCracken sieht als wesentliche Funktion der Konsum-Symbole die „ Repräsentation immaterieller Vorstellungen und Beziehungen, Werte und Ideale[132].

Der Konsument setzt mit seinen Kaufakten aber nicht nur individuelle, sondern, so Douglas, auch kulturelle Zeichen, in dem er durch den Konsum ganz deutlich Präferenzen für bestimmte Prinzipien ausdrückt: „ Prinzipien, die beschreiben, wie das Leben gelebt werden sollte, welche Werte im Leben wichtig sind. Mit der Artikulation dieser Prinzipien drückt der Konsument aber auch Abgrenzung aus und stimmt damit ganz vehement gegen andere Prinzipien und Auffassungen.“[133]

Dieser kulturellen Definition schließt sich Horx an. Auch aus seiner Sicht ist Konsum mehr als Verkauf und Marketing, Konsum ist ein für ihn ein kultureller Akt und eine Interaktion, die von Trendströmungen tief im Inneren der Gesellschaft abhängig ist[134]: „ Im Konsum spiegeln sich Werte, Wünsche, Träume der Menschen – und der Wandel unserer Zeit.“[135]

Basierend auf den theoretischen kulturanthropologischen Arbeiten von Mary Douglas[136] sehen auch Karmasin H. und Karmasin M. die Entscheidungen, die KonsumentInnen treffen, nicht länger als individuelle Prozesse, die auf den individuellen Bedürfnissen, dem Geschmack oder der individuellen Psyche des Einzelnen beruhen:

„Zunehmend wird klar, daß jede Wahl, sei es die Wahl einer Automarke, eines Möbelstücks, einer medizinischen Behandlungsmethode, auch eine kulturelle Komponente hat: sie bedeutet auch die Wahl einer bestimmten Art zu leben, ein Votum für eine bestimme Art der Gesellschaft und eine Ablehnung eines anderen Typs.“ [137]

Damit sind Produkte bzw. Marken als Erscheinungen unserer modernen Konsumgesellschaft sehr relevante Zeichensysteme mit einer individuellen und einer gesellschaftlich/kulturellen Ebene.

2.3.5 Die an Äußerlichkeiten orientierte Gesellschaft

Ein wichtiges Merkmal für den demonstrativen Konsum stellt ohne Zweifel das äußere Erscheinungsbild dar. Anhand der Kleidung, des Stylings, dem modischen Verhalten versuchen Menschen einander auf den ersten Blick zu kategorisieren – in Bezug auf ihren sozialen Rang, ihre Zugehörigkeit, ihren Platz innerhalb der jeweiligen Gesellschaft. Gerade die Mode, und hier vor allem die Kleidung, ist für Girtler der wichtigste und sichtbarste Symbolträger.[138]

Doch ist diese Zuordnung in unserer heutigen Konsumgesellschaft nicht mehr ganz so einfach vorzunehmen wie in den früheren Jahrhunderten. Im Mittelalter z.B. war es einem sozial Tieferstehenden aufgrund der strikten Kleidungsvorschriften unmöglich, sich vornehmer zu geben als er tatsächlich war. Es war sehr einfach möglich, Menschen anhand ihrer Kleidung sozial einzuordnen.[139]

Im Zuge der „ Demokratisierung der Mode[140] hat sich einiges geändert. Gute Kleidung ist in der heutigen modernen Konsumgesellschaft keine Frage der bestimmten sozialen Schicht, denn es herrscht heute ein allgemeinerer Zugang dazu vor.[141] Deshalb bemüht sich die „ bürgerliche Geldaristokratie[142] weiterhin, das Symbol der vornehmen Kleidung mehr oder weniger unaufdringlich einzusetzen. „ Das feine Gewand “, stellt Girtler fest, „ unterscheidet in diesem Sinn auch den mächtigen oder höher bewerteten Fabriksdirektor bzw. Fabriksangestellten von dem ‚gewöhnlichen’ Arbeiter.“[143] Eine weitere wichtige Komponente kommt laut Veblen der demonstrativen Bekleidung zu: Die Kleidung schafft wie kaum ein anderes Symbol, Müßiggang zu demonstrieren. Die Kleidung zeigt die Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, die es nicht notwendig hat, für das tägliche Geld zu arbeiten.[144]

