Ist Europa ein optimaler Währungsraum? Konsequenzen für wirtschaftspolitisches Handeln


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

22 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Der Weg zur europäischen Gemeinschaftswährung
1.2 Ziele der europäischen Währungsunion
1.3 Ökonomische Theorien über die Abgrenzung optimaler Währungsräume

2. Traditionelle Theorie optimaler Währungsräume
2.1 Anpassung flexibler Wechselkurse
2.2 Leitsatz der traditionellen Theorie optimaler Währungsräume
2.3 Die strukturellen Kriterien der traditionellen Theorie
2.3.1 Faktormobilität
2.3.2 Offenheitsgrad
2.3.3 Grad der Diversifikation
2.3.4 Kriterium der stabilen realen Wechselkurse
2.4 Vergangenheitsorientierte, wirtschaftspolitische Homogenitätskriterien
2.5 Fazit aus den traditionellen Theorien

3. Neuere Theorien zur Einstufung optimaler Währungsräume
3.1 Kosten/Nutzen Analyse
3.2 Zukunftsorientierte Ansätze
3.3 Zukunftsorientierte, wirtschaftspolitische Implikationen

4. Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis:

Anhang:

1. Einleitung

Seit dem Jahr 1999 hat Europa mit dem Euro eine gemeinsame Währung. Zwar sind längst nicht alle europäischen Länder und auch nicht alle Mitglieder der Europäischen Union Teil des neuen Währungsraumes, jedoch hat sich der Euro als neue europäische Gemeinschaftswährung mittlerweile fest etabliert.

So scheint ein gemeinsamer Währungsraum doch auf den ersten Blick nur Vorteile zu haben. Bereits im Jahre 1948 stellte der britische Nationalökonom John Stuart Mill fest, dass es einer „Barbarei“ gleich käme, dass zivilisierte Staaten daran festhielten, ihre nationalen Währungen beizubehalten.[1] Dabei spielte der Utilitarist vor allem auf die mikroökonomischen Nutzenvorteile einer Gemeinschaftswährung an, die sich aus einer Erleichterung des Zahlungsverkehres für einen selbst und den internationalen Handelspartner ergäben.

Tatsächlich scheint die Beibehaltung einer nationalen Währung ein besonderes Zeichen nationalstaatlicher Souveränität darzustellen. Aus dieser politischen Implikation heraus ist es auch nicht verwunderlich, dass auch Europa erst mit Fortschreiten der nationalen Integration zu einer Gemeinschaftswährung gefunden hat. Insofern scheint ein optimaler Währungsraum auch einen Teil eines Integrationsraumes darzustellen. Reziprok dazu scheint eine Gemeinschaftswährung aber auch zu einer weiteren Einigung beizutragen. Es stellt sich also die Frage, ab wann ein Integrationsprozess so weit fortgeschritten ist, dass er durch eine gemeinsame Währungsunion weiter verstärkt werden sollte.

Über diese politische Perspektive hinaus sind ökonomische Kriterien die Entscheidenden, die einen Währungsraum abgrenzen. Diverse Theorien erweitern das auf der Hand liegende, einseitige Nutzenkriterium Mills um diverse weitere Faktoren. In der traditionellen Theorie optimaler Währungsräume, wird dabei versucht, Optimalitätskriterien zu operationalisieren, die zur Bestimmung eines Gebietes als optimalen Währungsraum beitragen sollen. Diese Theorie setzt insbesondere eine hohe Konvergenz der Mitgliedsstaaten voraus.

1.1 Der Weg zur europäischen Gemeinschaftswährung

Um eine zunehmende Homogenität der Mitgliedsstaaten zu erreichen, wurde im Zuge des Europäischen Währungssystems (EWS) der Wechselkurs für teilnehmende Staaten in einem Paritätengitter festgeschrieben. Von diesen Leitkursen durfte der nominale Wechselkurs nur maximal 2,25% abweichen, andernfalls waren die nationalen Zentralbanken gezwungen, zu intervenieren. Auf dem Weg zur Währungsunion (EWU) wurden monetäre Konvergenzkriterien für potentiell teilnehmende Staaten festgelegt, die zu einer weiteren Homogenisierung durch entsprechende Politiken beitragen sollten. Am 1.1.1999 trat die Währungsunion dann in ihrem ersten Schritt für 12 EU Länder in Kraft; die Einführung des Schein und Münzgeldes folgte im Jahre 2002.

