Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement


Diplomarbeit, 2002

49 Seiten, Note: sehr gut (1,0)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Begriffsbestimmung
1.2 Historischer Hintergrund

2. Grundlagen des Arbeitszeitmanagements
2.1 Zeiterfassung
2.2 Zeitbewertung
2.3 Zeitauswertung
2.3.1 Arbeitszeitkonten
2.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen von Arbeitszeitkonten
2.3.3 Kurzzeit- und Langzeitkonten
2.4 Personaleinsatzplanung

3. Zusammenhänge zwischen Personal- und Produktionswirtschaft
3.1 Kurzfristige Störungen im Produktionsbereich
3.2 Vermeidung und Beseitigung von kurzfristigen Störungen

4. Instrumente des kapazitätsorientierten Arbeitszeitmanagements
4.1 Chronometrische Arbeitszeitmodelle
4.1.1 Teilzeitarbeit
4.1.1.1 Rechtliche Rahmenbedingungen der Teilzeitarbeit
4.1.1.2 Anwendungsgebiete der Teilzeitarbeit
4.1.1.3 Vor- und Nachteile der Teilzeitarbeit
4.1.2 Altersteilzeit
4.1.2.1 Rechtliche Grundlage der Altersteilzeit
4.1.2.2 Altersteilzeit am Beispiel der HEW AG
4.1.2.3 Altersteilzeit am Beispiel der Aesculap AG & Co. KG
4.1.2.4 Vor- und Nachteile der Altersteilzeit
4.2 Chronologische Arbeitszeitmodelle
4.2.1 Gleitende Arbeitszeit
4.2.1.1 Anwendungsgebiete der gleitenden Arbeitszeit
4.2.1.2 Vor- und Nachteile der gleitenden Arbeitszeit
4.2.2 Schichtarbeit
4.2.2.1 Anwendungsgebiete der Schichtarbeit
4.2.2.2 Vor- und Nachteile der Schichtarbeit
4.3 Kombinierte Arbeitszeitmodelle
4.3.1 Job-Sharing
4.3.1.1 Anwendungsgebiete des Job-Sharings
4.3.1.2 Vor- und Nachteile des Job-Sharings
4.3.2 Zeitautonome Arbeitsgruppen
4.3.2.1 Anwendungsgebiete zeitautonomer Arbeitsgruppen
4.3.2.2 Vor- und Nachteile zeitautonomer Arbeitsgruppen
4.3.3 Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit (KAPOVAZ)
4.3.3.1 Anwendungsgebiete der KAPOVAZ
4.3.3.2 Vor- und Nachteile der KAPOVAZ
4.3.4 Das Baukastenmodell
4.3.5 Das Modell der Jahresarbeitszeit
4.3.6 Das Modell der Lebensarbeitszeit
4.3.6.1 Anwendungsgebiete des Lebensarbeitszeitmodells
4.3.6.2 Vor- und Nachteile des Lebensarbeitszeitmodells
4.3.7 Vertrauensarbeitszeit
4.3.7.1 Anwendungsgebiete der Vertrauensarbeitszeit
4.3.7.2 Vor- und Nachteile der Vertrauensarbeitszeit

5. Psychologische und soziale Dimensionen des Arbeitszeitmanagements
5.1 Psychologische Aspekte
5.2 Soziale Aspekte

6. Abschließende Bemerkungen

1. Einleitung

Tenor dieser wissenschaftlichen Arbeit ist die Untersuchung verschiedenster Ar- beitszeitmodelle auf deren Eignung als Instrumente des kapazitätsorientierten Ar- beitszeitmanagements. Neben dem historischen Hintergrund sowie den Grundla- gen des Arbeitszeitmanagements werden auch die Zusammenhänge zwischen Per- sonalwirtschaft und Produktionswirtschaft beschrieben, die den Ansatz für eine Kapazitätsorientierung bilden. Dem folgt eine genaue Betrachtung der einzelnen Arbeitszeitmodelle und etwaigen Probleme, die eine Flexibilisierung der Arbeits- zeit mit sich bringen kann. Es werden sowohl Ansätze der ersten Stunde als auch neue innovative Formen der flexiblen Arbeitszeit, wie z. B. Altersteilzeit und Ver- trauensarbeitszeit erörtert. Abschließend erfolgt eine Bewertung der möglichen psychologischen und sozialen Auswirkungen, die sich als Folge einer Flexibilisie- rung der Arbeitszeit ergeben können.

