Zur Gestalt und Programmatik der Pädagogik im Zeitalter der Globalisierung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Merkmale, Dimensionen und Folgen der Globalisierung
2.1 Die Mehrdimensionalität des Globalisierungsbegriffes
2.2 Die ökonomische Dominanz und ihre politischen, sozialen und kulturellen Folgen

3. Die Auswirkungen auf die Pädagogik
3.1 Ein neues Menschenbild und neue Bildungsziele
3.2 Veränderte Sozialisationsprozesse
3.3. Globalisierung des Bildungssystems

4. Pädagogische Implikationen und Konsequenzen
4.1 Reformierung des Bildungswesens
4.2 Weltweite Bildungsaufgaben
4.3 Die Bedeutung erziehungswissenschaftlicher Theoriearbeit

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Globalisierung ist in aller Munde. Vor allem über die Folgen dieses Prozesses des Zusammenwachsens der Welt auf allen Ebenen wird in Medien, Politik und Wissenschaft heftigst debattiert. Denn der Begriff polarisiert. Die Einen, vor allem Ökonomen, versprechen Wohlstand durch einen weltweiten Freihandel, die Anderen, Globalisierungskritiker, warnen vor damit verbundenen neuen sozialen Ungerechtigkeiten und Konfliktlinien. Auch die Pädagogik kann sich dieser Diskussion nicht mehr entziehen. Auch wenn der Begriff Globalisierung kein genuin pädagogischer Begriff ist, so kann sich die Pädagogik nicht den zahlreichen und vielfältigen Forderungen verschließen, die auf sie von WirtschaftsvetreterInnen und der Politik im Zuge der Debatten über die Globalisierung „hereinprasseln“. So fordert die Bildungspolitik aufgrund verschärfter internationaler Konkurrenz auf dem „Weltmarkt“, dass das Bildungswesen reformiert wird, beispielsweise Ganztagsschulen eingeführt, kürzere Studienzeiten erreicht oder Eliten wieder stärker gefördert werden. Die Wirtschaft klagt über die AbsolventInnen unseres Bildungssystems und wünscht sich neben guten fachlichen Qualifikationen auch noch die vieldiskutierten Schlüsselqualifikationen wie Flexibilität oder Teamfähigkeit. Damit wird ein neues Menschenbild und neue Bildungsziele propagiert, welche die Pädagogik zu realisieren hat. Um dies zu tun, müssen jedoch auch noch die veränderten Bedingungen für Erziehungs- und Bildungsprozesse berücksichtigt werden.

Diese Hausarbeit soll verdeutlichen, dass die Pädagogik sich mit zahlreichen großen Herausforderungen im Zeitalter der Globalisierung konfrontiert sieht. Daher soll sich mit einigen Implikationen, welche die Globalisierung für Erziehung und Bildung mit sich bringen, auseinandergesetzt werden.

Dies ist zunächst die Frage nach den Auswirkungen des Globalisierungsprozesses auf die Pädagogik (Kapitel 3). Wie sieht das Menschenbild der Globalisierung aus? Wie verändert sich das Aufwachsen in einer „Weltgesellschaft“ als Voraussetzung für Erziehungs- und Bildungsprozesse? Welche Auswirkung hat die Globalisierung auf das Bildungssystem?

Die Bearbeitung dieser Fragestellungen, die sicherlich nur einen kleinen Ausschnitt aus einer großen Anzahl und Vielfalt von weiteren Fragestellungen darstellen, setzt jedoch eine Klärung dessen voraus, was unter Globalisierung überhaupt zu verstehen ist, wie sich dieser Prozess gestaltet, was seine Merkmale und Dimensionen sind und welche Folgen er in verschiedene Richtungen und auf verschiedenen Ebenen mit sich bringt (Kapitel 2).

Letztlich gilt es, sich der Implikationen für die erziehungswissenschaftliche Theoriebildung und pädagogischen Praxis zu vergewissern, welche sich aus den Auswirkungen der Globalisierung für den pädagogischen Bereich ergeben (Kapital 4).

Diese Hausarbeit kann angesichts des Umfanges und der Komplexität dieses Vorhabens lediglich eine verkürzte und nicht vollständige Darstellung der Pädagogik im Zeitalter der Globalisierung sein. Eine Konzentration beispielsweise nur auf die Institution Schule oder eine pädagogische Dimension, welche von der Globalisierung erfasst wird, wie die interkulturelle Bildung, wurde jedoch bewusst vermieden, da diese Arbeit sich als grober Überblick über die Gestalt und Programmatik der Pädagogik als Theorie und Praxis der Erziehung und Bildung im Prozess der Globalisierung versteht und dabei den Tenor der doch sehr überschaubaren pädagogischen Literatur wiedergeben möchte, woraus weitergehende spezifischere Fragestellungen und Problemhorizonte abgeleitet werden können.

