japan.arch - toyo ito & associates - kazuyo sejima + ryue nishizawa / sanaa


Seminararbeit, 2003

38 Seiten, Note: 1


Leseprobe


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b1: japan (städte über 100.000ew)

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b2: klima tokyo (temp. – luftfeuchtigk.)

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b3: klima berlin (temp. – luftfeuchtigk.)

1 japan.arch

1.1 ursprünge

1.1.1 geografie/klima

japan liegt westlich des chinesischen festlandes im pazifischen ozean. zwischen den inselteilen gibt es grosse klimaunterschiede, in der südlichen hälfte der hauptinsel, im bereich tokio, osaka, hiroshima herrschen gemässigte verhältnisse vor. frühling, sommer, herbst und winter sind klar voneinander abgegrenzt. der wechsel der jahreszeiten hat traditionell einen höheren stellenwert in der japanischen kultur. der sommer ist in japan heiss und schwül, der winter kalt und trocken, das dortige klima verhält sich also genau umgekehrt als in mitteleuropa. in japan schützt man sich daher nicht durch dicke, mit wenigen öffnungen versehenen steinbauten gegen die trockene hitze, sondern man setzt auf erhöhten luftdurchzug um der schwüle zu begegnen. die hohe luftfeuchtigkeit im sommer, und die damit verbundende erschwerte ausdünstung des körpers ist das klimatische hauptproblem. der trockene, für das wärmeempfinden des menschlichen körpers noch kältere winter wird durch das ozeanische klima etwas gemildert. als folge werden auf der japanischen hauptinsel die häuser vorwiegend dem sommerklima entsprechend gebaut. daraus ergeben sich folgende planungselemente:

- das japanische haus hat im allgemeinen günstige durchzugseigenschaften, alle räume werden gleichmässig mit luft durchspühlt (besonders vorteilhaft ist querlüftung). die wände weisen ein öffnungskonzept auf, bzw. lassen sich wandtafeln und -türen gegen gitterelemente austauschen.
- die durch das heissfeuchte klima resultierende bodenfeuchte lässt keine einfache gründung von holzbauten zu, da sonst die bodenhölzer sofort zu faulen beginnen würden. wohnhäuser werden deshalb aufgestelzt um eine luftzirkulation unter dem fussboden zu ermöglichen.
- das dach ist traditionell weitausladend um schutz gegen regen und die steil einfallende sommersonne zu gewährleisten. besonders im süden empfielt sich der vorbau einer veranda, um die wohnräume zusätzlich abzuschirmen. die orientierung dieser räume in den am nachmittag sonnenintensiven westen ist zu vermeiden.
- weiters nutzt man in japan traditionell natürliche elemente wie teiche, kleine bäche und wasserfälle um sich kühlung (auch im symbolischen sinn) zu verschaffen. dafür charakteristisch sind auch laternen oder glöckchen im vorhaus die den luftzug zusätzlich betonen.

1.1.2 philosophie/kultur

von wesentlicher bedeutung auf die japanische kultur war der zenbuddhismus, dessen geistige konzepte trotz verwestlichung und konsumkultur noch spürbar sind. das japanische wort zenna bedeutet meditationsübung bzw. versenkungsübung in sitzender haltung. die zen-religion kennt keinen klassischen gottesbegriff oder damit verbundene rituale oder heiligen texte. im gegensatz zu den eher rational erfahrbaren monotheistischen religionen erfordert der zen-buddhismus eine direkte intuitive wahrnehmungsweise. im vordergrund steht dabei selbstdisziplin die einem zur überwindung des rationellen denkens führt. ziel ist es die transzendale weisheit zu erreichen, die alle gegensätze zwischen dem individuellem ich und dem all aufhebt. dieser zustand wird satori genannt. er ist logisch rational nicht beschreibbar und lässt sich nur in langen meditationsübungen erreichen.

