Kommunikationskonflikte in der Arzt-Patienten-Kommunikation (APK) bedingt durch medizinische Fachsprache und medizinischen Slang


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

37 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Slang und Fachsprache – Probleme aus den ´80ern?

2. Kommunikationsmodell

3. Parameter der Arzt-Patienten-Kommunikation
3.1 Vorbemerkung
3.2 Personale Parameter der APK
3.3 Außerpersonale Parameter der APK
3.3.1 Situation
3.3.2 Zeit
3.3.3 Thema

4. Medizinische Fachsprache und medizinischer Slang als Konfliktpotential innerhalb
der APK
4.1 Medizinische Fachsprache und medizinischer Slang als Sondersprachen Erwachsener
4.2 Fachsprache
4.2.1 Definition und Merkmale
4.2.2 Medizinische Fachsprache
4.2.3 Kommunikationskonflikte aufgrund medizinischer Fachsprache
4.3 Slang in medizinischen Arztpraxen
4.3.1 Definition
4.3.2 Funktionen und Klassifizierung
4.3.3 Slang nach kommunikativer Reichweite
4.3.3.1 Stammslang
4.3.3.2 Regionalslang
4.3.3.3 Kleinstgruppenslang
4.3.4 Slang nach horizontaler Gliederung
4.3.4.1 Laborslang
4.3.4.2 Röntgenslang
4.3.5 Kommunikationskonflikte durch medizinischen Slang

5. Lösungssansätze

6. Literaturverzeichnis

1. Slang und Fachsprache – Probleme aus den ´80ern?

Das Themenfeld der Arzt-Patienten-Kommunikation (APK) ist ein komplexes Gebiet der Forschung, das umfassend nur interdisziplinär angegangen werden kann.

Forschungsgeschichtlich lassen sich seit den Anfängen der modernen Linguistik verschiedene Schwerpunkte feststellen, die vielfach auch soziologische Ursachen hatten. Am Beginn der APK stand die Kritik am Arzt als Halbgott in weiß: Er sah sich selbst als solcher an und handelte dementsprechend. Der Patient akzeptierte die unangefochten dominante Stellung des Arztes in der Regel. Das Gespräch verlief meistens als Monolog des Arztes, dem eine Art Anamnese-Verhör vorausging. Die kommunikative Rolle des Patienten war auf das möglichst präzise Beantworten der Fragen des Arztes, das Zuhören und das anschließende widerspruchslose Befolgen der ärztlichen Anweisungen. Kurz: die Rolle des Arztes war dominant-aktiv, die des Patienten äußerst passiv. Hier war insbesondere der Gebrauch von Fachsprache ein Problem, da das Beherrschen der Fachsprache den Expertenstatus des Arztes noch unterstrich und den Patienten noch deutlicher in seine passive Rolle drängte, da er nicht verstand, was der Arzt ihm über seine Krankheit mitzuteilen hatte. Mit Entwicklungen innerhalb unserer Gesellschaft veränderte sich auch der Blick der Forschung auf die APK, was nicht ohne Folgen auf die Ausbildung der Ärzte blieb. Soziologische Erkenntnisse wurden in die linguistische Forschung übernommen, der damit ein umfassenderer Methodenkanon zur Verfügung stand. Außerdem ist der diskursanalytische Ansatz bei der Untersuchung von Arzt-Patientengesprächen zu erwähnen, der wesentliche Akzente gesetzt hat. Die Untersuchung der APK, die in den frühen achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Fachsprachenforschung einsetzte, ist noch heute ein bedeutendes Feld der Soziolinguistik. Hervorzuheben ist ihr Praxisbezug, da ihre Ergebnisse zum einen eine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Ärzten spielen und sie zum anderen auch dem Patienten wichtige Hinweise an die Hand geben kann, wie auch er seinen Teil zu einer gelungenen Kommunikation beitragen kann.