2. Merkmale, Dimensionen und Folgen der Globalisierung

Die Globalisierungsdebatte ist nicht nur augenscheinlich emotional hoch beladen, was an den zahlreichen Auseinandersetzungen von Globalisierungsbefürwortern und Globalisierungskritikern, bzw. –gegnern erkennbar ist, sie ist auch durch eine Uneinheitlichkeit dessen gekennzeichnet, was unter Globalisierung eigentlich zu verstehen ist.

Dieses Kapitel möchte dabei in einem ersten Schritt auf die Mehrdimensionalität des Globalisierungsbegriffs aufmerksam machen und anhand ausgewählter Definitionen einige gemeinsame Merkmale und Dimensionen der Globalisierung vorstellen, welche in der pädagogischen und soziologischen Literatur auszumachen sind, um so ein Verständnis zu erreichen, was unter dem Begriff Globalisierung in diesen Disziplinen gemeint wird. Da diese Arbeit die Globalisierungsdebatte auf ihre Relevanz für Erziehung und Bildung hin thematisiert, wird ein ökonomisches Verständnis der Globalisierung vernachlässigt. Dennoch soll in einem zweiten Schritt, ausgehend von der These der Dominanz des Ökonomischen innerhalb des Globalisierungsprozesses, auch einige Merkmale im wirtschaftlichen Bereich skizziert und auf die politischen, sozialen und kulturellen Folgen hin untersucht werden, welche bereits Auswirkungen für die Pädagogik erkennen lassen.

2.1 Die Mehrdimensionalität des Globalisierungsbegriffes

Der Begriff der Globalisierung erfreut sich hoher Beliebtheit, was zum Beispiel an der hohen Zahl wissenschaftlicher Publikationen erkennbar ist, die sich mit der Thematik der Globalisierung beschäftigen. Damit geht ein inflationärer Gebrauch des Begriffes einher. Die Begriffsbestimmungen und Definitionen von Globalisierung sind durch eine Uneinheitlichkeit gekennzeichnet, was auf die Komplexität des Sachverhaltes und die Mehrdimensionalität des Begriffes zurückzuführen ist.

Der Erziehungswissenschaftler Walter Hornstein versucht in einer allgemeinen Definition die zahlreichen Dimensionen der Globalisierung zu subsumieren. Er versteht Globalisierung als „Prozess zunehmender, die nationalen Grenzen überschreitender, der Tendenz nach den ganzen Globus umspannender Austausch- und Wechselbeziehungen. Diese Austauschprozesse können sich auf wirtschaftliche, politische, kulturelle Bereiche beziehen, aber auch auf ökologische Wechselbeziehungen samt ihrer Risiken, auf Kapitalströme, Informationen, Technologien, wissenschaftliche Erkenntnisse, Ideologien, Konsum- und Kulturmuster“[1]. Hornstein spricht weiter von einer „Dynamik der Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Bereichen, die ein wesentliches Moment der Globalisierung darstellt“[2].

Eine oft zitierte Definition in der sozialwissenschaftlichen und erziehungswissenschaftlichen Literatur stammt von Ulrich Beck. Er differenziert zwischen „Globalismus“, „Globalität“ und „Globalisierung“. Unter „Globalismus“ versteht Beck „die Auffassung, dass der Weltmarkt politisches Handeln verdrängt oder ersetzt, d.h. die Ideologie der Weltmarktherrschaft, die Ideologie des Neoliberalismus. Sie verfährt monokausal, ökonomistisch, verkürzt die Vieldimensionalität der Globalisierung auf eine wirtschaftliche Dimension, die auch noch linear gedacht wird, und bringt alle andere Dimensionen – ökologische, kulturelle, politische, zivilgesellschaftliche Globalisierung – wenn überhaupt, nur in der unterstellten Dominanz des Weltmarktsystems zur Sprache “[3]. Mit Globalität beschreibt er den gegenwärtigen Grad der weltweiten Verflechtungen: „Globalität meint: Wir leben längst in einer Weltgesellschaft, und zwar in dem Sinne, dass die Vorstellung geschlossener Räume fiktiv wird“[4].

Auf diesen Zustand der längst vorhandenen Globalität einer Weltgesellschaft und im Sinne der neoliberalistischen Ideologie des Globalismus, ist die Globalisierung gerichtet, welche Beck als „Prozess, in deren Folge die Nationalstaaten und ihre Souveränität durch transnationale Akteure, ihre Machtchancen, Orientierungen, Identitäten und Netzwerke unterlaufen und querverbunden werden“[5] versteht. Mit dieser Definition spricht Beck eine politische Dimension der Globalisierung an, nämlich die Relativierung des Nationalstaates und die Entstehung transnationaler politischen Strukturen.