1.1 Begriffsbestimmung

MARR definiert Arbeitszeitmanagement als die „Gestaltung des betrieblichen Ar- beitszeitsystems zur Harmonisierung von Arbeitszeitbedarf und Arbeitszeitange- bot nach Maßgabe der Kriterien der ökonomischen und sozialen Effizienz im Rahmen der durch Gesetze und Tarifvertrag festgelegten Spielräume“[1]. SCHNEE- WEISS erweitert diese Definition von Arbeitszeitmanagement um den Aspekt der Kapazitätsorientierung, wenn er alle Aktivitäten, die dazu dienen, die persönliche Arbeitszeit unter Beachtung arbeitsrechtlicher, tarifvertraglicher und betrieblicher Regelungen optimal an den Kapazitätsbedarf anzupassen, als kapazitätsorientier- tes Arbeitszeitmanagement bezeichnet[2]. Die kapazitätsorientierte Arbeitszeitges- taltung muss im Mittelpunkt des Arbeitszeitmanagements stehen. Es gilt Arbeits- zeitmodelle zu entwickeln und zu implementieren, die eine möglichst effiziente Anpassung des Arbeitszeitsystems an sich verändernden Arbeitszeitbedarf bzw. individuellen Arbeitszeitinteressen ermöglichen[3]. Mit anderen Worten: Die ein- zelnen Elemente Arbeitszeitbedarf (benötigte Kapazität), Arbeitszeitangebot (ver- fügbare Kapazität), Gesetze, Tarife und betriebliche Regeln sowie diverse unvor- hersehbare Störfaktoren müssen in Einklang gebracht werden. ADAMSKI bezeic h- net diesen Prozess als Ressourcenverwaltung, wenn er davon spricht, dass die vorhandenen Ressourcen „unter einen Hut gebracht“ werden müssen[4]. Dieser Pro- zess ist die Hauptfunktion des kapazitätsorientierten Arbeitszeitmanagements.

1.2 Historischer Hintergrund

Arbeitszeitmanagement kann man als relativ neue unternehmerische Aufgabe be- zeichnen. Der erste Versuch, die Arbeitszeit in Deutschland zu flexibilisieren, erfolgte durch die Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre verstärkt aufkom- mende Gleitzeit, die den einzelnen Mitarbeitern größere individuelle Gestaltungs- spielräume eröffnen sollte. Auslöser dieser Gleitzeitwelle, die in erster Linie An- gestellte betraf, waren die zunehmenden Verkehrsprobleme infolge der einsetze n- den Massenmotorisierung[5].

Bereits im Jahre 1978 wurden erste Anstrengungen unternommen, die Wochenar- beitszeit zu verkürzen, als Forderungen der Industriegewerkschaft Metall (IG Me- tall) nach einer 35-Stunden-Woche laut wurden. Die Stahlindustrie schmetterte diese ersten Versuche zwar ab, aber die Arbeitszeitverkürzung war von nun an eine wesentliche Forderung der Gewerkschaften. Es sollte jedoch weitere sechs Jahre dauern, bis sich die IG Metall und die IG Medien durchsetzten würden. Der Durchbruch gelang den Gewerkschaften 1984 nach einem sechswöchigen Streik, dem bedeutendsten Arbeitskampf in der Metall- und Druckindustrie der Nach- kriegsgeschichte[6]. Man einigte sich darauf, dass die Wochenarbeitszeit ab April 1985 in der Metall- und Druckindustrie 38,5 Stunden betragen sollte. 1990 wurde ein weiterer Konsens erzielt, der ab dem 1. Oktober 1995 die 35-Stunden-Woche vorsah.

