Gegenstandsbezogene Theoriebildung - Der Ansatz der Grounded Theory


Studienarbeit, 2003

23 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Methode der Grounded Theory (GT)
1.1 Vorbereitung der Untersuchung
1.2 Das Kodieren
1.2.1 Das offene Kodieren
1.2.2 Das axiale Kodieren
1.2.3 Das selektive Kodieren
1.3 Weitere Hilfsmittel

2. Die Grounded Theory als qualitative Forschungsmethode
2.1. Vor- und Nachteile der GT im Zusammenhang mit der qualitativen Sozialforschung
2.2. Vereinbarkeit der GT mit der quantitativen Forschung

3. Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der gegenstandsbezogenen Theoriebildung, der sogenannten „Grounded Theory“(GT) nach Anselm Strauss und Barney G. Glaser. Diese Form der Theorieentwicklung ist ein Instrument der qualitativen Sozialforschung.

Das Kernstück dieser Methode ist, dass man nicht wie bei anderen Methoden in der qualitativen Sozialforschung, mit einer Hypothese an den Forschungsprozess herangeht, sondern dass man im Laufe des Forschungsprozesses eine Theorie zu dem untersuchten Gegenstand entwickelt. Nicht nur das Ergebnis, sondern der Forschungsprozess selber stehen im Mittelpunkt. Die GT ist eine besondere qualitative Methode zur Erhebung, Anordnung und Auswertung sozialer Daten. Sie dient der Erarbeitung empirisch fundierter Theorien.

Diese Methode wurde von zwei Soziologen in den frühen 60er Jahren entwickelt. Barney Glaser und Anselm Strauss entwarfen diesen Forschungsstil gemeinsam vor den folgenden Hintergründen:

„ die Notwendigkeit ins Feld zu gehen um zu verstehen was geschieht;

- die Bedeutung von wirklichkeitsverankerten Theorien für die Entfaltung einer fachlichen Disziplin;
- die Betonung von Veränderung und Prozess und der Variabilität und Komplexität des Lebens;
- die Zusammenhänge zwischen Bedingungen, Bedeutungen und Handeln.“

(Strauss & Corbin 1996, S.9)

Dazu entwickelten sie eine Vielzahl von Techniken und Verfahrensweisen, die dem Forscher als Werkzeuge dienen sollten, um eine „in den Daten begründete Theorie“ zu entwickeln (Strauss & Corbin 1996, VII). Die Gewinnung der Daten geschieht durch die üblichen Methoden in der Sozialforschung, wie z.B. dem Interview, der Feldbobachtung, der Analyse von Dokumenten und Statistiken. Das bedeutet, dass man nach der Gewinnung der ersten Daten diese qualitativ analysiert und eine Reihe von charakteristischen Merkmalen aufstellt. Diese Merkmale werden u.a. mit Hilfe des „Theoretical Sampling“ herausgearbeitet und durch kontinuierliches Vergleichen und die Anwendung verschiedenster Kodierparadigmen verdichtet. An diesem Punkt tritt das Hauptmerkmal dieser Methode in den Vordergrund: Die Zirkularität. Zirkularität bedeutet hier ein Wechsel von Datenerhebung, Analyse und theoretischem Sampling bis eine Sättigung erreicht ist. Dies geschieht immer mit dem Ziel, Konzepte zu entwickeln und zu verdichten, um eine theoretische Wiedergabe der Wirklichkeit zu erzeugen, also eine gegenstandsbezogene Theorie.

Strauss und Glaser unterscheiden jedoch zwei Arten der GT. Die eine ist die Entwicklung einer direkt gegenstandsbezogenen Theorie, die einen bestimmten Gegenstandsbereich untersucht und die Formulierung von Konzepten und deren Beziehungen zu einem Satz von Hypothesen zusammen stellt. Die zweite Art ist die Erstellung einer formalen Theorie, die sich durch einen hohen Allgemeinheitsgrad auszeichnet, um ihrerseits einen Beitrag zur theoretischen Vielfalt in der Wissenschaft zu leisten. Dazu sollten diese formalen Theorien nicht in einen spezifischen Rahmen und raum- zeitliche Kontexte eingebunden sein. Dieser Typ sollte jedoch im Gegensatz zu formalen Theorien stehen, die auf logischer Spekulation beruhen.

Obwohl die GT als soziologische Methode geboren wurde, wird sie heute interdisziplinär eingesetzt, d.h. in allen Forschungsbereichen, wo eine komplexe Wirklichkeit nicht allein durch Zahlen erfasst werden kann. Hier drängt sich die Frage nach der Vereinbarkeit von quantitativer Forschung mit den Ergebnissen einer GT auf. Sie schließen sich nicht explizit aus und können bei sorgfältiger Bearbeitung auch miteinander kombiniert werden.

Ich habe diese Arbeit in drei Hauptteile untergliedert. Teil eins setzt sich mit der Beschreibung der Methode auseinander. Dieser Teil ist noch in Unterteile untergliedert, die sich den einzelnen Verfahrensschritten der GT annehmen. In dem zweiten Teil wird eine Einordnung des Ansatzes der GT mit all ihren Vor- und Nachteilen in die qualitative Sozialforschung vorgenommen und eine Beziehung zur quantitativen Sozialforschung hergestellt. Der dritte und letzte Teil widmet sich einer persönlichen Stellungnahme und dem abschließenden Fazit.