Doch der Globalisierung wird nicht nur die Entstehung transnationaler politischer Strukturen zugeschrieben, sondern auch das Entstehen transnationaler sozialer Räume. Das territoriale Prinzip im Zusammenleben der Menschen wird durchbrochen, räumliche und kulturelle Grenzen lösen sich auf. Anthony Giddens konstatiert der Moderne die Entstehung von Entbettungsmechanismen. Unter Entbettung versteht er „das Herausheben sozialer Beziehungen aus ortsgebundenen Interaktionszusammenhängen und ihre unbegrenzte Raum-Zeit-Spannen übergreifende Umstrukturierung“[6]. Möglich wurde die Entbettung natürlich erst durch das Entstehen moderner globaler Kommunikations- und Informationsmedien welche Raum und Zeit und die damit gegebenen Einschränkungen zum Verschwinden bringen können, womit die Verbindung zur technologischen Dimension der Globalisierung hergestellt wäre.

Doch diese räumlich-sozialen und kulturellen Grenzauflösungen, rufen auch Abwehrreaktionen hervor. Der Wunsch nach regionaler Verortung wächst, das Lokale wird wieder verstärkt betont. Dazu schreibt Beck: „Das Lokale und Globale, argumentiert Robertson, schließen sich nicht aus. Im Gegenteil: Das Lokale muss als Aspekt des Globalen verstanden werden. Globalisierung heißt auch: das Zusammenziehen, Aufeinandertreffen lokaler Kulturen, die in diesem „clash of localities“ inhaltlich neu bestimmt werden müssen. Robertson schlägt vor, den Grundbegriff kultureller Globalisierung durch „Glokalisierung“ – eine Wortverbindung von Globalisierung und Lokalisierung – zu ersetzen[7]. Diese Grundspannung zwischen global und lokal soll zu einem späteren Zeitpunkt näher ausgeführt werden.

2.2 Die ökonomische Dominanz und ihre politischen, sozialen und kulturellen Folgen

Eine in der Literatur oft vertretene These geht von einer Dominanz des Ökonomischen im Prozess der Globalisierung aus. Nicht nur Beck unterstellt der Globalisierung mit seiner Definition von Globalität eine „Dominanz des Weltmarktsystems“, welche „politisches Handeln verdrängt oder ersetzt“[8], sondern auch beispielsweise Hornstein sieht in der „Herauslösung des Ökonomischen aus dem Gesellschaftlichen“ ein zentrales Element der Globalisierung, in dessen Zuge das Wirtschaftssystem an die erste Stelle tritt, sich verselbständigt und nicht mehr gesellschaftlichen Bedürfnissen dient[9]. Der Erziehungswissenschaftler Dieter Keiner versteht unter der Globalisierung sogar lediglich die „Restrukturierung des kapitalistischen Weltsystems“[10], welche durch das Entstehen von Zentren und Peripherien gekennzeichnet ist und die nationalen Gesellschaften in neue Konkurrenz- und Kooperationsverhältnisse bringt. Die Kapitalströme werden dabei von internationalen Kapitalmärkten gelenkt, die entscheidend über die internationale Wirtschaftentwicklung bestimmen. Diese Dominanz des Ökonomischen ist wieder eng verbunden mit dem Aufkommen globaler Informations- und Kommunikationssysteme, welche für die gesamte Globalisierung in allen Dimensionen eine wesentliche Vorraussetzung darstellen, da sie Raum und Zeit zum Verschwinden bringen. Die rasante Weiterentwicklung der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien wird wiederum von der globalisierten Ökonomie vorrangetrieben, weshalb man sie nicht nur als Vorraussetzung für Globalisierungsprozesse ansehen kann, sondern auch als deren Motor oder gar Ergebnis.

[...]


[1] Hornstein 2001, S.518/519

[2] ebd. S.520

[3] Beck 1997, S.26

[4] ebd., S.27/28

[5] ebd., S.28/29

[6] Giddens 1996, S.33

[7] Beck 1997, S.90

[8] ebd. S.26

[9] vgl. Hornstein 2001, S.521

[10] Keiner 1998, S.223

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Zur Gestalt und Programmatik der Pädagogik im Zeitalter der Globalisierung
Hochschule
Universität Trier
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V31001
ISBN (eBook)
9783638321402
Dateigröße
594 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gestalt, Programmatik, Pädagogik, Zeitalter, Globalisierung
Arbeit zitieren
Michael Rump (Autor:in), 2003, Zur Gestalt und Programmatik der Pädagogik im Zeitalter der Globalisierung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31001

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