Charles Baudelaire: Sein Leben, sein Werk und die "Blumen des Bösen".


Seminararbeit, 2002

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Warum Baudelaire?

2. Wer war Baudelaire?

3. Baudelaire und Poe

4. Die „Blumen des Bösen“

5. Zwei ausgewählte „Blumen“

6. Fazit und Ausblick

7. Verwendete Literatur

Anlage

XLV ANHEIMFALL

CXXXIX DARSTELLUNG

1. Warum Baudelaire?

Die Frage zu klären, warum ich mich als Thema meiner Hausarbeit für den französischen Schriftsteller Charles Baudelaire entschieden habe, ist kompliziert und simpel zugleich: Auf der einen Seite kompliziert, da mir durch die Seminare zu diesem Kurs zahlreiche herausragende Autoren nähergebracht wurden, unter anderem Friedrich Schiller, Joseph von Eichendorff, Heinrich Heine, Friedrich Nietzsche, Georg Trakl oder Erich Kästner. Andererseits fiel mir die Entscheidung auch nicht wirklich schwer; was mir hingegen Probleme bereitet, ist dies zu begründen. Manche Autoren verfügen einfach über eine übernatürlich Gabe, den Leser nicht nur in ihren Bann zu schlagen, sondern subliminal zu beeinflussen, ohne das dieser es zwangsläufig mitbekommt. Nachdem ich begonnen hatte, mich mit Baudelaire zu beschäftigen, wurde mir schnell klar, daß es sich hierbei um einen Menschen von unheimlich komplexer und verworrener, allerdings auch unglaublich interessanter Natur gehandelt haben muß. Mit einem melancholischen Temperament gesegnet (gestraft?), war ich natürlich schnell Baudelaires düsteren, traurigen, oft schon ausweglos anmutenden Gedichten verfallen. Bin ich gutgelaunt, macht es großen Spaß, sich an der Feinheit seiner Verse, der Schärfe seiner Metaphern und den Farben seiner Sprachbilder zu erfreuen; bin ich deprimiert, werde ich jedoch von seiner teils verworrenen Symbolik verwirrt, von seiner Offenheit vor den Kopf gestoßen und von seiner unerträglichen Traurigkeit gequält. Um diesen außergewöhnlichen Autor ein wenig besser verstehen zu können, wenn dies überhaupt möglich ist (schließlich handelt es sich hierbei um ein Unterfangen, an dem schon zahlreiche Literaturtheoretiker und –kritiker gescheitert sind), habe ich den geläufigen Weg, mich ausschließlich mit standardmäßiger Sekundärliteratur zu befassen, verlassen, und mich nochmals intensiver mit der Lehre der vier Temperamente, sowie depressiven Erkrankungen beschäftigt. Obwohl es offensichtlich und auch bekannt gewesen ist, daß Baudelaire ein tief melancholischer Mensch war, der auch häufig unter Depressionen litt, halfen mir die daraus gewonnenen Erkenntnisse einige Symptome besser deuten zu können. Auch wenn es keineswegs im Mittelpunkt dieser Hausarbeit stehen soll, so hoffe ich, daß es mir gelingt, dieses Wissen im Kontext Baudelaires gut darzustellen und wünsche viel Spaß bei der Lektüre!

2. Wer war Baudelaire?

Moderner Dichter. Verteidiger des Dandyismus. Experte auf dem Gebiet der Psychoanalyse. Journalist und Kunstkritiker. Professioneller Übersetzer. Gesellschaftskritiker. Philosoph. Melancholiker. Drogenabhängiger. Krüppel.

