Fürsorgeerziehung im Nationalsozialismus


Hausarbeit, 2004

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2. Legalisierte Gewalt

3. Fürsorgeerziehung im Nationalsozialismus

4. Das Jugendlager Moringen
4.1. Die Struktur des Jugendlagers Moringen
4.2. Die spezifischen Erziehungsmittel im Jugendlager Moringen
4.3. Die spezifischen Erziehungsziele im Jugendlager Moringen

5. Resümee

6. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die Zeit des Nationalsozialismus ist mit Sicherheit die dunkelste Epoche in der deutschen Vergangenheit. Ich halte es für wichtig, sich mit dieser Zeit intensiv auseinander zu setzen, zu reflektieren wie eine solche Katastrophe möglich war und warum auch Pädagogen sich dem angeschlossen haben.

Meine Studienarbeit widmet sich ausschließlich der Frage, welche Erziehungsmittel und Erziehungsziele diese Zeit bestimmt haben und worin das Besondere an der Fürsorgeerziehung im dritten Reich bestand. Als Beispiel dient dabei das Jugendschutzlager Moringen, ein Jugend Konzentrationslager. Auch totalitäre Systeme versuchen ihr Vorgehen zu legalisieren, diese Gesetze haben allerdings teilweise den Charakter von Scheingesetzen. Aus diesem Grund beginne ich meine Ausführungen mit den gesetzlichen Grundlagen, stelle den historischen Kontext der NS Zeit im Allgemeinen und die Fürsorgeerziehung in dieser Zeit insbesondere vor. Die Bedingungen im Jugendschutzlager Moringen und die dort angewandten Erziehungsmittel und –ziele spiegle ich anschließend an den zuvor geschilderten grundsätzlichen Ausführungen. Im abschließenden Resümee werden die Besonderheiten der nationalsozialistischen Fürsorgeerziehung herausgearbeitet.

Ich widme diese Arbeit allen Opfern des Nationalsozialismus.

2. Legalisierte Gewalt

Am 01.02.1940 wurde in einer Sitzung des Reichsverteidigungsrates zum Thema „Besprechung über Jugendbetreuung“ - die Situation der Jugend unter dem Einfluss des Krieges diskutiert. Es wurde eine zunehmende „Verwilderung“ und das Ansteigen der Jugendkriminalität als wahrscheinlich eingestuft. Heinrich Himmler unterstützte und bekräftigte Heydrichs Forderung nach der Internierung „verwahrloster“ Jugendlicher ausdrücklich. Der Reichsverteidigungsrat, das RKPA in Berlin, veranlasst daraufhin, die so genannten „Jugendschutzlager“ zu errichten. Himmler ist der Meinung[1], „dass ...die Einrichtungen der Fürsorgeerziehung nicht zum Ziele führen.“ „Mit dieser Aussage leitete Himmler das vorläufige Ende einer langjährigen Debatte über die Erziehbarkeit oder vermeintliche „Unerziehbarkeit“ von Zöglingen innerhalb der staatlichen Ersatzerziehung ein“[2] und verlangen mit Nachdruck die Einrichtung von Jugend-Konzentrationslagern.

Konkurrenzkämpfe zwischen Innen- und Justizministerium, sowie der Polizei führen dazu, dass die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes von 1923 (JGG) und später des Reichsjugendgerichtsgesetzes von 1943 (RJGG) für eine immer größer werdende Anzahl von Jugendlichen nur auf dem Papier Bestand haben. Längst bevor die Akademie für deutsches Recht 1941 mit ihrem Entwurf für das RJGG fertig wird, hat die Reichsregierung, auch auf Drängen der Polizei, zentrale Bestandteile des Umgangs mit straffälligen Jugendlichen per Verordnung geregelt. Die Zuständigkeiten werden oftmals und immer häufiger an die Polizei sowie Erwachsenen- und Sondergerichte abgegeben. Dies betrifft insbesondere die zahlreichen Abweichungen vom Grundsatz, dass das JGG für alle Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren Geltung hat.

1939 wird die „Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher“ erlassen. Danach kann das Erwachsenenrecht gegen Jugendliche über 16 Jahren angewandt werden, „wenn der Täter nach seiner geistigen und sittlichen Entwicklung einer über 18 Jahre alten Person gleichzuachten ist“ und „die bei der Tat gezeigte, besonders verwerfliche verbrecherische Gesinnung oder der Schutz des Volkes“[3] es erfordern.

