Todesinszenierungen im amerikanischen Kriegsfilm nach 1945. Sterben in "Platoon", "Hamburger Hill" und "Saving Private Ryan"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

0 Vorwort

1 Einleitung

2 Vorüberlegungen
2.1 Vom Töten im Krieg
2.2 Zum Verständnis des Todes
2.3 Todesangst und Angst vor dem Tod
2.4 Sterbeprozess und Todesmoment
2.5 Varianten der Todeserfahrung

3 Sterben und Tod in „Hamburger Hill“, „Platoon“ und „Private Ryan“
3.1 Mythische Strukturen
3.2 Welt, Körper, Sterben und Tod
3.3 Der Umgang mit dem Tod

Anhang A: Literatur

Anhang B: Produktionsdaten der behandelten Filme

0 Vorwort

Die ersten zwanzig Minuten des Spielberg`schen „Private Ryan“ haben meine Kriegserfahrung auf den Kopf gestellt. Eben diese beschränkte sich bis dahin auf das (aus dem Film-)Wissen, dass es Krieg gibt, dass in jenem und welchen Kriegsgebiet x-tausend Menschen ums Leben gekommen sind, und dass, wenn man im Krieg erschossen wird, dies relativ unblutig mit einem Einschussloch an irgendeiner Körperstelle vonstatten geht, die Toten vielleicht noch ein bisschen rumliegen, aber irgendwann sind auch sie aus dem Bild verschwunden. Und aus meinem Blickfeld. Außerdem weiß jeder, dass die Schauspieler nach ihrer Sterbensszene wieder aufstehen: sie sterben nur den Filmtod. Ich verlasse mich im Kino prinzipiell auf den Fiktionsvertrag, und man kann nicht behaupten, dass Spielberg mit seinem Film vertragsbrüchig geworden sei.

Trotzdem traf mich blitzartig die Erkenntnis, dass das Sterben einen wesentlichen Teil des Krieges ausmacht. Dass der Tod der Anderen im Krieg unvermeidlich ist – er ist ein Prinzip des Krieges. Es ist die Auseinandersetzung mit folgender Fragestellung , die den Sinn dieser Arbeit ausmacht: Krieg ist eine Variante der Sichtbarmachung des Todes, und wie noch später erörtert wird, ist Tod ein Thema im gesellschaftlich tabuisierten Raum. Wie wird dieser eigentlich tabuisierte Tod inszeniert?

1 Einleitung

Die Filme „Hamburger Hill“, „Platoon“ und „Privat Ryan“ spielen eine je unterschiedliche Tonart vom „Lied vom Tod“. Allen Filmen gemein ist die Auseinandersetzung mit der Todesangst, der Angst vor dem Tod und der Todeserfahrung, speziell mit dem „Tod des Anderen“. Die Inszenierungen des Sterbeprozesses und des Todesmomentes sind verschiedene. Bahnt sich in „Platoon“ eine mythische Todesinszenierung an, da der Mythos den Tod als Ende und Beginn einer Wandlung beschreibt, so ist in „Hamburger Hill“ die Zerstörung des menschlichen Körpers die Ausdrucksform der Kriegserfahrung, „Private Ryan“ berichtet hingegen vom zerstückelten Körper im Tod, und schafft mit der Landungssequenz der alliierten Truppen in der Normandie einen Epos des Todes.

Die Ansatzpunkte für die Frage nach der Todesinszenierung sind die ästhetischen und handlungsspezifischen Merkmale, die den Tod abbilden oder davon erzählen. Konkret bedeutet das die Untersuchung der Äußerungen und Handlungen der Soldaten zum Tod der Kameraden oder zum eigenen Tod als Bevorstand. Wie wird Sterben und Todesmoment ästhetisch dargestellt bzw. abgebildet? Wie wird der Tod an sich verstanden oder welche Bedeutungszusammenhänge werden ihm, speziell im Krieg, oder allgemein, zugeordnet? Wie wird das brutale DASS des Todes gezeigt, was sagt es über das WAS?

Stefan Reinecke spricht davon, dass Kino den Schrecken abbilde, „Bilder vom Sterben machen das Unfassbare abbildbar, das Unvorstellbare verständlich“[1]. Erfahrung von Grauen oder Schrecken ist eine Möglichkeit für den Einzelnen, diffuse Ängste[2] zu bewältigen, Verdrängungsmechanismen werden überflüssig. Ist das Sterben im Kriegsfilm ein Angebot zur Integration des uns „fremden“ Todes? „Rambo – und Filme, in denen massenhaft gestorben wird – kann man (...) als Angebot verstehen, in dem die Angst vor dem Tod (...) in der Vernichtung des Anderen, des Feindes undeutlich verarbeitet wird.“[3]. Hier ist noch hinzuzufügen, dass meines Erachtens diese Verarbeitung nicht nur in der Vernichtung des anderen vonstatten geht: die behandelten Filme bieten dafür viel Stoff.

2 Vorüberlegungen

2.1 Vom Töten im Krieg

Der Tod des Menschen ist Mittel zum Zweck des Krieges. Das Auf-den-Feind-Treffen ist nur eine Frage der Zeit, es ist gewiss, dass es passiert. Es gibt in erster Linie keinen zufälligen Tod, der Mensch im Krieg stirbt seltener an Krankheit oder Unfall – er geht in den Krieg, um gestorben zu werden.

