Groß-Berlin. Analyse der größten Stadterweiterung der Berliner Geschichte


Hausarbeit, 2002

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


INHALT

1. Einleitung

2. Begriffsdefinition „Groß-Berlin“

3. Regionale Entwicklung bis zum „Groß-Berlin-Gesetz“
3.1 Entwicklung bis Ende des 19. Jahrhunderts
3.2 Entwicklung bis 1920

4. Auswirkungen des „Groß-Berlin-Gesetzes“
4.1 Auswirkungen bis zum Ende des 2. Weltkrieges
4.2 Auswirkungen bis heute

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem „Groß-Berlin-Gesetz“, das 1920 in Kraft trat und seit dem die Stadtentwicklung Berlins entscheiden prägen sollte. Neben der Analyse, welche Ursachen und Gründe zu diesem Gesetz geführt haben, steht auch die Darstellung der Auswirkungen des Gesetzes im Mittelpunkt dieser Arbeit. Auch geht es darum darzulegen, dass es auch noch heute, wenn auch unter völlig verschiedenen Vorzeichen, durchaus Parallelen mit der Situation vor 1920, also der Situation vor dem „Groß-Berlin-Gesetz“, gibt.

Insgesamt besteht die Arbeit aus fünf Abschnitten. Nach der Einleitung wird im zweiten Abschnitt der Begriff „Groß-Berlin“ näher definiert. Im dritten Abschnitt wird auf die Entwicklungen bis zum „Groß-Berlin-Gesetz“ näher eingegangen. Im vierten Abschnitt werden die Auswirkungen, die von diesem Gesetz ausgingen, näher betrachtet. Im fünften Abschnitt geht es schließlich um ein Fazit.

Eingeleitet soll diese Arbeit mit drei Zitaten, die die unterschiedlichen Ansichten zum „Groß-Berlin-Gesetz“ widerspiegeln sollen:

„ Mög schützen uns des Kaisers Hand, vor Groß-Berlin und Zweckverband! “

Spandaus Stadtrat Emil Müller, der sich bereits 1911, anlässlich der Grundsteinlegung des Spandauer Rathauses, gegen die Eingemeindung Spandaus nach Berlin ausgesprochen hatte.

(Quelle: Spandauer Geschichte, 2001: http://www.spandau-berlin.de/)

„ Endlich ist es erreicht: Der sehnlichste Wunsch derübergroßen Mehrheit der Be völkerung des Wirtschaftsgebietes von Groß-Berlin ist in Erfüllung gegangen, die Einheitsgemeinde ist Tatsache geworden! “

So begrüßte der 78jährige Alterspräsident und SPD-Politiker Wilhelm Pfannkuch (1841-1923), langjähriges Mitglied des Deutschen Reichstages, auf der ersten Sitzung der neu gewählten Stadtverordnetenversammlung am 15.07.1920 die Entstehung von Groß-Berlin.

(Quelle: Preußen-Chronik, 2001: http://www.preussen-chronik.de/)

„ Diese vielgel ä sterte Stadt, unbeliebt in der Provinz, verhasst aus ganz falschen Ursachen (unsere wahren Fehler sehen die andern kaum) - diese Stadt ist weniger einheitlich denn je. In den Bilderbüchern und auf den Operettenbühnen lebt sie noch, wie sie dunnemals war: mit den Marktfrauen, deren Maulwerk ging wie eine Kaffeemühle... Alles, alles ist h ä rter geworden, und jener blanker Witz (...) - der ist dahin. Manchmal blinkts noch auf. “

Kurt Tucholsky (1890-1935), 1920 (Quelle: Schwenk, 1998: 173)

2. Begriffsdefinition „Groß-Berlin“

Hinter dem Begriff „Groß-Berlin“ verbirgt sich die größte Stadterweiterung in der Berliner Geschichte. Der Begriff wurde zunächst umgangssprachlich verwendet und war ein Synonym für das Gesetz mit der offiziellen Bezeichnung „Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde Berlin“, das am 27.04.1920 von der Preußischen Landesversammlung verabschiedet wurde. Hinter der nüchtern klingenden Bezeichnung stand jedoch ein Gesetz, das die Berliner Stadtentwicklung bis in die heutige Zeit prägen sollte. Zu den Fakten:

Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.10.1920 wurden Alt-Berlin, sieben umliegende Städte (Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf) sowie 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirke zu einer Verwaltungseinheit zusammengefasst.

