Waldorfpädagogik. Der Waldorfkindergarten


Hausarbeit, 2004

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Anthroposophische Grundlagen
2.1 Rudolf Steiner
2.2 Grundannahmen der Anthroposophie
2.3 Die Dreiheit des Menschen
2.4 Die Viergliederung des Menschen
2.5 Typenlehre

3 Waldorfpädagogik im Vorschulalter
3.1 Entwicklungstheorie
3.2 Nachahmung
3.3 Temperamentenlehre
3.4 Spiel und Spielzeug
3.5 Rhythmus
3.6. Die Rolle der Kindergärtnerinnen

4 Kritische Betrachtungen

5 Fazit und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

In der heutigen schnelllebigen, technisierten Welt suchen Eltern verstärkt nach alternativen Einrichtungen für ihr Kind. Meist wünschen sie sich dabei eine ganzheitliche Pädagogik, die quasi „Kopf, Herz und Hand“ gleichermaßen bildet. Im Hinblick darauf erfreuen sich gerade Waldorfkindergärten wachsender Beliebtheit. Die Nachfrage steigt trotz mehrjähriger Wartezeiten, oft langer Anfahrtswege und relativ hoher Kosten.

Sucht man nun nach den Gründen dieses Erfolges, so vermutet man diese wohl zuerst in der der Waldorfpädagogik zugrunde liegenden anthroposophischen Weltanschauung. Doch wird man bald feststellen, dass die meisten Eltern, die ihr Kind in einen Waldorfkindergarten schicken, weder selbst Anthroposophen sind, noch allzu oft genaueres über die anthroposophische Lehre wissen. (vgl. Aden-Grossmann 2002, und kritischer Brückner 1997)

Die große Popularität muss also in der Praxis bzw. den Erfolgen der Waldorfpädagogik selbst begründet liegen.

Wesentlich ist, dass man das anthroposophische Menschenbild nicht von der Praxis der Waldorfpädagogik trennen kann. So sagt Rudolf Steiner selbst: „Wie erzogen werden soll, kann man erst wissen, wenn man weiß, was der Mensch eigentlich ist.“ (Steiner 1981, zit. nach Bohnsack/Kranich 1990)

Deshalb soll es im ersten, theoretischen Teil dieser Arbeit darum gehen, die grundlegenden Gedanken der Anthroposophie darzustellen. Allerdings kann hier kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden, da die anthroposophische Lehre komplex und vielschichtig ist. Eine Darstellung der anthroposophischen Anschauungen in allen Einzelheiten würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grunde liegt der Fokus hauptsächlich auf den für die Praxis der Waldorfpädagogik relevanten Aspekten.

In Kapitel 3 folgt dann die Umsetzung des anthroposophischen Theorems in Form der Waldorfpädagogik. Obgleich Waldorfkindergärten aus den Waldorfschulen heraus gegründet sind, wird hierbei ausschließlich auf die Vorschulpädagogik eingegangen. So wird z.B. auch nur das nach Steiner beschriebene erste Jahrsiebt, welches identisch ist mit dem Vorschulalter, anhand der anthroposophischen Entwicklungstheorie näher untersucht. Nach einer einführenden Übertragung der Theorie auf die praktische Ausgestaltung wird auch durch verschiedenste Beispiele[1] ein Einblick in den Alltag eines Waldorfkindergartens gewährt.

Im vierten Kapitel erfolgt eine Darstellung der verschiedenen Kritikpunkte, insbesondere an der anthroposophischen Lehre, aber auch konkreten pädagogischen Ausgestaltungen der Waldorfpädagogik, sowie die Richtigstellung bzw. Rechtfertigung von anthroposophischer Seite.

Im letzten Teil erfolgt ein kurzes Resümee, als auch ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen nicht nur bezüglich der Waldorfpädagogik, sondern der Vorschulerziehung im Allgemeinen.

2 Anthroposophische Grundlagen

2.1 Rudolf Steiner

Als Begründer der Anthroposophie und des anthroposophischen Erziehungskonzeptes, der Waldorfpädagogik, gilt Rudolf Steiner.

