Berninis Petersplatz. Die Baugeschichte


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

25 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Geschichte des Petersplatzes
Bis zum 17. Jahrhundert
Vorgängerentwürfe des 17. Jahrhunderts

Bernini als Architekt des Petersplatzes
DIe Ausgangslage
Erste Entwürfe
Baubeginn und letzte Modifizierungen

Anhang
Übersicht zur Baugeschichte
Baubeschreibung
Literatur
Abbildungen

Vorwort

Aufgrund der vielfältigen Untersuchungsmöglichkeiten, die der Petersplatz bietet, wird sich das vorliegende Essay ausschließlich auf die Baugeschichte des Platzes konzentrieren. Auf gestalterische Details bzw. die stilistische Einordnung der Architekturelemente, Vergleiche mit anderen Platzanlagen oder antiken Vorbildern, geometrische Analysen oder den großen Themenbereich der umstrittenen „optischen Täuschungen“ des Petersplatzes muss an dieser Stelle verzichtet werden. Auch auf die Scala Regia und das Skulpturenprogramm werde ich nicht näher eingehen. Dies gilt zuletzt auch für die zahlreichen zeitgenössischen Gegenentwürfe und die Kritik, die gegen Berninis Entwurf laut wurde.

Geschichte des Petersplatzes

Bis zum 17. Jahrhundert

Überlegungen zur Neugestaltung des Petersplatzes blieben bis zum 17. Jahrhundert weitestgehend unkonkret oder unrealisiert. Im Mittelalter wurde die Form des Platzes praktisch nur durch das umgebende Stadtgefüge[1] bestimmt (Abb.1). Zwar hielt man einen unregelmäßigen Vorplatz von Bebauung frei, die Form des Platzes wurde aber nicht planerisch gestaltet. Nikolaus V. (1447-1455) war der erste, der den Petersplatz auf stadtplanerische Aspekte hin verändern wollte. Drei neue, von Kolonnaden gesäumte Straßen[2], die auf dem Boden der alten Leostadt errichtet werden sollten, hätten als Verbindungen der Engelsburg mit der Basilika gedient und wären auf dem Petersplatz geendet. Wie die Bebauungspläne des Platzareals näher aussahen, ist nicht überliefert . Alberti soll vorgeschlagen haben, den Obelisken neu zu gestalten und in den Mittelpunkt des Platzes zu stellen.[3] Alexander VI. (1492-1503) nahm Nikolaus’ Pläne zum Teil auf, indem er den Borgo Vecchio Anfang 1499 erweiterte[4] und dieser damals wichtigsten Verbindungsstraße nach einem Jahr nördlich den Borgo Nuovo zur Seite stellte. (Abb. 1,2) Der Brunnen, den Innozenz VIII. (1484-1492) 1490 hatte errichten lassen, lag damals in der Mitte des Platzes und wurde von Alexander im Jahr 1502 restauriert. Julius II. (1503-1513) plante umfassende Umbauten an der Peterskirche, die auch den Platz betrafen. Es war Bramantes Idee, den Platz vor die Südfront der Kirche zu verlagern und rund um den Obelisken auszurichten. Im November 1564 wurde der Petersplatz durch den Abriss der Häuserinsel von S. Maria dei Vergari nach Süden verbreitert, um die Platzanlage symmetrischer zu gestalten. (Abb. 4) Der Borgo Vecchio endete nun direkt am Platz. Pius IV. wollte diese Maßnahme mit der Errichtung von Portiken rund um den Platz verbinden[5], wozu es nicht kam. Sixtus V. (1585-1590) nahm zwanzig Jahre später die Petersplatzplanungen in sein großangelegtes Stadtplanungsprogramm auf. Durch den Abbruch des Kirchenatriums und des Spina – dem Häuserblock zwischen Borgo Vecchio und Borgo Nuovo - wollte er eine durchgehende Achse von der Engelsburg zur Michelangelo-Fassade durchschlagen. Im Rahmen seines stadtplanerischen Projektes, das die Verbindung aller Hauptkirchen der Stadt durch Achsen mit Obelisken als deren Endmarkierungen vorsah, ließ er 1586 den Obelisken der Südfassade von Carlo Fontana umgestalten auf den Vorplatz verstellen, der damit zum neuen Mittelpunkt des Platzes wurde.[6] Aufgrund des Todes von Papst Sixtus V. blieb die Obeliskenversetzung das einzig realisierte Vorhaben. (Abb.5)