Dies alles sind Bezeichnungen, die Charles Baudelaire während seiner viel zu kurzen Daseinsfrist von 46 Jahren (1821-1867) gegeben wurden. Eine kleine Hilfe um zu erkennen, wie er sich selbst gesehen hat, gibt uns sein Selbstbildnis (s. Deckblatt). Dieses zeigt Baudelaire in einem langen schwarzen Mantel mit Zigarre und Zylinder. Hinter ihm vermag man mit viel Fantasie Paris zu erkennen, die „verfluchte“ Stadt, in der er „so gelitten und so viel Zeit verloren hat“.[1] Das Selbstbildnis zeigt ihn als Dandy, einen Menschen, „der gepflegte Umgangsformen, geistreiche Konversation und kultivierten Müßiggang (Wetten, Spiele, Gelage etc.) ins Zentrum seines Lebens stellt, und dem es vorrangig um eine Ästhetisierung sämtlicher Lebensbereiche geht. Charakteristisch ist auch die herablassend-blasierte Arroganz gegenüber der bürgerlichen, als gewöhnlich verachteten Gesellschaft, die durch auffallende Kleidung und provozierendes Gehabe schockiert werden soll.“[2] In seinem eigenen, durchaus auch kritischem Essay, begriff Baudelaire den Dandy als ersten und zugleich letzten Heroen der Moderne: „Der Dandy muß ununterbrochen danach streben, erhaben zu sein. Er muss leben und schlafen vor einem Spiegel". Den Kern des Kultcharakters dieser exzentrischen, fast schon religiösen Lebenseinstellung beschreibt er durch jenes, „heutzutage nur allzu seltenen Bedürfnisses, die Trivialität zu bekämpfen und zu zerstören. Daraus entsteht denn auch bei den Dandys jene hochfahrende Attitüde einer Kaste, die unerachtet ihrer Kälte etwas Herausforderndes hat“.[3]

Obwohl der Dandyismus mit Sicherheit einer der zentralen Pfeiler seines Lebens gewesen ist, wäre es komplett falsch ihn lediglich auf diese Facette zu reduzieren. Was uns zurück zu seinem Selbstbildnis bringt: Auffällig ist natürlich sogleich die Farbgebung, in der grau und schwarz, sowie blasse Blau- und Brauntöne überwiegen.

Diese Tristesse ist eine der Hauptmerkmale eines Lebens, das Baudelaire als „Grenzregion zwischen dem absoluten Licht und der absoluten Finsternis“ sieht.[4]

Georges Poulet (frz. Literaturkritiker, der sich neben Baudelaire u.a. auch intensiv dem Schweizer Autor Ludwig Binswanger und dem französischen Philosoph Jean-Paul Sartre gewidmet hat) vermutet, daß Baudelaires Weltbild, wie das der meisten französischen Dichter des 19. Jahrhunderts, wenn auch eventuell unbewußt, von dem Giovanni Battista Piranesis beeinflusst wurde.[5] Der italienische Kupferstecher und Baumeister konzentrierte sich weitgehend auf großformatige Kupferstich-Veduten römischer Bauwerke und Denkmäler (Vedute di Roma, 1748-1756; Antichità romane, ab 1756), deren expressiv übersteigerte Darstellungsweise die Sicht künftiger Generationen auf die Welt des antiken Roms entscheidend prägte. Die latent surrealen Elemente dieser Abbilder kamen vollends zur Entfaltung in den phantastisch-bizarren Architekturphantasien der Carceri d'Invenzione (1745; 2. Edition 1760), in denen er eine monströse Traumwelt aus labyrinthischen Bauwerken entwarf.[6] Darüber hinaus entwickelte er die Idee der „Treppe der Verdammnis“, an deren Ende sich ein finsteres Gewölbe, ein mit den Worten Baudelaires „Ort unerträglicher Traurigkeit [...] von der alles Fröhliche unerreichbar weit entfernt ist“ befindet.[7] Baudelaire, ein Anhänger des Jansenismus (religiös-sittliche Reformbewegung des nachtridentinischen Katholizismus in Frankreich im 17. und 18. Jahrhundert, die auf den flämischen Theologen Cornelius Jansen zurückgeht und besagt, daß der Mensch, um gute Werke zu vollbringen, auf Gottes Güte angewiesen ist, das Gott habe es vorausbestimmt habe, wer auf immer verdammt sei und wer zur Erlösung gelange, wobei nur einigen wenigen diese letzte Gnade beschieden sei[8] ), war von der Lehre der „Erbsünde“ überzeugt und fühlte sich als „angeboren verdorben“. Treffend dazu sein Zitat: „Ich bin ein Mensch, also ein gefallenes Wesen, das sich seines Daseins schämt, das Böse tut und in einem Schlamm watet, der ihm wesensgleich ist“.[9] Er war sich sicher, daß sich nur durch die Erbsünde der Zwiespalt erklären lässt, der sich in allen Menschen zeigt. So wohnten auch in Baudelaire zwei Vergangenheiten; eine strahlende, und eine finstere, nicht wiedergutzumachende.