Diese Arbeitszeitverkürzungen sowie die Flexibilisierung der Arbeitszeit durch die Gleitzeit bilden den Ausgangspunkt des Arbeitszeitmanagements, da sich die Unternehmen nun gezwungen sahen, ihre starren Organisationsstrukturen bzgl. der Arbeitszeit zu überdenken. Man musste zu einer flexibleren Arbeitszeitgestal- tung gelangen, die einem erlauben würde, trotz Verkürzung der persönlichen Ar- beitszeit des einzelnen Mitarbeiters, die Betriebszeit eines Unternehmens beizu- behalten oder sogar bedarfsorientiert auszudehnen. Es mussten Methoden und Prozesse entwickelt werden, um das Arbeitszeitangebot - die Personalkapazität - an den Bedarf anzupassen. Ein neues unternehmerisches Aufgabengebiet war ent- standen: Das kapazitätsorientierte Arbeitszeitmanagement.

2. Grundlagen des Arbeitszeitmanagements

Die Ausgangsbasis eines effizienten Arbeitszeitmanagements bildet die Zeitwirtschaft. Die Zeitwirtschaft bildet mit ihren vier tragenden Säulen - Zeiterfassung, Zeitbewertung, Zeitauswertung und Personaleinsatzplanung - die Grundlage des Arbeitszeitmanage ments[7]. Im Folgenden werden diese vier Grundpfeiler für ein modernes Arbeitszeit- und Personalmanagement betrachtet.

2.1 Die Zeiterfassung

Aufgabe der Zeiterfassung ist die Erfassung nach Zeitarten (An- und Abwesen- heit) und Zeiträumen (von Datum/Uhrzeit bis Datum/Uhrzeit). Der Prozess der Zeiterfassung erfolgt in der Praxis gewöhnlicher Weise durch technische Systeme. Besonderen Bekanntheitsgrad in diesem Zusammenhang hat die Stempeluhr bzw. Stechuhr erreicht, mit deren Hilfe Arbeitnehmer Anfang und Ende ihrer persönli- chen täglichen Arbeitszeit dokumentieren. Auf der Grundlage der Zeiterfassung gelangt man über die Zeitwirtschaft zu einem Zeitmanagementsystem. Die Zeiter- fassung dient als Funktion zur Beschaffung der für die Zeitbewertung benötigten Daten. Neuere Arbeitszeitmodelle, wie z. B. die Vertrauensarbeitszeit verzichten teilweise oder sogar ganz auf die Zeiterfassung. Gern wird in diesem Zusammen- hang die Abschaffung der Stempeluhren bei IBM im Jahre 1998 angeführt, die u. a. als Diskussionsgrundlage für Gewerkschafter und Soziologen diente[8]. Auf die Vertrauensarbeitszeit als spezielle Form der Arbeitszeitflexibilisierung wird zu einem späteren Zeitpunkt eingegangen. Die traditionelle Zeitwirtschaft ist jedoch ohne Zeiterfassung nicht denkbar.

2.2 Die Zeitbewertung

Inhalt der Zeitbewertung sind die Berechnung der erfassten Zeitarten aufgrund zugeordneter Arbeitszeitmodelle, der Soll-Ist-Vergleich sowie die Umwandlung der Zeitarten in Lohnarten[9]. Auch die Zeitbewertung erfolgt mit Hilfe technischer Systeme, die eine genaue Zuordnung der erfassten Arbeitszeit garantieren. Der Soll-Ist-Vergleich von geplanten und durchgeführten Schichten stellt sicher, dass nahe am Auftragsvolumen gearbeitet und produziert wird. Die bei der Zeitbewer- tung angesiedelte Umwandlung der Zeitarten in Lohnarten lässt die Nähe von Zeitmanagementsystemen zur Personalabrechnung deutlich werden. Mit der Auf- bereitung der Daten für die Personalabrechnung ergeben sich differenzierte An- forderungen an das Zeitmanagementsystem.

2.3 Die Zeitauswertung

Die Zeitauswertung beschäftigt sich mit dem Führen von Arbeitszeitkonten, der Bereitstellung von Informationen über An- und Abwesenheiten und aktuelle Kontostände sowie der Kumulation von Zeitarten und summarischen Informationen über Abteilungen, Kostenstellen etc., um statistische Auswertungen zu erstellen[10]. Die Hauptaufgabe der Zeitauswertung ist das Führen von Arbeitszeitkonten, da diese einen zentralen Bestandteil der Zeitwirtschaft darstellen.