Rudolf Steiner wurde am 27.02.1861 in Kraljevec als Sohn eines Eisenbahnbeamten geboren. So wuchs er in einer von Technik geprägten Umgebung, gleichzeitig aber sehr naturverbunden, auf. In seiner Kindheit soll Rudolf Steiner ein übersinnliches Erlebnis gehabt haben. Von diesem Zeitpunkt an, so heisst es, war er sich der geistigen Welt bewusst. Nach der Reifeprüfung im Jahre 1789 studierte er Biologie, Chemie und Physik in Wien. Während seiner Studienzeit beschäftigte er sich vornehmlich damit, eine Brücke zwischen dem Weltbild der Naturwissenschaften und seinen geistigen Erkenntnissen zu suchen. Diese fand er dann auch schließlich in den naturwissenschaftlichen Schriften Johann Wolfgang von Goethes, welcher in diesen einen Weg zur Erforschung des Organischen und damit eine Verbindung zwischen Geist und Natur geschaffen hatte. Bald wurde Steiner ein bekannter Goetheforscher. Um seinen Unterhalt zu bestreiten, nahm er von 1884-1890 eine Stelle als Erzieher eines 10-jährigen Jungen an, der unter Hydrocepahlie (Wasserkopf) litt und als schwer beschulbar galt. Steiner soll es gelungen sein, den Jungen insoweit zu fördern, dass er nach zwei Jahren das Gymnasium besuchen konnte und später Arzt wurde. 1890 siedelte Steiner nach Weimar über, 1891 promovierte er an der Universität Rostock zum Doktor der Philosophie. Im Jahre 1897 übersiedelte er nach Berlin. Ab 1900 betätigte er sich hauptsächlich als Vortragsredner uns freier Schriftsteller. 1902 wurde er Generalsekretär der deutschen Sektion der Theosophischen Gesellschaft. Ein großer Teil dieser spaltete sich 1913 zur Anthroposophischen Gesellschaft ab. Am 30.03.1925 verstarb Rudolf Steiner. (vgl. Kesselschläger 2000)

2.2 Grundannahmen der Anthroposophie

Das Wort Anthroposophie ist griechischen Ursprunges und bedeutet „Weisheit über den Menschen.“ Diese Weltanschauung soll zu einer Erneuerung des gesamten Denkens und Lebens führen. Geistesgeschichtlich gehört die Anthroposophie zu den Versuchen des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, den Materialismus zu überwinden. (vgl. Stieglitz 1957, in: Galling 1957, S. 425)

Laut Rudolf Steiners Definition ist die Anthroposophie „ein Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte. [...] Anthroposophie vermittelt Erkenntnisse, die auf geistige Art gewonnen werden.“ (Steiner 1964, zit nach: Schneider 1987, S. 144f.) Weiterhin sei sie „eine wissenschaftliche Erforschung der geistigen Welt, welche die Einseitigkeiten einer bloßen Natur-Erkenntnis ebenso wie diejenige der gewöhnlichen Mystik durchschaut, und die, bevor sie den Versuch macht, in die übersinnliche Welt einzudringen, in der erkennenden Seele erst die im gewöhnlichen Bewußtsein und in der gewöhnlichen Wissenschaft noch nicht tätigen Kräfte entwickelt, welche ein solches Eindringen ermöglichen.“ (Steiner 1965, S. 66, zit nach: Ullrich 1991, S. 77)

Etwas nüchterner definiert Karl Baral im RGG-Handwörterbuch die Anthroposophie als eine Weltanschauung, die sich selbst als Erkenntnisweg ansieht, der über die herkömmliche Wissenschaft hinausgeht, indem er mit eigenen Methoden in die Welt des Geistigen eindringt und sie erforscht. (Baral 1998, in: Betz 1998, S. 529)

Steiner ist der Auffassung, dass das „Geistige im Menschen“ den inneren Kern und das Wesen seiner Persönlichkeit ausmacht. Die geistige Seite der Welt ist eher verhüllt, aber erfahrbar und erkennbar durch einen geistigen Erkenntnisprozess. Ausgangspunkt dessen ist die Beobachtung der eigenen Denktätigkeit, also das „Denken über das Denken“ (vgl. z.B. Gabriel 1996, Schneider 1987)

Die Welt sei nur eine „Erscheinung für die Sinne“[2] und die reine Erfahrung ein „bloßes Nebeneinander im Raume und Nacheinander in der Zeit.“ So sei alles unterschiedslos gleich wichtig, die Welt gedanklich eine vollkommen ebene Fläche. „Erst wenn der Funke des Gedankens in diese Fläche einschlägt, treten Erhöhungen und Vertiefungen auf.“ (Steiner 1886, S. 31, zit. nach Barz 1994, S. 36) Im Denken liegt also der Kern der Anthroposophie begründet. Doch räumt Steiner auch ein, dass sich im bloßen Denken keine echte Erkenntnis finden lasse: „Die volle Wirklichkeit eines Dinges ergibt sich uns im Augenblicke der Beobachtung aus dem Zusammengehen von Begriff und Wahrnehmung.“ (Steiner 1894, S. 85, zit. nach Barz 1994, S. 43)

Bedeutend in Steiners Weltanschauung sind seine verschiedenen Gliederungen des Menschen, auf die im Folgenden eingegangen wird.

2.3 Die Dreiheit des Menschen

Die Welt erscheint dem Menschen laut Steiner in dreifacher Art: Zuerst findet er etwas vor und nimmt es als gegebene Tatsache hin, im zweiten Schritt macht er die Welt zu seiner eigenen Angelegenheit, zu etwas, das eine Bedeutung für ihn hat, und entwickelt so im dritten Schritt ein Ziel, auf das er unaufhörlich hinstreben soll. So sind in jedem Menschen Leib, Seele und Geist in jeweils individueller Ausprägung miteinander verbunden. Mit seinem Leib ist der Mensch mit dem Vererbungsstrom verbunden, mit Geist ist seine Herkunft und Verbundenheit mit der geistigen Welt gemeint und die Seele ist die vermittelnde Instanz zwischen den beiden. (vgl. auch Rieder-Aigner 2000)

Dabei manifestieren sich die Wurzeleigenschaften der Seele, diese sind Vorstellungen, Gefühle und der Wille. Vorstellungen sind Bilder, die man von Erscheinungen gewonnen hat. Gefühle werden als die Einordnung in sympathisch und asympathisch getöntes Erleben beschrieben. „In seinen Gefühlen schafft sich der Mensch eine zweite Welt zu derjenigen hinzu, die von außen auf ihn einwirkt. (Steiner 1988) Letztendlich der Wille, welchen Wallek (1950) definiert als „Wollen das sich zur Absicht verdichtet“. Durch den Willen wirkt der Mensch wieder auf die Außenwelt zurück.

Hierbei sind Vorstellung und Wille die beiden Pole der Seele. Die menschliche Seele ist dabei jedoch mehr als die Summe ihrer drei Grundkräfte, sondern ein lebendiger Organismus mit Wechselwirkungen. Die drei Grundkräfte sind also nicht voneinander getrennte Vermögen, vielmehr besteht das konkrete Seelenleben aus vielfältigen Wechselwirkungen derselben. (vgl. hauptsächlich Steiner 1988, S. 146-153; Kranich 1990, S. 66-117)

2.4 Die Viergliederung des Menschen

Die Anthroposophie beschreibt den Menschen als vierfach gegliedert in den physischen Leib, den Ätherleib, den Astralleib und den Ich-Leib.

Der physische Leib setzt sich aus den selben organisch-mineralischen Stoffen und Kräften wie die gesamte leblose Welt zusammen. So unterliegt er den Gesetzen der physisch-materiellen Welt und kann naturwissenschaftlich erforscht werden. Sein Schwerpunkt ist laut Steiners Lehre das Skelett.

Der Ätherleib, auch Lebens- bzw. Bildekräfteleib, als innerste Umhüllung des physischen Leibes belebt und bildet diesen. Ihn besitzen in ihrer spezifischen Art zu Ernährung, Wachstum und Fortpflanzung auch Pflanzen und Tiere. Im Unterschied zu Letzteren aber ist er beim Menschen auch verantwortlich für Gewohnheiten, Gedächtnis, Temperament und Charakter. Er manifestiert sich in den Körperflüssigkeiten (z.B. Blut, Galle), woraus Steiner seine „Temperamentenlehre“[3] ableitete.

Der Astralleib oder Empfindungsleib umschließt die beiden unteren Wesenheiten. Wahrnehmbar ist er nur durch Inspiration und manifestiert sich im Atmungsprozess. Er gilt als Träger von Empfindungen, Schmerz, Lust und Begierde, welche auch Tieren in ihrer spezifischen Art eigentümlich sind. Der Schwerpunkt ist die Lunge.

Der Ich-Leib ist Träger des menschlichen Selbstbewusstseins, der Individualität und der Moralität. Er ist nur dem Menschen eigentümlich und unsterblich, das „ewig Geistige“ im Menschen, und nur demjenigen sichtbar, der seine Geistorgane bis zur Intuition geschult hat.

Veredelt wird das Ich durch die drei höheren Stufen des Geistselbst, Lebensgeist und Geistmensch.

Die Verwandlung des Ätherleibes führt zu verfeinerten Trieben, Begierden und Leidenschaften, das Geistselbst oder „Manas“ entsteht. Wiederum die Umwandlung des Ätherleibes führt zur willkürlichen Steuerung von Temperament, Charakter und Gedächtnis und der ihnen zugrunde liegenden Lebensprozesse, der Lebensgeist oder „Buddhi“ entsteht. Die Möglichkeit des Menschen, auf seinen physischen Leib gezielt einwirken zu können, z.B. auf Blutkreislauf, Atmung und Puls, konstituiert den Geistmensch oder das „Atma“. Auf der höchsten Stufe offenbart sich dem Erkennenden die geistige Welt. (vgl. z.B. Bohnsack/Kranich 1990)

Aus der Unsterblichkeit des Ichs folgert Steiner schließlich auch die Präexistenz und Reinkarnation der menschlichen Seele, bis zum resultierenden „Karma“ eines jeden Menschen. Parallel zu den vier Leibern des Menschen vollziehen sich auch die Stufen der Erkenntnis. Von der sinnlich-materiellen Erkenntnis durch den physischen Leib, über die Imagination als Stufe des geistigen Schauens im Ätherleib, zur Inspiration als geistiges Hören im Astralleib schließlich zur Intuition als unmittelbarer Erfahrung des Geistigen im Ich, im Mitmenschen und im Kosmos durch den Ich-Leib.

Die oberen drei Leiber sind durch die dreigliedrige „Aura“ wahrnehmbar, welche die Gestalt des Menschen einhüllt.(vgl. z.B. Ullrich 1991)

Die Entwicklung des Menschen vollzieht sich im ontogenetischen Sinne in rhythmischen Phasen, in Zeitintervallen von je sieben Jahren. Diese werden „Jahrsiebte“ genannt. Diese Entwicklung vollzieht sich in „Geburten“, bei denen im Kindesalter, also den ersten drei Geburten, jeweils auffallende körperliche und seelische Veränderungen (sogenannte Metamorphosen) stattfinden.

[...]


[1] Diese sind allerdings der Literatur entnommen, unterliegen also in ihren Darstellungen der jeweiligen persönlichen Meinung des Autors.

[2] Die New Catholic Encyclopedia spricht sogar davon, dass „his present mode of knowledge is only a dreamlike vestige of a primordial cognitive state.“ (Carson 2003, S. 512)

[3] vgl. dazu Kap. 2.5, S. 8f.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Waldorfpädagogik. Der Waldorfkindergarten
Hochschule
Fachhochschule Erfurt
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
27
Katalognummer
V93959
ISBN (eBook)
9783638072083
ISBN (Buch)
9783638956802
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Waldorfpädagogik, Beispiel, Waldorfkindergartens
Arbeit zitieren
Miriam Federer (Autor:in), 2004, Waldorfpädagogik. Der Waldorfkindergarten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93959

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