Durch sein melancholisches Gemüt gepaart mit seiner Faszination für das Morbide, Hässliche, schuf er sich eine monströse Maske für sich selbst, die er bis zu seinem Tod nicht mehr abnehmen konnte. Dies verwundert umso mehr, wenn man weiß, daß Baudelaire vor seinem 30. Lebensjahr Spezialist für humorige und Liebesgedichte gewesen ist. Nun war er jedoch besessen von seiner schlechten Vergangenheit, seine Existenz erscheint ihm beinahe grenzenlos fortlaufend, erscheint ihm sogar als im allgemeinen retrospektiv erlebte Dauer, in deren Verlauf er sich selbst erkennt.[10] Schließlich sieht er sich sogar als Opfer irgendeiner diabolischen Vorsehung, als Mensch in seinem Dasein wie in einer Falle gefangen, sein Schicksal unwandelbar. Seine größte Angst war mit zunehmenden Alter (wenn man mit 40+ überhaupt schon von „Alter“ sprechen kann) immer mehr, die „Angst sich verbrauchen und dahinsiechen zu sehen“[11], ein Gefühl, welches ihn in seinem Schaffen stark hemmt. Um dies zu unterdrücken, möchte er nun immerfort schlafen,

ein Symptom, das bei depressiven Menschen nicht unüblich ist. Diese Haltung Baudelaires führte letztenendes zu völligem Verzicht am „normalen“ Leben teilzunehmen, Freunde zu treffen oder Konzerte und Galerien zu besuchen (Dinge, die er noch bis Ende 30 sehr gerne getan hat). Seine Depressionen, häufig hervorgerufen durch seinen stetig wachsender Schuldenberg, der aus dem extravaganter Lebensstil seiner Jugendjahre resultierte, drängten ihn bereits im jungen Alter von nur 24 Jahren an den Rande des Selbstmordes. Als Gründe, die ihn daran hinderten, gibt der Dichter selbst primär seinen Ehrgeiz an: „Schon seit langem bin ich am Rande des Selbstmordes, und nur ein Beweggrund, der mit Feigheit und sogar mit Bedauern nichts zu tun hat, hält mich davon ab; nur der Stolz hindert mich, ungeordnete Angelegenheiten zu hinterlassen“.[12] Sein Tod am letzten Augusttag 1867 war zwar letztenendes natürlichen Ursprungs, für einen Menschen wie ihn aber auch irgendwo passend: Schon ab März 1866 litt Baudelaire an Halbseitenlähmung und Aphasie (Unfähigkeit, Gedanken mittels Sprache auszudrücken), was dazu führte, daß seine Mutter ihn drei Monate später aus Brüssel nach Paris zurückbringt, wo er in eine Heilanstalt eingeliefert wird. Bis zu seinem Tod hatte er die Sprache nicht mehr wiedergefunden.[13]

[...]


[1] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 95

[2] Vgl. „Encarta Encyclopaedia 2000”, Stichwort: “Dandy”

[3] Vgl. „Der Dandy“, S. 106f

[4] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 131

[5] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 130

[6] Vgl. „Encarta Encyclopaedia 2000”, Stichwort: “Piranesi”

[7] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 131

[8] Vgl. „Encarta Encyclopaedia 2000”, Stichwort: “Jansenismus”

[9] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 129

[10] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 133

[11] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 135

[12] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 95

[13] Vgl. „Wer war Baudelaire?“, S. 119

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Charles Baudelaire: Sein Leben, sein Werk und die "Blumen des Bösen".
Hochschule
Universität Potsdam  (Germanistik)
Veranstaltung
Dichtung und Melancholie
Note
2,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
18
Katalognummer
V18081
ISBN (eBook)
9783638224994
Dateigröße
621 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Charles, Baudelaire, Sein, Leben, Werk, Blumen, Bösen, Dichtung, Melancholie
Arbeit zitieren
Tim Leidecker (Autor:in), 2002, Charles Baudelaire: Sein Leben, sein Werk und die "Blumen des Bösen"., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18081

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