dieses abrücken vom rationalen zu einer erfüllenden sinnberfreiung zeigt sich auch in der baukultur. bei gärten bleibt das zentrum stets unbetont, wohnräume gliedern sich in von möbeln befreite, durchlässige nutzungsneutrale bereiche. die klassische japanische (wohn-)kultur bildete sich vom 17. bis 19. jhdt. aus, mit ende des 19. jhdt. erfolgte die gesellschaftliche, wirtschaftliche und technische öffnung zum westen.

in den verhaltensregeln des traditionellen japan fest verankert waren bestimmte sitzund ruheweisen. beim betreten des hauses wurden die schuhe ausgezogen und die hochgelegten fussböden barfuss bzw. in strümpfen betreten. als sitzmöbel dienten besondere kissen, auf denen man knieend bzw. auf den fersen hockte. diese hockende sitzweise eröffnet eine andere perspektive auf den raum. die gleichartigen möbellosen zimmer erlauben zudem den raschen nutzungswechsel, wie etwa das beherbergen von gästen.

ein element der vom zen-buddhismus geprägten weltanschauung ist auch das bewusstsein um die vergänglichkeit des menschlichen lebens. dies zeigt sich auch im zusammenhang mit dem im vergleich zum europäischen verständnis losgelösten verhältnis zur wohnung.

"die wasser des dahinströmenden flusses wechseln ewig; auf dem unbewegten teich teilt sich schaum, verschwindet und bleibt nicht. von solcher art ist auch das schicksal des mannes und seiner wohnung auf dieser welt."[1]

so hält es der japanische philosoph kamo-no-chomei im 12.jhdt. fest. er setzt das von ihm verherrlichte, natürliche freie leben als buddhistischer einsiedler auch selbst architektonisch um: "das haus, in dem ich wohne, ist kein gewöhnliches haus. es ist nur 3m im quadrat und kaum 2m hoch. da ich keinen besonderen wunsch hatte, es auf einer bestimmten stelle aufzubauen, befestige ich das haus nicht auf der erde – ich errichtete seitenwände, deckte ein leichtes dach darüber und befestigte jede verbindungsstelle mit eisenklammern, do dass ich das haus leicht versetzten könnte, wenn mir die gegend nicht mehr gefallen sollte. wie wenig mühe würde die verlegung bereiten – zwei wagen würden genügen, das ganze material zu tragen [...]"[2]

es scheint so als würden sich hier philosophische traditionen und das moderne bild des heutigen stadtnomaden verbinden. im unterschied zu kamo-no-chomei, der sich von der umwelt abschliesst, halten sich heutige nomaden in überfüllten städten auf, die aber der geistigen einsamkeit japanischer wälder um nichts nachstehen müssen.

ein weiteres kennzeichen der japanischen kultur ist das stark ausgeprägte reinlichkeitsempfinden (mehr im geistigen, als im hygienischen sinn). darauf weist einerseits die traditionelle praxis hin, wohnhäuser von zeit zu zeit abzureissen und wieder neu aufzubauen. auch die baumaterialien selbst blieben meist unbehandelt – ungestrichenes holz, bambus, papier.

01.01.03 das klassische japanische wohnhaus

das klassische japanische wohnhaus ist eng mit dem kriegerwohnhaus verbunden. die kriegerkaste war vom ende des 12. jhdt. bis zur 2. hälfte des 19. jhdt. die herrschende klasse. daraus resultiert auch das schlichte praktische aussehen. auch palastanlagen basierten im wesentlichen auf diesem bautyp, allerdings bestehen sie aus mehreren hauptbauten und einer grossen gartenanlage. das kriegerhaus des 17. jhdt besteht aus einem nebenbau zur strasse. ein toreingang und ein gepflasterter weg führen zum hauptbau. der grundriss ist zweigeteilt, ein öffentlicher teil für gesellschaftszwecke und ein anderer teil für die familie. der erste teil besteht aus dem hauptempfangsraum, der über den haupteingang erschlossen wird. zum familienteil gehören chanoma, wohnraum, teeraum und küche. dieser teil wird von einem nebeneingang erschlossen. das haus bildet die familienhierarchie nach: die hausfrau war auf den bereich der hausarbeit beschränkt, während der hausherr das öffentliche leben führte – beide bereich waren streng voneinander getrennt. die überreste dieser tradition scheinen noch heute die japanische gesellschaft zu prägen. das wohnhaus besteht prinzipiell aus einem hochgelegten, mit matten belegten wohnraumteil, einem hochgelegten gedielten teil mit veranda, korridoren, abort und einem grossteil der küche. ein verhältnismässig kleiner