Vorgängerentwürfe des 17. Jahrhunderts

Als sich die Umbauten an der Peterskirche unter Paul V. einem Ende näherten, wandte man sich dem immer noch unförmigen Petersplatz (Abb.6,7) motivierter zu und entwickelte konkretere Pläne Maderno, der schon am Umbau des Doms arbeitete, entwickelte auch Konzepte für den Platz, die er mehrmals modifizierte. Seinem endgültigen Plan folgend, sollte nur der westliche Bereich des bestehenden Platzes symmetrisch gegliedert werden. Im Anschluss an die neue Fassade plante er zwei viergeschossige Flügelbauten, von denen der nördliche leicht schräg gestellt werden und den alten Palast ergänzen und der südliche das Erzpriesterhaus ersetzen sollte (Abb.8). Die Fassadenfront der Kirche wäre so zur „Rückwand eines bühnenhaften Raumes“[7] geworden, die den Segenshandlungen des Papstes dienen konnte.[8] Durch eine umgebaute Freitreppe mit flankierenden Rampen sollte der Vorplatz mit dem östlichen Platzareal verbunden werden. Hier war lediglich die Ergänzung des Obelisken durch einen neuen Brunnen und der Ersatz des alten Brunnen durch eine Fontäne vorgesehen.[9] 1613 waren neben der Fassade jedoch nur die Treppe und der Brunnen realisiert.

Aus „unerfindlichen Gründen“[10] wurde Martino Ferrabosco 1617 mit der Weiterführung des Projektes betraut. Er modifizierte 1617/18 zusammen mit Vansanzio die Ideen Madernos.[11] Die Häuserblocks zwischen Borgo Vecchio und Borgo Santo Spirito sollten abgerissen werden, um einer zur Kirche symmetrischen, trapezförmigen und von Portiken umfassten Platzanlage zu weichen (Abb.10).[12] Anstelle von Madernos dreigeschossigen Palastbauten plante Ferrabosco zweigeschossige Flügelbauten mit Glockentürmen und anschließenden Böschungsmauern (Abb.11). Um die Rückseite der Kirche sollte ein portikusumgebener Platz angelegt werden. Einzig der nördliche Trakt bis zum 30,5 m hohen Glockenturm wurde umgesetzt. (Abb. 12) Voss sieht in der Anlage Ferraboscos, die bis zum Eingriff Berninis bestehen blieb, eine „embryonale Vorstufe der späteren Pläne Berninis“[13], auf die Bernini sich unmittelbar beziehen wird: In beiden Entwürfen sind Arkaden, divergierende Korridore und die Trapezform gegeben.[14]

Ein weiterer Entwurf aus den 10er Jahren des 17. Jahrhunderts ist auf einem Stich von Matthäus Greuter (Abb.13) zu sehen und geht auf Papirio Bartoli zurück, der auch Änderungen an der Fassade vorschlug.[15] Er sah einen an den Ecken gerundeten, längsrechteckigen Vorplatz mit mehrgeschossigen Arkadenreihen vor, den Voss als „eine offenbare Reminiszenz an die Vorhalle von Alt-St. Peter“[16] bezeichnet. Im Westen hörten die Arkaden nicht bei der Kirche auf, sondern umschlossen diese ganz. Im Osten sollte die Anlage durch zweigeschossige Arkaden abgeschlossen werden, um die Fernsicht auf St. Peter nicht zu behindern.[17] Auch diesen Entwurf hat Bernini vermutlich studiert, da er in den Chigi-Archiven zu finden ist.[18]

[...]


