Ist das Hausratsverfahren noch verfassungs- und zeitgemäß?


Seminararbeit, 2007

40 Seiten, Note: 14 Punkte


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

B. Das Hausratsverfahren nach der HausratsVO
I. Defizite der Regelungen zur Verteilung von Wohnung und Hausrat bei
Scheitern der Ehe vor dem Erlass der HausratsVO
II. Entstehung und Erlass der HausratsVO
III. Überblick über das Hausratsverfahren nach der HausratsVO
1. Verfahrensgrundsätze
2. Begriffsdefinition „Hausrat“
3. Regeln über die Zuweisung des Hausrats
a) Billigkeitsentscheidung des Richters gemäß § 2 HausratsVO
b) Zuweisung von Hausrat gemäß § 8 HausratsVO
c) Zuweisung von Hausrat gemäß § 9 HausratsVO
d) Regelung des § 10 HausratsVO

C. Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 8 und 9 HausratsVO
I. Fortgeltung der HausratsVO in der Bundesrepublik Deutschland nach
Art. 123 I GG
II. Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 HausratsVO mit Art. 14 GG
1. Überblick der Rechtsprechung und des Schrifttums zur Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 HausratsVO mit Art. 14 GG
2. Stellungnahme zur Vereinbarkeit der §§ 8 und 9 HausratsVO mit
Art. 14 GG
a) Vereinbarkeit des § 8 I, III HausratsVO mit Art. 14 GG
aa) Eingriff des § 8 I, III HausratsVO in den Schutzbereich von Art. 14 GG
(1) Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 14 GG
(2) Eingriffsprüfung im engeren Sinne
bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
(1) Begriff des Gesetzes gemäß Art. 14 I S. 2 GG
(2) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
(a) § 8 I, III HausratsVO zum Allgemeinwohl
(b) Geeignetheit des Eingriffs
(c) Erforderlichkeit des Eingriffs
(d) Angemessenheit des Eingriffs
b) Vereinbarkeit des § 8 II HausratsVO mit Art. 14 GG
aa) Eingriff des § 8 II HausratsVO in den Schutzbereich von Art. 14 GG
bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
(1) § 8 II HausratsVO zum Allgemeinwohl
(2) Geeignetheit des Eingriffs
(3) Erforderlichkeit des Eingriffs
(4) Angemessenheit des Eingriffs
c) Vereinbarkeit des § 9 I, II S. 2 HausratsVO mit Art. 14 GG
aa) Eingriff des § 9 I, II S. 2 HausratsVO in den Schutzbereich von Art. 14 GG
(1) Hoheitlicher Rechtsakt
(2) Eigentumsübertragung an Private als Enteignung
bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
(1) Vorliegen einer Junktimklausel
(2) Eingriff zum Wohl der Allgemeinheit
(3) Verhältnismäßigkeit des Eingriffs
(a) Geeignetheit des Eingriffs
(b) Erforderlichkeit des Eingriffs
d) Vereinbarkeit des § 9 I, II S. 1 HausratsVO mit Art. 14 GG
aa) Eingriff des § 9 I, II S. 1 HausratsVO in den Schutzbereich von Art. 14 GG
bb) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Eingriffs
(1) § 9 I, II S. 1 HausratsVO zum Allgemeinwohl
(2) Geeignetheit des Eingriffs
(3) Erforderlichkeit des Eingriffs

D. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung

Bis heute regelt eine Verordnung aus dem Jahr 1944 das Hausratsverfahren, d. h. die Verteilung der Hausratsgegenstände und die Zuweisung der Ehewohnung bei der Scheidung: Die „Verordnung über die Behandlung der Ehewohnung und des Hausrats“ entstand vor dem Hintergrund, dass sich der Wohnraum im Deutschen Reich im Zweiten Weltkrieg zunehmend verknappte und dass ein erheblicher Mangel an Möbeln und an sonstigem Hausrat bestand.[1] Bei Kriegsende waren im Reichsgebiet 3,5 bis 4 Millionen Wohnungen zerstört, jede fünfte Wohnung war unbewohnbar und der Besitz von alltäglichem Hausrat wie Löffel und Teller war vielerorts nicht mehr selbstverständlich.[2] Auch nach dem Krieg hielt die Mangelsituation in zunächst unverminderter Schärfe an und entspannte sich erst im Laufe der 1950er Jahre.[3] Die HausratsVO trug den damaligen Verhältnissen Rechnung: Sie ermöglicht eine schnelle, den Bedürfnissen des Einzelfalls angepasste Auseinandersetzung um die Hausratsgegenstände und die Ehewohnung.[4]