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b4: laterne unterm vordach (sommer)

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b5: darstellung eines klassischen japanischen wohnhauses

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b6: wohnraum mit tokonoma, shoin und wandschrank

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b7: hergerichtetes bett

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b8: kaya, klassisches mückennetz "ein aquarium, auf dessen boden ertrunkene liegen"[3]

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b9: tokonoma, tana und shoin

teil mit vorflur, baderaum und einem abschnitt der küche bleiben ungedielt auf geländeniveau. der grundriss des japanischen wohnhauses baut auf den tatami-massen (abmessungen der bodenmatte) auf. die grösse einer matten entspricht 91/182cm. alle räume ordnen sich nach diesen massen. die raumgrösse wird üblicherweise auch mit der mattenanzahl ausgedrückt. ein 4,5-matten-raum ist beispielweise ein 273/273cm grosser raum.

1.1.4 raumarten und raumgestaltung

wohn und aufenthaltsräume:

- empfangsund gastraum (8-10 matten): der hauptraum des hauses für gesellschaftliche ereignisse, aber auch als gästeraum benutzbar. angeschlossen ist ein nebenraum, der durch schiebetüren verbunden wird. bei grossen familienfeicherlichkeiten können die trennelemente entfernt werden. das empfangszimmer ist meist mit tokonoma, tana und shoin austgestatten, das nebenzimmer mit einem wandschrank.
- wohn-/schlafraum (6-10 matten): in grösseren häusern gibt es mehrere wohnräume, die gleichzeitig als schlafräume verwendet werden. hausherr, hausfrau, sohn, tochter und die alten eltern haben jeweils getrennte räume. dem wohnraum ist meist eine veranda vorgebaut und mit einem wandschrank ausgestattet.
- chanoma (4-8 matten): chanoma ist das esszimmer der familie, im gegensatz zum essen mit gästen dass im empfangsraum stattfindet. daneben ist es das arbeitszimmer der hausfrau. traditionell wird das chanoma nie als schlafraum verwendet.
- teeraum (2-4,5 matten) dieser raum dient zur ausführung der teezeremonie, oft als eigenes gebäude im garten bzw. als bestandteil des hauses. der raum ist mit einer feuerstelle, tokonoma und einer benachbarten teeküche versehen.

japanische wohnräume sind sehr schlicht und klar gehalten. schränke und kommoden sind meist in die wand eingebaut und tragen zur übersichtlichkeit bei. im raum werden auch faltschirme verwendet, wie zb. das kaya, eine netzstoff-konstruktion um sich wärend des schlafes vor mücken zu schützen.

weiters lassen sich folgende nischenbzw. schrankelemente unterscheiden:

- tokonoma (toko), ursprünglich aus dem abgehängten meditationsbild buddhistischer priester hervorgegangen, wurde es später zu einem fixen bestandteil des japanischen wohnhauses. es besteht aus einer nische in dem ein meist profanes hängebild, kakemono hängt. davor steht meist eine vase mit blumen. das toko wird als heiliger platz im haus verehrt und darf nicht betreten werden.
- tana (tokowaki) geht auf den im 12. jhdt. benutzte transportablen schrank zurück, und bezeichnet im klassischen japanischen wohnhaus die wandbrettnische neben dem tokonoma. dieses element dient mehr der raumgestaltung, als praktischen zwecken, denn auf grosser fläche können im gegensatz zum wandschrank nur wenige dinge verstaut werden.
- shoin bezeichnet die lesenische, ein erkerartig hinausgebautes durchscheinendes papierfenster, dessen breite fensterbank als lesepult diente.