Abb. 1: „Groß-Berlin“ im Jahr 1920

(Quelle: Luuk, 1992: 459)

Die neue Großgemeinde „Groß-Berlin“ hatte 3,9 Mio. Einwohner (gegenüber 1,9 Mio. von Alt-Berlin) und eine Fläche von 87.800 ha (gegenüber 6.600 ha von Alt- Berlin). Als dezentrale Komponente der neuen Stadtverfassung wurden 20 Verwal- tungsbezirke geschaffen. Sie umfassten sechs innerstädtische Viertel von Alt-Berlin (Mitte, Tiergarten, Wedding, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Kreuzberg), die sieben eingemeindeten Städte sowie sieben neu geschaffene Bezirke, die jeweils nach dem Dorf oder dem Gutsbezirk mit der höchsten Einwohnerzahl benannt wur- den (Pankow, Reinickendorf, Steglitz, Tempelhof, Treptow, Weißensee und Zehlen- dorf). Die Aufteilung in Bezirke berücksichtigte den Wunsch der Städte und wichti- ger Ortsteile, wenigstens in Teilen ihre Eigenständigkeit zu wahren.

3. Regionale Entwicklung bis zum „Groß-Berlin-Gesetz“

3.1 Entwicklung bis Ende des 19. Jahrhunderts

Um die Gründe, die zur Bildung von „Groß-Berlin“ geführt haben, zu verstehen, ist ein historischer Rückblick auf die Siedlungs- und Bevölkerungsstruktur im Raum Berlin notwendig:

Als Hauptstadt des 1701 zum Königreich proklamierten und im Verlaufe des 18. Jahrhunderts unter Friedrich II. zur Großmacht aufgestiegenen Preußens entwickel- te sich Berlin vor allem ab dem 19. Jahrhundert zur Großstadt mit internationaler Bedeutung, deren Einwohnerzahl sich innerhalb eines Jahrhunderts fast versechs- fachte (1700: ca. 29.000; 1800: ca. 172.000 Einwohner, Luuk, 1992: 478). Bis An- fang des 19. Jahrhunderts grenzte sich Berlin dabei relativ deutlich von seinem Um- land ab. Diese Stadt-Land-Dichotomie löste sich im Zuge der Industrialisierung Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich auf. Vor allem der Eisenbahnverkehr führte zu einer Verstädterung des Berliner Ballungsraumes. Nicht nur die Kernstadt Berlin ver- zeichnete daraufhin ein enormes Bevölkerungswachstum (1861: ca. 0,6 Mio.; 1885: ca. 1,3 Mio. Einwohner, Splaneman, 1990: 9), sondern auch umliegende Städte und Gemeinden. Doch vor allem die städtebauliche Situation der Kernstadt Berlin litt unter dem enormen Bevölkerungswachstum. So wurde das immer knapper werden- de Bauland innerhalb des Stadtgebietes zunehmend von Spekulanten aufgekauft und mit einer hohen Dichte bebaut. Möglich war dies durch den sog. „Hobrecht- plan“1 aus dem Jahr 1862 und vor allem durch die großzügige Bauordnung aus dem Jahr 1853. Demnach durfte die Höhe eines Hauses lediglich der Straßenbreite ent- sprechen bzw. 22 m nicht überschreiten. Die zulässige Grundstückstiefe betrug 57 m, wobei die Höchstzahl der Quer- und Seitengebäude offen blieb. Allein der Wen- dekreis der damaligen Feuerwehrspitzen bestimmte das Mindestmaß für die Seiten- länge der Innenlänge von 5,34 m. So konnte sich ein „neuer“ Typ des Berliner Woh- nungsbaus, nämlich der der Mietskaserne, herausbilden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Mietskasernen, Prenzlauer Berg

(Quelle: Luuk, 1992: 818 )

Berlin entwickelte sich daraufhin in den folgenden Jahrzehnten zur „größten Mietskasernenstadt der Welt“ (Hegemann, 1930), in der Großteil der Bevölkerung unter unzumutbaren Zuständen leben musste. Bis zu sechs Hinterhöfe lagen bei den vierbis sechsgeschossigen Mietshäusern hintereinander. Großfamilien lebten dabei unter sehr erbärmlichen Bedingungen in 1 ½-Zimmer-Wohnungen mit Außentoiletten, die auch noch mit anderen Familien geteilt werden mussten.