[1] Im 4. Jahrhundert erreichte man St. Peter östlich über die Via Cornelia und nördlich über die Via Trionfale – beide Straßen waren nicht axial auf die Kirche ausgerichtet. Im 5. oder Anfang des 6. Jahrhunderts wurde die Via Cornelia zum Teil durch die gedeckte Säulenstraße „Porticus S. Petri“ ersetzt, welche seitlich an der Treppe zum Atrium St. Peters endete. Der Vorplatz der Kirche blieb ungestaltet, bis Papst Symmachus (498-514) für die Pilger einen Brunnen errichten ließ. Im Zusammenhang mit dem Brunnen wird die Freifläche vor der Kirche auch zum ersten Mal als Platz bezeichnet. Von den genauen Maßen des Platzes im Mittelalter ist nichts genaues bekannt. Die Südostgrenze bildete die Häuserinsel von S. Maria dei Vergari, welche zwischen dem Borgo Vecchio und dem Platz lag. Im Süden bildete vermutlich eine Böschungsmauer den Abschluss des Platzes. Im Westen grenzte eine Freitreppe zum Atrium den Platz ab. Bis 1400 grenzten im Norden Gebäude entlang der Ruga Francigena an, dann ließ Bonifaz IX. das Vorfeld des Vatikanischen Palastes abreißen. Seitdem reichte der Platz bis zur Leoninischen Mauer im Norden. Das Areal wurde trotz vieler Baumaßnahmen in der Umgebung stets von Bebauung freigehalten. Siehe hierzu Thoenes.

[2] Womöglich in Erinnerung des alten Porticus, so vermutet Thoenes.

[3] Brauer/Wittkower bezeichnen die Rolle Albertis in diesem Zusammenhang als „spiritus rector“, die treibende Kraft hinter den Planungen. Sowohl sie als auch Thoenes berufen sich auf den Papstbiographen Manetti. Vgl. Brauer/Wittkower S. 64, Anm. 34.

[4] „Una strada che de la porta del palacio se ne ra a filo a la porta del Castello.“ (Zitat aus einer Depesche eines estensischen Gesandten vom 8. April 1499. Abgedruckt bei Brauer/Wittkower S. 65.)

[5] Thoenes beweist dies durch den Bericht eines mantuanischen Gesandten . S. 139, Anm. 64.

[6] Zur Geschichte des Obelisken: Dieser war von Kaiser Caligula aus Alexandria 37 n. Chr. eingeschifft und in seine Arena gestellt worden, welche sich auf dem Gebiet der heutigen Kirche befand. Er soll Zeuge der Hinrichtung Petrus gewesen sein und gewinnt damit einen direkten Bezug zur Kirche. Domenico Fontana setzte den Obelisken auf einen Sockel mit vier Löwen und Festons und bekrönte ihn mit einem Kreuz, das einen Splitter des Kreuzes Jesu enthalten soll. Nach dem Lateransobelisken ist er bis heute mit 25,75 m der größte der römischen Obelisken.