2.3.1 Arbeitszeitkonten

Arbeitszeitkonten sind ein an das System der Buchführung angelehntes Verfahren, mit dessen Hilfe sich individuell geleistete Arbeitszeiten erfassen lassen. Diese Zeitkonten verfügen analog zu Geldkonten über eine Soll- und Habenseite in Form von Zeitschulden und -guthaben[11]. Zeitguthaben bestehen aus den verschie- denen Zeitarten, die Mitarbeiter während einer vorher festgelegten Zeitperiode „ansammeln“. Zeitschulden spiegeln hingegen die kumulierte negative Abwei- chung des Zeitkontensaldos von der vereinbarten Regel- oder Durchschnittsar- beitszeit wider. Die ersten Arbeitszeitkonten gab es bereits in den 60er Jahren, als einige Betriebe sogenannte Gleitzeitmodelle einführten. Diese Gleitzeitmodelle kann man als Vorreiter der variablen Arbeitszeitgestaltung bezeichnen, da sie dem Mitarbeiter erstmals ermöglichten, in einem gewissen Rahmen Beginn und Ende seiner täglichen Arbeitszeit selbst zu gestalten[12].

ADAMSKI nennt folgende denkbare Zeitarten, die je nach betrieblicher Festlegung genau definiert werden müssen: Mehrarbeit aus Flexibilisierung, Mehrarbeit aus Überstunden, Samstags-, Sonntags- und Feiertagsarbeit, Gleitzeitsaldo und Min- derarbeit[13]. Mehrarbeit aus Flexibilisierung enthält die Überstunden, die aufgrund flexibler Arbeitszeiten in Verbindung mit Mehrarbeit angefallen sind. Eventuelle Zeitzuschläge für die Überstunden sind möglich. Die Mehrarbeit aus Überstunden beschränkt sich auf angeordnete Überstunden, die der Mitarbeiter sich in Geld oder Zeit gutschreiben lassen kann. Wählt der Mitarbeiter die Zeitgutschrift, dann werden diese Überstunden seinem Zeitkonto gutgeschrieben. Arbeitszeit, die am Wochenende oder an Feiertagen anfällt, wird immer häufiger nicht in Geld, son- dern in Form von Zeitzuschlägen „ausgezahlt“. Regelungen dieser Art finden sich immer häufiger in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen. Der Gleitzeitsaldo enthält eventuelle Zeitguthaben bzw. -schulden, die aufgrund gleitender Arbeits- zeit entstanden sind. Auch diese Zeitarten gehören in das Arbeitszeitkonto. Min- derarbeit ist der Ausgleich für die vorher geleistete oder zukünftig zu leistende Mehrarbeit, z. B. infolge eines erwarteten hohen Auftragsvolumens. Dieser Aus- gleich kann durch stunden- oder tageweisen Freizeitausgleich oder freiwillige bzw. angeordnete Freischichten erfolgen.

Neben den Ze itarten muss auch den möglichen Dispositionsräumen des Arbeits- zeitkontos Beachtung geschenkt werden. Als mögliche Dispositionsräume kom- men der Tag, die Woche, der Monat oder das Jahr in Betracht[14]. Der typische Dispositionsrahmen innerhalb einer Gleitzeitvereinbarung ist der Tag. Der Mitar- beiter kann seine persönliche Arbeitszeit zwischen der Kernarbeitszeit und der Rahmenarbeitszeit (maximale Arbeitszeit) wählen. Dient die Woche als Disposi- tionsrahmen, so wird die Flexibilität durch einen vorher festgelegten Arbeitszeit- korridor bestimmt. Wochenzeiträume fungieren auch häufig als Grundlage für die Erstellung von Schichtplänen. Der Monat als Dispositionsrahmen erfüllt mehrere Aufgaben: 1. Basis der regelmäßigen monatlichen Vergütung, 2. Planungszeit- raum für den Schicht- oder Dienstplan und 3. Funktion des Ausgleichszeitraums bei gleitender Arbeitszeit. Das Jahr als Dispositionsrahmen wirkt bei kapazitäts- orientierter flexibler Arbeitszeit als Glättungsfaktor, der saisonale und kurzfristige konjunkturelle Schwank ungen ausgleichen kann[15].