wandschränke befinden sich in allen wohnund den meisten nebenräumen und dienen zur aufbewahrung verschiedenster gegenstände (bettzeug, sitzkissen, kleidungsstücke, etc.). meist gliedern sich wandschränke nach dem mattenformat (91/182cm). sie sind teilweise von beiden seiten zugänglich und haben in der regel nur wenige teilungen. sie werden durch schiebetüren bedient und versorgen den raum mit notwendigen einrichtung, treten aber selbst nicht als möbelstück in erscheinung und tragen so zur flexibilität und nutzungsfreiheit japanischer häuser bei. nebenund wirtschaftsräume:

- das engawa ist traditionell ein hauptbestandteil des japanischen hauses, als zum garten verlängerter wohnraum. im sommer schirmt es licht und hitze vom hausinneren ab, im winter bietet es die möglichkeit die sonnenwärme zu geniessen. die japanische veranda funktioniert daneben auch als verbindungsgang zwischen den räumen. die breite beträgt 91-182cm. das engwa kann als offener oder geschlossener raum ausgeführt werden.
- die küche (2-8matten) im klassischen japanischen wohnhaus besteht aus dem hochgelegten hauptteil und einem kleinen geländegleichen vorplatz, der auch als haupteingang funktioniert. diese teilung hat mehrere funktionen, zum einen aus hygienis chen gründen, der hochgelegte wohnungsbereich wird vom unsauberen strassenbereich getrennt. parallel dazu wird eine 2. soziale schwelle ausgebildet. mit boten und händlern kann zwar im haus verhandelt werden, die nötige distanz bleibt aber gewahrt. unter dem hochgelegten fussboden werden vorräte bzw. heizmaterial gelagert. die küche ist sehr einfach eingerichtet: spühlbecken, herd mit grosser reispfanne und ein tragbares kochgestell für den tee.
- der baderaum (2-8matten) und das baden sind traditionell von grösserer bedeutung als für europäer. dementsprechend wird auch wert auf eine künstlerische gestaltung gelegt. oft bietet baderäume auch eine schöne aussicht in die landschaft. sie sind stets vom abort getrennt und liegen meist neben der küche. die wanne dient zur entspannung und erwärmung des körpers und wird erst im gereinigten zustand benutzt. es gibt holz und gusseisen-wannen. beide werden aber anders als in europa in hockender stellung benutzt. daraus resultiert die ovale, tiefe wannenform (90x60, t=70cm).
- der abort: da in japan keine kanalisationsanlagen üblich waren, erfolgte die sammlung der auswurfstoffe in keramischen bzw. betonierten gruben. um die damit verbundene geruchsbelästigung abzuschirmen wurden aborte meist an einer hausecke, vom engawa zugänglich angeordnet. der raum weist meist ein niedriges boden-fenster auf das zur belüftung und reinigung dient. die einrichtung ist meist einfach aber geschmackvoll: ein kleiner bodenschrank, vase, fächer und abdeckplatte. die abortanlage selbst befindet sich auf fussbodenniveau – für hockende benutzung.

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b10: offener umlaufender engawa

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b11: holzbadewanne für zwei personen in einem japanischen hotel, mit aussicht auf das meer.

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b13: blick vom empfangsraum auf den teich (kaiserlicher katsura-palast)

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b12: abort, niedriges bodenfenster

1.1.5 grundrissbespiel eines klassichen japanischen wohnhauses

eingeschossiges wohnhaus mit einer innenraumfläche von 30,5 matten – wohnund esszimmer haben nordund südseitig eine veranda vorgesetzt. im sommer wirkt sich diese lösung durch die möglichkeit der querlüftung günstig auf das raumklima aus. durch die beiden gänge ergeben sich zudem auch verschiedenste erschliessungsmöglichkeiten. der kinderraum ist auch als herrenraum oder altenteil verwendbar. besonders schön angelegt ist der gästeraum der weit in den garten hinausragt. der raum 7 ist flexibel nutzbar, etwa als mädchenoder vorratsraum.

