Migration und Stadt Zuwanderung nach Deutschland und Berlin in Geschichte und Gegenwart


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

Einleitung

I Ohne Zuwanderung keine Stadt
1. Stadt – Ort der Zuwanderung seit jeher
1.1 Urbanisierung und Industrialisierung – Stadtwachstum durch Zuwanderung
1.2 Zuwanderung im Zeitalter der Modernisierung
2. Zuwanderung in der Stadt heute – „Notwendigkeit“ vs. „Überforderung“

II Deutschland: Land von Ein-, Durch- und Auswanderung
1. Etappen, Phasen oder Stufen – Zuwanderung der letzten 50 Jahre
2. Überblick - Räumliche Verteilung innerhalb Deutschlands

III. Berlin: Fremde – die „Baumeister“ Berlins
1. Geschichte der Zuwanderung Berlins
1.1 Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg
1.2 Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg
2. Neue Migration ab den 1990 Jahren
2.1. Räumliche „Verteilung“ von AusländerInnen nach 1990

IV. Stadtpolitik und Zuwanderung: von einem Dilemma zum anderen
1. Städte ohne direkten Einfluss auf die Ausländergesetzgebung
2. Politik der Desegregation
3. Pendlerexistenzen

Ausblick
1. Osterweiterung Mai 2004
2. Debatte Zuwanderungsgesetz

Bibliographie

Verzeichnis Fotos / Grafiken

Einleitung

„Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ (Valentin, 1978)

Dieses einleitende Zitat von Karl Valentin[1], einem deutschen Komiker von Anfang des letzten Jahrhunderts, drückt einerseits Isolation und Anonymität aus und andererseits lässt es sich aber auch Anonymität an sich als Hoffnung begreifen. Bezogen auf die Stadt liegt die Fremde und deren Assoziation ganz nahe beieinander, Stadt als Ort der Fremdheit wird verflucht und ist reizvoll zugleich. Reizvoll deshalb, da sich mit einem Umzug in eine andere Stadt häufig die Hoffnung auf einen neuen Anfang verbindet.

Der Umzug in eine neue Stadt wird in der Fachsprache als Migration [lat. migratio] bezeichnet, was schlicht Wanderung, Auswanderung, hier in Zusammenhang von Bevölkerungsgruppen bedeutet.

Migration ist nicht nur in diesen Tagen ein hochpolitisches Thema bzgl. der aktuellen Debatte um das neue Zuwanderungsgesetz sowie der bevorstehenden Osterweiterung im Mai 2004, sondern ist auch stadtgeschichtlich bedeutsam, worauf in dieser Arbeit besonderes Augenmerk gelegt werden soll.

Denn es ist unumstritten, dass ohne Zuwanderung, welche eine Form der Migration darstellt und der Focus dieser Arbeit ist, keine Städte entstanden wären. (vgl. Häußermann/Oswald, 1996, 1997; Kapphan 2000)

Da hier ‚Bevölkerungswanderung’ Thema ist, muss man sich zunächst bewusst machen, dass wenn man von Migrantinnen und Migranten, Migration und Menschen mit Migrationshintergrund spricht, man von einer äußerst heterogenen Gruppe von Menschen redet, die sich in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheidet: Dauer ihres Lebens oder das ihrer Eltern bzw. Vorfahren in Deutschland, nach ihren Herkunftsländern, nach ihrer Mutter- oder Hauptsprache, ihrer sozialen Situation, ihrem rechtlichen Status, ihr kulturelle und religiöse Orientierung, ihres Geschlechts und ganz persönlichen Lebensumständen – Migrantinnen und Migranten sind vielfältig. Gemein ist ihnen und ihrer Vorfahren das Ab-Stammen aus einem anderen Land und zu großen Teilen unterschiedlich starken Ausgrenzungen, Diskriminierungen und Rassismus von beträchtlichen Teilen der Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt sind. (vgl. Veth/Weis)

Zudem wird zwischen zwei verschiedenen Arten von Migration aus dem Blickwinkel eines Nationalstaates unterschieden, der Binnenwanderung – Wanderungen innerhalb eines Landes und der Außenwanderung, Wanderung über die nationalen Grenzen hinweg.

