Vernehmungspsychologie


Referat (Handout), 1997

19 Seiten, Note: 12 Punkte


Leseprobe


Inhalt

I. Einführung

II. Ziel der Vernehmung

III. Vernehmungstechnik
1. Kontaktebene
2. Freundliches Interesse
3. Persönlichkeit des Vernehmenden

IV. Verständlichkeit der Vernehmungssprache
1. Berücksichtigung sprachlicher Regionalfärbungen
2. Dialektberücksichtigung
3. Jargonberücksichtigung
4. Abstraktionsgrad der Sprache
5. Satzbau
6. Dolmetschereinsatz

V. Aufschließung und Enthemmung des Zeugen
1. Gründe der Gehemmtheit
2. Gestaltung der äußeren Vernehmungssituation
3. Die Befragung unter dem Aspekt der Enthemmung

VI. Verhalten gegenüber aufgeregten Zeugen
1. Gelassenheit in der Vernehmungsweise
2. Verhalten bei Affekten des Zeugen
3. Verhalten bei Falschaussagen

VII. Vorbereitung des Termins
1. Terminplanung
2. Angabe des Beweisthemas
3. Alternativdenken

VIII. Zeugenbelehrung
1. Zeitaufwand
2. Verständlichkeit
3. Motivierung zur wahrheitsgemäßen Aussage
4. Graduelle Belehrung
5. Aussagekorrektur vor Vereidigung
6. Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht
7. Informationen über das Verfahren
8. Vernehmung zur Person

IX. Inhaltliche Gestaltung der Vernehmung

X. Spontaner Zeugenbericht und gesteuerte Befragung
1. Probleme des spontanen Zeugenberichts
2. Gesteuerte Befragung
2.1. Eröffnungsfragen
2.1.1. Offene Fragen
2.1.2. Geschlossene Fragen
2.2. Lenkungsfragen
2.3. Suggestivfragen

XI. Fixierung der Vernehmung

XII. Literatur

I. Einführung

Die Vernehmungspsychologie stützt sich im wesentlichen auf systematische Praxisbeobachtungen, insbesondere sog. Vergleichsbefragungen, bei denen dieselbe Person zum selben Thema unter verschiedenen Situationsbedingungen befragt wurde.

Experimente haben sich hingegen nur in Teilbereichen bewährt, die künstlich herbeigeführte Situation entspricht in psychologischer Hinsicht der Vernehmungsrealität häufig nicht in ausreichendem Maße.

Statistische Erhebungen spielen im Rahmen der Vernehmungspsychologie eine geringere Rolle als die Kasuistik. Das Material der Vernehmungspsychologie wird im wesentlichen aus Strafverfahren gewonnen. In diesen wird - im Unterschied zum Zivilverfahren - der Zeuge in der Regel mehrmals vernommen, so daß Vergleiche überhaupt erst möglich werden.

Die Aussagepsychologie ist nicht in der Lage, einen Katalog zu erstellen, anhand dessen sich optimale Ergebnisse erzielen ließen, die Vernehmungsmethode ist in der Praxis weitgehend von persönlicher Berufserfahrung bestimmt.

II. Ziel der Vernehmung

Das Verfahren der Zeugenvernehmung im Zivilprozeß ist in §§ 394 - 397 ZPO geregelt.

Ziel der Vernehmung ist das Erforschen der Wahrheit im Sinne von Richtigkeit, also der Übereinstimmung mit der wirklichen Sachlage. Eine brauchbare Zeugenaussage ist hierbei eine solche, die als Beweismittel verwendet werden kann.

Im Rahmen des Zeugenbeweises wird versucht, die Wahrheit durch Menschen zu erforschen, welche hierzu nur im Rahmen ihrer subjektiven Möglichkeiten beitragen können. Auch gutwillige Zeugen können leicht überfordert werden, insbesondere durch die besondere Aussagesituation vor Gericht, welche bei vielen Menschen Hemmungen bewirkt.

III. Vernehmungstechnik

Feste Vernehmungsregeln lassen sich für die Vielzahl von individuellen Vernehmungen nicht aufstellen. Bei der Vernehmung ist sowohl die Person des Vernehmenden als auch die des Zeugen entscheidend.

Zwei Extreme der Vernehmungsführung sollten vermieden werden, es sollte weder eine familiäre, noch eine eisige Vernehmung vorgenommen werden.

1. Kontaktebene

Der Vernehmende sollte sich der Auskunftsperson anpassen, sich aber nicht auf jedes Niveau herablassen, er muß in der Lage sein, seinen Verhandlungs- und Vernehmungsstil den Persönlichkeiten der Prozeßbeteiligten anzupassen. Zu starke Routine und Distanziertheit können schädlich sein.

Die Anpassungsfähigkeit des Richters sollte sich auch auf den Sprachgebrauch (vgl. unten) erstrecken.

