Berufliche Rehabilitation


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

15 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

Die Ausgrenzung psychisch Kranker

Psychische Erkrankung und psychische Behinderung

Warum überhaupt berufliche Rehabilitation?

Grundlagen beruflicher Rehabilitation

Schwierigkeiten beruflicher Rehabilitation

Schwierigkeiten durch diagnostische Unsicherheit

Schwierigkeiten durch Defizite in der Zusammenarbeit

Schwierigkeiten in der Familie

Literaturverzeichnis:

Die Ausgrenzung psychisch Kranker

Menschen mit psychischen Erkrankungen wurden in der europäischen Gesellschaft bereits seit der Antike ausgegrenzt [Fabrega 1990], die Methoden der Ausgrenzung waren allerdings in den verschiedenen Gesellschaftssystemen sehr unterschiedlich: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit gingen viele psychisch Kranke in Gefängnissen zugrunde oder wurden auf „Narrenschiffe“ verbracht und dort ihrem Schicksal überlassen [Foucault 1961]; und wenn die seit der Französischen Revolution entstandenen „Heil- und Pflegeanstalten“ demgegenüber auch als großer Fortschritt anzusehen sind, so ist wohl auch hier die Absicht der Ausgrenzung zu unterstellen[1]. Die Ausgrenzung psychisch Kranker konnte zu verschiedenen Zeiten bis zur staatlich tolerierten (weit überproportionale Anzahl psychisch kranker Angeklagter in Inquisitionsprozessen) und sogar staatlich verordneten (Aktion T4 aufgrund eines Erlasses Hitlers 1939) Ermordung führen [Hinterhuber 1990, 1995].

Im heutigen Europa laufen die Mechanismen der Ausgrenzung psychisch Kranker subtiler ab, die Ausgrenzung wurde von der Ebene staatlicher Verordnung auf jene der persönlichen Entscheidung verlegt: So wird man in heutigen Gesetzbüchern kaum psychisch Kranke offen diskriminierende Paragraphen finden – der einzelne aber, der erklärt, er möchte mit psychisch Kranken nichts zu tun haben, kann mit großem Verständnis von seiten der Gesellschaft rechnen.

Die Ursachen dieser allgemeinen Akzeptanz der Ausgrenzung psychisch Kranker sind vielfältig:

Einerseits ist in den Augen der Bevölkerung das Phänomen psychischer Krankheit stark mit Gefährlichkeit und Brutalität assoziiert. Diese fatale Konnotation kann in hohem Maße auf die diffamierende Darstellung psychisch Kranker in den Medien zurückgeführt werden: So findet sich in der Darstellung psychisch Kranker in Hollywoodfilmen häufig eine extreme Gewaltbereitschaft (z.B. „Psycho“ : multiple Persönlichkeit, „The Shining“: paranoid-halluzinatorische Psychose); aber auch in Zeitungs- und Fernsehberichten werden Gewalttaten besonders dann, wenn sie sich durch extreme Brutalität auszeichnen, – noch vor der Identifikation des Täters! – psychisch Kranken zugeordnet [Schanda 1994]. Und schließlich werden psychische Erkrankungen auch manchmal als Schutzbehauptungen von angeklagten Gewalttätern ins Spiel gebracht, um über die Bescheinigung der Zurechnungsunfähigkeit eine Strafminderung zu erreichen[2].

Andererseits scheint möglicherweise bereits das identifizierbare Anders-Sein eines Menschen eine hinreichende (?) Ursache für gesellschaftliche Ausgrenzung zu sein. So argumentieren Sozialwissenschaftler häufig mit dem Mechanismus der „Verschiebung“, um das Entstehen von Vorurteilen und Diskriminierung zu erklären [Giddens 1999]; soziale Ablehnung lässt sich offenbar mit dem Ausmaß soziologischer Unterschiede in Verbindung bringen [Angermeyer & Matschinger 1996].

Schließlich wird auch das Krank-Sein als solches als Argument für die gesellschaftliche Ausgrenzung psychisch Kranker verwendet: So wird berufliche Benachteiligung beispielsweise über die angebliche Unzuverlässigkeit, die Überforderung durch komplexe berufliche Tätigkeiten [Harding & Zahniser 1994] oder vermehrte Arbeitsausfälle durch Krankenstand begründet. – Diese Vorbehalte könnte man Menschen mit nicht-psychiatrischen chronischen Erkrankungen wie beispielsweise Diabetes mellitus oder M. Crohn ebenso entgegenhalten, und doch würde wohl jeder Arbeitgeber den Vorwurf, er hätte einen Stellenbewerber wegen seiner Diabeteserkrankung abgelehnt, entrüstet von sich weisen.

Aber gerade in der heutigen Gesellschaft, in der materieller Status und persönliche Identität hauptsächlich über ausgeübte Erwerbsarbeit definiert werden, ist es von größter Bedeutung, auch psychisch Kranken den Zugang zum Arbeitsmarkt nicht zu erschweren oder gar zu verwehren, um sie vor Ausgrenzung zu schützen.

[...]


[1] So ist zwar das Argument, wonach Heilungsprozesse in der ruhigen und friedlichen Abgeschiedenheit der weit entfernt von den großen Städten errichteten „Heil- und Pflegeanstalten“ gefördert werden könnten, nachvollziehbar, andererseits konnte auf diese Art allerdings auch die Bevölkerung vor den „gefährlichen Irren“ geschützt werden.

[2] So versuchten beispielsweise die Anwälte des 1977 verhafteten amerikanischen Serienmörders D. Berkowitz, dessen Taten als Folge imperativer Stimmen hinzustellen. Nach seiner Verurteilung gestand Berkowitz allerdings, dass es sich dabei lediglich um den Versuch, eine Strafminderung zu erreichen, gehandelt hatte [http://www.serienkiller.de/].

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Berufliche Rehabilitation
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Psychologie)
Veranstaltung
Sozialpsychiatrie
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
15
Katalognummer
V5955
ISBN (eBook)
9783638136600
Dateigröße
502 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
reha, stigma, integration
Arbeit zitieren
Gisela Walter (Autor:in), 2001, Berufliche Rehabilitation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5955

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