Aufgrund der Breite des Themas Migration, was schon allein die Fülle der Literatur und Forschung beweist, und der der Aktualität der Osterweiterung im Mai diesen Jahres, die nicht nur die politisch-europäische Staatenlandschaft verändern lässt, sondern auch den Migrations-Diskurs in Berlin wieder auf die Agenda bringt, wird sich diese Arbeit auf die Zuwanderung von Ausländerinnen und Ausländern einerseits bezüglich Deutschlands und andererseits auf die Berliner Stadtentwicklung beschränken. Fragestellung ist demnach inwieweit Zuwanderungsbewegungen in der Geschichte Deutschlands und Berlins zu finden sind und welche Rolle sie in der heutigen Zeit spielen.

In Folge dessen wird in Kapitel I zunächst allgemein dargelegt, dass sich Zuwanderung und Stadt als Ort der Ballung von Menschen gegenseitig bedingen. Die Betrachtungen reichen von den Anfangen der Urbanisierung bis heute. In Kapitel II wird einerseits die Zuwanderung nach Deutschland in ihren Etappen und andererseits die räumliche Verteilung von AusländerInnen in Deutschland heute betrachtet. Anschießend (Kapitel III) wird der Focus auf die Berliner Zuwanderungsgeschichte gelegt und im besonderen die Entwicklung seit 1990 und ihre räumliche Dimension ins Blickfeld genommen. Das Kapitel IV behandelt die Stadtpolitik und Zuwanderung und stellt in diesem Zusammenhang die (prinzipiell missliche) Position einer Stadt als notwendiger Zuwanderungsort dar. Ausblickend (Kapitel V) wird aktuell einerseits die Berliner Zuwanderungs- und Stadtentwicklung bezüglich der Osterweiterung im Mai 2004 thematisiert und andererseits die kürzlich neu aufgerollte Debatte des Zuwanderungsgesetztes diskutiert. Bedauerlicherweise werden in diesem Rahmen Themenfelder wie Integration, ethnische Ökonomie und politische Aspekte von Zuwanderung nur gestreift werden können.

I. Ohne Zuwanderung keine Stadt

„Städte sind durch Zuwanderung entstanden und können ohne diese auf Dauer auch nicht existieren; insbesondere aufgrund der signifikant niedrigen Geburtenrate als in ländlichen Gebieten oder in sogenannten ‚Dritte-Welt’-Ländern sind die westeuropäischen Großstädte auf Zuwanderung angewiesen, wenn sie ihren Bewohnern den gewohnten Lebensstandart, die Vielfalt, also das, was eine Metropole ausmacht, erhalten möchten.“ (Häußermann/Oswald 1996, 85)

Dieses Eingangszitat von Hartmut Häußermann[2] und Ingrid Oswald[3] spiegelt Geschichte und Gegenwart der Bedeutung von Zuwanderung in europäischen Städten wieder, denn seit es Städte gibt, ist ‚Zuwanderung’ Thema. Die meisten Zuwanderer aus dem Ausland leben in den Städten, was kein Zufall ist. Denn Städte sind historisch durch Zuwanderung entstanden, zunächst vom Umland, dann aus ferneren Regionen. Städte sind beliebte Zuwanderungsorte, da sie die flexibelsten Unterkunftsmöglichkeiten, vielfältigsten Erwerbsmöglichkeiten und Chancen für Überlebensstrategien aller Art bieten, die kleinstädtische und dörfliche Umgebungen nicht zu bieten haben. Zudem sind Städte prinzipiell offen für die Integration von Fremden, da sie sowohl empirisch als auch normativ die Orte sind, wo die Koexistenz von verschiedenartigen sozialen Gruppen gelingen könnte und sollte.

Auch weiterhin wird tatsächlich Zuwanderung stattfinden, aufgrund anhaltender Gründe wie enormes wirtschaftliches Gefälle zwischen Ab- und Zuwanderungsregionen; Not, Hunger und Überbevölkerung, Kriege bzw. lebensgefährliche Unsicherheit (verstärkt osteuropäische Transformationsstaaten. (vgl. Häußermann/Oswald 1996, 85-86)

Ein kurzer vorweggenommener Blick auf die Stadtentwicklungspolitik besagt, dass die im Rahmen ordnungsschaffender Planung die allzu hohe Mobilität zugunsten stabiler (Teil)Gesellschaften zu verhindern sei, und wachsende Ausländeranteile entweder als ‚soziales Problem’ behandelt werden, oder als „Farbtupfer im Metropolengemälde, also entweder als Belastungsfaktor oder als folkloristische Zutat“. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 26)

1. Stadt – Ort der Zuwanderung seit jeher

Die Zuwanderung für Städte ist besonders bedeutsam ab dem Zeitalter der Urbanisierung, an dem die nachfolgenden Betrachtungen ansetzen und betrifft nicht nur Städte Deutschlands – mit seinen sich immer wieder geänderten territorialen Grenzen, sondern gilt für europäische Städte per se.