Die Berliner Stadtverwaltung erkannte zwar diese Missstände, musste aber dem freien Spiel der Marktkräfte vorerst zusehen. Als einziges Instrumentarium stand ihr lediglich eine Stadterweiterung zur Verfügung. Auf diese Weise sollten neue Bauflä- chen in der Stadt entstehen und die hohe Baudichte etwas verringert werden. Nach langem Zögern (die Stadtverwaltung befürchtete, dass weitere Eingemeindungen zwar notwendig seien, aber auch hohe Erschließungskosten und Investitionen er- fordern würden), wurden 1861 Moabit, Wedding, Teile von Schöneberg und Teile des Tiergartens eingemeindet. Das Stadtgebiet vergrößerte sich dadurch zwar von ca. 3.500 ha auf 5.900 ha (Schwenk, 1998: 135), allerdings vermochte auch diese erhebliche Gebietserweiterung die Probleme der Stadt nicht zufriedenstellend zu lösen, denn auch die neu hinzugekommenen Flächen wurden, wie die übrige Stadt, größtenteils extrem dicht bebaut. Insgesamt hatte Berlin im Jahr 1861 etwa 613.000 Einwohner und damit eine Einwohnerdichte2 von etwas mehr als 100 Einwohnern je ha (Pirch, 1995: 14).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Berlins Stadtzentrum 1867 mit westlich angrenzender Blockbebauung der Friedrichsstadt (Quelle: Reinborn, 1996: 30)

Als Berlin 1871 Hauptsstadt des neu gegründeten Deutschen Reiches und somit noch mehr ein Anziehungspunkt für Hunderttausende von Menschen wurde, hatte dies auch Auswirkung auf die Bevölkerungszahl, die von ca. 1,1 Mio. im Jahre 1880 auf knapp 1,6 Mio. im Jahre 1890 (Luuk, 1992: 239) stieg. Auch das Umland der Reichshauptstadt wurde zunehmend verstädtert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Berlin und Charlottenburg im Jahr 1857 (Quelle: Pirch, 1995: 18)

So hatte die westlich von Berlin gelegene Stadt Charlottenburg im Jahr 1890 knapp

77.000, um die Jahrhundertwende 190.000 und 1910 mehr als 300.000 Einwohner (siehe Tab. 1):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Entwicklung der Einwohnerzahl in den Städten des Berliner Ballungsraumes (Quelle: Eigene Darstellung nach Scherf & Viehrig, 1995: 142)

Überraschend dabei ist, dass Berlin zwischen 1890 und 1910 zwar die Stadt mit dem höchsten absolutem Wachstum war, dass aber, prozentual gesehen, alle um- liegenden Städte, allen voran Wilmersdorf (zwischen 1890 und 1910 mit einem durchschnittlichem, jährlichem Wachstum3 von 16,5 %) und Neukölln4 (10,7 %), wesentlich stärker wuchsen als Berlin. Aus der Tab. 1 wird auch ersichtlich, dass 1890 mit Berlin nur eine Großstadt (d.h. Stadt mit über 100.000 Einwohnern) im Ballungsraum existierte, 20 Jahre später jedoch bereits sechs Städte die 100.000- Einwohnergrenze überschritten hatten.

[...]


1 Der „Hobrechtplan“ wurde nach seinem Verfasser, dem damaligen Baurat James Friedrich Ludolf Hobrecht, benannt. In diesem ersten systematischen Bebauungsplan für die Städte Berlin und Char- lottenburg waren lediglich die Fluchtlinien der Straßen und der Schmuckplätze festgelegt, dagegen kein Maß für die Ausnutzung der dazwischen liegenden Flächen. Zusammen mit der damaligen Bauordnung bildete der „Hobrechtplan“ die Grundlage für die Entstehung der Berliner Mietskasernen.

2 Zum Vergleich: Heute hat Berlin eine Einwohnerdichte von ca. 38 Einwohnern je ha.

3 Das durchschnittliche, jährliche Wachstum wurde anhand der folgenden Formel errechnet:W = [ ( Et1 / Et0 ) 1/ j -1 ] x 100 ; wobei gilt: W = durchschnittliches, jährliches Wachstum, Et1 = Einwohnerzahl zum Zeitpunkt t1, Et0 = Einwohnerzahl zum Zeitpunkt t0 und j = Anzahl der Jahre.

4 Bis 1912 hieß Neukölln Rixdorf.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Groß-Berlin. Analyse der größten Stadterweiterung der Berliner Geschichte
Hochschule
Technische Universität Hamburg-Harburg  (Studiengang Stadtplanung)
Veranstaltung
Wahlfach Geschichte der Stadtentwicklung
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
21
Katalognummer
V3019
ISBN (eBook)
9783638118194
Dateigröße
2125 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Sehr dicht - einzeiliger Zeilenabstand. 1.995 KB
Schlagworte
Groß-Berlin, Analyse, Stadterweiterung, Berliner, Geschichte, Wahlfach, Geschichte, Stadtentwicklung
Arbeit zitieren
Nima Dafateri-Moghaddam (Autor:in), 2002, Groß-Berlin. Analyse der größten Stadterweiterung der Berliner Geschichte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/3019

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