2.3.2 Rechtliche Rahmenbedingungen von Arbeitszeitkonten

Bei einem Einsatz von Arbeitszeitkonten sind gewisse rechtliche Rahmenbedingungen zu beachten. Diese rechtlichen Rahmenbedingungen sind nicht nur in Gesetzesvorschriften, wie z. B. dem Arbeitszeitgesetz, dem sogenannten „Flexi- Gesetz“ oder EWG-Richtlinien (5/4.2) kodifiziert, sondern werden hauptsächlich durch Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen begründet[16].

Zusammenfassend ist zu sagen, dass z. Z. vor allem solche Typen von Arbeitszeit- konten existieren, die einer kurz- und mittelfristigen Änderung der Markt- und Produktionsbedingungen Rechnung tragen. Des Weiteren ist zu beobachten, dass die Arbeitszeitkonten größtenteils nach dem „Sparbuch-Konzept“ ausgerichtet sind. D. h. die Mitarbeiter sammeln ein Zeitguthaben an, welches sie im Laufe der Zeit durch Ausgleich in Form von Freizeit verbrauchen. Mit Zeitschulden werden die Arbeitszeitkonten dahingegen nur selten oder gar nicht belastet. Das mag u. a. daran liegen, dass solche „Überziehungsmöglichkeiten“ des Arbeitszeitkontos gar nicht vorgesehen sind und daher viele Tarifabkommen auch keine Regelungen dazu enthalten[17].

2.3.3 Kurzzeit- und Langzeitkonten

Bei Arbeitszeitkonten ist zwischen Kurzzeit- und Langzeitkonten zu untersche i- den. Ein Kurzzeitkonto ist auf die Erfassung von Abweichungen von der Ver- tragsarbeitszeit und den fortlaufenden Zeitausgleich ausgerichtet. Die Laufzeit von Kurzzeitkonten differiert je nach Unternehmen zwischen drei Monaten und einem Jahr, wobei eine Anpassung an den Zeitraum der ungleichmäßigen Vertei- lung der tariflichen Arbeitszeit von Vorteil ist, da so eine kapazitätsorientierte Anpassung der Ressourcen gewährleistet wird[18].

Bei Langzeitkonten handelt es sich um Zeitkonten mit längerfristiger Ausgleichs- perspektive[19]. Überdies können auf einem Langzeitkonto Vergütungsansprüche von Mitarbeitern mit dem Ziel angespart werden, einen zeitweiligen oder früheren Ausstieg aus dem Berufsleben ohne Entgelteinbußen zu ermöglichen. Zeitweiliger Ausstieg könnte in diesem Zusammenhang Langzeiturlaub („Sabbatical“) oder Weiterbildung bedeuten. Bei diesen Vergütungsansprüchen kann es sich um ge- leistete Mehrarbeit oder auch Entgeltbestandteile handeln, d. h. ein Langzeitkonto kann in Zeit oder Geld geführt werden. Es wird sehr schnell deutlich, dass Lang- zeitkonten sehr unterschiedlichen Zwecken dienen können. Daher müssen bei Langzeitkonten Zielsetzungen festgelegt werden. Solche Zielsetzungen könnten z. B. die Bewältigung langzyklischer Auslastungsschwankunge n, das Angebot an die Beschäftigten, ihre Lebensarbeitszeit flexibler zu gestalten oder die Ersetzung bezahlter Mehrarbeit sein. Je nach Zielsetzung ergeben sich durchaus unterschiedliche Gestaltungsempfehlungen für ein Langzeitkonto[20].