Wie in der Arbeit deutlich werden wird, ist die Kommunikation zwischen Arzt und Patient von vielen Faktoren abhängig, u.a. auch von solchen, auf die Arzt und Patient keinen direkten Einfluss haben. Dazu gehören beispielsweise die z.T. rasanten Fortschritte in der medizinischen Wissenschaft und ihrer Hilfswissenschaften, die wiederum die medizinische Praxis ständig erheblich verändern. So hat allein der technische Fortschritt Arbeitsabläufe in medizinischen Praxen und im Krankenhaus verändert, was nicht ohne Folgen für die Kommunikation mit dem Patienten bleibt. Die Ärztestreiks des letzten Jahres haben außerdem die lang anhaltende Diskussion um unser Gesundheitswesen neu belebt, indem auf zunehmende Bürokratisierung und Ökonomisierung, letztlich auf die fortschreitende Beschneidung ärztlicher Freiheiten bei gleichzeitiger Mehrbelastung des medizinischen Personals aufmerksam gemacht wurde.

Diese und weitere aktuelle Diskussionen im Gesundheitswesen sowie die weiter voranschreitende Entwicklung medizinischer Forschung und Technik lassen den Schluss zu, dass die Herausforderungen an Ärzte (und Patienten) steigen werden, was wiederum Auswirkungen auf die APK hat. Trotz aller Erfolge auf dem Gebiet der Erforschung der APK können wir aber auf der anderen Seite nicht feststellen, dass ältere Probleme innerhalb der APK bereits beseitigt wären. Slang und Fachsprache dienen nach wie vor als Ausdrucksmedium von Ärzten (und Pflegepersonal), was immer noch zu Konflikten führt.

Daher versteht sich die vorliegende Arbeit als ein Beitrag zur Problembeschreibung. Sie legt sozusagen nochmals den Finger in die Wunde und stellt mit dem Gebrauch des Slangs in medizinischen Arztpraxen und dem Problem des Fachsprachengebrauchs in Arzt-Patienten-Gesprächen zwei Aspekte dar, die erhebliches Konfliktpotential für die APK bedeuten. Ein Kommunikationskonflikt zwischen Arzt und Patient hat aber nicht nur – das ist schon ernst genug – Auswirkungen auf deren persönliches Verhältnis. Er hat auch stets auch die Behinderung der im Mittelpunkt des Arzt-Patienten-Verhältnisses stehende Genesung des Kranken zur Folge, weswegen Kommunikationskonflikte zwischen Arzt und Patient entweder gelöst oder von vornherein vermieden werden sollten.