1. Die Methode der Grounded Theory (GT)

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, stellt die GT einen Forschungsstil dar der es dem Forscher erlaubt, sich ein Bild über komplexe Wirklichkeit zu erstellen, um abschließend eine Theorie über sie aufzustellen, mit welcher ein Weiterarbeiten ermöglicht wird. Diese Theorie ist durch die enge Bindung an die Daten und deren zirkuläre Analyse sehr gegenstandsbezogen und erfüllt somit schon einige Grundvoraussetzungen in der qualitativen Sozialforschung. Zirkuläre Analyse bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Forscher zunächst ins Feld geht und Daten erhebt. Diese Daten werden dann analysiert und mit den ersten Ergebnissen aus diesen Daten kehrt der Forscher erneut ins Feld zurück, um wieder Daten zu erheben. Bei dieser Rückkehr werden schon bestimmte Aspekte oder Bereiche genauer in den Fokus genommen, die für den Forscher von größerer Bedeutung sind. Dieser Vorgang wiederholt sich, im besten Fall so oft, bis man zu einer Sättigung des Materials gekommen ist, aus welchem sich nun eine gegenstandsverankerte Theorie entwickeln lässt. Eine auf diese Art und Weise entwickelte GT sollte vier zentrale Kriterien zur Beurteilung ihrer Anwendbarkeit auf das beforschte Gebiet erfüllen. Diese Kriterien sind Übereinstimmung, Verständlichkeit, Allgemeingültigkeit und Kontrolle.

Um diese Kriterien zu erfüllen gibt einem die GT eine Vielzahl von Techniken und systematischen Verfahren, die es einem ermöglichen, induktiv eine Theorie zu einem bestimmten Phänomen zu entwickeln.

1.1 Vorbereitung der Untersuchung

Doch wie beginne ich eine solch interaktive Forschung.? Aller Anfang, nachdem man ein Forschungsthema gefunden hat, ist die Wahl der passenden Fragestellung. Hierbei gilt zu beachten, dass die Fragestellung das zu beforschende Thema nicht zu sehr eingrenzt und gleichzeitig den Fokus weit genug stellt, d.h., dass sie einem noch genug Spielraum lässt für die zum Teil sehr überraschenden Ergebnisse einer Untersuchung mit der GT. Sie ist also ein funktionales Instrument, ein

„Wegweiser, der den Forscher unmittelbar dazu anhält, einen ganz bestimmten Gegenstandsbereich, ... , das Handeln der Menschen zu untersuchen oder Informanten zu interviewen.“ (Strauss & Corbin 1996, S. 24)

Sie sollte also beinhalten, was man schwerpunktmäßig untersuchen möchte. Des weiteren ermöglicht sie dem Forscher den Einstieg in die Materie und hält ihn im Laufe des Forschungsprozesses bei dem angestrebten Themenschwerpunkt. Die erste Formulierung der Fragestellung ist aber nicht als final anzusehen. Mit dem Beginn der Forschungsarbeit wird diese stetig verfeinert und spezifiziert. Diese Prozesshaftigkeit macht letztendlich die Flexibilität aus, welche die GT auszeichnet.

Nachdem man sich nun für seinen Forschungsprozess eine treffende Fragestellung überlegt hat, ist es an der Zeit, die eine passende Untersuchungsmethode auszuwählen, die sowohl der Fragestellung, als auch dem zu untersuchenden Forschungsbereich gerecht wird. Strauss und Glaser entwarfen und setzten die GT ursprünglich für beobachtende Untersuchungen ein. Doch sie ist genauso auf Interview- und Literatur- basierende Untersuchungen anzuwenden.

Am Beginn einer Untersuchung mit der GT sollte man die Verfahrensweisen der GT bereits verstanden und internalisiert haben. Dazu sagt Strauss:

„,Grounded Theory bedeutet, daß die Theorie ihre Grundlagen in empirischen Daten hat, die systematisch´ und intensiv ,analysiert werden, oft Satz für Satz oder Abschnitt für Abschnitt des Beobachtungsprotokolls, des Interviews oder eines anderen Dokuments; ‚konstantes Vergleichen‘ hat zur Folge, daß umfangreiches Datenmaterial erhoben und dann ausgiebig kodiert wird´, wobei die im ersten Abschnitt gestreiften Verfahren angewandt werden und somit eine gut konstruierte Theorie ergeben. Der Schwerpunkt der Analyse liegt nicht allein darauf, daß ,Massen von Daten´ erhoben und geordnet werden, ,sondern darauf, daß die Vielfalt von Gedanken, die dem Forscher bei der Analyse der Daten kommen, organisiert werden.´“(Strauss 1994, S. 51)

Vor diesem Hintergrund geht man nun also ins Feld und erhebt die ersten Daten. Dies geschieht mittels einer ersten Bearbeitung der ausgewählten Literatur, dem ersten Beobachtungszyklus oder den ersten Interviews. Jetzt ist der nächste Schritt das Datenrohmaterial zu transkribieren, um eine Basis zu erhalten auf welcher man weiterarbeiten kann. Dieser Schritt findet natürlich fast ausschließlich für Interviews und beobachtende Untersuchung statt, bei welchen die Tonbänder oder die Beobachtungsprotokolle und evtl. die Videobänder zu bearbeitbarem Material transformiert werden. Diese Transskription ist ein nicht zu unterschätzender, zeitaufwändiger Prozess, der viel Arbeit und Aufmerksamkeit verlangt. Denn die gründliche Transskription ist die Grundlage für ein sorgfältiges und erfolgreiches Kodieren.

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Details

Titel
Gegenstandsbezogene Theoriebildung - Der Ansatz der Grounded Theory
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (FB Erziehungswissenschaften)
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V13003
ISBN (eBook)
9783638187657
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Strauss, Glaser
Arbeit zitieren
Sebastian Ziegler (Autor:in), 2003, Gegenstandsbezogene Theoriebildung - Der Ansatz der Grounded Theory, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13003

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