2. Freundliches Interesse

Für den Richter sollte es nichts Interessanteres als die Auskunftsperson geben, er sollte Interesse und Teilnahme zeigen. Zuviel Reden seitens des Richters schadet nur, der Richter sollte etwa 30 %, der Zeuge 70 % des Vernehmungsgesprächs bestreiten.

Auch überhebliche Überlegenheit sollte vermieden werden, der Vernehmende sollte rücksichtsvoll sein, niemand will vor Gericht sein Gesicht verlieren, der Richter sollte eher der Auskunftsperson helfen, ihr Gesicht zu wahren.

Vernehmungspsychologie / Vernehmungstechnik

Der Vernehmende sollte das Verhalten des Zeugen anerkennen und erkennbar wahre Aussagen loben, der Zeuge muß motiviert werden, ein Konflikt zwischen seinem Interesse und seinem Gewissen gilt es zugunsten des letzteren zu lösen.

In bestimmten sehr persönlichen Fragestellungen - etwa bezüglich des eigenen Sexualverhaltens können je nach der persönlichen Einstellung des Zeugen durchaus beim besten Willen aufgrund unüberwindlicher Hemmungen keine brauchbaren Aussagen erzielt werden.

Hierfür gilt es Verständnis zu haben, ohne die Aufrichtigkeit des Zeugen zu anderen Fragen allein deswegen zu bezweifeln.

3. Persönlichkeit des Vernehmenden

Sachliche Kompetenz und Persönlichkeit begünstigen den Erfolg einer Vernehmung, nicht formale Autorität. Konsequentes Auftreten ist eminent wichtig, entschlossenes Auftreten zum rechten Zeitpunkt sowie fallbezogene Prozeßleitung.

Der Vernehmende muß geistesgegenwärtig sein, auch auf Nebenbeteiligte achten und scheinbar unwichtige Andeutungen mitverfolgen.

Grundsätzlich sollten Vernehmungen zwar in ruhigem Ton geführt werden, bei uninteressierten Zeugen kann aber eine energische Tonart durchaus zu einer ernsteren Aussagehaltung führen.

Der Richter darf nie die Selbstkontrolle verlieren. Affektausbrüche des Vernehmenden sollten absolute Ausnahme bleiben, denn hiermit wird eine Konfrontation geschaffen, die kaum wieder aufzulösen ist und statt zum Einlenken auch zur Blockade des Zeugen führen kann.

Eine ständige Selbstkontrolle ist für den Vernehmenden dringend zu empfehlen, hierzu gehört des weiteren das Gebot der Geduld.

IV. Verständlichkeit der Vernehmungssprache

Im Regelfall fragt ein Zeuge nicht nach, wenn er etwas nicht oder nicht vollständig verstanden hat, insbesondere fragen er nicht mehrmals nach, um nicht als "dumm" dazustehen.

Der Zeuge versucht stattdessen, die Bedeutung ihm unverständlicher Fragestellungen zu erraten, wobei er richtig oder falsch liegen kann. Das Unverständnis ist dem Zeugen nicht immer anzumerken, mitunter schweigt er auch oder gibt an, nichts zu wissen, obwohl er Kenntnis über den in Frage stehenden Sachverhalt hat.

1. Berücksichtigung sprachlicher Regionalfärbungen

Erfolgt die Vernehmung in Hochdeutsch, verstehen Zeugen mit gehobener Schulbildung den Vernehmenden auch dann, wenn seine Sprache eine "gewisse regionale Färbung" beinhaltet.

Zahlreiche Zeugen mit einfacherer Schulbildung haben hingegen Schwierigkeiten, wenn eine bestimmte Färbung besteht, obwohl hochdeutscher Wortschatz benutzt wird.

Auch insoweit ist langsames und deutliches Sprechen anzuempfehlen.

2. Dialektberücksichtigung

Ist der Zeuge gewohnt, im Alltagsleben Dialekt zu sprechen, kann es die Vernehmung erleichtern, ihn seinen eigenen Dialekt sprechen zu lassen.

Der Vernehmende sollte sich aber nicht an einem Dialekt versuchen, den er nicht beherrscht.

Vernehmungspsychologie / Vernehmungstechnik

3. Jargonberücksichtigung

Die Verwendung eines speziellen "Jargon" durch den Vernehmenden, wie er häufig unter Jugendlichen besteht, ist selten zu empfehlen. In der Regel beherrscht der Vernehmende den Jargon nicht ausreichend, um einen Kontakt auf gleicher Ebene herzustellen, eine plumpe Anbiederung wirkt eher lächerlich.

Für das Verständnis kann aber die distanzierte Benutzung einzelner Ausdrücke, die vom Zeugen eingeführt worden, hilfreich sein:

"Wie oft sind Sie denn für den Beklagten ´Anschaffen´ gegangen, wie Sie das nennen?"

4. Abstraktionsgrad der Sprache

Die Vernehmung ist nur dann verständlich, wenn keine hochabstrakten Begriffe gebraucht werden. Schwer verständlich, weil in der Alltagssprache selten gebraucht sind folgende Formulierungen:

"Hätten sie dies vorausgesehen?"

