Wagners Streben nach dem Gesamtkunstwerk - Oper und Drama und Lohengrin


Seminararbeit, 2001

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2. Wagners Gesamtkunstwerk

3. Die formbildenden Elemente

4. Das Problem der Anwendbarkeit- „Lohengrin“ und „Oper und Drama“

5. Die Leitmotivverkettung am Beispiel des „Frageverbots“

6. Schluss

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Jahr 1878 bezeichnete Wagner gegenüber Cosima die Zürcher Kunstschriften als seine eigentlichen Werke. Dadurch wird deutlich, wie wichtig für Wagners Selbstverständnis als Künstler die theoretisch-programmatische Fundierung seines kompositorischen Schaffens war.[1]

In den Zürcher Kunstschriften „Die Kunst und die Revolution“, geschrieben im Juli 1849[2], „Das Kunstwerk der Zukunft“, vollendet im November 1849[3] und schließlich „Oper und Drama“, abgeschlossen am 10. Februar 1851[4], entwickelte Wagner seine Konzeption des

Gesamtkunstwerkes. Diese Schriften entstanden nach der Teilnahme Wagners am gescheiterten Maiaufstand in Dresden 1849[5] und seiner Flucht nach Zürich in der „Lebenskrise des Exils“[6]. In den fünf Jahren zwischen 1848 und 1853 verstummte Wagner im Gegensatz zur umfangreichen theoretischen Tätigkeit als Komponist; nach dem „Lohengrin“ vollendete er bis zum „Rheingold“ kein Bühnenwerk mehr. Zwar entstanden 1850 Skizzen zu „Siegfrieds Tod“, doch brach Wagner bezeichnenderweise die Arbeit in diesem Entwicklungsstadium vorerst ab.[7]

„Oper und Drama“ gilt als Wagners programmatische Hauptschrift; diese Wertung wurde aber durchaus in Frage gestellt.[8] Gewöhnlich wird die dritte der Zürcher Kunstschriften in engem Zusammenhang mit dem „Ring des Nibelungen“ gesehen, doch lassen sich Verbindungen mit dem „Lohengrin“ feststellen. Egon Voss wertet in diesem Sinne „Oper und Drama“ weniger als ästhetisches Hauptwerk Wagners, denn als Ausdruck seines musikdramatischen Bewusstseins im Jahre 1850, dem der „Lohengrin“ näher steht, als der „Ring“.[9]

Im folgenden soll zunächst auf Wagners Begriff des Gesamtkunstwerkes in seinen Kunstschriften eingegangen werden. Es folgt die Betrachtung der formbildenden Elemente, die die Einheit des Gesamtkunstwerkes begründen sollen, wie in „Oper und Drama“ beschrieben. Danach wird das Problem der Anwendbarkeit von „Oper und Drama“ auf „Lohengrin“ erörtert, um schließlich das Frageverbotmotiv im „Lohengrin“ als Beispiel für die leitmotivische Verkettung zu untersuchen.

2. Wagners Gesamtkunstwerk

Bei der Formulierung seiner Idee des Gesamtkunstwerkes konnte Wagner auf vorhandene ästhetische Vorstellungen zurückgreifen.[10]

Das Streben nach Synthese der Künste findet sich v.a. in der romantischen Kunsttheorie. Einer ihrer maßgeblichen Exponenten, Friedrich Schlegel, spricht im 116. Athenäums-Fragment in Bezug auf die Dichtung von der „progressiven Universalpoesie“, in der die „getrennten Gattungen der Poesie“ wieder vereinigt werden sollen, um dann die Grenzen der Kunst zu überschreiten und „Leben und Gesellschaft poetisch zu machen“.[11]