Girtler weist darauf hin, dass sich die Modeindustrie der heutigen Konsumgesellschaft von diesem aristokratischen Muster inspirieren lässt, um den modernen Menschen „...vorzu­gaukeln, er sei mit einer bestimmten Kleidung ein vornehmer Mensch[145]. Der feine Mensch will sich weiterhin symbolisch von den ordinären Leuten abheben. Damit wird die Kleidung nach wie vor als wichtiges Symbol gesehen, um den Mitmenschen die Abgehobenheit der eigenen Person vorzuführen.[146]

Dichter fragte sich 1964, was an den neuen, modischen Kreationen immer so aufregend wäre und bestätigt mit dieser Frage die Bedeutung der Kleidung für die moderne Konsumgesellschaft. Die Antwort auf diese Frage fällt bei Dichter mehrdimensional aus. Einerseits sind Kleider zu „ unserem verlängerten ‘Ich‘ “ geworden: „ Unsere Kleidung soll zwar unsere wirkliche Persönlichkeit nicht verbergen, sie soll aber das Bild akzentuieren, das wir selbst darzustellen glauben.“[147] Dichter spricht darüber hinaus den Aspekt des Vorbildes an. Er ist der Meinung, dass die enge Beziehung zwischen Kleidung und Charakter auch dadurch deutlich wird, dass wir – sei es bewusst oder unbewusst – den Stil eines Menschen kopieren, den wir sehr bewundern.[148]

Die an Äußerlichkeiten sehr interessierte Konsumgesellschaft definiert damit aber nicht nur die Kleidung als einen wichtigen Wert, sondern den gesamten Bereich des äußerlichen Erscheinungsbildes. In der heutigen westlichen Konsumgesellschaft gelten schöne, schlanke, durchtrainierte, jugendliche Körper als der anzustrebende bzw. der zu erhaltende Idealzustand. Diese Ideale entspringen dem Jugendkult, der sich von Amerika aus über Europa und mittlerweile auch schon über andere Regionen unserer Welt ausgebreitet hat.[149]

Die Forschungsstelle für Sexualwissenschaften und Sexualpädagogik der Universität Landau ließ 1998 eine repräsentative Studie durchführen – befragt wurden 702 Männer und 764 Frauen zwischen 19 und 91 Jahren in Deutschland. Das Ergebnis zeigt, dass Frauen eher als Männer schön und schlank sein wollen: Einerseits, weil dies generell eine traditionelle Erwartungshaltung an Frauen ist, weil Frauen ihrem Aussehen mehr Aufmerksamkeit widmen und weil sie unter dem gesellschaftlichen Druck, schön und schlank sein zu müssen, mehr leiden als Männer. Obwohl laut dieser Studie der Geschmack und die Vorstellungen von Schönheit bei zwei Drittel der Männern und Frauen von den jeweiligen Partnern geprägt werden, werden Frauen darüber hinaus stark vom Freundes- und Bekanntenkreis sowie von den Medien beeinflusst. Zusätzlich orientieren sich Männer und Frauen zur Geschmacksbildung auch an berühmten Personen wie SportlerInnen, MusikerInnen, SchauspielerInnen, Models und anderen Stars.[150]

Laut Trapp verrät eine teuer gepflegte oder herbeioperierte Schönheit eine soziale Macht – die des Geldes. Er weist darauf hin, dass in den USA mittlerweile die Armen infolge schlechter Ernährung tendenziell übergewichtiger als Angehörige der Mittelschicht. Diese leisten sich bei Unförmigkeit eine Fettabsaugung oder teure Trainingsstunden. Spätestens hier wird laut Trapp der Mythos von der Schönheit als Erfolgssymbol zu einer Selffullfilling Prophecy[151]: „ Die Schönen müssen erfolgreich sein, sonst könnten sie sich ihr Aussehen gar nicht leisten.“[152]

Auch bzw. vor allem die Werbung zeigt dieses Schönheitsideal der schönen, schlanken, gesund aussehenden Körper gerade in ihren Umsetzungen für die Mode- und Kosmetikbranche. Fit, schön, modisch und begehrenswert zu sein – diese Inhalte sind Teil eines Wertekanons, der in der modernen Konsumgesellschaft allgemeiner Konsens ist, zeigt sich Trapp überzeugt.[153]