Zum Standort des Obelisken: Hiermit befasste sich eine eigene Kongregation. Um den idealen Standort des Obelisken zu ermitteln, wurde am 24.8.1586 an der vorgesehenen Stelle ein Modell aufgestellt. Schließlich wurde er nicht auf der Mittelachse der Kirche platziert, sondern etwa 3,8 Meter nördlich davon. Auch in anderer Hinsicht war die Aufstellung des Obelisken ungewöhnlich: Unter Sixtus V. war es üblich, die Obelisken an den Schnittpunkten von Straßenachsen zu errichten. Eine solche Möglichkeit hätte sich auch beim Petersplatz durch die von Norden kommende und von Sixtus angelegte Via Angelica ergeben. Der Obelisk wurde aber weiter westlich errichtet, ungefähr im Zentrum der Platzfläche. Diese Tatsache wurde oft als Vermessungsfehler ausgelegt, Carlo Fontana selbst machte das angeblich schiefe Langhaus verantwortlich. (Fontana war nur für die Gestaltung des Obelisken, nicht für seine Aufstellung zuständig. Die zuständigen Architekten waren Giacomo della Porta und Bartolomeo Ammanati.) Nach Thoenes ging es den Architekten jedoch nicht um die Langhausachse, sondern um die Blickachse von der Engelsburg zum Petersdom. Die westliche Platzierung war nötig, um den Obelisken zum neuen Mittel- und Sammlungspunkt zu machen. Mehr zur Situierung des Obelisken: Thoenes S. 110.

[7] Haus S. 5

[8] Vgl. Haus S. 5

[9] Zu Madernos erster Planung: Nachdem man 1609 das Atrium abgerissen hatte[9], folgte man zunächst einem provisorischen Plan, dessen vorrangiges Ziel es war, die Sicht auf die neue Fassade frei zu machen. Dazu riss man die linke Hälfte des Palastes Pauls II. ab; der rechten Hälfte mit dem Eingangsportal wurde eine südliche Abschlussmauer beigefügt. Madernos Lösungsvorschlag für das ungegliederte Palastgelände nördlich der Kirche: Nur das Portal wird beibehalten, der Rest des Palastes aber soll einem neuen viergeschossigen Flügelbau weichen. Dieser Weg wurde nicht eingeschlagen. Als Grund kann man sich den Befehl zur Errichtung von Glockentürmen im Jahr 1612 denken, dem eine Planänderung folgen musste, da die Fassade hierdurch verbreitert werden würde. Zum provisorischen Plan siehe Abb. 9.

[10] Brauer/Wittkower S. 66

[11] Laut Haus geht Feraboscos Idee eigentlich auf einen anonymen Entwurf vor der Zeit der Fassadengestaltung durch Maderno zurück. Neben den ästhetischen Vorzügen hebt das Projekt hervor, dass der Vorhof durch die konkave Form als Zeremonienhof für die Segenshandlungen dienen kann. Vgl. Haus S. 5.

[12] Die Trapezform unterstütze die Fernsicht, so Haus (S. 6). Thoenes geht von einer einfachen Verlängerung der Borgoachsen aus.

[13] Voss S. 2

[14] Berninis erster Entwurf wird trapezförmig sein.

[15] Der Entwurf wird unterschiedlich datiert: Voss: 20er/30er, Witttkower: 1613-1617. Siehe hierzu Marder S. 84.

[16] Voss S. 3

[17] Auf dem Stich sind an der Längsseite 18 Arkaden zu sehen, im Text dagegen heißt es „ein Minimum von 30 Arkaden“ . Voss S. 3.

[18] Vgl. Marder S. 84

Ende der Leseprobe aus 25 Seiten

Details

Titel
Berninis Petersplatz. Die Baugeschichte
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Kunstgeschichtliches Institut)
Veranstaltung
Gianlorenzo Bernini
Note
1,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
25
Katalognummer
V26275
ISBN (eBook)
9783638286688
ISBN (Buch)
9783638734677
Dateigröße
7195 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Hauptseminararbeit ist nach einer 18-tätigen Exkursion entstanden. Ich konzentriere mich darin ausschließlich auf die Baugeschichte, gestalterische Details sind nicht ausgearbeitet. Im Anhang (10 Seiten) zahlreiche Abbildungen zur Illustration.
Schlagworte
Berninis, Petersplatz, Baugeschichte, Gianlorenzo, Bernini
Arbeit zitieren
Anna Klissouras (Autor:in), 2004, Berninis Petersplatz. Die Baugeschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/26275

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