Untersuchungen zum Slang und zur medizinischen Fachsprache sind meist älteren Datums, da sich die Forschung neueren Themenfeldern zugewandt hat. Hier soll aber nochmals darauf eingegangen werden, um einem Anliegen der vorliegenden Arbeit Nachdruck zu verleihen: Die APK sollte umfassend und umfangreich neu in den Mittelpunkt der Forschung gerückt werden. Das gilt für die anzuwendenden Methoden, die beteiligten Fächer – Interdisziplinarität ist das Gebot der Stunde –, sowie auf die zu untersuchenden Bereiche, wozu eben auch Slang und medizinische Fachsprache gehören, was innerhalb der aktuellen Forschung etwas aus dem Blick zu geraten scheint. Eine solche Studie müsste auf repräsentativer empirischer Basis aktuelle Daten zur Kommunikationssituation zwischen Arzt und Patient auf verschiedenen Ebenen, im Krankenhaus, in der hausärztlichen Praxis, in der fachärztlichen Praxis und bei verschiedenen Patienten – hinsichtlich verschiedener Parameter wie Alter, soziales Milieu, Schwere der Krankheit – erheben, aus denen wiederum Schlüsse gezogen werden müssten, wie zukünftig der Genesungsprozess bei Patienten in Folge u.a. einer besseren Kommunikation zwischen Arzt und Patient optimiert werden kann.[1] Diese Ergebnisse müssen darüber hinaus einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Sie müssen in die Ausbildung von Ärzten selbstverständlich einfließen, so dass Ärzte frühzeitig sensibel gemacht werden für zukünftige Herausforderungen, da sie in der Praxis de facto soziale, psychologische und übergreifend quasi handlungsorientiert kommunikative Kompetenzen zur Anwendung bringen müssen, die allesamt zu der Aufgabe geschuldet sind, Kranke zu heilen. Dass dazu nicht nur primär die medizinische Fachausbildung gehört, ist nicht neu. Ob aber entsprechende Maßnahmen ergriffen worden sind, darf aufgrund einer fehlenden wissenschaftlichen Grundlage, wie sie oben skizziert wurde, bezweifelt werden. Ein interdisziplinärer Ansatz ist darüber hinaus dazu geeignet, immer noch existierende Missstände in medizinischen Institutionen offenzulegen, was als erster Schritt zu einer Verbesserung dieser Zustände angesehen werden muss. Das heißt konkret: Es müssen organisatorische und personelle Konsequenzen erarbeitet und umgesetzt werden, die eine verbesserte Kommunikation zwischen Arzt und Patient ermöglichen, da es wohl nicht ernsthaft bestritten werden kann, dass das Gespräch zwischen Arzt und Patient ein wichtiger, wenn nicht der entscheidende Aspekt des Heilungsprozesses ist. (vgl. Fluck 1996: 97; Lörcher 1983: 156)

Die vorliegende Arbeit wird nicht ausblenden, dass Konflikte in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht ausschließlich auf den Gebrauch von Fachsprache oder Slang zurückzuführen sind. Viele verschiedene Einflüsse spielen eine Rolle, von denen getrennt Fachsprache in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht betrachtet werden kann.

Nach Fluck haben Kommunikationskonflikte zwischen Fachleuten und Laien sogar eher zu als abgenommen. (vgl. Fluck 1996: 198) Er verweist zwar auf erhebliche Verbesserungen in Bezug auf die fachliche Ausbildung im juristischen, verwaltungstechnischen und medizinischen Bereich, kann aber für die Medizin keine Belege anbringen.[2] Das unterstreicht die Bedeutung dieses Bereiches der Soziolinguistik.

Die Verwendung des Slangs und der medizinischen Fachsprache wird daher in den Gesamtkomplex der APK eingebettet, indem dieser zunächst ein allgemeines Kommunikationsmodell zugrundegelegt wird, das überblicksartig elementare Parameter der Kommunikation darstellt. Sodann werden diese Parameter für die APK konkretisiert. In einem weiteren Schritt werden medizinische Fachsprache und Slang als Konfliktfaktoren innerhalb der APK dargestellt, bevor sich der abschließende Teil verschiedenen Lösungsansätzen widmet.

2. Kommunikationsmodell

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[3]Es handelt sich hierbei um ein recht einfaches Kommunikationsmodell, das für unsere Absicht, Kommunikationskonflikte innerhalb der APK zu erklären und Lösungsansätze zu formulieren, allerdings ausreichen sollte. Zwei Personen tauschen mittels Sprache Informationen aus, sie kommunizieren. Dabei spielen zahlreiche sprachliche und nicht-sprachliche Faktoren eine Rolle, da sie die Kommunikation begleiten. Dazu zählen persönliche Faktoren (s. Feld „Person A, Person B“), die entsprechende Situation, das Thema, über das kommuniziert wird, die Art und Weise der Kommunikation (s. Feld „Signale, Texte, Zeichen“) oder solche Faktoren, die die Kommunikation stören könnten. (vgl. Veith 2002: 6f)