2.3.6 Die leistungsorientierte Marktgesellschaft

Auch wenn Engholm 2001 vom Vormarsch neuer, angloamerikanisch geprägter Denk- und Verhaltensmuster spricht, die nahezu alle Bereiche
unserer Gesellschaft vom Geist einer neuen Weltökonomie überrollen werden, so ist diese Grundorientierung nicht neu.[154]

Neu ist vielmehr, dass diese ökonomische Ausrichtung sich auf das gesamte Zusammenleben ausgedehnt hat. Nach Engholm lauten die Fragen, wenn man heute [= 2001, d. Verf.] zusammenkommt: „Was ist von Vorteil?, Was ist zweckvoll?, Was bringt Nutzen?, Was ist effizient?, Was ist profitabel?“ [155]

Auch Giddens weist auf diesen Aspekt hin. Für ihn sind die Existenz eines „ industriell-kapitalistischen Marktes[156] sowie der Einfluss von Wissenschaft, Technologie und Demokratie noch immer jene Kräfte, die die Veränderungen vorantreiben. Diese Kräfte dehnen sich immer weiter aus und bestimmen bzw. beeinflussen damit stärker als bisher das Leben der Menschen.[157]

Auch für Thielmann ist es eindeutig, dass wir in einem Zeitalter der Ökonomisierung aller Lebensbereiche leben.[158] Und dieser Ökonomismus hat sein eigenes Leitbild geschaffen, den „erfolgreichen, skrupellosen, konsumfreudigen Zeitgenossen[159].

Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle noch einmal auf Karmasin H. und Karmasin M. hingewiesen (siehe S. 26). Für sie basiert die derzeitige Kultur „ nach dem Modell des Marktes[160]. Die Marktteilnehmer können durch ihre individuelle Leistung nach oben kommen und dadurch ihren individuellen Nutzen maximieren.[161]

Dieses Leistungsprinzip dominiert jedoch nicht nur den beruflichen Alltag, sondern ist bereits bis in die Freizeit vorgedrungen. Kollmann stellt fest, dass das angestrebte Freizeitergebnis Fun ebenfalls als eine Art soziales Wettbewerbsthema verstanden wird: Fun nach dem Leistungsprinzip.[162]

Damit sind stellvertretend wichtige Werte der heutigen Konsumgesellschaft in ihrer Entwicklung angesprochen worden. An dieser Stelle wird darauf hingewiesen, dass diese Auswahl einen Querschnitt der in der Gesellschaft zu beobachtenden Wertigkeiten darstellt, aber gleichzeitig kein Anspruch auf Vollständigkeit gestellt wird.

[...]


[1] Vgl. Büchli, 1966, S. 213/214.

[2] Beigbeder, 2001.

[3] Klein, 2001.

[4] Werner/Weiss, 2001.

[5] Etzioni, 2000, S. 36.

[6] Bosshart, 1997, S. 26.

[7] Vgl. Rust, 1995, S. 166.

[8] Vgl. Rust, 1995, S. 166.

[9] Hillmann, 1994, S. 440.

[10] König W, 2000, S. 8.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Bosshart, 1997, S. 34.

[13] Capra, 1990, S. 51.

[14] Ebd.

[15] Vgl. Bell, 1976, S. 25.

[16] Vgl. Stihler, 1998, S. 18.

[17] Vgl. ebd.

[18] Capra, 1990, S. 52.

[19] Ebd., S. 211.

[20] Vgl. Stihler, 1998, S. 142.

[21] Vgl. Bell, 1976, S. 25.

[22] Ebd.

[23] Vgl. ebd., S. 28.

[24] Vgl. ebd., S. 25.

[25] Vgl. Stihler, 1998, S. 20/21.

[26] Vgl. ebd., S. 21.

[27] McKendrick, 1982, S. 23 und 88 (zit. nach: Stihler, 1998, S. 21).

[28] Vgl. Girtler, 1994, S. 263.

[29] Vgl. Stihler, 1998, S. 31 - 36.