1.1 Urbanisierung und Industrialisierung – Stadtwachstum durch Zuwanderung

Wie allgemein bekannt, bildeten sich die modernen Großstädte im Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft heraus, und waren die ‚Motoren’ der weiteren Entwicklung, da sie zugleich Arbeitskräfte und Absatzmärkte für die entstehende Industrie bereit stellten. Zwar hat die Industrialisierung die Land-Stadt-Wanderung nicht ursächlich hervorgerufen, da sie ohnehin aufgrund der ländlichen ‚Überbevölkerung’ stattfand, aber ohne sie wäre die Industrialisierung wiederum nicht denkbar gewesen. Somit entwickelte sich in der 2. Hälfte des 19.Jh. in einem tlw. ‚chaotischen’ Prozess eine neue Sozial- und Raumstruktur.

Während die ‚eingesessenen’ einkommensstarken Bevölkerungsschichten – Besitzbürger – an die Randbereiche der Stadt ‚flüchteten’, sammelten sich in den dicht bewohnten – überfüllten, unkontrollierbaren – Altstadtquartieren die Zuwanderer (Wirtschaftsflüchtlinge vom Lande). Da bis in das letzte Drittel des 19.Jh. – Zeitpunkt der Bemühungen um eine ‚Städtereform’[4] – eine „städtische oder staatliche Kontrolle der Wanderungsbewegungen und der Existenzbedingungen in den Städten nicht möglich war, wurden die großen Städte zu gigantischen Integrationsmaschinen, in denen sich nach und nach die ‚moderne’ Gesellschaft mit geregelten Arbeitsverhältnissen, gleichförmigen Wohnbedingungen und sozialstaatlicher Absicherung existenzieller Risiken herausbildete.“ (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 11)

1.2 Zuwanderung im Zeitalter der Modernisierung

Mit der Herausbildung der Fachdisziplin Stadtplanung, wandelte sich das Verständnisses von Planung gegenüber dem 19. Jh. entscheidend: von Schaffung infrastruktureller Verbindungen zwischen Teilen der Stadt – v.a. Wegesystem – galt nun dem gesellschaftlichen Zusammenleben insgesamt. Mit der Städtebaureform zu Beginn des 20.Jh. wurde neben anderen Prinzipien[5] auch die „Nachbarschaft“ zu einem Zentralbegriff und die „soziale Mischung“ postuliert.[6] Die Grundkonzepte des Städtebaus des 20. Jh., gemeint sind die Zonierung der Stadt nach Nutzungsarten sowie die sozial-räumliche Gliederung in Nachbarschaften, hatten einen Effekt, der die Integration von neuen Zuwanderern zu einem großen Problem macht: Räume sind von nun an klar definiert, funktional und sozial eindeutig festgelegt, die die Zuwanderung deutlich erschwert, da das „sich untermischen“ nicht so leicht möglich ist. Durch Stadtsanierung und Erweiterung zentraler Geschäftsbereiche verschwinden die Quartiere, wo sich die verschiedensten Funktionen und Bevölkerungsgruppen ohne Dominanz überlagerten bzw. nebeneinander lebten. Das Baurecht[7] – als ordnender Zugriff – bestimmt immer weitreichender die soziale und funktionale Struktur der Stadt. Denn die Stadtpolitik greift mehr und mehr durch Sanierungsprogramme und Neubestimmung von Flächen (z.B. freigeworden durch Fabrikschließungen) in die „alte Stadt“ ein. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 12-14)

Dominantes Muster der Stadtentwicklung des 20. Jh. ist die Suburbanisierung, was eine Randwanderung von Gewerbe und Bevölkerung bedeutet – nicht nur als wachstumsbedingte Extension, sondern auch als Umverteilung innerhalb der Region. Zwar war der Urbanisierungshöhepunkt in Deutschland bereits in den 20er Jahren überschritten, wurde aber „durch ein langsames, aber immer noch kontinuierliches Bevölkerungswachstum durch Zuwanderung abgelöst.“ (Häußermann/Oswald 1997, 16) Durch die selektive Abwanderung ins Umland bezüglich des Einkommens und der Lebensstile, ist in den Stadtregionen eine großräumige Segregation in Gang gesetzt worden.