1.2 Ziele der europäischen Währungsunion

Die Ziele einer Währungsunion sind wohlfahrtssteigernde Effekte. Detailliert sind die Ziele in Artikel 2 des EG Vertrages festgehalten:

Die EWU soll ein „beständiges, nicht-inflationäres und umweltverträgliches Wachstum, ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz und damit eine Verbesserung der Lebensqualität der Gemeinschaft“ sichern. Angestrebt wird zugleich auch ein „hoher Grad an Konvergenz der nationalen Wirtschaftsergebnisse“, welcher den „wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt sowie die Solidarität unter den EU Mitgliedsstaaten“ fördern soll.

1.3 Ökonomische Theorien über die Abgrenzung optimaler Währungsräume

Unter ökonomischen Kriterien werden sowohl Mikroeffizienz als auch Makroeffizienz eines Währungsraumes untersucht. Verschiedene Theorien über die Abgrenzung optimaler Währungsräume unterscheiden sich insbesondere in der zu Grunde gelegten Methodik. Während die traditionelle Theorie einen Katalog von Kriterien definiert, die ein Währungsraum erfüllen muss, arbeiten neuere Theorien mit dem Instrument einer Kosten/Nutzen Analyse. Insbesondere wichtig erscheint die zeitliche Perspektive, aus welcher ein optimaler Währungsraum abgegrenzt wird. Während in der traditionellen Theorie die Optimalitätskriterien ex ante erfüllt sein müssen, berücksichtigen neue Theorien der monetären Integration auch, dass sich ein optimaler Zustand eines Währungsraumes ex post einstellen kann. Im Folgenden sollen die verschiedenen Theorieansätze kritisch beleuchtet – und eine Anwendung auf die Europäische Union untersucht werden.

2. Traditionelle Theorie optimaler Währungsräume

Die traditionelle Theorie untersucht ein Währungsgebiet auf die Kosten hin, die einem Land entstehen, wenn es von den Vorteilen der flexiblen Wechselkurse abweicht um die Vorteile eine Währungsunion nutzen zu können. Hierbei werden die konkreten Besonderheiten der in Frage kommenden Länder theoretisch und empirisch auf die Erfüllung von operationalisierten Auswahlkriterien hin untersucht.

2.1 Anpassung flexibler Wechselkurse

Als Vorteil flexibler Wechselkurse wird dabei die individuelle Reaktion auf so genannte asymmetrische Störungen der Wirtschaftsaktivität, so genannte Schocks, angenommen. Schocks können grundsätzlich

a) binnenwirtschaftlichen (intern) oder b) außenwirtschaftlichen (extern)

Ursprungs sein und lösen eine extreme Änderung exogener Variablen im ökonomischen Modell aus.[2] Interne Schocks sind i. d. R. „hausgemacht“ und rühren oft von schlechter Wirtschaftspolitik und dahingehend abweichenden Wachstumsraten.

Externe Schocks, wie beispielsweise ein rasant ansteigender Ölpreis, wirken sich auf Angebot und Nachfrage eines Wirtschaftsraumes aus. Sind verschiedene Volkswirtschaften in unterschiedlichem Maße von solchen externen Schocks betroffen, spricht man von asymmetrischen Schocks.

In diesen Fällen dient der Wechselkurs als flexibler Anpassungsmechanismus. Sinken die Exporte eines Landes, verursacht durch einen Schock, bzw. steigen im Gegenzug die Importe, so sinkt dadurch das Angebot an Auslandsdevisen. Dies hat eine Abwertung der eigenen Währung zur Folge. Dadurch werden eigene Exportgüter im Ausland wieder günstiger und der Export erholt sich.[3]

2.2 Leitsatz der traditionellen Theorie optimaler Währungsräume

Es stellt sich nun die Frage, inwieweit die Länder eines Währungsraumes auf die Möglichkeit der Anpassung durch flexible Wechselkurse in Zukunft verzichten können. Pionierarbeit leistete dabei die Arbeit von Mundell (1961), die insbesondere Ersatzinstrumente untersucht, welche an Stelle des Wechselkurses zu notwendigen Anpassungen führen können. Seine Arbeit wurde in der Folgezeit durch weitere Kriterien ergänzt. Folgende Kriterien werden dabei im Wesentlichen unterschieden[4]:

1. Das Mundell`sche Kriterium der Faktormobilität
2. Das Kriterium der Offenheit, der an der Währungsunion teilnehmenden Volkswirtschaften (McKinnon; 1963)
3. Das Kriterium der Diversifikation der Handelstruktur der an der Währungsunion teilnehmenden Länder (Kenen; 1969)
4. Das Kriterium der stabilen realen Wechselkurse (Vaubel; 1976)

Alle Kriterien untersuchen die Staaten einer Währungsunion auf ihre Anpassungsflexibilität und eventuelle Inhomogenität. Daraus ergibt sich der Leitsatz der klassischen Theorie: Eine Währungsunion ist somit nur dann sinnvoll, wenn die teilnehmenden Staaten sich in Ihrer ökonomischen Struktur möglichst ähnlich sind oder aber, wenn sie eventuelle Inhomogenitäten durch eine hohe Flexibilität ihrer Produktionsfaktoren ausgleichen können.