2.4 Personaleinsatzplanung

Die Aufgabe der Personaleinsatzplanung ist u. a. die Anpassung der generellen Schicht- bzw. Dienstpläne an die aktuell im Betrieb vorherrschenden Gegebenhei- ten. Des Weiteren hat die Personaleinsatzplanung festzustellen, wann und wo Per- sonalbedarf herrscht und diese Informationen dem Management zur Verfügung zu stellen. Und schließlich ist sie auch für eine effiziente Nutzung der flexiblen Ar- beitszeitmodelle verantwortlich[21]. Denn nur dort, wo die verschiedenen Möglich- keiten der Arbeitszeitflexibilisierung richtig angewandt werden, können sie ihr ganzes Potential entfalten und sowohl den ökonomischen Interessen der Unter- nehmen als auch den persönlichen Interessen der Beschäftigten zu Gute kommen. Die Personaleinsatzplanung beinhaltet jedoch noch eine weitere Funktion: Sie wird in Zukunft als „Bedienoberfläche“ für beinahe alle anderen Funktionen der Zeitwirtschaft dienen und stellt daher einen wesentlichen Bestandteil des Zeitma- nagementsystems dar[22].

Betrachtet man das Arbeitszeitmanagement unter Einbeziehung der sozialen Komponente, dann kann man es unter dem gemeinsamen Dach des Personalmanagements ansiedeln (siehe Abbildung 1)[23].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 (Quelle: Praktisches Arbeitszeitmanagement, B. Adamski)

3. Zusammenhänge zwischen Produktions- und Personalwirtschaft

Die Annahme, dass das Arbeitszeitmanagement eine rein personalwirtschaftliche Aufgabe ist, wäre recht gedankenlos, bestehen doch eine ganze Reihe von Interdependenzen zwischen der Personalkapazität und dem Produktionsgeschehen. Im Folgenden sollen gegenseitigen Abhängigkeiten betrachtet werden.

Produktions- und arbeitswissenschaftliche Maßnahmen müssen ergriffen werden, wenn es zu Störungen im Produktionsbereich kommt. SCHNEEWEISS untersche i- det zwischen lang-, mittel- und kurzfristigen Störungen[24]. Das Augenmerk soll hier auf den kurzfristigen Störungen liegen.

3.1 Kurzfristige Störungen im Produktionsbereich

Stimmen der Kapazitätsbedarf und das Kapazitätsangebot nicht überein, bezeic h- net man diesen Zustand als eine Störung (im Produktionsbereich). Es gibt eine Vielzahl von Auslösern für solche Störungen: Produktionsanlagen fallen aus, es gibt Materialengpässe oder Mitarbeiter sind z. B. aufgrund vo n Krankheit nicht einsatzfähig. Die oben genannten Störungen sind in der verfügbaren Kapazität (Arbeitszeitangebot) begründet. Umgekehrt gibt es auch Störungen, die auf die benötigte Kapazität (Arbeitszeitbedarf) zurückzuführen sind, wie z. B. ein überdurchschnittlich stark gefallener oder gestiegener Auftragseingang. Diese Störungen werden auch als Kapazitätsdisparitäten bezeichnet[25].

3.2 Vermeidung und Beseitigung von kurzfristigen Störungen

Bei der Vermeidung bzw. Beseitigung von kurzfristigen Störunge n im Produkti- onsbereich spielt die mittel- bis langfristige Planung eine wichtige Rolle. Um die kurzfristigen Kapazitätsdisparitäten auszugleichen, müssen als erster Schritt so- wohl auf Angebots- als auch Bedarfsseite Reservekapazitäten aufgebaut werden. Auf Angebotsseite bestehen diese Reservekapazitäten aus sogenannten Potentia- len, die sich wiederum aus dem Aufbau und der Nutzung von Personalkapazitäten ergeben. Dazu zählen sämtliche arbeitswirtschaftliche und arbeitsorganisatorische Maßnahmen, wie z. B. Personalbeschaffung, Personaleinsatzplanung, Zeitwirt- schaft usw. Auf Bedarfsseite bilden logistische Maßnahmen, u. a. Puffer und Si- cherheitsbestände diese Reservekapazitäten. In einem zweiten Schritt werden die aufgebauten Reservekapazitäten dazu benutzt, etwaige kurzfristige Störungen zu beseitigen oder - besser noch - gar nicht erst entstehen zu lassen[26].

In der Praxis ist häufig zu beobachten, dass Störungen gleichzeitig auf der Angebots- und der Bedarfsseite entstehen. Das bedeutet, dass sowohl produktions- als auch personalwirtschaftliche Maßnahmen gleichzeitig geplant und durchgeführt werden müssen. Eine vom Produktionsbereich isolierte Planung der Personalkapazität ist daher nicht möglich. Vielmehr gilt es, die Vielzahl von Interdependenzen zu beachten, die einen starken Einfluss auf das zur Verfügung stehende Instrumentarium des Arbeitszeitmanagements haben.