Diese Verordnung ermöglicht den Gerichten die Anwendung von zwei anderen Verordnungen, im Grunde genommen ausschließlich für Erwachsene gelten.

Die „Verordnung gegen Volksschädlinge“ verschärfte die Strafen bei Delikten, bei denen die „durch den Kriegszustand verursachten außergewöhnlichen Verhältnisse[4] ausgenutzt werden. Faktisch bedeutet dies, dass zum Beispiel alle bei Dunkelheit und damit unter Ausnutzung der Verdunkelung bei Fliegergefahr begangen Delikte mit Zuchthaus oder der Todesstrafe bestraft werden. Sondergerichte waren für diese Delikte zuständig, aber auch für die Anwendung der „Verordnung gegen Gewaltverbrecher“, in der für den neuen Straftatbestand „Gewalttat mit der Waffe“[5] als einzige Rechtsfolge die Todesstrafe angeordnet wurde.

Der Anwendungsbereich des JGG/RJGG wird auch durch die Einrichtung polizeilicher Jugendschutzlager weiter eingeschränkt, in die die betroffenen Jugendlichen unter Umgehung der Justiz direkt von der Polizei eingewiesen werden können. Nach § 60 RJGG von 1943 können Jugendliche, die „die Einordnung in die Volksgemeinschaft nicht erwarten“ lassen, während oder nach der Verbüßung einer Jugendstrafe zur Unterbringung in einem Jugendlager überwiesen werden. Hiermit wurde ein wichtiger Teil der judikativer Gewalt de facto von den Gerichten zur Polizei verlagert. Eine sehr elementare Einschränkung der rechtsstaatlichen Gewaltenteilung.

Nach der „Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten“[6] wurden die Vorschriften des allgemeinen Strafrechts wie auch des Jugendstrafrechts für diese Bevölkerungsgruppen faktisch außer Kraft gesetzt. Das RJGG von 1943 schließlich galt gem. § 1 Abs. 2 nur noch für Deutsche. Die wesentlichen Neuerungen im RJGG von 1943 sind:

- Abschaffung der Strafaussetzung zur Bewährung,
- Absenkung der Altersgrenze auf 12 Jahre unter bestimmten besonderen Umständen,
- Geltung nur für Deutsche,
- Einführung des Jugendarrests,
- Einführung der unbestimmten Jugendstrafe,
- Legitimierung der polizeilichen Jugendschutzlager.

Hier ist sehr gut zu erkennen, wie die Nationalsozialisten bestehende Gesetze in ihrem sinne verändern, ohne dass die Bevölkerung wirklich durchschauen kann, wie sie in ihren Freiheiten und Rechtsgrundlagen eingeschränkt werden. Die Nationalsozialisten legalisierten mit solchen Gesetzen die Gewalt gegen alle, die in irgendeiner, von ihnen definierten Form auffällig geworden waren.[7]

3. Fürsorgeerziehung im Nationalsozialismus

Das von Hitler und der NSDAP errichtete „Dritte Reich“ ist als Erziehungsstaat deklariert, der „… den Menschen nicht mehr los lässt, von der Wiege bis zum Grabe…“ (Ley 1933, S.390 f).[8]

Allerdings ist die damalige Erziehungstheorie eher ein bunt zusammen gewürfeltes, weltanschaulich geprägtes Gemisch, ohne dabei eine einheitliche Theorie zu bilden. Die gemeinsamen Gedanken, die die nationalsozialistischen Pädagogen vereint sind durchweg die von Hitler und seiner Partei vorgegebenen Ideale.