Ein wichtiger Anknüpfungspunkt für Wagner ist daneben die „Philosophie der Kunst“ von Friedrich Wilhelm Joseph Schelling.[12] Darin stellt Schelling den „Gegensatz der [...] antiken und modernen Kunst“[13] dar und idealisiert das Gesamtkunstwerk der Antike: „Ich bemerke nur noch, daß die vollkommenste Zusammensetzung aller Künste, die Vereinigung von Poesie und Musik durch Gesang, von Poesie und Malerei durch Tanz, selbst wieder synthetisiert die componierteste[!] Theatererscheinung ist, dergleichen das Drama des Althertums[!] war, wovon uns nur eine Karrikatur[!], die Oper geblieben ist [...].”[14]

Wie Schelling bezieht sich auch Wagner in seinen Kunstschriften auf die griechische Antike. So setzt er in „Die Kunst und die Revolution“[15] idealisierend „das große Gesamtkunstwerk der Tragödie“[16] im antiken Griechenland der modernen, kommerzialisierten Kunst, die sich in Oper und Schauspiel aufspaltet, gegenüber.[17]

In „Das Kunstwerk der Zukunft“[18] beschreibt Wagner die Einheit der „drei reinmenschlichen

Kunstarten“ Tanzkunst, Tonkunst und Dichtkunst in der Antike[19], also der von ihm damit ge-meinte griechische Begriff „musiké“[20]. Das „große Gesamtkunstwerk“ ist als Ziel das „gemeinsame Werk der Menschen der Zukunft“.[21] Von der Basis der antiken Kunstauffassung aus geht Wagner bei der Entwicklung seiner Konzeption in einem dialektischen Dreischritt von Griechentum (Naturzustand) - moderner Zivilisation (Kulturzustand) - Kunstwerk der Zukunft (Kunst) vor.[22]

„Oper und Drama“[23] konkretisiert die ästhetischen Kategorien des Gesamtkunstwerkes als (musikalisches) Drama. Ausgehend von der Feststellung , dass „der Irrtum in dem Kunstgenre der Oper darin bestand, daß ein Mittel des Ausdruckes (die Musik) zum Zwecke, der Zweck des Ausdruckes (das Drama) aber zum Mittel gemacht war“[24] verwirft Wagner künstlerisch das Genre der Oper im ersten Teil („Die Oper und das Wesen der Musik“)[25] von „Oper und Drama“, weil sie sich auf dieser falschen Mittel-Zweck-Relation von Musik und Drama

(fehl-)entwickelt hat.

Als geeigneter Anknüpfungspunkt wird dagegen Beethovens Symphonie Nr. 9 herangezogen, da in der Schiller-Vertonung die „zeugende Kraft des Dichters“ mit der Musik als „Gebärerin“[26] vereinigt ist. Im zweiten Teil („Schauspiel und Wesen dramatischer Dichtkunst“)[27] wird das „moderne Drama“, d.h. das Schauspiel wegen „seiner zwitterhaften, unnatürlichen Gestalt“[28] abgelehnt. Als Schritt in die richtige Richtung, d.h auf das „Drama der Zukunft“ hin, im Bereich des Schauspiels findet allerdings das „Drama des Shakespeare“[29] eine positive Beurteilung. Wieder in Bezug auf die griechische Antike, insbesondere am Beispiel des Ödipus- und Antigonemythos[30], bestimmt Wagner die Handlung des von ihm intendierten Kunstwerkes als „den aus dem klarsten menschlichen Bewußtsein gerechtfertigten, der Anschauung des immer gegenwärtigen Lebens entsprechend erfundenen und im Drama zur verständlichen Darstellung gebrachten Mythos“.[31]

[...]


[1] Wagner, Cosima: Die Tagebücher. Ediert und kommentiert von Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack, Bd. 2: 1878-1883, München, 1977, Anmerkung S. 154

[2] Artikel „Die Kunst und die Revolution“, in: Gregor-Dellin, Martin und von Soden, Michael: Hermes Handlexikon Richard Wagner, Düsseldorf 1983, S. 100-102

[3] Artikel „Das Kunstwerk der Zukunft“, in: Gregor-Dellin / von Soden, Handlexikon, S. 102

[4] Artikel „Oper und Drama“, in: Gregor-Dellin / von Soden, Handlexikon, S. 152f.

[5] Gregor-Dellin, Martin: Richard Wagner. Sein Leben. Sein Werk. Sein Jahrhundert. Taschenbuchausgabe, München 1983, S. 259-276

[6] Gregor-Dellin, Wagner, S. 278ff.

[7] Dahlhaus, Carl: Zur Geschichte der Leitmotivtechnik bei Wagner, in: ders. (Hg.): Das Drama Richard Wagners als musikalisches Kunstwerk

(= Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, Band 23), Regensburg 1970, S. 17-36

[8] vgl. Dahlhaus, Carl: Wagners Konzeption des musikalischen Dramas, Taschenbuchausgabe, München u.a., 1990, S. 11; Voss, Egon: Die Chöre im „Lohengrin“ vor dem Hintergrund von „Oper und Drama“, in: Csampai, Attila und Holland, Dietmar (Hg.): Richard Wagner. Lohengrin. Texte, Materialien, Kommentare, Reinbek bei Hamburg, 1989, S. 275-283

[9] Voss, Chöre, a.a.O., S. 275

[10] Artikel „Gesamtkunstwerk“, in: Bauer, Hans-Joachim: Richard-Wagner-Lexikon, Bergisch-Gladbach 1988, S. 174f.; Borchmeyer, Dieter: Gesamtkunstwerk, in: Die Musik in Geschichte und Gegenwart, 2., neubearbeitete Ausgabe, Sachteil, Band 3, Kassel und Stuttgart 1995, Sp. 1282-1289

[11] Schlegel, Friedrich: Athenäums-Fragmente, in: Band 2, Kritische Schriften, hg. von Ernst Behler und Hans Eichner, Studienausgabe, Paderborn u.a., 1988, S. 114

[12] Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph: Philosophie der Kunst (Ausgewählte Werke), Nachdruck der Ausgabe von 1859, Darmstadt 1990

[13] Schelling, Philosophie, S. 16

[14] Schelling, Philosophie, S. 380

[15] Wagner, Richard: Die Kunst und die Revolution, in: Band 3, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Leipzig 1907, S. 8-41

[16] Wagner, Revolution, a.a.O. S. 12

[17] Wagner, Revolution, a.aO., S. 19f.

[18] Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft, in: Band 3, Gesammelte Schriften und Dichtungen, Leipzig 1907, S. 42-177

[19] Wagner, Zukunft, a.a.O., S. 67

[20] Borchmeyer, Gesamtkunstwerk, a.a.O., Sp. 1284

[21] Wagner, Zukunft, S. 60

[22] Kühnel, Jürgen: Wagners Schriften/Schriften der Jahre 1849-1864, in: Müller, Ulrich und Wapnewski, Peter (Hg.) : Richard-Wagner-Handbuch, Stuttgart 1986, S. 497-538

[23] Wagner, Richard: Oper und Drama, herausgegeben und kommentiert von Klaus Kropfinger, Stuttgart 1984

[24] Wagner, OuD, S. 19

[25] Wagner, OuD, S. 11-122

[26] Wagner, OuD, S. 118

[27] Wagner, OuD, S. 126-244

[28] Wagner, OuD, S. 142

[29] Wagner, OuD, S. 135

[30] Wagner, OuD, S. 187-202

[31] Wagner, OuD, S. 227

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Wagners Streben nach dem Gesamtkunstwerk - Oper und Drama und Lohengrin
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Kunst- und Musikwissenschaft)
Veranstaltung
Einführung in die Musikästhetik
Note
1,0
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V19567
ISBN (eBook)
9783638236577
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wagners, Streben, Gesamtkunstwerk, Oper, Drama, Lohengrin, Einführung, Musikästhetik
Arbeit zitieren
Helmut Strauss (Autor:in), 2001, Wagners Streben nach dem Gesamtkunstwerk - Oper und Drama und Lohengrin, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19567

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