4. Instrumente des kapazitätsorientierten Arbeitszeitmanagements

Das Schlagwort „Flexibilisierung der Arbeitszeit“ gilt häufig als Synonym für Arbeitszeitmanagement. Dabei ist es wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass die Arbeitszeitflexibilisierung das Ergebnis einer in den 60er Jahren begonnenen Entwicklung ist. Das als Führungsaufgabe verstandene Arbeitszeitmanagement ist vielmehr eine logische Weiterentwicklung, ein notwendig gewordener Prozess, um die benötigte Personalkapazität gewährleisten zu können.

[...]


[1] MARR (2001), Arbeitszeitmanagement, S. 9.

[2] Vgl. SCHNEEWEISS (1992), Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement, S. 9.

[3] Vgl. MARR (2001), Arbeitszeitmanagement, S. 19.

[4] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 17.

[5] Vgl. z. B. HOFF/WEIDINGER (2001), Vom Gleitzeitkonto zur Lebensarbeitszeit?, in: MARR (Hrsg.), Arbeitszeitmanagement, S. 172; KUTSCHER et al. (1998), Flexible Arbeitszeitgestal- tung, S. 10.

[6] Vgl. HINRICHS (1992), Zur Zukunft der Arbeitszeitflexibilisierung - Arbeitnehmerpräferenzen, betriebliche Interessen und Beschäftigungswirkungen, in: Soziale Welt, 43 (3), S. 313-330.

[7] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 20.

[8] Vgl. PETERS (1999), Neue betriebspolitische Erfahrungen zur Arbeitszeit, in: Meine Zeit ist mein Leben, Februar 1999.

[9] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 20.

[10] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 20.

[11] Vgl. SEIFERT (2001), Zeitkonten: Von der Normalarbeitszeit zu kontrollierter Flexibilität, in: MARR (Hrsg.), Arbeitszeitmanagement, S. 156.

[12] Vgl. dazu Punkt 4.2.1 dieser Arbeit.

[13] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 82 ff.

[14] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 89 ff.

[15] Vgl. ders.

[16] Eine umfassende Auswertung tariflicher Regelungen zu Arbeitszeitkonten ist auf den Seiten des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung im Internet unter dem Stichwort Arbeitszeitkonto zu finden. Die Auswertung umfasst eine detaillierte, stichwort- artige Beschreibung der tariflichen Regelungen bzgl. Arbeitszeitkonten in rund 70 Tarifberei- chen (http://www.boeckler.de/wsi/tarchiv/regelungen/konto/index.htm).

[17] Vgl. o. V., Tarifliche Regelungen zu Arbeitszeitkonten, in: http://www.boeckler.de/wsi/tarchiv/regelungen/konto/index.htm.

[18] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 84.

[19] Vgl. HOFF/WEIDINGER (2001), Vom Gleitzeitkonto zur Lebensarbeitszeit?, in: MARR (Hrsg.), Arbeitszeitmanagement, S. 178.

[20] Vgl. HOFF (1999), Langzeitkonten, in: http://www.flexible-unternehmen.de/fb990204.htm.

[21] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 20.

[22] Vgl. ADAMSKI (2000), Praktisches Arbeitszeitmanagement, S. 21.

[23] ders.

[24] Vgl. SCHNEEWEISS (1992), Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement, S. 25.

[25] Vgl. SCHNEEWEISS (1992), Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement, S. 30.

[26] Vgl. SCHNEEWEISS (1992), Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement, S. 26.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement
Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Bochum gGmbH
Note
sehr gut (1,0)
Autor
Jahr
2002
Seiten
49
Katalognummer
V8029
ISBN (eBook)
9783638151153
ISBN (Buch)
9783638882590
Dateigröße
539 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitszeitmanagement, Arbeitszeitkonten, Arbeitszeitmodelle
Arbeit zitieren
Markus Kotzur (Autor:in), 2002, Kapazitätsorientiertes Arbeitszeitmanagement, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/8029

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