"Haben sie es mit Bewußtsein wahrgenommen?" "War dieser Mann daran beteiligt?"

"Was war das für ein Gerät?" "Wie war die Situation?"

"In welcher Beziehung waren die Eltern streng?" "Sehen Sie von der anderen Sache einmal ab ..." "Hat er einen Vorwand gebraucht?"

"Können Sie ausschließen, daß ..." "Können Sie sich darauf besinnen?" "Was hatten Sie für einen Anlaß?" "Sind Aggressionen vorgekommen?" "Was assoziieren Sie ..."

"Zeigte er ein inadäquates Verhalten?" "Können Sie differenzieren?"

Mißverständnisse können auch bei unterschiedlichen Bezeichnungen auftreten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Wort "kennen" wird oft nur im Sinne persönlicher Bekanntschaft gebraucht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei schwächer begabten Zeugen sollte das Satzsubjekt - meist der Name oder eine charakteristische Bezeichnung der Person - häufiger wiederholt statt durch ein Fürwort ersetzt werden, um Mißverständnissen bezüglich der Person vorzubeugen.

5. Satzbau

Grundsätzlich sollten bei der Befragung einfache, kurze Sätze gebildet werden, die höchstens einen Nebensatz aufweisen. Schachtelsätze sollten völlig vermieden werden:

"Haben Sie, nachdem Sie aus ihrer Wohnung kamen, in der Sie - wie Sie sagten - etwa zehn Minuten verbracht haben, um ein Telefongespräch zu führen, den Wagen noch auf der Straße gesehen?".

Selbstverständlich sollten nie zwei verschiedene Fragestellungen in einem Fragekomplex verbunden werden:

"Was haben Sie an der Haustür beobachtet und haben Sie früher schon etwas Ähnliches beobachtet oder waren ihre Beobachtungen gänzlich anderer Art?"

Hierdurch kann der Zeuge irritiert werden, er weiß möglicherweise nicht, auf welchen Frageteil er zuerst eingehen soll und beantwortet möglicherweise auch nur eine Teilfrage. Es sind daher solche Fragen nacheinander zu stellen.

6. Dolmetschereinsatz

In der Regel läuft eine Vernehmung über Dolmetscher durch deren sprachliche Gewandtheit recht problemlos ab.

Oft neigen Dolmetscher aber dazu, Diskussionen mit dem Zeugen zu führen, bevor sie übersetzen. Hierdurch können sie ungewollt die Aussage beeinflussen. Durch kleine Veränderungen werden manchmal auch neutrale Fragen in Suggestivfragen verwandelt.

Es empfiehlt sich daher, darauf zu achten, ob die Dauer der Zeugen- und der Dolmetscheraussage in etwa übereinstimmt und ob zwischen Dolmetscher und Zeugen ein Zwiegespräch stattfindet.

Der Vernehmende sollte in entscheidenden Phasen darauf bestehen, daß wörtlich übersetzt wird, um auch Details aufnehmen zu können.

V. Aufschließung und Enthemmung des Zeugen

Die Vernehmung ist darauf gerichtet, möglichst viele Informationen vom Zeugen zu gewinnen und alles zu vermeiden, was den Zeugen blockiert. Je mehr Aussagematerial gewonnen wird, desto besser ist die Beurteilung der Glaubhaftigkeit möglich.

1. Gründe der Gehemmtheit

Häufig wissen Zeugen über den jeweiligen Sachverhalt erheblich mehr, als sie vor Gericht von sich aus zur Sprache bringen. Dies liegt hauptsächlich an psychischen Hemmungen, die insbesondere durch die Gerichtssituation mit ihren Förmlichkeiten und ihrem hoheitlichen Charakter bedingt sind.

Hinzu kommt häufig eine falsche Auffassung von der Zeugenstellung, viele Zeugen fürchten, daß sie durch die Ladung und die Aussage vor Gericht Prestige verlieren, viele Zeugen betonen, sie hätten "noch nie etwas mit dem Gericht zu tun gehabt".

Häufig haben Zeugen auch Angst vor Gericht, dies bewirkt eine Reduzierung der Aussagebereitschaft. Der Abbau von Hemmungen ist also eminent wichtig.

2. Gestaltung der äußeren Vernehmungssituation

Zur Auflockerung kann schon die äußere Vernehmungssituation beitragen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Vernehmungspsychologie
Veranstaltung
AG im Referendariat - Vortrag
Note
12 Punkte
Autor
Jahr
1997
Seiten
19
Katalognummer
V4442
ISBN (eBook)
9783638127516
Dateigröße
415 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vernehmungspsychologie, Vernehmungstechnik, Glaubhaftigkeit der Zeugenaussage 201 KB
Schlagworte
Vernehmungspsychologie, Referendariat, Vortrag
Arbeit zitieren
ass. jur. Matthias Höreth (Autor:in), 1997, Vernehmungspsychologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4442

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