„Die gesamte Bildungs- und Erziehungsarbeit des völkischen Staates muß ihre Krönung darin finden, daß sie den Rassensinn und das Rassengefühl instinkt- und verstandesmäßig in Herz und Hirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt. Es soll kein Knabe und kein Mädchen die Schule verlassen, ohne zur letzten Erkenntnis über die Notwendigkeit und das Wesen der Blutreinheit geführt worden zu sein“(Hitler 1940, S. 475 f.)[9]

Dieses Hitler Zitat verdeutlicht, dass die nationalsozialistische Erziehung als Instrument zur Konditionierung und Systematischen „Verdummung“ der Bevölkerung führen soll. Auf der Basis dieser Rassenlehre, die eine Pervertierung des Darwinismus darstellt. bauen die parteikonformen Pädagogen ihre Theorien zur Erziehung und den zu erreichenden Erziehungszielen auf. Zwischen 1930 und 1940 werden viele Pädagogen entlassen und durch parteikonforme Pädagogen ersetzt. In anderen wissenschaftlichen Bereichen hat die NSDAP dies zu ihrer Machtsicherung und aus Propaganda Gründen auch getan. Zur Verdeutlichung der Denkstrukturen dieser Parteikonformen Pädagogen sind im Folgenden einige exemplarische Zitate aufgeführt:

„Das Werk des Führers wuchs aus der Idee der Erziehung, das neue Reich wurde zum Erziehungsstaat. Das Ziel aller nationalsozialistischen Erziehungsordnungen ist die Formung des politischen Deutschen auf der Grundlage der nationalsozialistischen Weltanschauung und ihrer Kernstücke Volk, Rasse, Wehr, Führertum“ (Gräfer 1940, S.45).[10]

Hieran ist gut der absolute Bezug auf den Führer, das Selbstverständnis des „Dritten Reiches“ als Erziehungsstaat und das Erziehungsziel einen „politischen Deutschen“[11] zu schaffen, der „Volk, Rasse, Wehr, Führertum“[12] als das höchste Gut ansieht, zu erkennen. Das größte Ziel war die „…Einordnung der Erziehung in die Volksordnung…“ (Baeumler 1939, S. 8).[13] Denn

„die Nationalsozialistische Erziehung will das junge Geschlecht fähig machen, das Leben des deutschen Volkes, seinen Staat und seine Kultur und in diesem Rahmen sich selbst als Volksglied zu erhalten und zu steigern, damit das Heraufkommende neue Europa in seinem großgermanischen Raum getragen und gesichert ist, durch deutsche Menschen, die in Wollen und Können in Herrschen und Sicheinfügen gleichstark sind. Dazu ist es nötig, die Gesundheit jedes Einzelnen im Sinne der natürlichen Erb- und Rassegesetze zu fördern“(Benze 1941, S.5).[14] Gesundheit wird in diesem Kontext nicht nur durch körperliche und geistige Gesundheit definiert, sondern auch als Erbreinheit der Arischen Rasse. Vollwertige Gesundheit in diesem Sinne, ist ein Hauptmerkmal des Volksgenossen, wie ihn der Nationalsozialismus definiert. Die Aufnahme des Rassismus in den Pädagogischen Diskurs war in jedem Fall ein Bruch zu den normativen Gehalten vor 1933.[15]

[...]


[1] vgl. http://www.martinguse.de/jugend-kz/index.htm

[2] ebd.

[3] § 1 Abs. 2 VO

[4] § 4 der VO

[5] § 1 Abs. 1 der VO

[6] RGBl I, 04.12.1941 S. 759 ff.

[7] vgl. Guse, Martin/Kohrs, Andreas/Vahsen, Friedhelm 1986, S. 324-328; vgl. http://www.gedenkstaette-moringen.de; vgl. http://www.martunguse.de/jugend-kz/index.htm

[8] Dudek, Peter 1997, S. 95; vgl. auch Tenorth, Heinz-Elmar 1988, S. 255

[9] Dudek, Peter 1997, S. 101

[10] ebd., S. 95

[11] ebd.

[12] ebd.

[13] ebd., S. 100

[14] ebd., S. 101

[15] vgl. Dudek, Peter 1997, S. 96

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Fürsorgeerziehung im Nationalsozialismus
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Geschichte der Sozialpädagogik
Note
2,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
16
Katalognummer
V33140
ISBN (eBook)
9783638336895
ISBN (Buch)
9783656448068
Dateigröße
563 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Besondere, Fürsorgeerziehung, Nationalsozialismus, Geschichte, Sozialpädagogik
Arbeit zitieren
Dirk Neibecker (Autor:in), 2004, Fürsorgeerziehung im Nationalsozialismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/33140

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