Das Hausratsverfahren ist in den §§ 8 bis 10 HausratsVO geregelt. Der Richter verteilt Hausratsgegenstände, die beiden Ehegatten gemeinsam gehören, gerecht und zweckmäßig (§ 8 I HausratsVO) und teilt sie nach § 8 III S. 1 HausratsVO einem der beiden Ehegatten als Alleineigentum zu. Der Richter kann laut § 9 I, II S. 2 HausratsVO auch notwendige Gegenstände, die einem Ehegatten alleine gehören, dem anderen Ehegatten als Alleineigentum zuweisen, sofern dieser auf die Weiterbenutzung angewiesen ist und es dem Ehegatten, dem die Hausratsgegenstände gehören, zugemutet werden kann, sie dem anderen Ehepartner zu überlassen.

Die HausratsVO gilt weiterhin, obwohl sich die Verhältnisse im Vergleich zu den 1940er Jahren verändert haben: Eine Mangelsituation besteht nicht mehr und heutzutage dürfte in den meisten Ehen der Hausrat einen beträchtlichen Wert haben. Daher ist die Frage zu stellen, ob die Hausratsverteilung nach der HausratsVO noch verfassungs- und zeitgemäß ist. Geprüft werden soll ein Verstoß der §§ 8 und 9 HausratsVO[5] gegen Art. 14 GG.

Es wird wie folgt vorgegangen: Zuerst werden die für das Hausratsverfahren relevanten Bestimmungen der HausratsVO dargestellt und erläutert. Auf dieser Grundlage wird danach die forschungsleitende Frage durch eine Prüfung der §§ 8 und 9 HausratsVO auf Verfassungsmäßigkeit beantwortet. Es schließt sich ein Fazit an.

B. Das Hausratsverfahren nach der HausratsVO

Zu einer Darstellung des Hausratsverfahrens nach der HausratsVO gehört eine Beschreibung, wie die Sachverhalte der Hausrats- und der Wohnraumteilung vor dem Erlass der Verordnung geregelt waren. In einem zweiten Schritt wird kurz auf die Entstehung der HausratsVO Bezug genommen, bevor das Hausratsverfahren nach der HausratsVO als solches thematisiert wird.

I. Defizite der Regelungen zur Verteilung von Wohnung und Hausrat bei Scheitern der Ehe vor dem Erlass der HausratsVO

Vor dem Erlass der HausratsVO existierten keine besonderen Regelungen zur Auseinandersetzung über die Wohnung und den Hausrat bei Scheitern der Ehe, sodass die allgemeinen Vorschriften über die Aufhebung einer Gemeinschaft, vor allem also die §§ 752 und 753 BGB galten.[6] Danach musste eine Teilung in Natur durchgeführt werden (§ 752 BGB). Nicht in Natur teilbare Gegenstände, die beiden Ehegatten gehörten, mussten durch Verkauf verwertet werden. Der Erlös konnte anschließend verteilt werden (§ 753 I BGB).

Unter Umständen konnte bei diesem starren Teilungsverfahren keiner der Ehegatten das Eigentum an den Hausratsgegenständen erlangen.[7] Darüber hinaus ist das gemeinsame Mietrecht an der Ehewohnung nicht teilbar. Wenn sich die Ehegatten über den Hausrat und die Ehewohnung nicht einigen konnten, bestand mithin die Gefahr, dass der Besitz oder das Eigentum daran auf Dritte übergingen.

Angesichts der Verknappung von Wohnraum und Hausrat in den letzten Kriegs- und den ersten Nachkriegsjahren entsprach dies nicht den Interessen der Eheleute.[8]

Überdies ist zu berücksichtigen, dass das eheliche Güterrecht bis zum Erlass der HausratsVO nicht berufstätige Ehefrauen, die oft zugleich Mütter waren, stark benachteiligte; die meisten Ehepaare lebten im gesetzlichen „Güterstand der Verwaltung und Nutznießung des Ehemannes am eingebrachten Gut der Frau“, in dem Gütertrennung herrschte.[9]

Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft und damit das Zugewinnausgleichsverfahren wurden erst am 1. Juli 1958 durch das Gleichbehandlungsgesetz eingeführt.[10] Bis dahin wurde ein während der Ehe erwirtschafteter Zugewinn (des Mannes) im Falle der Scheidung nicht ausgeglichen. Nicht berufstätige Ehefrauen hatten, vor allem wenn ihnen das elterliche Sorgerecht für die gemeinsamen Kinder zugesprochen wurde, bei der Errichtung des eigenen Hausstandes oft große finanzielle Schwierigkeiten.[11]

II. Entstehung und Erlass der HausratsVO

Durch die HausratsVO sollten diese Unzulänglichkeiten der allgemeinen materiellen Rechtsnormen beseitigt und den Gerichten die Möglichkeit gegeben werden, eine schnelle, zweckmäßige und den Bedürfnissen des Einzelfalls angepasste Regelung zu treffen.[12]

Die HausratsVO wurde als sechste Durchführungsverordnung zum EheG von 1938 am 21. Oktober 1944 vom Reichsminister der Justiz erlassen und trat am 1. November desselben Jahres in Kraft; der Reichsminister der Justiz war gemäß § 131 EheG ermächtigt, Vorschriften des BGB und anderer Gesetze zu ändern und zu ergänzen, um sie – falls erforderlich – mit den Bestimmungen des EheG in Einklang zu bringen, sowie Vorschriften zur Durchführung und Ergänzung des EheG zu erlassen.[13]

Das Reichsministerium des Innern hatte die Veröffentlichung der HausratsVO zunächst mit der Begründung abgelehnt, dass die Bevölkerung im Zuge des „Totalen Krieges“ sehen solle, dass die obersten Reichsbehörden nur noch das absolut Nochwendige bearbeiteten; die HausratsVO sei als nicht kriegswichtig anzusehen.[14] Das Reichsjustizministerium argumentierte dagegen, dass es infolge der zunehmenden Verknappung an Hausrat und Wohnraum notwendig sei, den Richtern gesetzlich die Möglichkeit zu geben, schnell und einfach klare und billige Entscheidungen zu treffen. Außerdem seien Scheidungen laut einer Anordnung des „Führers“ aus bevölkerungspolitischen Gründen auch während des „Totalen Krieges“ notwendig. Das Justizministerium setzte sich durch, sodass die HausratsVO verkündet werden und in Kraft treten konnte.

[...]


[1] Hoffmann/Stephan, 13.

[2] Herbst, 77.

[3] Staudinger- Weinreich, Einleitung zur HausratsVO Rn. 5.

[4] Fehmel, Vorbemerkungen Rn. 2.

[5] Es würde den Rahmen der Ausarbeitung sprengen, auch die Vorschrift des § 10 HausratsVO auf Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Zusammen mit den §§ 8 und 9 HausratsVO bildet die Schuldenregelung nach § 10 HausratsVO einheitlich die „Hausratsverteilung“ (vgl. Soergel- Heintzmann, § 10 HausratsVO Rn. 1). Da die Auseinandersetzung um den Hausrat als solche vornehmlich in §§ 8 und 9 HausratsVO geregelt ist, entschloss sich der Verfasser, den Schwerpunkt der Ausarbeitung auf die Prüfung dieser beiden Vorschriften zu legen.

[6] Hoffmann/Stephan, 13.

[7] Jung, 4 (Quelle bezieht sich auf den ganzen Absatz).

[8] Staudinger- Weinreich, Einleitung zur HausratsVO Rn. 3.

[9] Jung, 4.

[10] Schlüter, Rn. 101.

[11] Jung, 5 f.

[12] Staudinger- Weinreich, Einleitung zur HausratsVO Rn. 4.

[13] Staudinger- Weinreich, Einleitung zur HausratsVO Rn. 1.

[14] Schubert JZ 1983, 939, 943 (Quelle bezieht sich auf den ganzen Absatz).

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Ist das Hausratsverfahren noch verfassungs- und zeitgemäß?
Hochschule
Universität Münster
Veranstaltung
Seminar im Familien- und Erbrecht
Note
14 Punkte
Autor
Jahr
2007
Seiten
40
Katalognummer
V91197
ISBN (eBook)
9783638046015
ISBN (Buch)
9783638941556
Dateigröße
569 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hausratsverfahren, Seminar, Familien-, Erbrecht
Arbeit zitieren
Philipp Schnorbus (Autor:in), 2007, Ist das Hausratsverfahren noch verfassungs- und zeitgemäß?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91197

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ist das Hausratsverfahren noch verfassungs- und zeitgemäß?



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden