Zu: Bertolt Brecht - Anmerkungen zur Oper 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'


Seminararbeit, 1999

14 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Struktur
2.1. Funktion der Überschriften
2.2. Inhaltliche und sprachliche Ebenen

3. Ausgewählte Begriffe
3.1. Der „Kulinarismus“
3.2. Die „Apparate“
3.3. Die „Kopfarbeiter“
3.4. „Fortschritt“ – Kritik des „Fortschritts“

4. Brechts Vorstellung vom Publikum
4.1. Das „alte“ Publikum
4.2. Das „neue“ Publikum

5. Warum wählt Bertolt Brecht die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ als Beispiel für die Schrift ?

6. Schluß

Literaturangaben

1. Einleitung

Bertolt Brecht übte im 20. Jahrhundert mit seiner theoretischen und praktischen Arbeit sehr großen Einfluß auf Theater und Drama aus. Er bestand auf eine gesellschaftliche Anpassung und somit eine Änderung des Theaters und formulierte dabei eine neue Aufgabe der Bühne – ein neues Ziel sollte verfolgt werden. Seine große Wirkung erreicht Brecht nicht zuletzt dadurch, dass er Stückeschreiber, Theoretiker und Bühnenpraktiker in einer Person vereinte. Die Mittel, die er entwickelte, gehen sogar so weit, dass sein Drama in der Funktion geändert wird und somit nicht mehr in die grundlegenden Anforderungen der aristotelischen Theorie einzugliedern ist.

Brecht hatte seine Vorstellungen vorerst nur in Notizen und Aufzeichnungen festgehalten. 1930[1] publizierte er jedoch die erste zusammenhängende theoretische Schrift, in der er seine Vorstellungen von einem epischen Theater formulierte, die „Anmerkungen zur Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny[2]. Natürlich folgten viele weitere Aufsätze bzw. theoretische Schriften, wie z. B. „Über experimentelles Theater“ oder „Kleines Organon für das Theater“ u.a.

Ich werde mich in dieser Arbeit mit den „Anmerkungen“ beschäftigen. Dabei will ich versuchen, die ausgewählten Elemente[3] dahingehend zu analysieren, dass ihre Funktion und damit ihr von Brecht impliziertes Ziel deutlich werden. Es soll nachvollziehbar sein, dass Brecht diese Elemente bewußt und absichtlich auf diese Art und Weise verwendet und an der jeweiligen Stelle eingesetzt hat.

2. Struktur

2.1. Funktion der Überschriften

Brechts „Anmerkungen“ sind formal eine Auseinandersetzung in sechs Punkten[4]:

1. Oper – aber Neuerungen !

2. Oper ...

3. ... aber Neuerungen !

4. Musik, Wort und Bild mußten mehr Selbständigkeit erhalten
a) Musik
b) Text
c) Bild

5. Die Folgen der Neuerungen: Beschädigung der Oper ?

6. Für Neuerungen – gegen Erneuerungen

Die Überschriften, die Brecht für die einzelnen Teile wählt, stellen dabei keine neue, vom eigentlichen Text abgesonderte Ebene dar. Sie bilden teilweise zwar selbständig fortlaufende Elemente[5], haben aber letztendlich ihre Funktion darin, die Gedankenführung der Schrift hervorzuheben. Würden diese Überschriften alle als Sätze formuliert, könnten sie schlechthin den ersten Satz eines neuen Absatzes bilden.

So beschreibt er unter „Oper – aber Neuerungen“ Bestrebungen seiner Zeit, die Oper zu erneuern, grundlegende Aufgaben und ihre Funktion dabei jedoch nicht zu diskutieren.[6]

Diese „Bescheidenheit“[7] drückt Brecht bereits in der Gegenüberstellung der Überschrift aus. Mit der restriktiven Konjunktion „aber“ zeigt er jedoch zugleich, dass beide Vorhaben – das Beibehalten der Oper als solche und die Absicht, Änderungen vorzunehmen – nur schwer auf sinnvolle Weise zu vereinen sind. Indem Brecht diesen Titel in den beiden folgenden Kapiteln trennt und gesondert behandelt, wird deutlich, dass beide Aspekte eine eingehende Auseinandersetzung erfordern. Er richtet sich damit gegen die bisher halbherzig angegangenen Versuche, die Oper zu erneuern. Eine Überarbeitung der Funktion der Oper wird von den „Kopfarbeitern“[8] deshalb nicht angestrebt, da sie fälschlicher Weise davon ausgehen, sie würden die Institutionen Oper, Schaubühne, Presse usw. – Brecht fasst diese unter dem Begriff „Apparate“[9] zusammen – für die Umsetzung ihrer Kunstwerke benutzen. Brecht allerdings behauptet, dass dies sich gegenteilig verhält.[10]

In den folgenden beiden Punkten geht er genauer auf seine Veränderungen und die neuen Funktionen von Musik, Wort und Bild ein.

Da in dem Titel „...aber Neuerungen“ die direkte Gegenüberstellung des Wortes „Oper“ fehlt, wird bereits in der Überschrift deutlich, dass Brecht sich von dem alten Bild der Oper loslöst und mit seinen Neuerungen eine neue, eher selbständige und weniger konservative Form schaffen will.[11] Einen Kernpunkt dieser neuen Form, macht er bereits in der Überschrift „Musik, Wort und Bild mußten mehr Selbständigkeit erhalten“ klar.

Im Anschluss daran nimmt er sich nochmals die Oper als Ganzes zum Gegenstand und stellt die Frage – und zwar bereits in der Überschrift - ob sie denn durch diese Neuerungen eine Beschädigung erfahren hätte.

Im letzten Punkt wird nochmals klar – und dies ebenfalls bereits in der Überschrift – dass Brecht sich nicht mit einer „Er neuerung“ des Bestehenden zufrieden gibt, sondern eine „Neuerung“ dessen fordert.[12]

2.2. Inhaltliche und sprachliche Ebenen

Brecht schafft in den „Anmerkungen“ drei inhaltliche Ebenen. Auch hier kann man sich wieder stark an den Titeln selbst orientieren und anhand dieser eine Zuordnung vornehmen.

Zuerst beschreibt Brecht die Situation der Oper in seiner Zeit. Unter „Oper – aber Neuerungen“ zeigt er, dass Bestrebungen nachgegangen wird, die Oper zu erneuern.[13] Dabei soll die bestehende Form der Oper modifiziert, ihre funktionale Form aber nicht geändert werden.[14] Laut Brecht sind die Gründe für die Zurückhaltung in den Forderungen wirtschaftliche, die jedoch noch im Verborgenen liegen. Die falsche „Meinung, sie [die Kopfarbeiter] seien im Besitz eines Apparates, der in Wirklichkeit sie besitzt...“[15], will er aufdecken. Es liegt ihm also in diesem ersten Kapitel genau gesagt daran, den Menschen die Augen zu öffnen und zu zeigen, wie es sich wirklich verhält. Er behauptet nämlich, dass Theaterstücke nicht mehr selbständige Kunstwerke darstellten, sondern von den Apparaten für ihre Zwecke verwendet würden. Die Produktionen der Kopfarbeiter gewinnen „Lieferantencharakter“[16].

[...]


[1] Jan Knopf: Brecht- Handbuch. Stuttgart. S. 436f. (Im Folgenden zitiert als: Jan Knopf)

[2] Bertolt Brecht: Anmerkungen zur Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny. In: Bertolt Brecht Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe; Schriften 4; Hrsg. von Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller; Band 24; Frankfurt am Main; 1991. (Im Folgenden vereinfacht: Anmerkungen)

[3] Siehe Inhaltsangabe: struktureller Aufbau der Schrift; ausgewählte, zentrale Begriffe; Bild des Publikums.

[4] Die Numerierung der einzelnen Punkte wurde von mir zugefügt.

[5] So die beiden Titel „Oper-“ und „-aber Neuerungen“

[6] Vgl. Anmerkungen: S. 74

[7] Ebd.

[8] Zu dem Begriff „Kopfarbeiter“ siehe: 3.4. Die „Kopfarbeiter“

[9] Zu dem Begriff „Apparate“ siehe: 3.2. Die „Apparate“

[10] Vgl. Anmerkungen: S. 74 f.

[11] Vergleicht man die beiden Überschriften „Oper – aber Neuerungen“ und „-aber Neuerungen“ fällt ein Unterschied in der Betonung auf: In der ersten liegt ein Akzent auf „aber“ und in der zweiten liegt dieser eher auf „Neuerungen“. Ich denke, Brecht setzt die Begriffe bewusst auf diese Weise ein, da so deutlich wird, dass in Ansätzen bereits richtige Gedanken verfolgt werden. Ein Festhalten an der traditionellen Form der Oper verhindert aber, dass die wesentliche Beachtung nicht den Neuerungen, sondern der Tatsache, dass verändert wird, gilt.

[12] Anmerkungen: S. 84: „Für Neuerungen – gegen Erneuerungen“. Man kann hier deutlich sehen, dass Brecht die Begriffe, die er wählt, ganz bewusst einsetzt und daher bereits hinter kleinsten formalen Unterschieden semantische Differenzen zu finden sind.

[13] Anmerkungen: S.74: „Seit einiger Zeit ist man auf eine Erneuerung der Oper aus.“

[14] Anmerkungen: S.74: „Es werden also ... Neuerungen verlangt oder verteidigt, die zur Erneuerung der Oper führen sollen – eine prinzipielle Diskussion der Oper (ihrer Funktion!) wird nicht verlangt und würde wohl auch nicht verteidigt.“

[15] Vgl. Anmerkungen: S. 75

[16] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Zu: Bertolt Brecht - Anmerkungen zur Oper 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny'
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Institut für deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Bertolt Brecht und sein Theater
Note
2
Autor
Jahr
1999
Seiten
14
Katalognummer
V19129
ISBN (eBook)
9783638233194
ISBN (Buch)
9783638788441
Dateigröße
465 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bertolt, Brecht, Anmerkungen, Oper, Aufstieg, Fall, Stadt, Mahagonny, Bertolt, Brecht, Theater
Arbeit zitieren
Arthur Brian Krier (Autor:in), 1999, Zu: Bertolt Brecht - Anmerkungen zur Oper 'Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19129

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