Durch den ökonomischen Strukturwandel seit den 70er Jahren und die (anhaltende) Randwanderung erwerbsstarker Bevölkerungsgruppen, verändert sich u.a. einerseits die Beschäftigungsstruktur und zum anderen sinkt das Kaufkraftvolumen in den Städten erheblich. Problematisch bei anhaltender Deindustrialisierung ist zudem, dass fehlende Produktionsbetriebe auch fehlende Arbeitsplätze bedeuten, die seit der Industrialisierung das wichtigste Segment für die Absorption von Zuwanderern gebildet hatten.[8] Die Verengung des Arbeitsmarktes, hat eine ansteigende Arbeitslosigkeit unter den Zuwanderern zur Folge, was eine unfreiwillige Segregation in den Städten beschreibt und in vielen Stadtteilen als sozialräumliches Problem gesehen wird. Denn kein ‚Platz’ auf dem Arbeitsmarkt erzeugt eine wachsende Spannung innerhalb der unmodernisierten Altbaugebiete. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 15-19)

2. Zuwanderung in der Stadt heute – „Notwendigkeit“ vs. „Überforderung“

„[...] die Zuwanderung aus dem Ausland, die das quantitative Wachstum europäischer Städte heute ausmacht, [bildet] anscheinend heute eines der größten Probleme für die Städte.“

(Häußermann/Oswald 1997, 9)

Häußermann und Oswald konstatieren demnach, dass zwar einerseits Zuwanderung für die Städte notwendig ist, aber eben die Jahrzehntelange Einwanderungsrealität zeigt, dass große Teile der Einwanderer und ihrer Kinder – differenziert nach Herkunft und Status, nicht nur politisch und rechtlich, sondern auch ökonomisch und sozial „Wohn- und Wirtschaftsbürger ‚zweiter Klasse’“ sind. Gemeinsam mit benachteiligten deutschen Bevölkerungsgruppen gehört ein Großteil der MigrantInnen zur Unterschicht und zu den ausgrenzungsbedrohten Teilen der Stadtgesellschaft. Auf räumlicher Sicht ist zu konstatieren, dass innerhalb der großen Städte, eine kleinräumige Konzentration von MigrantInnen in bestimmten, oft sozialräumlich benachteiligten Stadtteilen zu erkennen ist.[9]

Es ist eine klare Chancenungleichheit zwischen Deutschen und MigrantInnen in den Bereichen Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit und Partizipation als Querschnittselement vorhanden. Es bestehen deutlich höhere Ausgrenzungsrisiken, was für den Wohn- und Infrastrukturbereich der Städte stadtsoziologisch als „residentielle Diskriminierung“ beschrieben wird. Darüber hinaus sprechen angesichts der sozialen und ökonomischen Entwicklung Indikatoren dafür, dass sich die ‚Unterschichtung’ gegenüber der deutschen Bevölkerung in den Bereichen Arbeitsmarktintegration, Ausbildung, und Einkommen verstärkt. Die Migrationsminderheiten der Städte sind nach Michael Krummacher[10] folgendermaßen auf unterschiedlichen Ebenen differenziert (vgl. Krummacher 1998, 323):

Dauer des Aufenthalts

- Mehrheit mit langer Aufenthaltsdauer und Bleibeabsichten (Einwanderer) vs. wachsende Minderheit mit begrenzter Verweildauer in prekären Lebenslagen (Pendelmigranten, Handelstouristen, Flüchtlinge, Illegale)

Verlierer und Gewinner

- Mehrheit mit sozialen und ökonomischen ‚Unterschichtsmerkmalen’ vs. relevanter Minderheit mit ‚sozialer Aufwärtsmobilität’