[30] Vgl. ebd., S. 34.

[31] Vgl. Büchli, 1966, S. 190.

[32] Vgl. ebd., S. 190/191.

[33] Stihler, 1998, S. 93.

[34] Vgl. ebd.

[35] Stihler, 1998, S. 176.

[36] Frank, 11.5. 2001, Online unter: www.monde-diplomatique.de.

[37] Ebd.

[38] Vgl. ebd.

[39] Vgl. Stihler, 1998, S. 130/131.

[40] Vgl. Bosshart, 1997, S. 19.

[41] Ebd., S. 23.

[42] Vgl. ebd., S. 19 – 24.

[43] Bell, 1976, S. 88.

[44] Vgl. ebd.

[45] Vgl. ebd.

[46] Ebd., S. 84.

[47] Vgl. ebd., S. 87.

[48] Ebd.

[49] Vgl. Bosshart, 1997, S. 21.

[50] Vgl. Bolz, 2002, S. 98.

[51] Ebd.

[52] Vgl. Bosshart, S. 22/23.

[53] Vgl. ebd.

[54] Horx, 2000, S. 3.

[55] Vgl. Bosshart, 1997, S. 17.

[56] Ebd., S. 24/25.

[57] Ebd., S. 24.

[58] Vgl. Kassarjian/Sheffet,1981, S.160-180, (zit. nach: Kotler/Bliemel, 2001, S. 315).

[59] Kotler/Bliemel, 2001, S. 315.

[60] Vgl. Stihler, 1998, S. 109/110.

[61] Capra, 1990, S. 254.

[62] Vgl. Bartelt, 1978, S. 105, (zit. nach: Stihler, 1998, S. 238).

[63] Vgl. Bolz, 2002, S. 98.

[64] Ebd.

[65] Vgl. Bosshart, 1997, S. 25.

[66] Ebd.

[67] Vgl. Österreichisches Institut für Jugendforschung, 1999, S. 3,

Online unter: www.bmsg.gv.at.

[68] Ebd.

[69] Ebd., S. 4.

[70] Vgl. ebd., S. 6.

[71] Vgl. Kollmann, 22.9.2000, S. 8, Online unter: www.univie.ac.at.

[72] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 114.

[73] Weinberg/Gröppel, 1988, S. 190 – 197. (zit. nach: Stihler, 1998, S. 106).

[74] Vgl. Stihler, 1998, S. 106.

[75] Vgl. Bosshart, 1997, S. 10.

[76] Ebd.

[77] Kroeber-Riel/Weinberg, 1999, S. 114.

[78] Vgl. ebd.

[79] Kollmann, 22.9.2000, S. 9, Online unter: www.univie.ac.at.

[80] Luger/Starka, 1999, S. 9, Online unter: www.bmsg.gv.at.

[81] Vgl. ebd., S. 3 – 9.

[82] Vgl. ebd., S. 9.

[83] Vgl. Kollmann, 22.9.2000, S. 5. Online unter: www.univie.ac.at.

[84] Vgl. Beutelmeyer, 2000, Online unter: www.market.at.

[85] Opaschowski, 10. 4. 2001, Online unter: www.bat.de.

[86] Ebd.

[87] Vgl. ebd.

[88] Ebd.

[89] Vgl. Stihler, 1998, S. 111.

[90] Vgl. Inglehart, 2000, S. 131.

[91] Österreichisches Institut für Jugendforschung, 1999, S. 10,

Online unter: www.bmsg.gv.at.

[92] Fessel-GfK, 2001, S. 2.

[93] 14. Shell Jugendstudie, 2002, S. 33.

[94] Ebd.

[95] Karmasin H/Karmasin M, 1997, S. 35.

[96] Karmasin H, 23.5.2001.

[97] Vgl. Karmasin H/Karmasin M, 1997, S. 35.

[98] Smith, 1789/1983, S. XLI.

[99] Ebd.

[100] Vgl. Liessmann, 23.5.2001.

[101] Karmasin H, 1993, S. 207.

[102] Ebd.

[103] Vgl. ebd.

[104] Bell, 1976, S. 30.

[105] Vgl. Bosshart, 1997, S. 34.

[106] Ebd.