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b14: grundrissbeispiel eines klassischen japanischen wohnhauses (1-geschossig)

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b15: geflochtenes wandgitter

1.1.6 konstruktion

das japanische wohnhaus ist ein fachwerkbau. die primärkonstruktion bleibt gestalterisches hauptelement. die stützen sind aussen und innen sichtbar, alle holzoberflächen bleiben unbehandelt. eine besonderheit der konstruktion ist das es sich um ein verschiebliches system handelt. dass heisst es gibt keine dreiecksverbindungen, die holzverbindungen sind als steife knoten ausgebildet. dass erklärt auch die kunstvollen komplizierten verbindungsformen. die konstruktion basiert auf einem steinfundament, der fussboden ist aufgestelzt.

wände betehen im wesentlichen aus holztafeln bzw. verputzem bambusgeflecht. die putzkonstruktion ist zwar schwach wärmedämmend, gleicht aber die feuchtigkeitsunterschiede aus. teilweise sind die wandelemten auch gegen gitter austauschbar um im sommer einen besseren durchzug zu ermöglichen. abschnittsweise kommt auch durchscheinendes papier bei der wandkonstruktion zum einsatz. die türöffnungen werden zwischen den stützen ausgebildet, ein querriegel dient als türsturz. die 5cm hohe türschwelle schliesst niveaugleich mit den tatami-matten ab. der dachstuhl besteht nur aus waagrechten und senkrechten bauhölzern, ohne schrägverband. für die dachbalken werden krummhölzer verwendet. diese art der dachkonstruktion kann vergleichsweise als wenig entwickelt bezeichnet werden. die hauptsächlichen dachformen sind sattelund walmdach bzw. vereinzelte sonderformen. gedeckt wird vorwiegend mit grauen ziegeln, die dem schlichten gesamteindruck entsprechen. charakteristisch ist die mässige dachneigung. die veranda wird von einem leicht abgesenkten, und leichter geneigen vordach überragt. die decken bestehen meist aus einer reihe paralleler latten, auf die dünne holztafeln aufgelegt werden. eine variante dazu ist die kasettendecke, zusätzlich werden hier quer lattenstücke eingesetzt. für die vertäfelung wird sugiholz bevorzugt.

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b17: typischer schnitt durch ein 1-geschossigen wohnhauses

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b16: bemalte kasettendecke

01.02 moderne japanische architektur

mit der meji-reform mitte des 19.jhdts öffnete japan seine grenzen und trieb die modernisierung des landes energisch voran. politik, wirtschaft, technik und auch das japanische sozialsystem waren in dieser zeit einem starken wandel unterworfen. so wurden ausländische architekten und lehrkräfte eingeladen um das westliche architekturverständnis zu unterrichten. später arbeiteten auch japanisch architekten in den büros corbusiers oder grophius. im land selbst allerdings blieben bauten die der europäischen moderne entsprachen verpönt bzw. wurden sie teilweise auch verboten. dies hängt eng mit der ausbildung eines nationalistischen regims zusammen, wie das auch in deutschland der fall war. nach dem krieg folgte ein rasanter aufschwung zur industriellen supermacht. rationalismus im wirtschaftlichen bereich und als gesellschaftlicher ausdruck konsum waren begleiterscheinung. angesichts japans inselsituation und der relativ begrenzten baufläche vergrösserten und verdichteten sich die städte weiter. heute leben 60% der 120mio japaner in städten, luftverschmutzung, verkehrskollaps und bodenspekulation sind die negativen auswirkungen. zudem veränderten die durch das wirtschaftswunder ausgelösten neuen konsumgewohnheiten den urbanen bereich grundlegend – die ganze stadt scheint zur ware erstarrt zu sein.

