Untersuchungsmethoden von Web-Usability: ein kurzer Überblick


Referat (Ausarbeitung), 2003

17 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Gliederung

Einführung

Definition

Usabiltiy Evaluation - Test Methoden

Fazit

Literaturverzeichnis

Einführung

Wer sich auf der Website des Schreibgeräte-Herstellers Montblanc über einen Füller informieren will, wird zuerst mit einem technischen Quiz konfrontiert: Die Startseite quält unerfahrene Websurfer mit der Auswahl zwischen `Flash-Version´ und `HTML-Version´. In der HTML-Version erschweren dann viele grafische Effekte den Zugang zu den eigentlichen Informationen. Auch die Web-Auskunft der DeTeMedien (www.teleauskunft.de) macht es ihren Nutzern unnötig schwer: Hier gilt es herauszufinden, welches der Logos Zierde und welches ein Link ist. Außerdem muss man raten, hinter welchem Link sich die Suche für die gewünschte Telefonnummer verbirgt.

Beide Beispiele sind beileibe keine Einzelfälle: Im Alltag ärgern sich die Surfer häufig über unverständliche Menüs, versteckte Basisinformationen und komplizierte Bestellvorgänge. Dabei haben Software-Ergonomen längst Methoden entwickelt, mit deren Hilfe sich auch Websites benutzerfreundlicher gestalten lassen. Es gibt sogar eine DIN/ISO-Norm, die genau beschreibt, was mit Benutzerfreundlichkeit (Usability) gemeint ist, nämlich `das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Kontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufrieden stellend zu erreichen.´ Im Normendeutsch spricht man von `Gebrauchstauglichkeit´.

Software-ergonomische Verfahren werden für Websites bisher nur zögerlich eingesetzt. Wenn es um die Benutzerführung geht, greifen Designer meist auf Marktforschungsstudien zur entsprechenden Zielgruppe zurück. Dies spiegelt sich in der hohen Zahl allgemeiner Untersuchungen mit Marktforschungs-Charakter für das Web wider. Bekannte und etablierte Studien wie die W3B-Umfrage oder der `Online-Monitor´ der GFK geben Aufschluss über demografische Daten oder wirtschaftliche Perspektiven wie etwa Kaufabsichten und -hindernisse.

Wie die Surfer eine Website wirklich nutzen, erfährt man in diesen Studien allerdings nicht. Über das Nutzerverhalten geben Meinungsumfragen nämlich keine Auskunft, da die Selbsteinschätzung der Surfer oft erheblich vom tatsächlichen Verhalten abweicht. Benutzerfreundlich ist beispielsweise eine Shopping-Site nicht dann, wenn ein Besucher glaubt, dort einfach bestellen zu können, sondern nur dann, wenn es ihm tatsächlich gelingt, die gewünschten Waren zu kaufen. Dies ist auch für den Betreiber entscheidend, denn die reine Kaufabsicht zahlt sich für ihn nicht aus.

Definition

Usability: klare Definition - schwammiges Berufsbild

Der englische Begriff `Usability´ hat sich eingebürgert, wenn es um die Benutzerfreundlichkeit von Software und Websites geht. Die korrekte Bezeichnung im Deutschen ist das sperrige Wort `Gebrauchstauglichkeit´. Dieser Begriff ist in der DIN-ISO-Norm 9241-11 definiert als `das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufrieden stellend zu erreichen.´ Effektivität meint dabei, ob ein Nutzer in der Lage ist, sein gewünschtes Ziel zu erreichen. Möchte jemand zum Beispiel ein Buch bei einem Online-Shop bestellen, ist die Web-Filiale nur dann effektiv, wenn der Vorgang gelingt.

Der Begriff `Effizienz´ zielt auf den Aufwand ab. Es geht darum, dass keine unnötigen Umwege und kein Mehraufwand für den Nutzer entstehen. Müssen also etwa in einem Online-Shop auch bestehende Kunden jeweils ihre kompletten Adressdaten eingeben, ist dies nicht effizient. `Zufrieden stellend´ meint, ob sich jemand bei der Nutzung einer Software wohl fühlt oder ob das Web-Design als angenehm und freundlich empfunden wird.

Darüber hinaus definiert die DIN-ISO 9241-10 einige Grundsätze für die benutzerfreundliche Gestaltung von Software, die sich auch auf Web-Seiten übertragen lassen. Diese sind: Aufgabenangemessenheit, Selbstbeschreibungsfähigkeit, Steuerbarkeit, Erwartungskonformität, Fehlertoleranz, Individualisierbarkeit, Lernförderlichkeit. Hilfen zur Prozessgestaltung für mehr Benutzerfreundlichkeit finden sich in der DIN EN ISO 13407 `Benutzerorientierte Gestaltung von interaktiven Systemen´.