3. Parameter der Arzt-Patienten-Kommunikation

3.1 Vorbemerkung

Wenn wir nun die aus meiner Sicht wichtigsten, da konfliktträchtigsten der oben aufgeführten Parameter der Kommunikation auf die APK übertragen, ist die untenstehende Gegenüberstellung denkbar. Zuvor sei noch darauf hingewiesen, dass wir im Grunde von der APK nicht sprechen können, da sie allzu vielgestaltig ist. Es muss beispielsweise zwischen verschiedenen Typen des Arzt-Patienten-Gespräches unterschieden werden: Beratungsgespräche, Kontrollgespräche, Visite – all diese Kommunikationssituationen werden unter die APK subsummiert, (vgl. Löning 1985: 40f) wobei ihnen jeweils unterschiedliche Voraussetzungen, Ziele, Themen, auch andere Gesprächspartner zugrunde liegen. Außerdem spielen nonlinguale Faktoren (vgl. Veith 2002: 12f) eine wichtige Rolle, die in der vorliegenden Arbeit wegen der fehlenden Materialgrundlage leider gänzlich ausgespart werden müssen.

Somit können die folgenden Ausführungen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben; sie betrachten vielmehr die allen Formen von APK in unterschiedlicher Ausprägung inhärenten Parameter, die aus Gründen der Übersichtlichkeit vereinfacht dargestellt werden. Schließlich stehen Fachsprache und Slang als Gründe für Kommunikationskonflikte zwischen Arzt und Patient im Zentrum dieser Arbeit, die in das Umfeld, in dem diese Sondersprachen zur Anwendung kommen, (vgl. Homberger 1990: 382) eingebettet werden.[4] Im Folgenden werden nun zunächst die personalen, dann außerpersonale Parameter innerhalb der APK näher in den Blick genommen.

3.2 Personale Parameter der APK

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten


[...]

[1] Vgl. Roelcke 1999: 23-26, der die Vorteile von „Interdisziplinarität der Fachsprachenforschung“ (23) skizziert.

[2] Vgl. den Forschungsüberblick bei Koerfer u.a. 1994: 54-59.

[3] Dieses Modell ist eine Modifizierung des Bühlerschen Organon-Modells, vgl. Bühler 1999: 28. Vgl. außerdem Geißner 1988 (bes. 61-128); Oksaar 1988: 175f; Roelcke 1999: 23; Löning 1985: 13f. Löning verweist auf die in obigem Schema integrierte Unterscheidung von objektiven und subjektiven Gesprächsfaktoren. Ich verwende die Begriffe außerpersonale und personale Parameter.

[4] Vgl. mit einer Einordnung innerhalb der möglichen Bereiche der Anwendung von medizinischer Fachsprache – auf der theoretisch-schriftlichen, der theoretisch-mündlichen, der praktisch-schriftlichen und eben der hier zu untersuchenden praktisch-mündlichen Ebene – Löning 1985: 28-30.34 sowie allgemein zu den Anwendungsgebieten von Fachsprache Löffler 1994: 113f; Homberger 1990: 379.

[5] „Jedes Gespräch stellt eine mögliche Bedrohung seiner gewohnten Lebenswelt dar und wird durch seinen Ablauf und in seiner Art einzigartig.“ (Löning 1985: 112)

Ende der Leseprobe aus 37 Seiten

Details

Titel
Kommunikationskonflikte in der Arzt-Patienten-Kommunikation (APK) bedingt durch medizinische Fachsprache und medizinischen Slang
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
37
Katalognummer
V93494
ISBN (eBook)
9783638072847
ISBN (Buch)
9783640430987
Dateigröße
557 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Besonders gelobt wurde der deduktive, eigenständige Ansatz. Abzüge gab es wegen des Umfangs - die Seitenzahl von 20 war überschritten worden.
Schlagworte
Kommunikationskonflikte, Arzt-Patienten-Kommunikation, Fachsprache, Slang
Arbeit zitieren
Jörg Röder (Autor:in), 2006, Kommunikationskonflikte in der Arzt-Patienten-Kommunikation (APK) bedingt durch medizinische Fachsprache und medizinischen Slang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93494

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