"heute wird die frühere spannkraft tokyos durch einen starren rahmen gelähmt. die ganze stadt erstarrt zusehends. dennoch hat tokyo, während es sich modernisiert und immer mehr unter kontrolle gerät, insgeheim eine beweglichkeit bewahrt, die schon immer zu seinen vorzügen und reizen gehörte und die man in keiner westlichen stadt findet. umstritten ist, wie lange die stadt diese eigenschaften noch bewahren kann. der erstarrungsprozess macht täglich fortschritte[4]." diese zitat toyo itos lässt seine in der

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b18: kenzo tange: städtebauliches konzept für tokyo, 1962

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b19: isozaki: city in the sky, 1962

metabolistischen architekturbewegung der 60er jahre liegenden wurzeln

erkennen. sein lehrer und arbeitgeber war kiyonori kikutake, metobolist der ersten stunde. er war auch massgäblich an der publikation "metabolism, the

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b20: kiyonori kikutake: domestic towers of ocean city, projekt 1958

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b21: kurokawa: nagakin capsule tower, tokyo 1972

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b22: nacht – sensitiver leuchtkörper

proposal for new urbansim"[5] beteiligt, die 1960 auf der world design conference in tokyo vorgelegt wurde und die grundlage der metabolistischen bewegung bildete. der wichtigste städtebauliche ansatz dieser ära waren entwürfe von kenzo tange, isozaki, wantanabe und kurokawa zur erweiterung von tokyo. sie wollten sich vom funktionalistischen stadtmodell der moderne distanzieren. ihre vorschläge orientierten sich am linguistischen modell saussures bzw. am anthropologischen modell von levi-strauss. ziel der teilweise utopischen projekte war eine grössere flexibität unter ausnützung einer scheinbar grenzenlosen technologie. in ein städtebauliches muster aus infrastruktureinrichtungen wurden austauschbare elemente eingefügt. kapselund wabensysteme waren ausdruck dieser plug-in architekturen. die city in the air von arato isozaki sah beispielsweise joint cores mit infrastruktureinrichtungen vor, zwischen denen sich fachwerkartig verschiedene flexible systeme spannten. der cluster in the air von arata isozaki wiederum sieht vertikale schäfte um das sich zweigartig raumstrukturen anordnen vor.

der capsule tower in tokyo von kisho kurokawa blieb aber das einzige tatsächlich umgesetzte metabolistische projekt, die kapsel als kybernethischer organismus für den homo movens. ölschock, zunehmendes umweltbewusstsein und zweifel am technischen fortschritt führten schliesslich zum bankrott der metabolistischen theorie in japan. die utopischen visionen wurden durch ein stärkeres bedürfnis nach konkreter intervention im stadraum

abgelöst. das bedeutete nicht das der gesellschaftsverändende anspruch aufgegeben wurde, es geht vielmehr darum "utopias in kleinem masstab"[6] zu realisieren. anstelle von gewalt und radikaler konfrontation trat eine sensiblere,

oder wie bei ito, eine poetische entwurfsmethodik, die das urbane umfeld bewusst miteinbezog.

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b23: toyo ito: tower of winds, yokohama 1986

02 theorie

02.01 toyo ito: blurring architecture

der durch die mechanische moderne erweiterte körper – ito unterscheidet in einen gelebten körper der unsere urprüngliche verbindung mit natur und gesellschaft darstellt und einen erweiterten körper. die urbanisierung, ein produkt der wohnmaschine corbusiers und der stahlglashochhäuser van der rohes, stellt eine solche erweiterung dar. diese werke waren so überzeugend, weil sie den gelebten körper in die neue form miteinbezogen.