Integration

- große Teile (Mehrheit?) mit Integrationsfortschritten bezüglich Sprache, Bildung und kultureller Handlungsmuster vs. Teile, die diesbezüglich in einer ‚ungeklärten Zwischenposition’ leben bzw. in Minderheit mit Betonung auf den Rückzug in die eigene ethnische Gruppe

Prinzipiell ist die sog. ‚Unterschichtung’ großer Teile der MigrantInnen in zentralen Lebensbereichen laut sozialstatistischen Befunden unstrittig, wobei aber die Erklärungen und Bewertungen nicht eindeutig sind und zwei unterschiedlich Thesen (vgl. Krummacher 1998, 323) zulassen, auf die in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen werden kann: Zum einen sei die Benachteiligung primär ausländerspezifisch, d.h. auf strukturelle Diskriminierungen als Minderheitengruppe ableitbar. Gegenargumentiert wird mit der These, die Benachteiligungen seien primär sozioökonomisch bzw. individuell erklärbar, d.h. auf persönliche Bildungs- und Qualifikationsdefizite gegenüber der „Konkurrenz der deutschen Bevölkerung“ und daraus folgenden schlechteren Zugangschancen auf ‚anonymen’ Arbeits-, Wohnungs- und sonstigen Teilmärkten zurückzuführen. Grundsätzlich lassen ich die Lebenslagen der Migranten nach nationaler und ethnischer Herkunft, demographischen Merkmalen und Geschlecht, politisch-rechtlichem Status, Aufenthaltsdauer und Bleibeabsicht sowie sozioökonomischer Situation unterscheiden. (vgl. Krummacher 1998, 322)

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Notwenigkeit von MigrantInnen in Städten gleichzeitig deren derzeitige ‚Überforderung’ bedeutet, da zumeist die Lebensbedingungen von MigrantInnen von sozialer und ökonomischer Benachteiligung geprägt sind, wodurch sich in der Stadt insgesamt die Chancenungleichheit mehr und mehr ausbreitet.

II. Deutschland – Land von Ein-, Durch- und Auswanderung

Migration ist für Deutschland keine neue Erscheinung, auch wenn die öffentliche Debatte bis vor kurzem den Eindruck erweckte, Deutschland sein kein Einwanderungsland. Vielmehr ist zu konstatieren, dass Deutschland über Jahrhunderte hinweg, ein Land von Ein-, Durch- und Auswanderung aus verschiedensten Gründen war.[11]

Beispielsweise wanderten im 19.Jahrhundert viele Menschen aus den heutigen Polen ins Ruhrgebiet, wo sie in der aufsteigenden Metallindustrie und den Bergwerken arbeiteten. Im kaiserlichen Deutschland – 1871 bis 1918 – wurden den fremdsprachigen, katholischen PolInnen sowohl von den Behörden als auch von den BürgerInnen misstrauisch und diskriminierend gegenüber getreten. (vgl. Veth/Weis)

1. Etappen, Phasen oder Stufen – Zuwanderung der letzten 50 Jahre

Im folgenden wird auf die Außenmigration bzw. speziell die Zuwanderung nach Deutschland – vorrangig nach Westdeutschland - der letzten sechzig Jahre betrachtet. In Deutschland leben Ende 2002 ca. 7,3 Mio. Einwohner mit ausländischem Paß, was ca. 8,3 % der Gesamtbevölkerung entspricht. Die Zahl der AusländerInnen haben sich in „ökonomie- und politikabhängigen Etappen“ seit dem Ende der 1950er Jahre mehr als verzehnfacht.

In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland lassen sich verschiedene „Phasen“, „Stufen“ oder „Etappen“ der Zuwanderung nach dem 2. Weltkrieg bis heute ausmachen, die im folgenden kurz erläutert wird:

Nach 2. Weltkrieg, als Etappe der ‚Volksdeutschen’ zu bezeichnen, da zumeist deutschsprachige aus verschiedenen Ländern Ost- und Ostmitteleuropas durch damalige Aussiedlung und Vertreibung nach Deutschland zurückkehrten. Innerhalb von 2-3 Jahrzehnten wurden mehr als 10 Mio. Menschen wieder aufgenommen, die sich fast „spurlos integriert und assimiliert“ haben. Die erfolgreiche Integration war durch den extrem aufnahmefähigen Arbeitsmarkt in Westdeutschland durch den Wiederaufbau und das sog. ‚Wirtschaftswunder’ möglich. (vgl. Häußermann/Oswald 1996, 87)

[...]