Usabiltiy Evaluation - Test Methoden

Experten-fokussiert: Heuristische Evaluation

Unter heuristischer Evaluation versteht man, dass eine Gruppe von Gutachtern die Benutzerschnittstellen eines Produktes untersucht und überprüft, inwieweit diese mit bestimmten Prinzipien der Usability, den so genannten Heuristiken, übereinstimmen. Heuristiken sind Richtlinien für die benutzerfreundliche Gestaltung von Informationssystemen, die auf der Grundlage empirischer Erkenntnisse von Experten entwickelt werden. Heuristiken können von unterschiedlichem Umfang und unterschiedlicher Qualität sein, sie können domänenspezifisch oder genereller Art sein, sie können designorientiert, aber ebenso evaluationsorientiert angewendet werden. Bei der evaluationsorientierten Anwendung bilden sie in Form von Checklisten die Grundlage für das Entdecken und Diagnostizieren von potenziellen Usability-Problemen. Die Evaluation der Benutzerschnittstelle erfolgt durch das Abarbeiten der Heuristiken, die in der Regel als Anweisungen oder Fragen formuliert sind. Die einzelnen Punkte der Heuristiken können in der Regel mit einer Ja/Nein-Entscheidung als zutreffend oder nicht zutreffend bewertet werden, zum Teil werden auch Bewertungsskalen verwendet, um den Grad anzugeben, inwieweit den Anweisungen oder Fragen der Heuristik entsprochen wird. Als Gutachter kommen verschiedene Personengruppen in Frage, aber es sind in jedem Fall Experten und keine Endnutzer, denn die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Personengruppe mit dem Verfahren der heuristischen Evaluation in der Regel nur die Hälfte der von Experten aufgedeckten Usability-Mängel findet. Gutachter können entweder Personen mit Erfahrung im Usability-Testing sein oder Webexperten wie zum Beispiel Designer oder Programmierer oder eine Kombination beider Personengruppen (Doppelexperten). Untersuchungen zeigen, dass diese Doppelexpertisen besonders erfolgreich sind. Als Gruppengröße werden drei bis fünf Gutachter empfohlen: Ein einzelner Gutachter erkennt etwa 35 Prozent aller Usability-Probleme, eine Gruppe von drei bis fünf Gutachter findet etwa 60 bis 70 Prozent der Usability- Probleme. Wie Untersuchungen ergeben haben, ist die heuristische Evaluation im Verhältnis zu anderen Testmethoden relativ kostengünstig, benötigt wenig Zeit, ist einfach vorzubereiten und durchzuführen. Nach Levi & Conrad ist für die Vorbereitung und Durchführung einer heuristischen Evaluation mit folgendem zeitlichen Aufwand zu rechnen: etwa vier Stunden für jeden Gutachter und etwa zehn Stunden für den Versuchsleiter. Darin enthalten sind eine Einführung in die Zielsetzung des Angebotes, eine eineinhalbstündige individuelle Evaluation der Webseiten durch die Evaluatoren und eine eineinhalbstündige Gruppensitzung zur Diskussion und Zusammenführung der Ergebnisse. Nicht mit eingerechnet wurde die Analyse der Ergebnisse, die je nach Grad der Erschließungstiefe sehr zeitintensiv sein kann. Bei allen expertenzentrierten Evaluationsverfahren, also auch bei der heuristischen Evaluation, muss allerdings mit bedacht werden, dass Evaluationsexperten in der Regel nicht die Endnutzer darstellen und diese deshalb bestenfalls die Sicht bzw. den Informationsbedarf der potenziellen Endnutzer simulieren können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Bewertung der Navigation in informationsorientierten Websites, da die Experten mit den Grundlagen von Systemarchitekturen vertraut sind und nicht hinter dieses Wissen zurück können. Trotz der beschriebenen Einschränkungen gilt diese Methode als ein sehr effizientes Verfahren im Rahmen des Usability Engineerings. Anzumerken bleibt, dass die heuristische Evaluation nur bis zu einem bestimmten Prozentsatz der identifizierten Usability-Probleme ein sinnvolles Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist. Fünf bis sechs Gutachter finden etwa 75 Prozent der Probleme; um auf etwa 90 Prozent zu kommen, benötigt man 14 bis 15 Gutachter.