die maschine, als ideal der moderne, ist eine autonome einheit, auf effizienz ausgerichtet – die architektur der moderne kam diesem ziel nahe, doch übersah dass sich die bedürfnisse der menschen weiterentwickelten. disneyland als inbegriff des geschlossenen – der international style, flachgedeckte bauten mit rastergrundriss, meist in stahlbeton ist noch immer das weltweite bauprinzip. ito stellt die frage ob sozialsysteme, die die industrialisierung vollzogen haben und sich zu einer informationsgesellschaft entwickelt haben, nicht nach einem anderen bauprinzip verlangen. den es geht nicht mehr um den materiellen wert der dinge an sich, sondern um symbolische werte, die durch informationen generiert werden. dies führte dazu, dass man bauten der moderne einfach mit (konsumfördernden) symbolen besetzte. diese entwicklung führte so weit, dass der stil eines gebäudes zur nebensache wurde. die lesbarkeit und aussage des symbols stand im vordergrund. um das spektakuläre moment noch zu erhöhen wurden sie als geschlossene system ausgeführt – als disneyland. die störende realität wurde einfach ausgeblendet. viele moderne städte sind ergebnisse dieser entwicklung, ein durcheinander von mittelmässigen bauten ohne standortbezug, übersät mit wechselnden zeichen. ito bemerkt richtig das grenzenloser konsum auch das problem von immer mehr gebäudeabfall mit sich bringt. im gegensatz zu koolhaas entwickelt er aber keine faszination an ausrangierten malls – ito fordert ein umdenken in der entwurfsmethodik.

der moment des fliessens für den körper der elektronischen moderne – ito setzt seine theorie am heutigen verhalten westlicher gesellschaften an. kommunikation findet über mobiltelefon und internet statt und ist nicht an einen bestimmten ort gebunden. je weiter sich diese digitalen netzwerke ausbreiten, desto mehr verliert der begriff des ortes an bedeutung. die menschen der mechanischen moderne waren zwar bereits durch flexible raster mobil, aber doch immer auf gebäudesysteme beschränkt. ito versucht auszuloten wie der übergang vom körper der mechanischen moderne zum körper der elektronischen moderne stattfinden könnte und schliesst, dass eine andere nicht sichtbare stadt das heute notwendige mass an unabhängigkeit darstellt. ito versucht aber diesen technischen, sozial nur schwer nachvollziehbaren entwicklungen in form einer metapher verstehbar zu machen. er vergleicht den vor dem bildschirm arbeitenden designer mit dem eintauchen in eine wasseroberfläche – der moment des fliessens.

blurring architecture – die von der elektronischen moderne geforderte unsichtbare stadt ist beinahe ortsunabhängig, damit gleicht sie einer endlosen natürlichen landschaft. der gelebte körper, der noch immer im begrenzten system der mechanischen moderne lebt, hat durch elektronische technologien wieder die möglichkeit gebäude und städte als landschaft zu erleben.

eine architektur der weichen grenzen, die auf ihre natürliche umgebung reagieren kann – zwar ist das zurückkehren zu einem natürlichem leben nicht möglich und sinnvoll. eine künstliche umgebung sollte aber in der lage sein auf die natur zu reagieren und elemente wie licht, wasser oder wind auzunehmen. ito fordert eine architektur die wie die menschliche haut als sensor fungiert und auf informationen reagiert.

architektur, die ein program in räume umsetzt. der raum der elektronischen kommunikation ist ortsunabhängig – blurring architecture muss deshalb fliessend sein und veränderung im laufe der zeit zulassen. grenzen, auch

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b24: übergang von architektur und natur - dome in odate

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b25: serpentine gallery pavilion, kensington gardens, london

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b26: skizze der mediathek

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b27: sejima in gifu: addition von raumeinheiten zu wohnmodulen

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b28: sejima in gifu: wandansichten symbolisiert durch codes

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b29: innenraum des wohheimes

sozialer natur müssen augehoben werden und räume miteinander überlagert. architektur, die transparenz und homogenität zum ziel hat, aber auch lokale besonderheiten ermöglicht. ein, sich in die unendlichkeit ausbreitender, homogener miesscher raster führt im extremfall ins nichts. ein raster der aber in wechselwirkung mit seiner umgebung tritt und in der lage ist sich zu verzerren, helle und dunkle bereiche auszubilden, bietet natürliche orientierungsmöglichkeiten. itos ziel ist es einen raum zu schaffen, der dem menschen wieder das gefühl gibt zu leben.