Das Töten im Krieg hat eine eigene Moral. Es „erhält ... auf breiter Basis gesellschaftliche Legitimation“[4], und „legitim kann nur ein Handeln genannt werden, das mit kulturellen Normen im Einklang steht...“[5]. Gesellschaftlich wird das Töten (von anderen oder sich selbst!) im Normalfall strengstens geahndet, der Krieg bildet die Ausnahme, da er dem Erhalt der Gesellschaft oder der Eroberung dient. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Krieg von Gier, Hass, Angst, Machttrieb, Religion oder Ideologie[6] motiviert ist. Entscheidend ist die Notwendigkeit des Krieges in den Augen dessen, der ihn beginnt. Dabei ist das Töten „... ebenso wie das Schenken von Leben eine Manifestation von Macht“[7].

Der Soldat büßt nicht dafür, wenn er den Gegner tötet, sondern er wird geehrt – solange es der Gegner ist. Wer der Gegner ist, ist eine Frage der Definition durch verschiedene Kontrollinstanzen, die Gegnerfrage ist also keine individuelle, sondern eine gesellschaftspolitische. Der Gegner von heute kann morgen Freund sein. Aber niemand, der in den Krieg zieht, hat diese Frage zu entscheiden – ganz gleich, ob es sich um den höchst dekorierten Offizier oder den einfachen Rekruten handelt.

Die Legitimation des Tötens im Krieg bedeutet nicht, dass es im Krieg keine Moral gibt, im Gegenteil: die moralischen Regeln sind (über-)lebenswichtig. Der, der angreift, muss seine Opfer kategorisieren – nur der, der ihm ebenbürtig ist (der Soldat ist), und als Gegner identifiziert wird, der darf getötet werden. Eigene „Kameraden“ und die Zivilbevölkerung sind tabu, deren Tötung folgen mindestens ebenso strenge Konsequenzen wie dem Mord/der Tötung im Friedenszustand. Die Unterscheidungen sind bei dieser moralischen Frage fließend, es ist die Doppelmoral des Töten als „hehres Ziel“ im Krieg und des schärfste Sanktionierung in der „zivilen Normalität“[8].

Krieg wird nicht um einer Dezimierung der Bevölkerung eines Landes an sich willen geführt, sondern um die Übernahme der Kontrolle über ein Gebiet mittels der Schwächung der militärischen Kraft (Zerstörung der Kriegsmaschinen und Dezimierung der Herresmacht). Warum diese Kontrolle so bedeutend ist, quasi der Sinn des Krieges – diese Frage soll hier nicht erörtert werden.

Aber es sei hier noch ein sehr entscheidender Punkt erwähnt: Die gesellschaftliche Sanktionierung ist nicht nur auf das Töten bezogen, sondern auch auf den Tod selbst. Leben um jeden Preis in der Allopathie, die Problematik der Euthanasie, der zwanghafte Schutz von suizidal Gefährdeten seien hier als Beispiele genannt. Selbstmordversuche sind in einigen Ländern sogar strafrechtlich relevant.

2.2 Zum Verständnis des Todes

„Der Tod ist etwas Unvorstellbares, etwas eigentlich Undenkbares. Was wir bei ihm vorstellen und denken, sind nur Negationen und sind nur Nebenerscheinungen, sind nie Posivitäten.“[9].

Trennung bzw. Ganzheit von Seele und Leib, von Leben und Tod, Dasein und Nichtsein – das sind die relevanten philosophischen Ansätze, die kurz erörtert werden sollen: einerseits das „klassisch-abendländische Todesverständnis“ nach Demske[10], andererseits Heideggers „Tod als Existenzial des Daseins“[11]. Im ersten Modell wird der Tod begriffen als „Trennung der Seele vom Leib“[12], ein Prozess, der nicht nur den Menschen, sondern alles Lebendige betrifft. Durch den Tod wird der „Lebensbahn ein Ende gesetzt“, der Tod „begrenzt die Zeitlinie des Lebens, bringt sie zum Abschluss“[13]. Diesem Todesverständnis ist die Frage nach einem DANACH immanent, der Tod ist Zukunft, das „noch Ausstehende“[14].

[...]


[1] vgl. Reinecke, 121

[2] Diese diffusen Ängste sind Ausdruck der Verdrängung. Der Archetypus des „Fremden“ spielt hier eine Rolle, der auch einer der Grundtypen des Horrors ist: solange etwas nicht vorstellbar im Sinne von abbildbar ist, kann es nicht bewältigt werden.

[3] Reinecke, 98

[4] von Stietenchron, S. 19

[5] Assmann, S. 57

[6] vgl. von Stietenchron, S. 27ff.

[7] von Stientenchron (2), S. 155

[8] Reinecke, 29

[9] K. Jaspers, zitiert nach Manser, 103

[10] zitiert nach Manser, 142f.

[11] ebd.

[12] ebd.

[13] ebd.

[14] ebd.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Todesinszenierungen im amerikanischen Kriegsfilm nach 1945. Sterben in "Platoon", "Hamburger Hill" und "Saving Private Ryan"
Hochschule
Universität Leipzig  (Theaterwissenschaft)
Veranstaltung
Shell shocked Face - Der amerikanische Kriegsfilm nach 1945
Note
1,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V28716
ISBN (eBook)
9783638304177
ISBN (Buch)
9783638649919
Dateigröße
510 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kriegsfilm, Todes-Inszenierungen, Eine, Analyse, Darstellung, Sterbens, Platoon, Hamburger, Hill, Saving, Private, Ryan, Shell, Face, Kriegsfilm
Arbeit zitieren
Antje Linßner (Autor:in), 2003, Todesinszenierungen im amerikanischen Kriegsfilm nach 1945. Sterben in "Platoon", "Hamburger Hill" und "Saving Private Ryan", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/28716

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