[107] Opaschowski, 10. 4. 2001, Online unter: www.bat.de

[108] Vgl. ebd.

[109] Vgl. Luger/Starka, 1999, S. 3, Online unter: www.bmsg.gv.at

[110] Zellmann, 2002, Online unter: www.freizeitforschung.at

[111] Vgl. ebd.

[112] Vgl. Statistik Austria. 14.2.2003, Online unter: www.statistik.at.

[113] Vgl. Teletest 2002, S. 2.

[114] Vgl. Eichmann, 20. – 23. 9. 2000. S. 5 ­– 7, Online unter: www.univie.ac.at.

[115] Vgl. Zellmann, 2002, Online unter: www.freizeitforschung.at.

[116] Vgl. Statistik Austria, 14.2.2003, Online unter: www.statistik.at.

[117] Zellmann, 2002, Online unter: www.freizeitforschung.at.

[118] Ebd.

[119] Ebd.

[120] Vgl. Eichmann, 20.– 23. 9. 2000, S. 5.

[121] Vgl. Mediahaus Austria, 2003, S. 2.

[122] Vgl. Luger/Starka, 1999, S. 3/4, Online unter: www.bmsg.gv.at.

[123] Vgl. Fessel-GfK, 2002a, S. 1.

[124] Vgl. Burkart, 2002, S. 182.

[125] Vgl. Luger/Starka, 1999, S. 8, Online unter: www.bmsg.gv.at.

[126] Vgl. Veblen, 2000, S. 93.

[127] Ebd., S. 79.

[128] Vgl. ebd., S. 79 – 107.

[129] Horx, 2000, S. 49.

[130] Ebd.

[131] Bosshart, 1997, S. 16.

[132] McCracken, 1988, S. 108, (zit. nach: Stihler, 1998, S. 204).

[133] Douglas, 1997, S. 9.

[134] Vgl. Horx, 2000, S. 49.

[135] Ebd.

[136] Douglas, 1997. S. 9.

[137] Karmasin H/Karmasin M, 1997, S.15.

[138] Vgl. Girtler, 1994, S. 263.

[139] Vgl. ebd.

[140] König R, 1982, S. 74 .

[141] Vgl. Girtler, 1994, S. 264.

[142] Ebd.

[143] Ebd., S. 266.

[144] Vgl. Veblen, 2000, S. 164 – 183.

[145] Girtler, 1994, S. 285.

[146] Vgl. Veblen, 2000, S. 164 – 183.

[147] Dichter, 1964. S. 103/104.

[148] Vgl. ebd., S. 106.

[149] Vgl. Kluge/Sonnenmoser, 1998, Online unter: www.cardiologie.de

[150] Vgl. ebd.

[151] Vgl. Trapp, 2000, Online unter: www.zeit.de.

[152] Ebd.

[153] Vgl. ebd.

[154] Vgl. Engholm, 2001, S. 60.

[155] Ebd.

[156] Giddens, 2000, S. 59.

[157] Vgl. ebd.

[158] Vgl. Thielemann, 20.8.2002.

[159] Berger, 28.7.2001, S. 1.

[160] Karmasin H/Karmasin M, 1997, S. 35.

[161] Vgl. ebd.

[162] Vgl. Kollmann, 22.9.2000, S. 9, Online unter: www.univie.ac.at.

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Titel
Gesellschaftsorientierte Marktkommunikation - Gesellschaftspolitische Notwendigkeit oder Widerspruch in sich
Untertitel
Unter besonderer Berücksichtigung konsumorientierter und konsumkritischer Ansätze
Hochschule
Universität Wien  (Fakultät für Sozial- und Humanwissenschaften)
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
175
Katalognummer
V39173
ISBN (eBook)
9783638380270
ISBN (Buch)
9783656245209
Dateigröße
1350 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Gesellschaftsorientierte, Marktkommunikation, Gesellschaftspolitische, Notwendigkeit, Widerspruch, Berücksichtigung, Ansätze
Arbeit zitieren
Mag. Andrea Zehetbauer (Autor:in), 2003, Gesellschaftsorientierte Marktkommunikation - Gesellschaftspolitische Notwendigkeit oder Widerspruch in sich , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39173

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