Benutzer-fokussiert: Usability-Testing

Beim Usability-Testing wird mit Personen getestet, die sich aus dem Kreis der anvisierten Nutzergruppe rekrutieren, ob ein bestimmtes Produkt die vorher festgelegten Kriterien hinsichtlich Benutzbarkeit tatsächlich erfüllt. Diese Vorgehensweise wird allgemein als das Herzstück des Usability Engineerings bezeichnet. Zum Erfassen der Bewertungen durch die Nutzer gibt es mehrere Möglichkeiten. Bei der Plus-Minus- Methode markieren die Versuchspersonen während des Tests Designelemente und geben ihre Bewertung anhand der Vergabe eines Plus- bzw. Minuszeichens ab. Dann kommentieren sie, warum ihnen dieses Designelement gefallen bzw. Schwierigkeiten gemacht hat. Bei dieser Methode übernehmen die Versuchspersonen die Rolle von Gutachtern. Als alternative Evaluationsmethoden bietet sich das Testing in der Kombination mit der Methode des "thinking-aloud" oder Lauten Denkens an. Dabei werden die Versuchspersonen angehalten, alles, was sie während der Erledigung der Testaufgaben denken und tun, laut auszusprechen. Indem sie ihre Gedanken und Handlungen verbalisieren, erlauben sie es, Einsicht zu nehmen, wie sie mit dem Computer bzw. der Website interagieren, wo Verständnisprobleme auftreten und welcher Art diese sind. So entstehen Daten mit hoher Validität, denn die Daten zeigen nicht nur, was die Benutzer tun, sondern auch, warum sie es tun, und diese Erklärungen erfolgen – und das ist sehr wesentlich – synchron zur Aktion. Zur Methode des lauten Denkens muss einschränkend angemerkt werden, dass deren Erfolg in Abhängigkeit zur Fähigkeit und Bereitschaft der Versuchspersonen zur Verbalisierung des Handelns und des Denkens steht. Es kann dabei nicht vollständig ausgeschlossen werden, werden, dass dadurch in Einzelfällen ein höheres Problembewusstsein bei den Versuchspersonen ausgelöst wird, das beispielsweise zu einer kritischeren Einstellung führt oder die Spontaneität des Handelns bremst. Der besondere Reiz des Benutzertestverfahrens in Kombination mit dem Lauten Denken besteht darin, dass damit bereits mit wenigen Versuchspersonen relevante Daten generiert werden können, die über die Usability-Probleme Auskunft geben. Die Anzahl der benötigten Versuchspersonen differiert von der Heterogenität der angepeilten Nutzergruppe. Bei homogenen Zielgruppen können bereits mit 5 Personen 70 Prozent der gravierenden Benutzungsprobleme gefunden werden, 90 Prozent lassen sich bei der Anzahl von 15 Personen erreichen. Bei heterogenen Zielgruppen erhöht sich die Anzahl entsprechend. Das Usability Testing existiert in zwei Versionen. Bei dem traditionellen Usability-Testing, auch "Deluxe-Usability-Testing" genannt, werden die Tests in einem Usability-Labor durchgeführt. Abbildung 1 zeigt ein einfach ausgerüstetes Usability-Labor, wie wir es im Rahmen unserer Projekte einsetzen. Während des Tests werden dabei von je einer Videokamera Bild und Ton von der Versuchsperson und dem Bildschirminhalt geliefert, zusammengeführt und aufgezeichnet. Die Aktionen auf dem Bildschirm werden zusätzlich mit einer digitalen Screencam, einer Software zur Erfassungen der digitalen Bewegungen auf dem Bildschirm, aufgezeichnet. Die gewonnenen Versuchsdaten werden anschließend transkribiert und können dann ausgewertet werden. Zur Minimierung des hohen Aufwands bei Vorbereitung, Durchführung und Auswertung kann auch eine vereinfachte Variante des Benutzertests (Discount Usability Testing) mit lautem Denken verwendet werden. Dabei wird auf die Aufzeichnung mit Video und die Transkription der Videoaufzeichnungen verzichtet, was den Aufwand beträchtlich reduziert. Stattdessen machen sich Versuchsleiter oder Versuchsbeobachter an kritischen Stellen Notizen, die dann ausgewertet werden. Die Wahl des Verfahrens steht in Abhängigkeit von dem Umfang des Testgegenstandes und von den Zielen, die mit dem Test erreicht werden sollen. Die einfache Variante des Usability-Testings ist dann zu empfehlen, wenn es sich beispielsweise um die Homepage handelt und/oder lediglich die so genannten 'Usability-Katastrophen' entdeckt werden sollen, die von dem Versuchsleiter während der Beobachtung der Handlungen und Kommentare der Testpersonen direkt dokumentiert werden können. Das traditionelle Usability Testing ist wesentlich aussagekräftiger und erlaubt eine Klassifizierung der Usability-Probleme, d.h., ob es sich beispielsweise um ein Terminologieproblem oder um Probleme der Informationsarchitektur handelt, woraus sich wertvolle Hinweise bezüglich des Redesigns ergeben. Durch die vollständige Dokumentation der Tests durch die Video- und Screencamaufzeichnungen ist die Gefahr, dass der Versuchsleiter relevante Informationen übersieht, ausgeschlossen. Außerdem kann auf die Dokumentation wiederholt und zu jedem beliebigen Zeitpunkt zurückgegriffen werden. Insbesondere anhand der Screencamaufzeichnungen, die die Cursorbewegungen lückenlos dokumentieren, lassen sich Orientierungs- bzw. Navigationsprobleme eindeutig identifizieren.

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Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Untersuchungsmethoden von Web-Usability: ein kurzer Überblick
Hochschule
Technische Universität Ilmenau  (IFMK)
Veranstaltung
Web-Usability
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
17
Katalognummer
V11737
ISBN (eBook)
9783638178082
ISBN (Buch)
9783638934220
Dateigröße
505 KB
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Dipl.-Medienwiss. Thomas Guttsche (Autor:in), 2003, Untersuchungsmethoden von Web-Usability: ein kurzer Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11737

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