[1] Karl Valentin (1882-1948) – deutscher Komiker von Szenen und Dialogen mit hintergründiger Situations- und Wortkomik

[2] Häußermann, Hartmut, Dipl.-Soz., Dr. rer. Pol., Professor für Stadt- und Regionalsoziologie im Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin

[3] Oswald, Ingrid, Soziologin, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

[4] Grundmotive: Stärkere Kontrolle und bessere Steuerung der baulichen Entwicklung der Städte durch Gedanken der Sozial- und Gesundheitsreform zur - naiver Weise – Beseitigung der elenden und unübersichtlichen Lebens- und Arbeitsverhältnisse – des sozialen Elends. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 11)

[5] z.B. Verbesserung der Belichtungs- und Belüftungsverhältnisse

[6] Einerseits wurde die amerikanische Stadtforschung wirksam, indem sich das „Nachbarschaftskonzept“ an die Community-Bildung, die Konzentration von homogenen Bevölkerungsgruppen als Grundform der sozialräumlichen Gliederung von Großstädten lehnte. (Chicagoer Schule) (Grundlage für die These, dass die Stadt ein Mosaik aus verschiedenen Kulturen und Lebensstilen bilde, war die amerikanische Erfahrung der Großstadtbildung durch Einwanderung.) Aber die moderne Stadtplanung wollte aber die alten Lager der Klassengesellschaft gerade nicht reproduzieren, was die Übertragung des Modells bedeutet hätte, indem räumliche Einheiten mit einer ethnisch weitgehend homogenen Bevölkerung mit einer stärkeren Binnen- als Außenintegration gebildet worden wären und die ‚soziale Schließung’ impliziert worden wäre. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 13-14)

[7] Instrumentarium zum Ziel der funktionalen Aufgliederung städtischer Funktionen.

[8] So war es auch bei der Anwerbung der Gastarbeiter in den 60er Jahren der Fall, die sich in den Altbaugebieten der Großstädte ansiedelten. Je länger die Aufenthaltdauer wurde und der Zuzug der Familienangehörigen einsetzte, wurde aus der „Gastarbeiterbevölkerung“ eine „Wohnbevölkerung mit ausländischem Paß“. (vgl. Häußermann/Oswald 1997, 16)

[9] Es ist aber auch eine deutliche Zunahme der sozialen Differenzierung von MigrantInnen zu erkennen, was eine ökonomische und soziale Integration bedeutet. Diese so genannten ‚Aufstiegsmobilitäten’ sind im Bereich Bildung des ausländischen Mittelstandes zu erkennen bzw. verbesserte Bildungsabschlüsse von Jugendlichen, im ökonomischen Bereich: vergleichsweise ausgeprägten Selbsthilfepotentialen bzw. ihrer Konsum- und Wirtschaftskraft, die zu wichtigem Faktor für Ökonomie und Finanzkraft der Städte geworden sind. (vgl. Krummacher 1998, 323) Leider sind die ‚Aufstiegsmobilitäten’ unter MigrantInnen deutlich unterrepräsentiert in der Stadt.

[10] Krummacher, Michael: Dipl.-Pol., Dr. phil., Professor für Politikwissenschaft/Sozialpolitik an der evangelischen Fachhochschule RWL Bochum

[11] Persönliche, politische, soziale und wirtschaftliche Gründe: Armut, die Suche nach Arbeit und besseren Zukunftsperspektiven. (vgl. Veth/Weis)

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Migration und Stadt Zuwanderung nach Deutschland und Berlin in Geschichte und Gegenwart
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Institut fuer Stadt- und Regionalplanung)
Veranstaltung
Geschichte der Stadt- und Regionalplanung
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
18
Katalognummer
V29605
ISBN (eBook)
9783638310741
Dateigröße
965 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Dichter Text, kleine Schrift
Schlagworte
Migration, Stadt, Zuwanderung, Deutschland, Berlin, Geschichte, Gegenwart, Geschichte, Stadt-, Regionalplanung
Arbeit zitieren
Heike Hoffmann (Autor:in), 2004, Migration und Stadt Zuwanderung nach Deutschland und Berlin in Geschichte und Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29605

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