2.3 Die strukturellen Kriterien der traditionellen Theorie

2.3.1 Faktormobilität

Mundell schlug in seiner Theorie vor, dass bei einer ausreichenden Mobilität der Faktoren Arbeit und Kapital, diese den Wechselkurs als Anpassungsinstrument ersetzen können.

a) Flexibilität der Arbeitsmärkte: Bei ausreichender Arbeitsmobilität könnten die Arbeitskräfte einen durch einen asymmetrischen Schock hervorgerufenen Nachfrageengpass auf dem Arbeitsmarkt (Unterbeschäftigung) dadurch ausgleichen, dass sie in andere, wirtschaftlich unbetroffene Unionsländer mit evtl. Überbeschäftigung ausweichen. Zudem sollten Arbeitskosten als Schockabsorbierer fungieren und damit konjunkturelle Tiefphasen auffangen. Dies erfordert eine Flexibilität der Arbeitszeiten und eine Lohndifferenzierung zwischen den EU Staaten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nahezu alle empirischen Untersuchungen zeigen eine geringe Arbeitsmobilität zwischen den EU Staaten auf.[5] Dabei ist darauf hinzuweisen, dass als Referenzwert immer die USA als Währungsunion genommen wird, in welcher die Arbeitsmobilität etwa um den Faktor 3 höher liegt.[6] Das ist vor allem mit den niedrigeren sozialen Kosten zu begründen, die ein US Bürger hat, wenn er in einen anderen Distrikt auswandert, um dort Arbeit zu finden. Ungleich dazu hat der EU Bürger in der Regel Sprachbarrieren zu überwinden und muss größere Kulturanpassungen hinnehmen. Zudem sind die Sozialsysteme der EU Länder durchweg verschieden und bieten längere und höhere Ansprüche als in den vereinigten Staaten, was eine Anpassung in dieser Richtung erschwert und zudem im Vergleich zu den USA weniger Anreize bietet, auch im EU Bereich eine neue Arbeitsstelle zu suchen. Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass in Europa auch die Arbeitsvermittlung national ausgerichtet ist und somit nur selten Stellen im Ausland vermittelt werden können.

[...]


[1] Vgl. Mill, J.S. (1848), Principles of Political Economy II, S. 176, zitiert nach: T. Theurl (1999), Europa als optimaler Währungsraum; S.218

[2] Vgl. Duwendag, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa (1999), S. 13

[3] Vgl. w. Terlau ; WiSu 01/04, Theorie optimaler Währungsräume; S. 107

[4] Die Anzahl der Kriterien der traditionellen Theorie ist nicht eindeutig, so weisen unterschiedliche Untersuchungen, eine Vielzahl von Einteilungsmöglichkeiten aus. Diese Arbeit orientiert sich an der Einteilung von Duwendag, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa (1999), S. 13 ff.

[5] Vgl. Duwendag, Geldtheorie und Geldpolitik in Europa (1999), S. 13

[6] Vgl. w. Terlau ; WiSu 01/04, Theorie optimaler Währungsräume; S. 107

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Ist Europa ein optimaler Währungsraum? Konsequenzen für wirtschaftspolitisches Handeln
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Allgemeine Wirtschaftspolitik)
Veranstaltung
Stabilitätspolitik
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V32215
ISBN (eBook)
9783638329927
ISBN (Buch)
9783638692250
Dateigröße
771 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit beinhaltet eine sorgfältige Zusammenstellung der klassischen und modernen Theorien optimaler Währungsräume im Bezug auf Europa und den Euro.
Schlagworte
Europa, Währungsraum, Konsequenzen, Handeln, Stabilitätspolitik, Euro
Arbeit zitieren
Marc Bataille (Autor:in), 2004, Ist Europa ein optimaler Währungsraum? Konsequenzen für wirtschaftspolitisches Handeln, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/32215

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