02.02 kazuyo sehima: diagram architecture

das essay toyo itos über den entwurfsansatz seiner ehemaligen schülerin kommt auf den punkt – sejimas architektur bricht mit der historischen kontinuität und stellt weder eine weiterentwicklung der moderne, noch eine kopie des festgefahrenen dekonstruktivismus dar.

sejimas arbeit gleicht einem prozess - ein räumliches schema wird in architektur-symbole umgestzt, darauf folgt der wechsel in die 3.dimension. es handelt sich um ein spiel mit archetypen, das aus dem willkürlichem verlangen nach kommunikation entsteht – einer verhandlung des raumes.

sie schafft es den gegensatz zwischen dem künstlerischen anspruch, der auf dem willen sich selbst zu verwirklichen beruht und gegenwertige sozialsysteme, die auf alltäglichkeit basieren zu verbinden. aus komplexen funktionen entwickelt sie ein endgültiges program, dass sie sofort in die realität umsetzt, alle details, farben und materialien sind vorgezeichnet.

sejima löst damit auch eine bewegung im verhältnis zwischen raum und körper aus und nähert sich damit der virtuellen realität heutiger computerspiele an. dies entspricht auch dem bild einer durch die medienwelt beeinflussten gesellschaft. das heutige leben stellt sich als überlagerung konservativer traditionen und urbanem lifestyle dar.

sejima lebt die gegenwart und liefert sich keiner politischen ideologie aus, sondern entwirft aus einem persönlichen verlangen etwas neues zu schaffen. mit dem 1991 entstande frauenwohnheim, löste sie sich von ihren dekonstrukivistisch-metabolistischen anfängen (platform-projekte). die bauaufgabe verlangt nach einer klaren aussage. ein internationales unternehmen beherbergt dort frauen, die an einem einbis zweijährigen trainingsprogramm teilnehmen. uniformierte disziplin kontrolliert das alltagsleben. in sejimas wohnheim löst sich dieser hierarchische druck scheinbar auf

– eine gesellschaftliche befreiung im kleinen. die einzelnen schlafräume scheinen zwar noch streng systematisch, in ihrer beziehung zur öffentlichen halle und ihrer unregelmässigen verteilung bricht das raumkonzept aber mit konventionellen strukturen. das materialkonzept verfolgt ähnlich revolutionäre ansprüche – die oberflächengestalt entspricht dem diagramatischen prozess. sie lässt damit überkommene vorstellungen eindeutig warmer holzoberfächen oder schwerer steinflächen zurück. die botschaft sejimas architektur – so klar wie die botschaft in 'des kaisers neue kleider'.

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b30: seishunkan seiyaku womens' dormitory

[...]


[1] yoshida, tetsuro: das japanische wohnhaus. 18, 1954.

[2] ebda 18

[3] zitat pierre lotti

[4] bognar, botond: die neue japanische architektur. 12, 1991.

[5] metabolistische projekte: mittererkuhn, thomas: diplomarbeit shinjuku station, tokyo. 5, 1998.

[6] japan. avantgarde architektur: bognar, botond: die neue japan. architektur. 12, 1991.

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Details

Titel
japan.arch - toyo ito & associates - kazuyo sejima + ryue nishizawa / sanaa
Hochschule
Technische Universität Graz  (Institut für Baukunst, Fakultät für Architektur)
Veranstaltung
Baukunst 2
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
38
Katalognummer
V14774
ISBN (eBook)
9783638200820
Dateigröße
10851 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ohne Gliederung
Schlagworte
Baukunst
Arbeit zitieren
Robert Scheutz (Autor:in), 2003, japan.arch - toyo ito & associates - kazuyo sejima + ryue nishizawa / sanaa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14774

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